Titel: | Die Jodindustrie in Frankreich; von C. Deite. |
Autor: | C. Deite |
Fundstelle: | Band 230, Jahrgang 1878, S. 53 |
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Die Jodindustrie in Frankreich; von C.
Deite.
Deite, über die Jodindustrie in Frankreich.
Das vorige Jahr brachte uns einen interessanten Artikel über Jodgewinnung von E. C. C. Stanford (vgl. 1877 226 85), der vorzugsweise die schottischen Verhältnisse berücksichtigt.
Der Verfasser erwähnt dabei, welch gefährlicher Concurrent der schottischen
Industrie in dem chilenischen Jod erwachsen ist, welches aus den Mutterlaugen bei der Verarbeitung der
Caliche von Peru gewonnen wird; dies gilt auch für die französischen Verhältnisse.
Die einst so blühende französische Jodindustrie hat nicht minder unter dieser
Concurrenz und dem dadurch bedingten gewaltigen Preisrückgang zu leiden gehabt. Der
Preis für 1k Jod betrug in Frankreich 1871/72 97
Franken, Ende 1876 nur 20 Fr. und ist 1877 nur wieder auf 24 Fr. gestiegen. In Folge
dessen ist ungefähr die Hälfte der französischen Jodfabriken eingegangen, und
beinahe der ganze RestIn mehreren Lehrbüchern der Chemie und chemischen Technologie ist angegeben,
daſs in Frankreich nur zwei Jodfabriken vorhanden sind: dies ist nicht
richtig. Pellieux schätzt die Zahl der jetzt
noch existirenden Jodfabriken auf 10 bis 12. Auf der Ausstellung ist die
französische Jodindustrie durch 7 Firmen vertreten: Carof und Comp. in Ploudalmézeau, Gebrüder
Glaizot in Abervrach, Gebrüder De
l'Ecluse-Trévoédal in Audierne, Mazé-Launay
und Pellieux in Kerhuon, Paisant und
Comp. in Pont-l'Abbé, Pellieux und A.
Mazé-Launay in Kerhuon und F. Tissier
in Conquet. fristet nur dadurch ein kümmerliches Dasein, daſs
unterm 31. März d. J. zwischen den chilenischen, französischen und schottischen
Fabriken eine Vereinbarung, vorläufig auf 2 Jahre, zu Stande gekommen ist. Schuld
daran, daſs die meisten französischen Fabriken die chilenische Concurrenz nicht
auszuhalten im Stande sind, ist vor allen Dingen das jetzt noch in Frankreich fast
allgemein übliche unvollkommene Verfahren der Gewinnung und Verarbeitung der Tange,
wie dies schlagend nachgewiesen ist in einer Broschüre: „L'industrie française de l'iode à l'exposition de 1878,“ die von
J. Pellieux verfaſst und von Pellieux und Mazé-Launay zusammen mit ihren Fabrikaten
ausgestellt ist. Die erwähnte Broschüre, die ich der Güte des Hrn. Pellieux verdanke, liegt hauptsächlich der folgenden
Darstellung zu Grunde.
Von den 400 bis 500 Fucusarten, welche an der Westküste Frankreichs gefunden werden,
eignen sich höchstens ein Dutzend zur Jodfabrikation; verarbeitet werden
hauptsächlich: Fucus vesiculosus, nodosus, siliquosus,
serratus (diese vier heiſsen in Frankreich goëmons
noirs), loreus (lacets), esculentus, bulbosus (tuet), saccharinus (frisou), digitatus
stenolobus (thali) und digitatus stenophyllus (calcut). Jede dieser
Algen wächst in einer bestimmten Tiefe des Meeres; je tiefer eine Species wächst, um
so reicher ist sie an Jod. Setzt man den Jodgehalt von Digitatus stenophyllus = 100, so repräsentiren:
Digitatus
stenolobus (calcut)
neues LaubStengelaltes Laub (goëmons
d'avril)ganze Pflanze
122,89109,3358,0366,16
Saccharinus
"
45,48
Vesiculosus
Nodosus
Serratus
Siliquosus
goëmons noirs (im
Mittel)
12,14
Esculentus (Alaria esculenta)
10,84
Bulbosus
7,83.
