Titel: | Ueber die Gewinnung des Schwefels mit überhitztem Wasserdampf; von Dr. G. Th. Gerlach in Cöln. |
Autor: | G. Th. Gerlach |
Fundstelle: | Band 230, Jahrgang 1878, S. 61 |
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Ueber die Gewinnung des Schwefels mit überhitztem
Wasserdampf; von Dr. G. Th. Gerlach in Cöln.Das Verfahren ist dem Verfasser in den meisten industriellen Staaten patentirt.
(Vgl. D. R. P. Nr. 229 vom 3. Juli 1877.)
Gerlach, über die Gewinnung des Schwefels.
Bei Weitem die gröſste Menge des Schwefels kommt von Sicilien. Eingehende
Schilderungen der dortigen Verhältnisse, des Vorkommens, der Mächtigkeit der Lager,
der Art der Gewinnung, der Menge der Ausfuhr hat Lorenz
ParodiVgl. Wagner's Jahresbericht, 1875 S.
289., vormals Director der Gruben von Grottacalda. im Auftrage der
italienischen Regierung gegeben. Eine sehr ausführliche Abhandlung über das
Vorkommen des Schwefels und den eigenthümlichen bergmännischen Betrieb in Sicilien
verdanken wir G. vom RathBerg- und hüttenmännische Zeitung, 1874 S.
243.; über verschiedene in Italien übliche Processe zur Gewinnung
des Schwefels aus seinen Erzen hat E. PirckheyBerg- und hüttenmännische Zeitung, *1874 S. 343
und 351. eine vorzügliche Arbeit veröffentlicht, welcher
ausführliche Calculationen über den Fabrikbetrieb beigegeben sind und welche
auſserdem die angewendeten Apparate eingehend erklärt.
Ganz in der Kürze hebe ich aus diesen Arbeiten hervor, daſs in Sicilien bis zum J.
1850 ausschlieſslich sogen. Calcarelle zum Ausschmelzen
des Schwefels in Gebrauch waren, kleine Meiler von 2 bis 3m im Durchmesser; diese sind jetzt ersetzt durch
die Calcaroni, d. s. aufgeschüttete kegelförmige
Rösthaufen von Schwefelerzen von mindestens 200cbm
Rauminhalt, die eine geneigte Sohle haben und von auſsen mit Kalksteinen oder
Ziegeln ummauert sind; als Mörtel dient Kalk, Gyps oder Lehm. Ein solcher Haufen
wird durch die am Boden der Seitenwände befindlichen Luftlöcher in Brand gesteckt,
damit der flüssige Schwefel auf der Sohle abläuft und gesammelt werden kann. Als
Brennmaterial wird also ein Theil Schwefel selbst verwendet. Sicilien, wie ganz
Italien, besitzt kein Brennmaterial. Die Waldungen sind längst ausgerottet und die
Steinkohle wird ausschlieſslich von England eingeführt.
Brieflichen Mittheilungen des Hrn. Emil Stöhr aus
München, der früher den Fabrikbetrieb der Schwefelanlagen von Grotte bei Girgenti
leitete, verdanke ich folgende Angaben: „Die Kohle kostet in den Häfen ungefähr 4
Franken für 100k, welcher Betrag durch den
Transport nach den Gruben meist auf 8 Fr. sich stellt. Wird die Heizkraft des
Schwefels auf ¼ jener der Kohle angenommen, wie es im Ganzen der Fall ist, so
entsprechen 400k Schwefel 100k Kohle; 100k Schwefel im Erze sind aber nur auf 2 Fr. zu veranschlagen; deshalb
ist für Gruben im
Innern des Landes selbst theoretisch der Schwefel ein billigeres Brennmaterial
als die Kohle.“
In diesen ganz eigenthümlichen Verhältnissen liegt der Grund, weshalb das an sich roh
erscheinende Verfahren, den Schwefel in Calcaroni
auszuschmelzen, sich bis jetzt in Sicilien erhalten hat, und daſs sich die Apparate,
wie sie in der Romagna in Gebrauch sind, sich bis jetzt dort nicht einbürgern
konnten.
