Titel: | Ueber die directe Darstellung von Eisen und Stahl aus Eisenerzen. |
Fundstelle: | Band 230, Jahrgang 1878, S. 84 |
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Ueber die directe Darstellung von Eisen und Stahl
aus Eisenerzen.
Ueber die directe Darstellung von Eisen und Stahl.
Wie schon (1877 225 266) erwähnt, hat Dr. C. W. Siemens vor einiger Zeit in Towcester eine
Versuchsstation errichtet zur Darstellung von Fertigeisen aus Erzen in rotirenden
Oefen. In der Herbstversammlung 1877 des Iron and Steel
Institute zu Newcastle berichtete Siemens
Näheres über die mit seinen Versuchen erreichten Erfolge und gestattet uns, durch
Mittheilung eines Betriebsnachweises und einer Kostenberechnung Einsicht in einen
Proceſs, welcher wegen seiner Einfachheit jedem Hüttenmann Interesse abgewinnen
muſs, und wenn er auch bis dahin nicht zu einem befriedigenden Abschlüsse gekommen
ist, doch für die Zukunft in vervollkommneter Form voraussichtlich in der Eisen- und
Stahlfabrikation eine Rolle spielen dürfte.
Es ist längst bekannt, daſs verhältniſsmäſsig reiche, gepulverte Eisenerze, wenn sie
mit ungefähr 25 Proc. ihres Gewichtes ebenfalls gepulverter Kohle gemischt eine Zeit
lang der Hitze eines gewöhnlichen Schmiedefeuers ausgesetzt werden, ein leicht
schmiedbares Eisen von ausgezeichneter Qualität liefern, namentlich dann, wenn die
Erze eine leichtschmelzige Gangart enthalten. Auf Grund dieser Erfahrung begann Siemens seine Versuche, denen freilich bis dahin noch
die Uebelstände entgegentraten, daſs nach allen gemachten Erfahrungen hierbei
ungefähr die Hälfte des in den Erzen enthaltenen Eisens in der Schlacke bleibt, daſs
die Erze sehr reich sein müssen, daſs zur Herstellung von 1t gehämmerter Luppen 3 bis 4t Holzkohlen erforderlich sind, und daſs der
Arbeitslohn, auf die gleiche Menge Metall berechnet, sich auſserordentlich hoch
stellt (beiläufig 33 Arbeitsschichten). Siemens begann
im J. 1873 auf seinen Stahlwerken zu Birmingham unter Zuhilfenahme seiner
Regenerativ-Gasöfen eine Reihe von Versuchen, geleitet von der Idee, daſs bei
Behandlung groſser Massen, und fuſsend auf den durch die Chemie in dieser Richtung
errungenen Resultaten, nicht unwesentliche Fortschritte zu erzielen seien, selbst
bei Behandlung verhältniſsmäſsig armer und unreiner Erze. Die Erfolge waren
überraschend, und hierdurch ermuthigt setzte er dieselben in gröſserem Maſsstab in
Towcester fort. Dort standen ihm die sehr billigen, obgleich armen
Northamptonshire-Erze zur Verfügung, wobei sich indeſsen bald herausstellte, daſs
dieselben nothwendig mit reicherem Material vermischt werden muſsten, um
einigermaſsen günstig zu arbeiten. Er wählte deshalb als Zusatz Walzenschlacke und
spanische Eisensteine, welche dort wegen des hohen Transportes theuer zu stehen
kommen. Die Luppen sollten auf auswärtigen Walzwerken ausgewalzt werden, da es im
Plane lag, die Anlage erst dann zu vervollkommnen, wenn die Versuche von dem
gewünschten Erfolg begleitet waren. Auf den Towcester Werken wurden drei rotirende
Oefen angelegt. Zwei derselben hatten eine Trommel von 2m,743 Länge und 2m,134 Durchmesser; die
dritte war von kleineren Dimensionen. Die brennenden Gase treten an dem einen
Kopfende ein und auch wieder aus; an dem anderen befindet sich die feststehende
Arbeitsthüre. Die Enden des rotirenden Behälters sind mit Bauxitsteinen
ausgefüttert, während die seitliche Umfassung mit Eisenoxyden, bestehend aus
Puddelofenschlacke, Walzenschlacke und geröstetem Blackband in Stücken bekleidet
ist. Ungefähr 1525k reiche Erze, gemischt mit
460k zerkleinerter Kohle, wurden in den Ofen
gegeben und letzterer ungefähr 2½ Stunden lang langsam gedreht. Nach dieser Zeit war
ein groſser Theil der Erze reducirt, und es hatte sich flüssige Schlacke mit
bedeutendem Eisenoxydulgehalt gebildet. Nachdem die Schlacke abgelassen worden war,
gab man unter vermehrten Umdrehungen stärkere Hitze, um das Zusammenballen des
Metalles zu erleichtern. Die gebildeten Luppen wurden in gewöhnlicher Weise
herausgezogen und auf noch näher zu beschreibende Art weiter behandelt. Letztere
enthalten durchschnittlich 70 Proc. metallisches Eisen und 30 Proc. Schlacke.
