Titel: | Ueber Sake, das alkoholische Getränk der Japaner; von O. Korschelt, Professor der Chemie an der medicinischen Schule in Tokio, Japan. |
Autor: | O. Korschelt |
Fundstelle: | Band 230, Jahrgang 1878, S. 76 |
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Ueber Sake, das alkoholische Getränk der Japaner;
von O. Korschelt, Professor der Chemie an der medicinischen Schule in Tokio, Japan.
Korschelt, über Sake.
Im sechsten Hefte der Mittheilungen der deutschen Gesellschaft für Natur- und
Völkerkunde Ostasiens hat Dr. Hoffmann bereits eine
kurze Beschreibung des Verfahrens bei der Bereitung des Sake gegeben. Es ist dies der einzige Bericht über Sake, welchen wir besitzen, der auf eigene Beobachtungen und nicht auf
Uebersetzungen japanischer Bücher gegründet ist.Das 5. Heft des Buches San kai mei san dzu kai
(Beschreibung und Abbildung der Producte von Land und Meer), das von der
Bereitung des Sake handelt, ist von Dr. Hoffmann in Leyden, dem Sprachforscher,
übersetzt und imPhönix, Bd. 1 und
2 mitgetheilt worden. Es geht Einem aber mit diesem japanischen Berichte wie
mit den japanischen Landkarten, die nicht falsch sind, welche man aber erst
versteht, wenn man durch das Land, das sie darstellen, gereist
ist.
Meine eigenen Erfahrungen über die Sake-Fabrikation
sind, wie ich fürchte, wenig vollständig. In Tokio selbst befindet sich nur eine
einzige und kleine Sake-Fabrik, die nächsten gröſseren
Fabriken sind 10 ri (39km,05) entfernt. Es war mir daher unmöglich, den Betrieb einer gröſseren
Fabrik genauer kennen zu lernen. Die Mengenverhältnisse, die ich geben werde, sind
meistens die der kleinen Brauerei in Tokio. Dieselben weichen etwas von denen ab,
die ich aus anderen Brauereien erhielt, oder aus Büchern entnahm. Das ganze
Verfahren ist aber im ganzen Lande und für die verschiedenen Sorten des Sake stets dasselbe. Die Unterschiede der Sorten haben
ihren Grund nur in verschiedenen Mengenverhältnissen oder kleinen Kunstgriffen, die
den Geruch oder Geschmack des Sake verändern. In der
Art des Maischens und der Gährung finden sich keine Unterschiede. Diese
Gleichartigkeit der Fabrikation im ganzen Lande geht aber noch weiter; sie erstreckt
sich auch auf die Gefäſse. Die Form und die Gröſse derselben wiederholte sich ganz
genau in jeder Brauerei, welche ich sah, und soll in allen Brauereien des Landes
dieselbe sein. Groſse und kleine Brauereien unterscheiden sich also nicht wie bei
uns durch die Gröſse ihrer Gefäſse, sondern blos durch ihre Anzahl. Dies ist
wichtig, denn die Gröſse der Gebräue in verschiedenen Brauereien muſs dann ungefähr
immer dieselbe sein.
Der Grund davon, daſs der Sake überall nach derselben
Schablone bereitet wird, scheint in dem Alter dieser Industrie und der damit
erreichten Vollkommenheit des Verfahrens zu liegen. Schon vor 2600 Jahren soll Sake in Japan bereitet worden sein. Das Buch Nihon-ki (Geschichte von Japan) erzählt, daſs im 8.
Jahre des Kaisers Sudzintenno (90 v. Chr.) Beamte
ernannt wurden, welche die Bereitung des Sake
beaufsichtigen sollten. Während der Regierung des Kaisers Nintoku-tenno (313 bis 400 n. Chr.) kamen zwei Sake-Brauer aus China und führten das bessere chinesische Verfahren in
Japan ein. Im Laufe der Jahrhunderte wurde dasselbe wesentlich verbessert und zu der
hohen Stufe von Vollkommenheit gebracht, die es unläugbar jetzt einnimmt. Doch
findet die Bereitung des Sake im Groſsen erst seit
verhältniſsmäſsig kurzer Zeit statt. Erst seit 300 Jahren wird der Sake in Fabriken gebraut und zwar zuerst in Osaka, wo
jetzt noch, besonders in dem nahe bei Osaka liegenden Dorfe Itami, die gröſsten und
berühmtesten Sake-Brauereien sich befinden. Vor dieser
Zeit machte sich Jeder seinen Sake selbst in seinem
Hause.Das Buch „San hat mei san dzu kai“
erwähnt diesen Umstand mit folgenden Worten: „In der alten Zeit, ehe man
den Sin-sin (neuen Sake) kannte, hatte man einen Sake, den man Bo-tai bezeichnete.
