Titel: | Kleinau's Sicherheitsschloss; von Prof. E. Hoyer. |
Autor: | E. Hoyer |
Fundstelle: | Band 229, Jahrgang 1878, S. 523 |
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Kleinau's Sicherheitsschloſs; von Prof. E. Hoyer.
Mit Abbildungen auf Tafel 43.
Hoyer, über Kleinau's Sicherheitsschloſs.
Seitdem der Amerikaner Yale etwa ums
J. 1854 durch die Erfindung des sogen. „Steckschlüssels“ eine vollständig
neue Anordnung und Wirkungsweise der Theile herbeiführte, welche durch ihre relative
Stellung und Verschiebung die Unbeweglichkeit oder die Beweglichkeit des Riegels
eines Combinationsschlosses bedingen, und damit ein neues Princip für die Erbauung
von Sicherheitsschlössern aufstellte, welche unter dem Namen „Stechschlösser“
seit etwa 1862 in Deutschland bekannt geworden sind (vgl. *1865 175 344. 1877 224 480), hat es
auch hier nicht an gelungenen und miſslungenen Versuchen gefehlt, durch einfachere
und verbesserte Construction der Combinationstheile das Yale'sche Princip zur Geltung zu bringen.
Das Yale'sche Schloſs besteht dem
Wesen nach aus einem drehbaren, den Riegel verschiebenden Cylinder, welcher der
Länge nach mit einem etwa 2mm breiten und 15mm hohen Schlitz versehen ist, in welchem
seitwärts und radial zur Cylinderachse 3 bis 6 runde Bohrungen einmünden, welche die
Bestimmung haben, runde Stifte aufzunehmen, die aus einem Nebengehäuse so weit
heraus und in diese Löcher eintreten, daſs der Cylinder an der Drehung und der
Riegel dadurch an der Verschiebung verhindert wird, während umgekehrt die Wegräumung
der den Cylinder festhaltenden Stifte oder Zuhaltungen die Beweglichkeit des Riegels
durch den Cylinder herbeiführt. Zu diesem Zwecke wird nun in dem genannten, das
Schlüsselloch vertretenden Schlitz eine schmale, 2mm dicke Platte eingesteckt, welche mit der Längskante die Zuhaltungen bis
zur äuſseren Peripherie des Cylinders zurückdrängt, dadurch diesen frei macht und
nunmehr wie ein gewöhnlicher Schlüssel den Riegel durch Drehung in Bewegung setzt.
Die Sicherheit des Schlosses liegt dabei in der Verschiedenheit der Gröſsen, um
welche die Zuhaltungen zurückgeschoben werden müssen, und die an der Längskante des
Stechschlüssels correspondirende, zahnartige Einschnitte von ungleicher Tiefe nöthig
machen. Die Eigentümlichkeit des Principes dieses Schlosses liegt demnach darin,
daſs die Zuhaltungen rechtwinklig zur Achse, aber ohne Drehung des Schlüssels
verschoben werden, daſs die Bewegung des Riegels durch Drehung des Cylinders
(allerdings mit demselben Schlüssel) vor sich geht, und daſs durch die Form des
Schlüsselloches das Einbringen von Aufsperrwerkzeugen auſserordentlich erschwert
wird.
Mit Beibehaltung sowohl des Zuhaltungsprincips, als des Princips,
„den Riegel durch Drehung entweder mittels des Stechschlüssels selbst, oder
eines besonderen Drehorgans (Knopf, Olive etc.) zu bewegen“ sind auch
namentlich in Deutschland und Oesterreich eine Anzahl Schlösser ausgedacht und
gebaut, welche einen eminenten Scharfsinn in der Anordnung aufweisen und durch
groſse Sicherheit glänzen.
Vereinfacht wird offenbar das Combinationsschloſs noch, wenn statt
des oben genannten Drehprincips dasjenige in Anwendung gebracht wird, bei dem eine
directe Verschiebung des Riegels stattfindet, weil dann alle zum Drehen
erforderlichen Theile in Wegfall kommen.
Eine solche Vereinfachung ist nach dem Bayerischen Industrie-
und Gewerbeblatt, 1878 S. 124 an dem durch Fig. 2 bis
9 Taf. 43 dargestellten Sicherheits-Combinationsschloſs (D. R. P. Nr. 504
vom 3. Juli 1877) aus der Fabrik von Kleinau und Comp.
in Hamburg, welches im Uebrigen das oben angedeutete Zuhaltungsprincip aufweist, zur
Ausführung gebracht. Dasselbe gehört daher zu der Gattung der Stechschlösser, mit
einem in Fig. 2 in n.
Gr. gezeichneten platten Schlüssel und besteht zunächst aus dem Riegel A und den Zuhaltungen B.