Das sicilianische Schwefelerz ist ein mit Schwefel durchdrungener mergelartiger Kalk,
in welchem häufig ein körniger oder pulverförmiger Anflug, Briseale genannt, vorkommt, der nichts Anderes als schwefelsaurer Kalk mit
Wasser ist. Es liegen mir indeſs Sendungen von sicilianischen Schwefelerzen vor, wo
der Schwefel in reinem Kalkspath eingesprengt ist, und wo sich vielfach Drusen von
Kalkspathkrystallen vorfinden. In der Romagna hingegen sind es mehr oder weniger
bituminöse kalkhaltige Mergellager, in denen sich der Schwefel vorfindet. Dies ist
wohl auch der Grund, weshalb dort ein Ausschmelzen des Schwefels nicht vorgenommen
wird, sondern die Gewinnung des Schwefels durch Destillation geschieht. Man benutzt
hierzu dickwandige guſseiserne Retorten von birnförmiger Gestalt, von denen mehrere
in einem gemeinsamen Kanal liegen, der mit feuerfesten Steinen gewölbt ist. Immer
liegen zwei solcher Retorten sich gegenüber, woher diese Destillationsapparate den
Namen „Doppioni“ erhalten haben.
Auſser dem Calcaroni- und Doppioni-Betrieb hat man versucht, den Schwefel mit gespanntem Dampf
auszuschmelzen. Solche Dampfapparate sind von Jos.
Gill, später von E. und P. Thomas (*1869 191 36) und
GrittiWagner's Jahresbericht, *1869 S. 163.
construirt worden. Alle diese Dampfapparate bezwecken, den Schwefel mit gespanntem Wasserdampf von 3 bis 3at,5 auszuschmelzen. Es liegt denselben also das
Princip zu Grunde, welches Schaffner in Aussig zuerst
bei der Wiedergewinnung des Schwefels aus Sodarückständen angewendet hat.
Die Società privilegiata per la fusione dei solfi en
Italia, mit dem Hauptsitz in Mailand, hat dieses Verfahren des
Ausschmelzens mit gespanntem Dampf an sich gebracht. Die Gesellschaft betreibt die
Dampfschmelze auf eigene Rechnung in der Weise, daſs sie sich durch eine Quote der
erzielten Rohproducte bezahlt macht, während der Rest dem Eigenthümer der Solfare verbleibt. Die Versuche wurden in Sicilien
zuerst ausgeführt, in ausgedehntem Maſse wurden die Apparate aber in Latera (Provinz
Rom) zur Anwendung gebracht, nachdem sie durch Ingenieur E.
Pirckhey wesentlich verbessert worden waren.
Nach Nawratil (1878 227 289.
228 366) schmilzt man in Swoszowice ebenfalls den
Schwefel mit Wasserdampf von 140 bis 150° aus. Die angewendeten Apparate gleichen
im Princip auſserordentlich den in Latera gebräuchlichen; indeſs sind doch
wesentliche Aenderungen betreffs der Entleerung des entschwefelten Materials
angebracht.Um mit wenigen Worten die Construction dieser Dampfapparate auch an dieser
Stelle zu erwähnen, sei bemerkt, daſs der aufrecht stehende Apparat aus zwei
in einander geschobenen Cylindern besteht, wovon der innere, welcher von
oben her mit Schwefelerzen chargirt wird, aus gelochtem Blech besteht, damit
die gespannten Wasserdämpfe, welche in den Apparat geleitet werden, sich
durch den ganzen Apparat gleichmäſsig verbreiten können. Der innere Cylinder
ist unten mit einem Gitter versehen, auf dem sich ein eisernes Drahtnetz
befindet, auf welches Weidenäste gelegt werden; hierauf ruhen die Erze.
