Titel: | Camin und Neumann's entlasteter Drehschieber mit selbstthätiger Nachstellung. |
Autor: | Müller-Melchiors |
Fundstelle: | Band 230, Jahrgang 1878, S. 113 |
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Camin und Neumann's entlasteter Drehschieber mit
selbstthätiger Nachstellung.
Mit Abbildungen auf Tafel 9.
Muller-Melchiors, u. Camin und Neumann's entlasteten
Drehschieber.
Die groſsen Vorzüge der Drehschieber-Steuerung speciell bei schnellgehenden
Dampfmaschinen sind allgemein anerkannt; ebenso ist aber auch die schlechte Meinung
über die ungünstigen Abnutzungsverhältnisse derartiger Schieber verbreitet und auch
sicher zum Theil gerechtfertigt. Während sich flache Drehschieber in Folge der
verschiedenen Umfangsgeschwindigkeiten ungleichmäſsig abnutzen, werden Hähne, falls
sie vom Dampf in den Conus gepreſst werden, leicht
verklemmt und geben dadurch Veranlassung zu Brüchen; falls aber, wie bei einigen
neueren Drehschieber-SteuerungenVgl. Dingler 1874 212
273. Musil 1876 221
2. der Dampf so geführt wird, daſs er den Hahnkörper von seinem
Sitz abzudrängen strebt, so ist eine stetige exacte Nachstellung erforderlich, um
übermäſsigen Dampfverlusten vorzubeugen.
Allen diesen Uebelständen entgeht die hier zu besprechende Construction dadurch, daſs
der Drehschieber bis zu beliebigem Grade entlastet werden kann; der geringe
Ueberdruck, der noch auf dem Drehschieber lastet, genügt zum dichten Abschluſs, ohne
jedoch eine bedeutende Abnutzung hervorzurufen; der dennoch stattfindenden geringen
Abnutzung kann der Schieber folgen, ohne daſs die Entlastungsvorrichtung
beeinträchtigt würde.
Der von Camin und Neumann, Maschinenfabrik und
Eisengieſserei in Frankfurt a. Oder, patentirte Drehschieber (D. R. P. Nr. 1172 vom
30. November 1877) ist in Fig. 1 und
2 Taf. 9 in zwei auf einander senkrechten Längsschnitten und in Fig.
3 im Querschnitt dargestellt; Fig. 4 zeigt
das Schiebergesicht in der Ansicht.
Die Arbeitsfläche des Schiebers bildet den Mantel eines stumpfen Kegels; entsprechend
ist das Schiebergesicht kegelförmig in den Cylinder hineingedreht und enthält vier
Schlitze, von denen je zwei gegenüber liegende zu einem Cylinderende führen, wie
dies aus Fig. 4
ersichtlich ist. In Folge dessen entspricht einem Kolbenhub ¼ Umdrehung des Drehschiebers und
derselbe darf nur die halbe Tourenzahl der Schwungradwelle haben. Wie dieser Antrieb
mittels Kegelräder durch die Steuerwelle s geschieht,
ist in der Disposition der Maschine in Fig. 5
dargestellt. Entsprechend den vier Fenstern des Schiebergesichtes hat der
Drehschieber zwei Einström- und zwei Ausströmöffnungen, und zwar werden die
letzteren einfach durch Ausschnitte in dem Kegelmantel des Drehschiebers gebildet
(Fig. 1), durch welche sich der gebrauchte Dampf in den Schieberkasten und
von hier ins Freie begibt; die Einströmöffnungen dagegen communiciren mit zwei
Kammern im Innern des Drehschiebers (Fig. 2),
wohin der Kesseldampf, nachdem er einen Theil des Cylinders umspült hat, gelangt.
Damit ist die Functionirung der Dampfvertheilung völlig klar gelegt, und wir gehen –
die Expansionsvorrichtung vorläufig bei Seite lassend – zur Entlastungsvorrichtung
über.