Der gehörig sicher geführte Riegel A nimmt bei x einen durch Einschrauben zu befestigenden Stift auf,
der nach auſsen tritt, um von hier aus, durch die Hand geführt, den Riegel zu
bewegen. Ferner hat derselbe drei Einschnitte 1, 2, 3
von verschiedener Breite und Tiefe zur Aufnahme derjenigen Theile, welche die
Sperrung veranlassen oder aufheben, wie dies aus den durch Fig. 3 bis
6 vor Augen geführten vier verschiedenen Stellungen des Riegels und der
Zuhaltungsorgane erklärt werden soll.
Die eigentlichen Zuhaltungen B bestehen aus mehreren
Messingplättchen, welche in der Riegelebene, zwischen den am Schloſsgehäuse
sitzenden Stegen y, z gleiten und durch ihr eigenes
Gewicht niederfallen, und zwar je nach der Stellung des Riegels in den Einschnitt
1 oder 3. Liegen sie
(Fig. 3) in dem Einschnitt 1, so wird der
Riegel am Herausschieben verhindert, weil der Riegelsteg a gegen die Zuhaltungen stöſst. Befinden sie sich jedoch in dem
Einschnitts (Fig. 5), so
kann sich der vollständig herausgeschobene Riegel gar nicht bewegen, weil auſser dem
Steg a auch noch der Kacken b von den Zuhaltungen arretirt wird. Um daher zunächst das Herausschieben
des Riegels zu ermöglichen, sind die Zuhaltungsplättchen B aus dem Einschnitt 1 so weit herauszuheben,
daſs die Oberkante des Steges a darunter durch kann,
also in eine Lage zu bringen, welche Fig. 4
vergegenwärtigt. Dazu dient ein kleiner Messingklotz d,
welcher in dem tiefen Einschnitt 2 beweglich angebracht
ist, und das vordere, spitzbogenartig auslaufende Ende p des Schlüssels Fig. 2.
Indem nämlich der letztere durch den als Schlüsselloch dienenden, in der Zeichnung
schräg schraffirten Schlitz in das Schloſs geführt wird, drängt sich dessen Spitze
keilförmig zwischen deren Lochwand und den Klotz d,
hebt diesen und damit die Zuhaltungen. In diesem Zustande, d.h. mit dem Schlüssel im
Schlosse, muſs sodann der Riegel so weit vorgeschoben werden, bis sich die
Zuhaltungen B auf den Steg a gelegt haben, weil dieselben beim früheren Ausziehen des Schlüssels ja
in den Einschnitt 1 zurückfallen. Nach Entfernung des
Schlüssels gestattet sodann die Lage der einzelnen Theile in Fig. 4 das
Herausschieben des Riegels vollständig und so weit, daſs, wie Fig. 5
zeigt, die Zuhaltungen B in den Einschnitt 3 fallen und den Verschluſs bewirken.
Zur Lösung dieses eigentlichen Verschlusses sind die Platten B abermals so hoch zu heben, daſs die obere Kante des Steges a dieselben ebenfalls passiren kann. Zu diesem Zwecke
sind nunmehr die eigenthümlich ausgeschnittenen, durch Fig. 7 bis
9 in n. Gr. vorgeführten Plättchen C
angebracht, welche in dem Einschnitt 3 des Riegels
liegen, sich frei darin bewegen können und bei einer etwaigen Hebung nach oben die
Zuhaltungen hinaufschieben. In diesen Plättchen C liegt
eine besondere Eigenartigkeit des vorliegenden Schlosses in so fern, als sie nicht
direct durch den Schlüssel beim Einstecken, sondern erst durch eine Rückwärtsbewegung des
Riegels emporgehoben werden. Die Mittelstücke m
derselben sind nämlich, wie Fig. 7 bis
9 am besten erkennen lassen, mit schrägen Kanten versehen, welche mit den
Zähnen 1 bis 5 des
Schlüssels derart correspondiren, daſs sie sich bei der Bewegung des Schloſsriegels
nach innen zuerst an die Zahnkanten des eingesteckten Schlüssels legen, darauf sich
an denselben in die Höhe schieben und bei dieser Bewegung die Zuhaltungen heben,
unter welche sich dann wegen der Verschiebung des Riegels sofort der Steg a legt. Sowie hierauf aber der Riegel weiter geschoben
wird, gelangen die Einschnitte o über den Schlüssel und
machen die Platten C sowie den Schlüssel frei, so daſs
die ersteren, ebenfalls durch ihr eigenes Gewicht, wieder niederfallen und der
Schlüssel herausgezogen werden kann, wodurch nun das vollständige Zurückschieben des
Riegels ermöglicht wird.
Die eigentlichen Sicherheitsorgane gegen unbefugtes Oeffnen dieses Schlosses bilden
die Plättchen C mit den Mittelstücken m und den Abschrägungen, weil sie allein die Einwirkung
auf die Zuhaltungen B übermitteln. Sie müssen zwar
sämmtlich gleich hoch gehoben werden; allein ihre Angriffspunkte liegen in
verschiedenen Höhen und werden bestimmt durch die Länge der Mittelstücke m und demnach durch die Zähne am Schlüssel, so daſs die
Sicherheit aus diesem Grunde gleich derjenigen eines mit ebenso viel Zuhaltungen
versehenen Chubb- oder Bramah-Schlosses ist. Mit dieser Sicherheit hat sich der Erfinder jedoch
nicht begnügt, sondern dieselbe wesentlich durch folgende Einrichtung fast zur
absoluten gesteigert.