Unter den Cylindern befindet sich eine guſseiserne, doppelwandige,
umgestürzte Glocke, welche mit Schrauben und Flanschen fest und hermetisch
an die beschriebenen Cylinder angepreſst wird. Der so zusammengestellte
Apparat ist in einem Gebälke passend gelagert. Der gespannte Dampf saigert
den Schwefel aus, welcher durch das Sieb filtrirt und in die innere heiſse
Glocke flieſst, von wo er mittels eines Hahnes in eiserne Gefäſse abgelassen
wird. Dem ganzen Apparat ist eine nach oben etwas verjüngte conische Form
gegeben, die obere Füllöffnung ist ein wenig enger als der Durchmesser des
unteren Gitterwerkes. Bei den Apparaten in Latera wird nach jeder
Operation die doppelwandige (Hocke entfernt und das Gitterwerk beseitigt. Das
entschwefelte Erz fällt wieder in den Schacht zurück, um in der Grube als Versatz zu
dienen. In Swoszowice hingegen wird der Apparat nach der Ausschmelzung der Erze,
ohne daſs man die Glocke abnimmt, so geneigt, daſs man das vom Schwefel befreite
Gestein heraus krücken kann.
Mein Verfahren, den Schwefel zu gewinnen, besteht nicht in einem Ausschmelzen oder
Aussaigern, sondern in der Verflüchtigung und Destillation des Schwefels unter
gleichzeitiger Anwendung von überhitztem Wasserdampf.Ich kann es nicht mit Stillschweigen übergehen, daſs man mehrfach den
„gespannten“ Dampf, welcher zum Ausschmelzen des Schwefels in
diesen Apparaten benutzt wird, als „überhitzten“ Dampf bezeichnet. So
schreibt z.B. Nawratil in seinem erwähnten
Aufsatz: „Die Aussaigerung erfolgt mittels überhitzten Dampfes, welche
Methode Schaffner seit vielen Jahren zur
Aussaigerung des aus den Sodarückständen regenerirten Schwefels
verwendet.“ Auch anderwärts hat man von der Schwefelaussaigerung mit
„überhitztem Wasserdampf“ in Apparaten von E. und P. Thomas
gesprochen. Das Aussaigern bei 135° bei einem Drucke von 3at, oder das Aussaigern bei 140 bis 150°
bei einem Drucke von 3,5 bis 4at,5
geschieht aber lediglich mit „gespanntem Wasserdampf“. Die
Bezeichnung „überhitzter Wasserdampf“ ist in diesem Falle
unstatthaft. Ich habe ein Interesse daran, auf diesen Irrthum in der
Ausdrucksweise aufmerksam zu machen, da die Anwendung des überhitzten
Wasserdampfes zur Schwefelgewinnung als neu zu bezeichnen ist.
Die Erze oder schwefelhaltigen Massen werden daher bis zum Schmelzpunkt des
Schwefels, oder etwas höher, in eisernen oder thönernen Retorten oder zweckmäſsig
construirten Oefen erwärmt und überhitzter Wasserdampf auf das heiſse Erz geleitet.
Auch ähnliche Apparate, wie sie in Latera oder Swoszowice in Anwendung sind, können
mit wenig Abänderung derselben zum Betriebe mit überhitztem Wasserdampf eingerichtet
werden.
Ohne Anwendung von überhitztem Wasserdampf destilliren die Dämpfe des Schwefels nur
äuſserst langsam und träge und nur bei hoher Temperatur, während bei Einführung von
überhitztem Wasserdampf in die betreffenden Apparate die Destillation sehr rasch und
bequem von statten geht. Während in geschlossenen Dampfkesseln mit erhöhter
Temperatur auch die Spannung der Dämpfe steigt, kann man überhitzten Wasserdampf
durch Hindurchleiten von Dampf durch glühende Röhren von jeder beliebigen Temperatur
herstellen, ohne daſs er irgend eine erhöhte Spannung zeigt. Beim überhitzten
Wasserdampf ist die Temperatur ganz unabhängig von seiner Spannung. Wird
gewöhnlicher Wasserdampf durch einen zur Rothglut erwärmten Ueberhitzungsapparat
geleitet, so tritt der Dampf mit der Temperatur des rothglühenden Eisens aus.Ein solcher überhitzter Wasserdampf ist bekanntlich dem Auge nicht sichtbar,
er verhält sich genau wie ein Gas. In diesem Dampfstrome verkohlt Holz und
Papier, kommt Siegellack, selbst Blei und Zinn, zum Schmelzen, und bei
genügender Erhitzung kann man an solchem Wasserdampf seine Cigarre in Brand
stecken. Die Einwirkung des überhitzten Wasserdampfes auf die
Verflüchtigung des Schwefels ist höchst überraschend und erinnert an das Mitreiſsen
der Borsäure durch Wasserdämpfe. In der Technik ward überhitzter Wasserdampf
bekanntlich benutzt zur Destillation von Glycerin, ebenso zur Sublimation von
Naphtalin und anderen flüchtigen Körpern.