(Derselbe war nicht abgepreiste,vergohrene Maische, K.) Dieser, der früher auch Sin-sin genannt wurde, wird jetzt nur noch
in Bergdörfern bereitet. Selbst in Osaka trank das niedrige Volk den Dziyo-sin (guten Sake) nicht, sondern bereitete sich, wenn es Sake trinken wollte, jenen schon erwähnten
Bo-tai im Hause. Jetzt aber seit 200
Jahren (das Buch ist vor 100 Jahren geschrieben, K.) können selbst die, welche von der Hand in den Mund leben
müssen, soviel, als sie wollen, trinken und fröhlich sein. Man sieht sie
auf den Straſsen ziehen, in die Hände klatschend und ohne Aufhören
singend. Wir aber, die wir in dieser glücklichen Zeit leben, wollen
dankbar dessen eingedenk bleiben.“
Die Bereitung des Sake zerfällt in 4 Abschnitte: 1)
Bereitung von „Koji,“ 2) Bereitung von „Moto,“ 3) Maischen und Gähren, endlich 4)
Pressen und Klären.
1) Koji. Die Saison der Sake-Bereitung beginnt am Anfang des Novembers und
schlieſst Ende Februar. Da Koji sowohl bei der
Bereitung von Moto, als beim Hauptproceſs gebraucht
wird, so wird es nicht nur beim Beginn der Saison, sondern auch noch im Januar
bereitet. Soll viel Sake fabricirt werden, so fängt man
auch wohl im Anfang des Monats October an, Koji zu
machen, da es sich mehrere Monate aufbewahren läſst, wenn die Temperatur nicht zu
hoch ist. Man verfährt in folgender Weise: Reis, den man vorher durch Stampfen von
seinen Hüllen befreit hat (Kome), wird mit kaltem
Wasser so lange gewaschen, bis das zuerst milchig ablaufende Waschwasser wieder klar
geworden ist. Den gewaschenen Reis läſst man 24 Stunden in kaltem Wasser weichen und
dämpft ihn darauf. Auf einem eisernen Kessel ist ein hölzerner cylindrischer Aufsatz
mit durchlöchertem Boden angebracht, auf welchem der Reis liegt. Im Kessel wird
Wasser gekocht und die Dämpfe steigen durch den Reis auf. Ein schwerer Deckel gibt
denselben noch eine geringe Spannung. Etwa 30 Minuten nach dem Hervordringen der
Dämpfe durch den Reis und 4 bis 5 Stunden nach dem Beginn des Siedens ist der Reis
weich genug. Zerdrückt man etliche Körner zwischen den Fingern, so darf kein weiſser
fester Kern in der Mitte derselben bleiben; das ganze Korn muſs weich geworden sein
und der Reis eine eigenthümliche Färbung und ein hornartiges Aussehen angenommen
haben.
Der gedämpfte Reis wird dann behufs Abkühlung auf Matten
ausgebreitet. Ist der Reis nur noch handwarm, so wird er mit Tane-Koji (Tane-Samen) versetzt. In der
Fabrik, auf welche ich mich hier beziehe und in der nur Koji bereitet wird (in Tokio, Hongo), war das Tane-Koji ein gelbes, feines Pulver. Unter dem Mikroskop zeigte sich, daſs
dasselbe nur aus den Sporen eines Pilzes bestand. Auf
4 to1 koku = 10 to =
100 sho = 1000 go
= 180l,3. Reis, welche in
dieser Fabrik auf einmal verarbeitet wurden, nahm man ein Löffelchen voll Tane-Koji, das ungefähr 2cc faſste. 1 Vol.-Th. Tane-Koji genügt also,
um etwa 40000 Vol.-Th. Reis in Koji zu verwandeln. Das
Tane-Koji wird zunächst auf der Matte mit 5 bis 6
sho Reis sorgfältig zusammengemischt, diese Menge
auf den übrigen Reis ausgestreut und das Ganze vermischt. Dann schlägt man die
Matten um den Reis zusammen und trägt sie in eine Kammer (Muro). Diese Kammer ist in den Fabriken, die nur Koji bereiten, unterirdisch. Ein Schacht mit quadratischer Grundfläche von
2m Seitenlänge ist 3m tief gegraben. Rechtwinklig zu den Seiten des
Schachtes laufen 4 Kammern aus, 10m lang, 2m,5 breit, an den Wänden 1m, in der Mitte des Ganges 1m,5 hoch. An jeder Seite ist eine Bank von Erde
stehen gelassen, 0m,5 hoch. Nahe dem Eingange ist
eine Vertiefung in die Bank geschnitten. In diese wird der in Matten eingeschlagene
Reis gelegt. Die Eingänge zu den Kammern sind möglichst eng und niedrig und werden,
wenn nicht darin gearbeitet wird, durch Thüren dicht verschlossen, weil eine
Temperatur von etwa 20 bis 25° für den Proceſs nothwendig ist.