Der von innen dem Drehschieber zuströmende Dampf, welchem vom Schieberkasten aus nur
der Druck des Ausströmdampfes entgegenwirkt, würde den Schieber von seinem Sitze
abpressen, wenn sich nicht die rohrartige Verlängerung des Schiebers, durch eine
Stopfbüchse aus dem Schieberkasten heraustretend, gegen einen Kolben c anstemmte, der selbst wieder unter dem Drucke des
Kesseldampfes steht. Dieser Kolben wird in der cylindrischen Bohrung eines kleinen
Ständers p geführt, welcher in der Verlängerung dieser
Bohrung dem Kegelrade des Drehschiebers als Lager dient und auſserdem noch ein Lager
für die Steuerwelle s trägt. Der Führungscylinder ist
hinten mit einem Deckel d verschlossen, welcher durch
ein kleines Röhrchen Kesseldampf zugeführt erhält; von dem Deckel festgeklemmt wird
ein Diaphragma aus Kautschukleinwand, das andererseits an dem Kolben e befestigt ist. In Folge der Abkühlung des
Kesseldampfes ist dieses Diaphragma stets nur mit Wasser in Berührung und wird
dadurch vor Zerstörung geschützt; auf den Kolben c
wirkt aber doch der volle Dampfdruck, so daſs er im Stande ist, dem Drucke des
Drehschiebers zu widerstehen, bezieh. noch einen Ueberdruck nach abwärts auszuüben.
Durch entsprechende Wahl der Kolbenfläche, im Verhältniſs zur Auftriebsfläche des
Drehschiebers, läſst sich daher ein für alle Mal der Grad der Entlastung bestimmen;
die absolute Gröſse des Ueberdruckes nimmt allerdings zu und ab mit steigendem und
fallendem Dampfdruck; dies erscheint jedoch völlig gerechtfertigt.
Hiernach bedarf die Wirkungsweise der Entlastungsvorrichtung kaum einer weiteren
Erklärung. Der Drehschieber läuft auf der am Kolben c
befestigten Stahlplatte i wie auf einem Spurlager, und
wird hier, sammt dem Lager des Kegelrades, von der in Fig. 1
gezeichneten Schmiervase geölt. Um den Kolben c am
Mitdrehen zu verhindern, wird er durch zwei Schraubenstifte geführt (Fig. 2);
andererseits muſs das Rohr des Drehschiebers mit dem Kegelrade durch einen Laufkeil
verbunden sein, um
dem Schieber das Nachrücken zu gestatten. Dies kann in Folge der elastischen
Verbindung des Kolbens c, ohne jede Beeinfluſsung der
Entlastungsvorrichtung, geschehen, bis nach einer Länge von etwa 5mm, welche hier als die Grenze der zulässigen
Abnutzung angenommen wird, die obere Flansche des Kolbens aufsitzt, worauf dann der
Schieber auszuwechseln, oder eine neue Spurplatte einzufügen ist.
Es bleibt schlieſslich noch die Expansionsvorrichtung zu besprechen. Diese besteht
aus einem dem Drehschieber eingefügten, nicht mit
rotirenden Cylinder, von dessen 4 Schlitzen abwechselnd je zwei mit den Schlitzen
des Drehschiebers zusammenfallen (Fig. 3) und
dadurch die Dampfeinströmung vermitteln; durch Verdrehung dieses Schiebers in dem
Drehungssinne wird die Füllung vergröſsert, entgegengesetzt verkleinert, während
Admission, Voreilung und Compression von den Kanten des Vertheilungsschiebers fixirt
sind und unverändert bleiben. Die Füllungsgrenzen, deren Differenz bei allen
derartigen Steuerungen wegen sonst eintretender Nachfüllung 50 Proc. nicht
übersteigen darf, sind hier mit 0 und 40 Proc. gewählt. Der Expansionsschieber ist
fast völlig entlastet und kann leicht mittels des Regulators verstellt werden; dies
geschieht durch einen Hebel h, welcher auf die
verlängerte Spindel des Expansionsschiebers gesteckt ist und mit der Zugstange z des auf der Steuerwelle s angebrachten Regulators in Verbindung steht (Fig. 1 und
5). Die Spindel des Vertheilungsschiebers muſste zu diesem Zwecke als
Rohr construirt und oben mit einer Metallbüchse versehen werden, gegen welche sich
ein conischer Ansatz der Spindel des Expansionsschiebers anlegt; weiters muſste die
Steuerplatte i durchbrochen und endlich, um dem Hebel
h den Durchgang zu gestatten, der Kolben c ausgefenstert werden.
In dieser Weise erfüllt die Steuerung von Camin und
Neumann alle Anforderungen, welche man für eine schnellgehende
Dampfmaschine stellen kann, und wird sich überall bestens bewähren. Müller-Melchiors.