Doch ist zu bemerken, daſs der Gehalt an Jod sich bei
derselben Art in Folge des Standortes ändern kann. Im Allgemeinen kann man sagen, je
langsamer die Algen wachsen, um so reicher sind sie an Jod. Die Temperatur scheint
bei der Assimilation des Jodes eine groſse Rolle zu spielen. Je weiter die Algen
nach Norden wachsen, um so reicher sind sie an Jod. Auch ändert sich der Jodgehalt
mit der Jahreszeit; das Maximum erreicht derselbe im Winter, das Minimum fällt auf
Juni, Juli, August. Die durch die Jahreszeit bedingte Differenz kann bis zu 40 Proc.
betragen.
Saccharinus und Digitatus
wachsen in einer Tiefe von wenigstens 5 bis 11m
unter dem niedrigsten Wasserstand zur Zeit der Ebbe und können nur zur Zeit der Ebbe
mit eigens dazu ausgerüsteten Fahrzeugen gesammelt werden. Mit Hilfe von 5 bis 6m langen Stangen, die unten mit Sicheln oder Haken
versehen sind, werden die Algen losgerissen und steigen dann an die Oberfläche. Die
Ostküste von Finistère hält eine Flotille von 1000 bis 1200 Fahrzeugen, die zum
Sammeln der Algen bestimmt sind; dagegen lassen die Heftigkeit der Stürme, die
Erhebung der Dünen über das Niveau des Meeres und die Unmöglichkeit zu landen diese
Art des Sammelns an dem gröſsten Theile der Westküste nicht zu. Uebrigens hindert
der Umstand, daſs gerade zur Zeit der groſsen Ebben das Meer sehr unruhig ist, oft
genug das Sammeln der tief wachsenden Algen. Anstatt in so beschwerlicher Weise die
Algen zu sammeln, nehmen die gewöhnlichen Varech-Brenner ihre Zuflucht zu den
Schnitt- und Treibalgen, die mit leichter Mühe und in reichlicher Menge zu
beschaffen sind. Mit dem Namen Schnittalgen (goëmons de
coupe) bezeichnet man die in sehr seichem Wasser wachsenden Fucus nodosus, serratus, vesiculosus, siliquosus und
loreus. Treibalgen (goëmons épaves) dagegen
heiſsen alle diejenigen, welche an das Land getrieben werden, sei es, daſs sie in
Folge erlangter Reife sich losgelöst haben, sei es, daſs sie durch Stürme
losgerissen sind.
Die Zeit der Reife ist bei den verschiedenen Fucusarten verschieden. Bulbosus beginnt im Juli sich loszulösen und wird im
August reichlich ans Land getrieben; er ist einjährig, erreicht beträchtliche Längen
(bis zu 5 und 6m) und gebraucht fast 4 Monate, um
sich vollständig zu entwickeln. Saccharinus reift gegen
den September und löst sich im October und November. Digitatus stenolobus entledigt sich alle Jahre im April seines alten
Laubes. Da diese Alge sehr häufig ist, so bildet sie in manchen Gegenden mehr als
die Hälfte der jährlichen Ernte. Digitatus stenophyllus
ist mehrjährig, woraus sich unzweifelhaft sein bedeutender Jodgehalt erklärt.
Vermöge seiner gewaltigen wurzelartigen Ausbreitungen sitzt er sehr fest auf den
Felsen, von wo er gewöhnlich im Sommer nur durch die langen Sicheln der Fischer oder
durch die heftigen Stürme des Winters losgerissen wird.
Die Treibalgen kommen erst an die Küste, nachdem sie mehrere Tage im Meere umhergetrieben
sind. Dieser kurze Aufenthalt im Meere kann ihre Beschaffenheit sehr bedeutend
ändern, ohne daſs die äuſsere Erscheinung diese Veränderung andeutet, Aus
zahlreichen Versuchen, welche Pellieux angestellt hat,
geht hervor, daſs Algen, nach einem Aufenthalt im Meere:
von
2
Tagen nur
59
Proc. des ursprünglichen Jodgehaltes
3
39
4
28
5
27
6
26
7
25
8
19
9
8
10
7
zeigen. Ein weiterer Uebelstand bei den Treibalgen ist, daſs
verschiedene Arten unter einander gemischt angetrieben werden, und daſs in diesen
Gemengen jodarme Algen vorwalten.