Bei der in Fig. 5
gezeichneten Stellung des Riegels wird dieser nicht durch sämmtliche Zuhaltungen B festgehalten, sondern nur durch die eine zu unterst
liegende an der Rückschiebung verhindert. Dieses eine Zuhaltungsplättchen, welches
um etwa 1mm länger als die anderen ist, ist
absichtlich leicht zugänglich gemacht, indem sich dasselbe mit einem in das
Schlüsselloch eingeführten Draht oder sonstigen Stäbchen durch die Vermittelung des
correspondirenden Plättchens C leicht heben läſst und
den Riegel frei macht. Wird sodann aber in diesem Zustande der zu diesem Zwecke
zweitourig angeordnete Riegel um eine Tour hereingeschoben, so stoſsen die
Zuhaltungen B mit ihren unteren Absätzen nicht nur
gegen den Steg a, wie Fig. 6
deutlich zeigt, sondern sie haken sich in den kleinen Einschnitt dieses Steges und
können in dieser Stellung des Riegels daher überhaupt gar nicht gehoben werden. Erst
ein neues Herausschieben des Riegels hakt sie wieder aus und macht sie in Folge
dessen durch die Plättchen C wieder beweglich. Weil
jedoch bei dem genannten Zurückschieben der Riegel leicht so weit vorgeschoben wird,
daſs sich der ursprüngliche, in Fig. 5
gezeichnete Zustand wiederherstellt, so muſs der Oeffnungsversuch durchaus von Neuem
beginnen. Nur bei einer Zwischenstellung des Steges zwischen der in Fig. 5 und
Fig. 6 gezeichneten ruht auch das eine (Vexir-) Plättchen auf dem Steg
a, ohne daſs die Zuhaltungen B sich einhaken, so daſs in dieser Lage ein Oeffnen
durch Hinaufschieben der Plättchen C möglich ist. Aber
auch diese Möglichkeit ist dadurch weit in die Ferne gerückt, daſs die Plättchen C bei der geringsten Hebung über die Riegelkante mit
den Vorsprüngen n gegen den Schloſssteg z stoſsen und abermals den Riegel sperren. Durch diese
verschiedenen bei jeder anderen Riegellage sich wieder ändernden Hindernisse hat in
der That die Sicherheit des vorliegenden Schlosses gegen unbefugtes Oeffnen einen
Grad erreicht, der wohl nichts mehr zu wünschen übrig lassen dürfte.
Verfolgt man die zum Oeffnen und Verschlieſsen des Kleinau'schen Schlosses erforderlichen Vorgänge, so erkennt man leicht,
daſs ein wesentlicher Vortheil auch noch darin liegt, daſs der Schlüssel sowohl beim
Oeffnen, als auch beim Schlieſsen gebraucht werden muſs, wodurch die Möglichkeit
beseitigt ist, den Schlüssel selbst mit einzuschlieſsen. Ferner muſs zum
vollständigen Oeffnen und Schlieſsen der Schlüssel abgezogen werden, kann demnach
nie im Schlosse stecken bleiben und dadurch Gelegenheit zum Copiren geben.
Eine Beschränkung in der Anwendung dieses Schlosses liegt in der Notwendigkeit einer
solchen Anbringung, daſs die beweglichen Theile B, C, d
in eine Verticalebene zu liegen kommen, weil sie sich zum Theil durch ihr eigenes
Gewicht verschieben sollen. Da diese Anbringung nur eine horizontale Bewegung des
Riegels zuläſst, so ist der Gebrauch des Schlosses in vorliegender Form für
Schubladen und ähnliche zu verschlieſsende Behälter ausgeschlossen. Auch dieser
Beschränkung ist jedoch neuerdings durch eine Modification in der Anordnung der
Zuhaltungen abgeholfen, indem diese, mit Beibehaltung des allgemeinen Princips,
drehbar gemacht und mit Federn ausgestattet sind.
Im Uebrigen liegt mir eine gröſsere Zahl dieser Schlösser in höchst sauberer Arbeit
vor, welche die vielseitigste Verwendung derselben als Einsteckschloſs für Stuben-,
Laden- und Hausthüren, zugleich in Verbindung mit gewöhnlichen Schubriegeln, Fallen
u.s.w., zeigen und Dimensionen aufweisen, welche die Anbringung selbst in dünnen
Thüren zulassen, indem das Schloſsgehäuse nur 12mm
Dicke, 73mm Höhe und 94mm Tiefe, der Stulp 118mm Länge und 28mm Breite besitzt.