Die überhitzten Wasserdämpfe reiſsen die Schwefeldämpfe in die mit Wasser gefüllte
Vorlage herüber und verflüchtigen den Schwefel in kürzester Zeit. Es eignet sich die
Anwendung des überhitzten Wasserdampfes zur Destillation des Schwefels in allen
Fällen, wo der Schwefel seither durch Aussaigern oder durch Sublimation gewonnen
wurde, sei es aus schwefelhaltigen Erzen oder andern schwefelhaltigen Massen, oder
sei es nur zur Reinigung des Rohschwefels von fremden Körpern. Namentlich wird das
Verfahren bei solchen Schwefelerzen mit günstigem Erfolg anzuwenden sein, wo der
Schwefel in mergelhaltigen Massen eingesprengt ist, während der schädliche Einfluſs,
welchen die Gegenwart von Gyps auf die Schwefelgewinnung ausübt, sich leider auch
hier geltend machen wird, da derselbe durch die Temperatur bedingt ist. Die Meinung
der Bergleute, daſs der Gyps den Schwefel verzehre, erklärt sich nach den Versuchen
von F. Sistini dadurch, daſs der Gyps und Schwefel sich
zu schwefliger Säure und Schwefelcalcium umsetzen nach der Gleichung: CaO,SO3 + 2S = 2SO2 + CaS. Bei 130°
bildet sich Schwefelwasserstoff, bei 440° entweicht schweflige Säure.
Das Entschwefeln alter Gasreinigungsmassen. Wie man den
Schwefel aus Schwefelerzen mit überhitztem Wasserdampf erhalten kann, ebenso können
auch andere schwefelhaltige Massen, z.B. die unbrauchbar gewordenen Reinigungsmassen
der Gasanstalten, zur Reindarstellung von Schwefel verwendet werden. Zur Entschwefelung des
Leuchtgases wurde lange Zeit die Laming'sche Masse
angewendet, jetzt fast allgemein nur Raseneisenerz. Die ausschlieſsliche
Kalkreinigung ist fast nur noch in einigen wenigen Gaswerken gebräuchlich. Die
unbrauchbar gewordenen Reinigungsmassen enthalten oft bis zu 40 Proc. Schwefel.
Diese schwefelhaltigen Reinigungsmassen wurden seither zur Fabrikation von
Schwefelsäure verwendet. Die damit erhaltene Schwefelsäure ist jedoch immer dunkel
gefärbt von den Producten der Verbrennung des Theeres oder auch den Sägespänen,
welche zum Auflockern der Masse dem Raseneisenerz beigemengt waren. Anderwärts hat
man den Schwefel aus diesen Reinigungsmassen mit Schwefelkohlenstoff extrahirt, z.B.
in den Gas Purification Company Works zu Stratford bei
London.
Schon i. J. 1867 machte H. Condy Bollmann den Vorschlag,
die Schwefelerze mit Schwefelkohlenstoff zu extrahiren. Nach Versuchen, welche in
Bagnoli bei Neapel 1868 ausgeführt wurden, hätten sich der Ausführung im Groſsen
unübersteigliche Hindernisse in den Weg gegestellt; indeſs wurden i. J. 1873 in
Swoszowice bei Krakau durch Dr. Clemens Winkler
Versuche angestellt (vgl. 1878 228 366), den dort natürlich vorkommenden Schwefel,
der in Mergel eingelagert ist, mit Schwefelkohlenstoff zu extrahiren, und diese
Versuche haben ergeben, daſs der in dem Swoszowicer Mergel eingelagerte Schwefel mit
äuſserster Leichtigkeit unter auffallender Wärmebindung und auf das Vollkommenste
durch Schwefelkohlenstoff extrahirt wurde.