Mit alleiniger Ausnahme der Fabriken von Mazé-Launay und
Pellieux werden die Tange in Frankreich in der primitivsten Weise
verarbeitet. Noch heute wie vor 50 Jahren werden dieselben von den Küstenbewohnern
in offenen Gruben eingeäschert. Ueber die mannigfachen Nachtheile, welche dieses
Verfahren im Gefolge hat, ist oftmals geschrieben worden, und hat bekanntlich Stanford bereits i. J. 1862 empfohlen, die Algen zu
destilliren. Die Nachtheile des Verfahrens sind kurz folgende. Die Tange können in
den Gruben nur trocken verbrannt werden; auch kann dies nur bei gutem Wetter
geschehen. Die ganze Fabrikation ist deshalb auf die heiſsen Monate Juli, August,
September und Anfang October beschränkt. Der Varech-Brenner hat übrigens noch ein
besonderes Interesse mit dem Brennen nicht vor dem Juli zu beginnen. Seit einiger
Zeit sind diese Tange ein sehr gesuchtes Düngemittel, und so findet am 24. Juni an
der Ostküste von Finistère ein groſser Markt für dieselben statt, zu welchem die
Landwirthe aus dem Innern erscheinen. Nur was diese übrig lassen, wird
eingeäschert.
Ein groſser Uebelstand ist, daſs der Varech-Brenner keine Rücksicht auf die
Beschaffenheit des Materials nimmt; er verwendet das, was am bequemsten zu
beschaffen ist, d.h. die verhältniſsmäſsig an Jod armen Schnittalgen und Treibalgen
des Sommers, während er die weit bessern Treibalgen des Winters verloren geben muſs,
da er sie nicht zu trocknen vermag. Eine groſse Quelle des Jodverlustes ist das
Trocknen der Algen. Der Varech-Brenner ist genöthigt, den Tang im Freien
auszubreiten, ohne ihn den Einflüssen der Witterung entziehen zu können. Die Algen
sind gegen letztere auſserordentlich empfindlich und werden durch sie noch mehr
verschlechtert als durch das Salzwasser des Meeres. Der Seetang kommt nur nach Sturm
und den Regen bringenden Westwinden reichlich an die Küste, und dem reichlichen Antrieb folgt gewöhnlich
in 2 bis 3 Tagen Regen. Der zu kleinen Haufen aufgeschichtete frische Seetang geht
nach wenigen Tagen in Gährung über und verliert dabei die Hälfte seines Gewichtes
und seiner Salze. Während man nur 16 bis 18t durch
Kähne aus dem Meere gesammelte und grün verbrannte Algen nöthig hat, um 1t Soda mit einem Gehalt von 14 bis 20k Jod zu erhalten, also etwa 1t frischen Tang für 1k Jod, gebraucht man von demselben Tang, wenn er getrocknet ist, 25 bis
65t, um 1t
Soda mit 7 bis 14k Jodgehalt zu gewinnen, d.h.
durchschnittlich 2t,3 dieses getrockneten Tanges
für 1k Jod.
Mit dem Ausbreiten der Algen auf dem sandigen Ufer ist noch der groſse Uebelstand
verbunden, daſs dieselben durch Sand sehr verunreinigt werden. Nach Pellieux kommen auf diese Weise 15 bis 25 Proc. Sand
und andere Unreinigkeiten in den Varech; letzterer wird aber von den Brennern an die
Fabriken nicht nach dem Gehalt, sondern lediglich nach dem Gewicht verkauft. Die
Folge davon ist, daſs die Brenner auſser den Unreinigkeiten, die von selbst hinein
kommen, noch groſse Mengen Sand hinzuthun, um das Gewicht zu vermehren, und zwar um
so mehr, je stärker die Nachfrage nach Varech ist. Im J. 1871 kostete 1t Varech 85 Franken und die Production betrug
9500t; 1872 stieg der Preis auf 125 Fr. und
die Production auf 15000t. Pellieux behauptet, daſs zu diesen 15000t nicht mehr Tang verbraucht wurde als zu den 9500t in 1871 und die höhere Production lediglich dem
Zusatz von Sand zuzuschreiben ist! Nach Einführung des chilenischen Jodes fielen
Preis und Production von Varech ganz bedeutend. Es betrug:
im J.