Sorgfältig angestellte Analysen haben ergeben, daſs das Eisen, nachdem es gänzlich
von der Schlacke befreit worden war, fast chemische Reinheit zeigte, obgleich die
Schlacke 6 Proc. Phosphorsäure und darüber und 1 bis 2 Proc. Schwefel enthielt. Beim
Zangen dieser Luppen wird zwar der gröſste Theil der Schlacke ausgetrieben; allein
es bleibt doch eine hinreichend groſse Menge zurück, um die Bruchfläche schwarz und
ohne jede krystallinische Structur erscheinen zu lassen. In Folge des noch
bedeutenden Schlackengehaltes ist das Metall bei der Weiterbehandlung brüchig.
Dieser Uebelstand verschwindet indeſsen allmälig durch wiederholtes Ausschweiſsen
und Hämmern. Es entsteht krystallinisches Eisen von groſser Reinheit und
Zähigkeit.
Zur Verminderung des Abbrandes und der Arbeitslöhne war freilich eine Abkürzung des
letzteren Verfahrens am Platze. Die Luppen wurden in Folge dessen nach der
Herausnahme aus dem Ofen unter einem Hammer in flache Rosetten von 25mm Dicke ausgeschlagen, letztere durch eine Schere
in schmale Stücke geschnitten, packetirt und die etwa 100k schweren Packete alsdann nach wiederholtem
Hämmern zu Stäben ausgewalzt. Diese Stäbe, an Zähigkeit und Reinheit dem
schwedischen Eisen vergleichbar, wurden in Staffordshire und Sheffield zu 140 bis
180 M. für 1t verkauft.
Nachdem, wie hieraus ersichtlich, die Qualitätsfrage gelöst war, blieb nur der
Kostenpunkt eingehender zu untersuchen, wobei sich leider herausstellte, daſs eine
befriedigende Lösung desselben noch weit vom Ziele lag. Der auf den Towcester Werken
befindliche Schweiſsofen und der 1360k schwere
Hammer sind nicht hinreichend, um das in den drei rotirenden Oefen erzeugte Eisen
weiter zu verarbeiten; letzteres muſs, wie schon erwähnt, zu einem entfernt
liegenden Walzwerke befördert werden, was nicht unwesentliche Kosten verursacht. Die
Hauptfrage bleibt natürlich der Ofen selbst. Es liegt uns zur Beurtheilung derselben
ein Betriebsbericht vor, welcher 18 auf einander folgende Chargen umfaſst; die
Erzmischung jeder Charge bestand aus 610k 38 proc.
Towcester-Erze, vermischt mit 406k gerösteten
Fenton-Erzen, 51k Puddelschlacke, 51k Kalkstein und 330k pulverisirter Kohle. Jede Charge dauerte 3 Stunden 57 Minuten, und das
Ausbringen an gehämmerten Luppen betrug durchschnittlich 335k, während der Metallgehalt jeder Charge etwa
460k ausmacht; der Verlust belief sich also
auf 25 Proc.; da ein Theil der gefallenen Schlacken, so weit es die Verunreinigung
derselben durch Phosphor, Schwefel und Thonerde zuläſst, wieder gebraucht werden
kann, beziffert sich dieser Verlust allerdings verhältniſsmäſsig niedriger. Die in
den Gaserzeugern verbrauchte Kohle betrug 2t, die
Reductionskohle 1t, der Erzverbrauch
einschlieſslich der Zuschläge 3t, für 1t gehämmerter Luppen. Die Gesammtkostenberechnung
letzterer ist, wie folgt:
1t Reductionskohlen zu 8
M.
=
8,00
M.
2t Gaserzeugungskohlen zu 4
M.
=
8,00
3t Erze (eingeschlossen
Zuschlag) zu 10 M.
=
30,00
Materialien
=
46,00
Arbeitslöhne
=
15,00
Aushämmern der Luppen
=
7,00
––––––––––
Summe
114,00
M.
Die Gesammtkosten der gehämmerten Luppen belaufen sich also
auf 114 M. Hierzu kommen Reparaturen, und Generalkosten, sowie die Kosten des
Auswalzens, welche natürlich nicht in allgemein maſsgebender Ziffer angegeben werden
können. Die Kosten der Behandlung des Metalles im Feuer (hollow fire),
welche ungefähr 25 bis 30 M. für 1t betragen, sind
hier ebenfalls nicht einbegriffen. Das geschweiſste Eisen wird also 139 bis 144 M.
für 1t kosten.