Das Einbringen des mit Tane-Koji
versetzten Reises in die Kammer geschieht am Abend des 2. Tages, wenn am Abend des
ersten Tages der Reis gewaschen wurde. Am Morgen des 3. Tages wird der Reis mit den
Händen durchgearbeitet, so daſs keine Körner mehr zusammenballen. Am Nachmittage desselben Tages zeigen
sich die Reiskörner von einem rein weiſsen Filz von Mycelium überwachsen. Ist das
geschehen, so nimmt man den Reis aus der Kammer heraus, schüttet ihn in Körbe, die
in leeren Wannen stehen und übergieſst ihn langsam unter Aufschütteln der Körbe mit
kaltem Wasser etwa der Hälfte seines Volums. Die Körbe bleiben etliche Stunden
stehen, damit das überschüssige Wasser ablaufen kann. Um 6 Uhr Abends des 3. Tages
wird der Reis auf kleine Bretchen mit Randleisten vertheilt. Ein solches faſst 5 go Reis, so daſs 80 Bretchen auf einmal gefüllt werden.
Diese werden noch an demselben Abend in die Kammer gebracht und auf die Bänke neben
einander gelegt. Am 4. Tage um 6 Uhr, 9 Uhr und 2 Uhr wird der Reis auf den Bretchen
wie früher mit den Händen durchgearbeitet, um die zusammengefilzten Körner zu
vertheilen. Am Morgen des 5. Tages werden die Bretchen aus der Kammer genommen und
das Koji ist dann fertig. Die Reiskörner sind
vollständig überzogen von dem rein weiſsen Mycelium, das einen dichten Filz bildet,
so daſs das Koji auf einem Bret als zusammenhängende
Masse fest daran haftet. Das Koji wird bis zum Verkauf
auf den Bretchen gelassen, die an einem luftigen Orte auf einander gestellt werden.
Das Koji hält sich so in der kühlen Jahreszeit 2 bis 3
Monate lang, ohne daſs es durch Sporenbildung gelbe Flecke bekäme. Bei feuchtem
Wetter, wenn die Temperatur mitunter 15° erreicht, tritt dagegen die Sporenbildung
langsam ein. Entfernt man das Mycelium von den Reiskörnern, so findet man das
äuſsere Ansehen derselben wenig verändert. Sie scheinen an Gröſse etwas abgenommen
zu haben und sind wieder so fest geworden, daſs man sie nicht mehr zwischen den
Fingern zerreiben, wohl aber leicht mit dem Nagel zerschneiden kann.
Bei dem Wachsen des Myceliums in der Kammer findet eine starke
Wärmeentwicklung statt. Ich fand dann die Temperatur des Reises zu 250, während die
Luft in der Kammer nur 20° zeigte. Die nöthige Wärme wird also durch den Proceſs
selbst entwickelt. Bei Beginn der Saison wird die Kammer künstlich erwärmt, indem
man eine Nacht lang Gefäſse mit kochendem Wasser darin stehen läſst.
Beim Arbeiten auf Tane-Koji wird
etwas anders verfahren, als wenn man Koji bereiten
will. Man nimmt die bei der Bereitung von Korne
zerstoſsenen Körner und verfährt damit wie bei der Koji-Bereitung. Am 5. Tage aber, wenn das Koji
fertig sein würde, wird es noch einmal mit den Hunden umgearbeitet und die Bretchen
mit anderen Bretchen zugedeckt. Am 6. Tage tritt Sporenbildung ein, der Filz wird
gelb. Am 7. Tage werden die Bretchen aus der Kammer genommen, umgedreht über ein
leeres Bretchen gehalten, dessen Boden mit Papier belegt ist und leise geklopft.
Obgleich der Reis darunter noch feucht ist, so sind die Sporen doch trocken und
fallen ab auf das untergelegte Papier. Man erhält so aus 1 to Reis 1 bis 1,5 go oder 1 bis 1,5 Proc.
Sporen oder Tane-Koji. Da 2cc Sporen für 4 to Reis genügen, so kann man
also mit den Sporen, die von 1 Th. Reis erhalten werden, etwa 600 Th. Reis in Koji verwandeln.