1873
die Varech-Production etwa
9000t, der Preis
95 Franken
1874
6000
85
1875
4000
70
1876
3500
65
1877
2500
70.
Bei einem Preis unter 80 Fr. für 1t Varech ist es für den Brenner vortheilhafter, seinen Tang an die
Landwirtschaft zu verkaufen.
Die Einzigen in Frankreich, die sich von den Varech-Brennern unabhängig gemacht
haben, sind, wie schon erwähnt, Pellieux und
Mazé-Launay. Dieselben verschmähen auch die gewöhnlichen Schnitt- und
Treibalgen des Sommers und verarbeiten in 8 Fabriken, die sie auf mehreren kleinen
Inseln und an mehreren Punkten der Küste von Finistère errichtet haben,
hauptsächlich Algen, welche mit eigens dazu ausgerüsteten Fahrzeugen gesammelt sind,
und nur so weit diese nicht hinreichend sind, werden auch Treibalgen des Winters
verwendet, diese aber nur nach vorausgegangener Untersuchung. Die Einäscherung der
Algen erfolgt das ganze Jahr hindurch, ohne daſs dieselben zuvor getrocknet werden.
Die genannten Industriellen haben in ihren Fabriken terrassenartige Erhöhungen
errichtet, welche aus drei Absätzen bestehen. Auf der obersten Fläche, die nicht cementirt ist, werden
die ankommenden Algen aufgeschichtet und bleiben hier 4 bis 5 Tage liegen, um
abzutropfen. Das abflieſsende Wasser wird nicht gesammelt, da es nicht jodhaltig
ist. Am sechsten Tage kommen die Algen auf die demnächst folgende tiefere Fläche,
welche viel gröſser ist als die erste, und auf ihr läſst man die Algen gähren. Zu
dem Zweck werden sie in Haufen von 50 bis 60cm
Höhe aufgeschichtet und zwei bis drei Mal gewendet. Nach 48 Stunden haben sie den
gewünschten Grad der Fermentirung erreicht. Sie kommen sodann auf die unterste
Fläche und sind nunmehr für die eigentliche Verarbeitung genügend vorbereitet. Der
Saft, welcher bei der zweiten und dritten Lagerung abflieſst, wird sorgfältig in
weiten Cysternen gesammelt; er zeigt 7 bis 8° B. und ist reicher an Jod als die
Algen selbst. Dieser Saft geht verloren, wenn die Algen im Freien ausgebreitet und
getrocknet werden, und ist dies eine Hauptquelle des Jodverlustes bei dem
gewöhnlichen Verfahren. (22000t des bezeichneten
Saftes geben 1t Salz [salin] mit einem Gehalt von 20k,2 Jod.)
Dieser Saft kommt in flache, 10 bis 15cm lange und
1m breite Pfannen, die über den Oefen zum
Eindampfen aufgestellt sind. Hier beginnt der Saft sich zu concentriren und gelangt
dann in die Eindampföfen selbst, wo er bis auf 32° B. eingedickt wird. Wenn er aus
diesen Oefen kommt, ist er mit Theer und andern empyreumatischen Producten gemischt.
Er wird dann gemeinschaftlich mit den Algen in Calciniröfen eingeäschert. 12t,6 Algen liefern jetzt bei Pellieux und Mazé-Launay durchschnittlich 1t Soda mit einem Gehalt von 10k,5 Jod; dagegen hatten die 4500t Varech des Handels, welche von 1868 bis zur
Einführung des neuen Verfahrens in Kerhuon verarbeitet wurden, einen
Durchschnittsgehalt von 3k,15 Jod. Pellieux gibt folgende Calculation für 1t Varech nach seinem System:
12t,6 frische Algen zu 4,75
Franken
59,85
Fr.
0t,8 Steinkohlen zu 22,00
Fr.
17,60
Fabrikationsunkosten
25,00
Reparaturen, Zinsen u. dgl.