Nach den mitgetheilten Analysen von 18 verschiedenen, nach Siemens verarbeiteten Eisensorten schwankte die chemische Zusammensetzung
der erzielten Fabrikate zwischen folgenden Procentgrenzen:
Eisen
98,30
und
99,907
Phosphor
0,172
und
Spuren
Silicium
0,932
und
0,126
Schwefel
0,106
„
Spuren
Kohlenstoff
0,235
„
Spuren
Mangan
0,34
„
Spuren.
Die Schwankungen im Phosphorgehalt hängen hauptsächlich mit
der durch die Verarbeitung bewirkten, gröſseren oder geringeren Austreibung der
Schlacke zusammen.
Verschiedene Festigkeitsproben, welche mit diesem Stabeisen und Blech ausgeführt
worden sind, ergaben nachfolgende Resultate: Eisenstäbe von 76mm × 16mm
Querschnitt rissen bei einer Belastung von 3307 bis 3622k auf 1qc des ursprünglichen
Querschnittes, zeigten auf der Bruchfläche eine Zusammenziehung von 26 bis 45 Proc.
und erlitten eine Längenausdehnung von 22 bis 33 Proc. bei sehnigem Bruch. Bleche
von 60mm Breite und 3,3 bis 3mm,5 Dicke hielten für 1qc des ursprünglichen Querschnittes eine Belastung
von 3307 bis 3622k aus, erlitten eine
Zusammenziehung von 15 bis 28 und eine Ausdehnung von 11 bis 20 Proc. bei ebenfalls
sehnigem Bruch.
Die producirten Schlacken enthalten allerdings viel Eisen, allein man muſs
berücksichtigen, daſs dieselben, bei verhältniſsmäſsig reinen Erzen, immer wieder
zugesetzt und mitverarbeitet werden können. Sind die Erze unrein, so wirkt die
Schlacke ähnlich wie Puddelschlacke, indem sie Schwefel, Phosphor u.s.w. aufnimmt
und aus dem Eisen entfernt.
Wenn man reiche Eisenerze, wie Hämatit, haben kann, so ist es vortheilhaft, einen
unbeweglichen Ofen anzuwenden und den Proceſs folgendermaſsen abzuändern: Eine
Mischung gepulverter Erze, gemischt mit dem nöthigen Zuschlagmaterial und
zerkleinerter Kohle, wird im Gewichte von 4 bis 5t
in den erhitzten Ofenraum 300 bis 380mm dick
aufgetragen. Bevor dies geschieht, bedeckt man indeſsen den Boden und die Wände des
Behälters mit Kokes- oder Anthracitpulver. Hierauf erhöht man die Temperatur bis zu
Schweiſshitze bei wenig oxydirender Flamme. Nach Verlauf von etwa 2 Stunden hat sich
über der ganzen Oberfläche der Mischung eine dicke Haut von Schmiedeisen gebildet,
welche mittels Haken abgezogen, unter einem Hammer möglichst von Schlacke befreit
und in einer Hitze zu Platinen oder Stäben ausgewalzt wird; letztere werden
zerschnitten, packetirt und im Schweiſsofen oder auf dem Holzkohlenherd zu fertiger
Waare weiter verarbeitet. Nachdem eine Haut auf die angegebene Weise entfernt worden
ist, wird der Ofen wieder geschlossen, worauf sich nach Verlauf von 1½ Stunden eine
zweite Haut bildet, welche ähnlich der ersten behandelt wird. Nach mehrfacher
Wiederholung dieses Versuches ist der Ofen nahezu leer, es wird eine frische Charge
eingesetzt und dieselbe Operation wiederholt. Alle 12 Stunden reinigt man den Ofen
vollständig und erneuert das Futter ringsum. Das so producirte und gehämmerte Metall
bildet eine ausgezeichnete Schmelzmasse für den Siemens-Martin-Proceſs. Bei
Verarbeitung reicher Erze, welche frei von Schwefel und Phosphor sind, wird unter
Zusatz von Walzen- oder Hammerschlacke die Schmelzung vortheilhaft in dem
Reductionsofen selbst vorgenommen.