Die Extraction des Schwefels aus den unbrauchbar gewordenen Reinigungsmassen der
Gasanstalten mit Schwefelkohlenstoff scheint mehrfach Schwierigkeiten zu haben. Ich
vermuthe, daſs der Theergehalt dieser Massen ohne Zweifel den Schwefel sehr
verunreinigt und daſs eine mehrfache Reinigung desselben nöthig wird. Dies ist
vielleicht auch der Grund gewesen, weshalb die erwähnte Stratforder Compagnie diesen
Betrieb eingestellt hat.
Bei Anwendung von überhitztem Dampf dagegen erhält man einen Schwefel von rein
hellgelber Farbe. Allerdings bleibt ein Theil des Schwefels an Eisen gebunden als
Schwefeleisen zurück und bei der feinen Zertheilung oxydirt sich dasselbe nach dem
Oeffnen der Retorten beim Luftzutritt, wobei sich schweflige Säure entwickelt. Dies
scheint namentlich der Fall zu sein, wenn die unbrauchbar gewordenen
Reinigungsmassen mit Eisenfeilspänen gemengt wurden, um sie von Neuem zur
Entschwefelung des Gases zu verwenden. Unter allen Umständen ist es daher rathsam,
die Reinigungsmassen, ehe sie zur Entschwefelung mit überhitztem Wasserdampf
gelangen, vorher zu schlämmen. Durch ein einfaches Schlämmverfahren wird der gröſste
Theil des Schwefels in unreinem Zustande herausgewaschen. Nach dem Absetzen des
Schlämmwassers erhält man viel hochprocentigere Schliche, die nach Wiederholung des Schlämmprocesses
einen unreinen Schwefel von 70 Proc. und höheren Schwefelgehalt ergeben. Dieser
Schwefel wird dann der Destillation mit überhitztem Wasserdampf unterworfen.
Um auch die übrigen Producte der unbrauchbar gewordenen Reinigungsmassen zu gewinnen,
ist es rathsam, dieselben zuerst einer systematischen Auslaugung mit reinem Wasser
zu unterwerfen. Die löslichen Ammoniakverbindungen, namentlich das reichlich
vorhandene Rhodanammonium, wird in Form einer hinreichend concentrirten Lauge
gewonnen, um dieselbe mit Kalk versetzt zur Herstellung von Ammoniak oder dessen
Verbindungen zu verarbeiten. In denselben Auslaugekästen werden die Massen dann
systematisch unter Zusatz von etwas Kalk ausgelaugt. Diese alkalische Lauge enthält
die Cyanverbindungen in Form von Cyancalcium, woraus man entweder Berlinerblau oder
Blutlaugensalz herstellt. Dann erst werden die ausgelaugten und aufgeweichten und
leichter zertheilbaren Reinigungsmassen dem Schlämmverfahren ausgesetzt und, wie
oben beschrieben, der Schwefel aus den Schlichen gewonnen. Die vom Schlämmverfahren
rückständigen Raseneisenerze mit nur geringem Schwefelgehalt können von Neuem zur
Gasreinigung verwendet werden; nach der abermaligen übermäſsigen Anreicherung mit
Schwefel werden sie wiederum in der beschriebenen Art behandelt.
Auf diese Weise ist das seitherige Regenerationsverfahren der Gasreinigungsmassen
keineswegs verdrängt; aber die völlig unbrauchbar gewordenen Reinigungsmassen,
welche seither eine Beschwerde der Gasfabriken bildeten, sind in der nützlichsten
Weise verwendet und zum abermaligen Gebrauch in der Gasfabrik geeignet gemacht.
Selbst der Zusatz von Eisenfeilspänen oder Sägespänen tritt bei diesem Verfahren der
Gewinnung von Schwefel und der übrigen Producte nicht hindernd entgegen.