4,50
–––––––––––
106,95
Fr.,
d.h. bei einem Gehalt von 10k,5 Jod in 1t Soda für 1k Jod 10,20 Fr., während bei dem gewöhnlichen
Varech mit einem Durchschnittspreis von 85 Fr. und einem Durchschnittsgehalt von
3k Jod in der Tonne 1k Jod 28,35 Fr. kostet.
Nach Pellieux enthält der gewöhnliche Varech des Handels
durchschnittlich 42 Proc. lösliche Salze, und zwar:
Chlornatrium (mit Spuren von kohlens. und schwefels.
Natron)
23
Chlorkalium
12
Schwefelsaures Kali
7
–––
42,
der nach seinem Verfahren dargestellte dagegen 57 Proc.
lösliche Salze in folgender Zusammensetzung:
Chlornatrium und schwefelsaures Natron
21,15
Kohlensaures Natron
5,10
Chlorkalium
28,25
Schwefelsaures Kali
2,50
––––––
57,00.
Die weitere Behandlung des Varech ist bei Pellieux
ebenfalls abweichend von dem gewöhnlichen Verfahren. Er laugt methodisch aus, wobei
die Laugen eine Stärke von 30 bis 31° B. erlangen, dampft dieselben sodann auf 35°
B. ein und calcinirt sie schlieſslich. Die Calcination, die ohne jeden Verlust an
Jod vor sich gehen soll, hat den Zweck, die Schwefelalkalien und
unterschwefligsauren Salze zu zersetzen, was sonst dadurch erreicht wird, daſs man
die jodhaltigen Mutterlaugen mit Schwefelsäure versetzt. Pellieux wendet diese Methode nicht an, weil bei ihr durch Bildung von
Jodwasserstoffsäure Verlust an Jod eintritt. Die calcinirten Salze werden abermals
methodisch ausgelaugt; die ersten Laugen enthalten das Jodkalium und Jodnatrium. Ist
kein Jod mehr in den Salzen, so werden sie getrocknet und als Düngemittel in den
Handel gebracht. Die jodhaltenden Mutterlaugen werden eingedampft und calcinirt. Es
resultirt ein weiſses Salz, welches 30 bis 35 Proc. Jod enthält. Durch kaltes
Auslaugen u.s.w. erhält man daraus ein Salz, das 72,4 Proc. Jodkalium und 27,6 Proc.
Jodnatrium enthält, aus welchem in bekannter Weise das Jod dargestellt wird.
Die Gewinnung von Brom aus Varech ist in Folge der deutschen und amerikanischen
Concurrenz fast allgemein aufgegeben. Pellieux meint,
daſs bei seinem Varech, der weit Brom-reicher als der gewöhnliche Varech des Handels
ist, die Darstellung von Brom mit Vortheil wieder aufgenommen werden kann.
Wir haben oben gesehen, daſs Pellieux die Salze, aus
denen die Jodverbindungen extrahirt sind, ohne sie weiter zu trennen, als
Düngemittel verkauft; früher wurden dieselben allgemein auf Chlorkalium und
schwefelsaures Kali verarbeitet. Heute lohnt sich in Folge der Staſsfurter
Concurrenz eine solche Verarbeitung nicht mehr; doch sind immer noch einzelne
Jodfabrikanten, die sich damit befassen.
Welche Bedeutung die Varech-Industrie für Frankreich hat, ergibt die Thatsache, daſs
im Departement Finistère gegen 5000 Familien davon leben; die Einnahme, welche
dieselbe erzielen, beläuft sich im Jahre auf ungefähr 2 Millionen Franken. Vor
Einführung des chilenischen Jodes wurden in Frankreich im Jahre durchschnittlich
13000 bis 14000t Varech verarbeitet und daraus
gewonnen etwa 1800t Chlorkalium, 1200t schwefelsaures Kali, 2500t Natronsalze, 40t Jod und 5t Brom, nebst 5000 bis
6000t Rückstände. Die Rückstände, die auf 100 Th. Trockensubstanz
22,4 Th. kohlensauren Kalk und 9,4 Th. phosphorsauren Kalk enthalten, werden als
Düngemittel verwendet und sind von der Landwirtschaft sehr begehrt.