Nachdem der Ofen mit ungefähr 5t der Mischung
beschickt worden ist, erhitzt man ihn während 4 oder 5 Stunden und breitet alsdann
2t glühendes Hämatit-Roheisen auf der
Oberfläche des Bades aus. Das Roheisen schmilzt auf der gebildeten Metallhaut, löst
letztere auf und nach Verlauf von 2 bis 3 Stunden ist das ganze eingesetzte Material
flüssig geworden und bildet eine geschmolzene Metallmasse mit nur geringem
Kohlenstoffgehalt, welche bedeckt wird von einer ungefähr 15 Proc. Eisen
enthaltenden, glasigen Schlacke. Der Kohlenstoff des Bades wird alsdann bis auf den
gewünschten Grad reducirt und nach Zusatz von Spiegeleisen oder Ferromangan das
Metall in gewöhnlicher Weise abgestochen. Das angegebene Verfahren erwies sich zur
directen Darstellung von Guſsstahl über alles Erwarten geeignet. Der so erzeugte
Stahl ist dem im offenen Herd dargestellten durchaus gleich, und durch Zusatz von Drehspänen oder
Scherabfällen von Eisen oder Stahl zu der geschmolzenen Masse laſst sich das
metallische Ausbringen mit Vortheil noch bedeutend erhohen.
Dies sind in Kürze die bis heute erzielten Verbesserungen bei der Darstellung von
Eisen und Stahl durch den geschilderten directen Proceſs. Es erscheint auf den
ersten Blick auffallend, daſs bei der in dem Apparate herrschenden Temperatur,
welche doch wahrscheinlich eben so hoch ist wie diejenige in manchen Puddelofen,
keine Aufnahme von Phosphor seitens des Eisens stattfindet. Siemens begründet dies in folgender Weise. Obgleich die Gase in seinem
Ofen eine auſsergewöhnliche hohe Temperatur haben, so geht doch die Reduction des
Eisens bei derjenigen Temperatur vor sich, welche jener Reduction eigen ist; ähnlich
wie Wasser bei derjenigen Temperatur verdampft, welche der Pressung, unter welcher
die Verdampfung vor sich geht, entspricht. Hierzu kommt, daſs stets dafür Sorge
getragen wird, eine sehr flüssige Schlacke zu erzeugen. Die erste Wirkung der Hitze
auf die Schmelzmasse ist ohne Zweifel die Reduction des Eisens; aber in dem Maſse,
wie diese Reduction fortschreitet, geschieht auch die Schmelzung der Gangmasse und
letztere ist beendet, bevor die Reduction vollendet ist. Sobald die Schmelzung
begonnen hat, was natürlicher Weise bei der möglichst niedrigen Temperatur
geschieht, sammelt sich die von dem Eisen zurücktretende Schlacke auf dem Boden des
rotirenden Gefäſses, das Eisen befreit sich mehr und mehr von ihr, und sobald eine
einigermaſsen beträchtliche Menge Schlacke vorhanden ist, wird sie aus dem Gefäſs
abgestochen. Es ist vorgekommen, daſs die erste auf solche Weise entfernte Schlacke
bis zu 8 Proc. Phosphor enthielt. Während der Zeit, in welcher die flüssige Schlacke
sich mit dem Eisen zusammen befindet, ist die Temperatur in dem Gefäſs nicht
hinreichend hoch, um einen Uebergang des Phosphors aus der Schlacke in das Eisen zu
gestatten. Das Luppenmachen, welches erst nach Entfernung der gebildeten Schlacke
geschieht, wird bei möglichst niedriger Temperatur vorgenommen, um jede Aufnahme von
Phosphor zu vermeiden. Ebenso wird beim Hämmern der Luppen die Temperatur dadurch
möglichst niedrig gehalten, daſs man nicht mit groſsen Massen arbeitet und entweder
Rosetten oder dünne Bleche herstellt. Gerade zur Vermeidung der Wiederaufnahme von
Phosphor ist, wie dies schon oben angedeutet wurde, eine möglichste Beschleunigung
beim Hämmern, Schweiſsen und Auswalzen am Platze. Wenn im Verlaufe der Abhandlung
gesagt worden ist, daſs die verarbeiteten Towcester-Erze zu arm gewesen seien, um
allein zur Verwendung zu kommen, so ist dabei unterlassen worden zu bemerken, daſs
dieselben einen so hohen Gehalt an Thonerde haben, daſs auch ihre Verwendung im
Hohofen ohne Beimischung anderer Erze unmöglich ist. Ebenso mögen die in dem
beschriebenen Apparate täglich herstellbaren Mengen sehr gering erscheinen; man muſs
jedoch hierbei berücksichtigen, daſs die bis dahin erzielten Resultate durchaus
keine endgiltigen sind, sondern nur als erste Versuche bezeichnet werden können, und
es steht bis heute nichts im Wege, daſs dieselben eine ebenso groſse Zukunft haben
als andere auf demselben Gebiete errungene Fortschritte der Neuzeit.
(Schluſs folgt.)