Ich erlaube mir jetzt den kleinen Apparat zu beschreiben, den ich anfänglich zu den
Laboratoriumversuchen verwendete, ehe ich gröſsere Mengen schwefelhaltiger Massen in
einer guſseisernen Retorte mit überhitztem Wasserdampf abdestillirte. Die
Destillationsvorrichtung für den Schwefel bestand in einer kleinen tubulirten
Glasretorte von ungefähr 150cc Inhalt. Diese
Retorte wurde zu ¼ bis ⅓ der schwefelhaltigen Masse gefüllt. Durch den Kork des
Tubulus der Retorte senkte sich ein Glasrohr bis etwa 8mm Entfernung auf die Oberfläche der abzudestillirenden Masse. Das
Glasrohr war mit Gyps in das Ende eines eisernen Gasrohres eingekittet. Dieses 1cm weite Rohr war mehrfach gewunden, und die
Windungen lagen in einem Windofen, in dem etwa 1m
des Rohres rothglühend gemacht werden konnte. Dieses gewundene Rohr dient als
Ueberhitzungsapparat für den Wasserdampf. Als Dampfquelle genügte eine Kochflasche
von einigen Liter Inhalt.
Die Glasretorte wurde mit einem Gasbrenner sehwach erwärmt: indeſs wurde nicht eher
durch das eintauchende Glasrohr der überhitzte Wasserdampf eingeleitet, als bis der
Schwefel ganz schwach zu sublimiren begann. Deshalb war zwischen der Kochflasche und
den Windungen des eisernen Rohres ein mit Hähnen versehenes ⊥-Stück eingesetzt, wodurch ermöglicht wurde, den Wasserdampf nach
Belieben ins Freie gelangen zu lassen, oder durch Schlieſsung des betreffenden
Hahnes den Wasserdampf zu zwingen, seinen Weg durch die rothglühenden Windungen des
Eisenrohres zu nehmen und im überhitzten Zustande über die Schwefelmassen in der
Retorte zu streichen. Es ist wichtig für den Apparat, daſs die Retorte dicht hinter
dem Ueberhitzungsapparat angebracht ist, damit der überhitzte Wasserdampf nicht
Gelegenheit findet, sich wieder abzukühlen. Der überhitzte Wasserdampf reiſst sofort
den schmelzenden Schwefel in Dampfform mit über. Der Hals der Retorte mündet in die
Oberfläche einer vorgelegten Wasserschicht, und der überdestillirte geschmolzene
Schwefel setzt sich in rein hellgelber Farbe auf dem Boden der Wasserschicht ab.
Dieser einfache Apparat dient nicht nur dazu, um sich ein recht anschauliches Bild
von der Wirkung des überhitzten Wasserdampfes auf die Verflüchtigung des Schwefels
zu bilden, sondern er kann auch dazu verwendet werden, um schon mit kleinen
gewogenen Mengen sofort durch den Versuch festzustellen, welche Ausbeute an Schwefel
man aus den fraglichen Erzen bei Anwendung von überhitztem Wasserdampf zu erwarten
hat.
Beim fabrikmäſsigen Betriebe bedient man sich zum Ueberhitzen des Wasserdampfes
besonderer Apparate; sie bestehen aus schmiedeisernen Röhren, welche in einem Klotz
von Guſseisen eingegossen sind. Ich wendete einen Ueberhitzungsapparat an, der von
der Firma Wippermann und Comp. in Kalk bei Deutz
gegossen worden war, 1m lang, 0m,5 breit und 0m,1 hoch. Das schmiedeiserne Rohr hatte 40mm
im Lichten und 3 Windungen, der Wasserdampf hatte mithin einen Weg von nahezu 4m Länge in der Rothglut zu durchlaufen.
Für die Gewinnung des Schwefels aus Schwefelerzen mit Anwendung von überhitztem
Wasserdampf habe ich Apparate construirt, deren Zeichnung ich mit Vergnügen auf
Anfrage zur Verfügung stelle.