Der gröſste Theil der französischen Jodfabrikanten bildete früher
einen Verein; derselbe hatte 1873 in Wien eine Collectivausstellung seiner Producte
veranstaltet, die sehr das Interesse der Chemiker erregte. Diesem Verein, dem Pellieux und Mazé-Launay ebenfalls als Mitglieder
angehörten, machten die Genannten 1874 das Anerbieten für sämmtliche Mitglieder des
Vereines die Darstellung von Varech übernehmen zu wollen. In Folge dieses
Vorschlages kam im J. 1875 zwischen Pellieux und
Mazé-Launay und sechs anderen Jodfabrikanten ein Vertrag zu Stande, wonach
die Erstgenannten die Darstellung von Varech nach ihrem Systeme für die übrigen
Fabriken übernahmen. Das Quantum wurde vorläufig auf jährlich 5000 bis 6000t festgesetzt; an demselben sollten die einzelnen
Fabriken nach einem bestimmten Verhältniſs Theil nehmen und den Varech nach seinem
Jodgehalt bezahlen. Um die angegebene Menge Varech beschaffen zu können, war die
Einrichtung neuer Fabriken und die Anlage neuer Oefen erforderlich. Als jedoch Pellieux und Mazé-Launay hierzu die Genehmigung
nachsuchten, wurde ihnen dieselbe abgeschlagen oder wenigstens unter solchen
Bedingungen ertheilt, die einer Abweisung gleich kamen. Zu verdanken hatten sie dies
hauptsächlich der Opposition der Landwirthe, die sich in ihren Interessen bedroht
glaubten, und des Gesundheitsrathes. Man hetzte die ganze Umgegend gegen Pellieux und Mazé-Launay auf, machte den Leuten weiſs,
daſs sie durch das neue Verfahren ruinirt würden, und erklärte die dortige
Schifffahrt durch den Dampf der Oefen für gefährdet. Die Folge davon war eine wahre
Sturmfluth von Petitionen an den Präfecten, die nachgesuchten Concessionen nicht zu
ertheilen. Man erreichte denn auch, daſs Pellieux und
Mazé-Launay verboten wurde, in den Monaten Mai, Juni und Juli zu brennen,
damit durch den Rauch nicht die Blüthen des Getreides und der Apfelbäume Schaden
litten; in den übrigen Monaten dürfe nur dann gearbeitet werden, wenn der Wind den
Rauch nach dem Meere treibt (man bezog sich dabei auf Verordnungen aus den J. 1731
und 1772). Als man um Revision dieser Bestimmungen ersuchte, wurde festgesetzt, daſs
nicht fabricirt werden darf, wenn Westwind ist, wenn also der Wind den Rauch nach
dem Lande treibt. (Dabei, sagt Pellieux, ist von 365
Tagen im Jahr wenigstens an 275 Westwind an der Küste von Finistère!) Vergebens
machten Pellieux und Mazé-Launay gegen diese
Beschränkungen geltend, daſs ihr Verfahren in jeder Beziehung besser sei als das
alte; daſs von einer Gefährdung der Gesundheit nicht die Rede sein könne, da der
abziehende Dampf lediglich Wasserdampf sei; für die Schifffahrt sei es jedenfalls
vortheilhafter, wenn nur wenige und der Lage nach bekannte Etablissements vorhanden
wären, statt daſs jetzt eine groſse Anzahl Gruben bald hier, bald dort an den
verschiedensten Punkten der Küste in Betrieb gesetzt würde. Um ja nicht den
Interessen der Landwirtschaft zu nahe zu treten, erboten sich die genannten
Industriellen nur im Meere gesammelte Algen zu verarbeiten und auf Schnitt- und
Treibalgen ganz zu verzichten; sie wiesen ferner darauf hin, daſs durch ihre bereits
bestehenden Fabriken keinerlei Unzuträglichkeiten verursacht würden. Alles
vergebens! Alle ihre Reclamationen wurden entweder zurückgewiesen oder
todtgeschwiegen. Die Folge war, daſs Pellieux und
Mazé-Launay die contractlich übernommenen Verpflichtungen nicht einhalten
konnten, wodurch ein Proceſs entstand, welcher groſse Summen Geldes verschlungen hat
und, so viel ich weiſs, heute noch nicht beendigt ist.