Das Verfahren bei der Bereitung des Koji in den Sake-Brauereien ist nur wenig von
dem eben beschriebenen verschieden. Die Kammer ist nur etwas in die Erde
hineingebaut, nicht so geräumig wie bei den Koji-Fabriken und aus dicken Lehmwänden aufgeführt, die immer sorgfältig
verstrichen werden, um jede Abkühlung des Inneren zu verhüten. Das zweite Einnässen
des Reises, ehe man ihn auf die Bretchen vertheilt, wird weggelassen; ebenso sammelt
an die Sporen nicht, sondern mengt den Reis mit einer entsprechenden Menge von Koji, auf welchem der Pilz fructificirt hat, das daher
mit dem gelben Sporenüberzug noch versehen ist, welcher im andern Falle abgeklopft
worden ist. Das Resultat ist natürlich ganz dasselbe, die Cultur des Pilzes wird nur
eichten Verunreinigungen ausgesetzt sein. Am Morgen des 4. Tages nimmt man bereits
in den Sake-Fabriken das Koji aus der Kammer. Der Proceſs wird um einen Tag beschleunigt, indem man
die Temperatur der Kammer möglichst hoch, 25° oder etwas mehr, zu halten sucht.
Will man in den Sake-Brauereien Tane-Koji machen, so versetzt man den Reis mit
Holzasche, die aus Zweigen von Keyaki (Planera japonica), Tsubaki
(Camellia japonica) und Nara (Quercus crispula) gebrannt ist. Die
Angaben über die Menge
der zugesetzten Asche schwanken zwischen 10 und 30 Proc. des Reises dem Volum nach.
In Itami, dem berühmten Sake-Orte bei Osaka, nimmt man
nach dem Buche San kai mei san dzu kai (Beschreibung
und Abbildung der Producte von Land und Meer) auf 1 sho
Reis 2 go Asche, also 20 Proc. Nach der Asche wird die
übliche Menge alten Tane-Koji zugegeben. So hörte ich
von allen Sake-Brauern, die ich darüber befragen
konnte. Hoffmann und das oben erwähnte Buch geben aber
an, daſs auſser Holzasche nichts zum Reise gesetzt würde, wenn man Tane-Koji machen will. Alle Berichte stimmen in der
Angabe der Zeit, die zur Bereitung des Tane-Koji
nothwendig ist, 10 Tage, überein. Nimmt man wirklich an manchen Orten keine Aussaat
vor, sondern läſst durch Aufnahme von Sporen aus der Luft der Kammer die Neubildung
von Tane-Koji vor sich gehen, so sollte dazu doch wohl
eine längere Zeit erforderlich sein als im anderen Falle. Eine von diesen zwei
Angaben kann daher kaum richtig sein.
Wozu die groſse Masse Asche dienen soll, ist schwer einzusehen.
Will man unorganische Nährstoffe zuführen, oder dem Reise eine alkalische Reaction
geben, damit bei dem langen Aufenthalte des Reises in der Kammer keine saure Gährung
eintritt, so sollte doch eine geringere Menge Asche genügen. Offenbar verzögert die
Asche die Sporenbildung um volle 4 Tage, da in den Koji-Fabriken in Hongo man ohne Anwendung von Asche nur 6 Tage dazu braucht.
Die Asche ist auch nicht mit Kohlentheilchen verunreinigt, denn sie wird nach dem
Brennen gesiebt und ein zweites Mal gebrannt.
Man macht niemals Tane-Koji allein,
weil die Wärmeentwicklung dabei zu gering ist und die Kammer sich unter die
nothwendige Temperatur, 20°, abkühlen würde. Im gröſseren Theil der Kammer wird
daher zu derselben Zeit Koji gemacht und so die Wärme
der Kammer erhalten.
In den Sake-Fabriken bereitet man Tane-Koji nur am Ende der Saison, oder wenn während
derselben die Koji-Bereitung längere Zeit unterbrochen
werden soll. Hat man schon frische Koji gemacht, so
nimmt man gar kein Tane-Koji mehr, sondern setzt dem
Reise nur Koji zu. Das Mycelium wächst dann immer
weiter, ohne daſs es zur Sporenbildung kommt. Das am Ende der Saison bereitete Tane-Koji wird in einem Topfe bis zum nächsten Herbste
aufgehoben. Der Topf wird sorgfältig verschlossen, der Deckel mit gelöschtem Kalk
verschmiert und mit Papier überklebt.
(Fortsetzung folgt.)