Titel: | Nitroverbindungen der Cellulose; von Dr. Guido Wolfram. |
Autor: | Guido Wolfram |
Fundstelle: | Band 230, Jahrgang 1878, S. 148 |
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Nitroverbindungen der Cellulose; von Dr. Guido Wolfram.
(Schluſs von S. 53 dieses Bandes.)
Wolfram, über Nitroverbindungen der Cellulose.
Da Mischungen von Salpeter mit Schwefelsäure ebenfalls zum Nitriren der Cellulose
verwendet werden können, so wurden auch damit Versuche angestellt. Natronsalpeter
eignet sich nicht dazu; auch nach 24 stündiger Einwirkung der Schwefelsäure, wie Mann empfiehlt, war die Zersetzung eine sehr
unvollständige. Selbst bei Verwendung des Kalisalpeters werden leicht
ungleichmäſsige Resultate erhalten, wenn die Schwefelsäure nicht genügende Zeit
einwirken konnte, wie aus den Versuchen 66 und 67 hervorgeht.
Art
undMengederCellulose
Nr. des Versuches
Schwefelsaure
Kalisalpeter
Temperaturbeim Eintauchen
Dauer derEinwirkung
Untersalpetersaure
Bemerkungen.
cc
g
Grd.
Std.
Proc.
2g Papier
46
20
25
40
24
33,62
In Alkohol unloslich, schwerloslich in Aether-Alkohol.
Desgl.
47
20
25
40
48
36,10
Löslich in Aether-Alkohol.
Desgl.
48
20
25
40
192
39,46
Theilweise löslich in Aether-Alkohol.
Desgl.
49
26
25
40
¼
28,00
Unlöslich in Aether-Alkohol.
Desgl.
50
26
25
40
3
34,82
Schwer löslich in Aether-Alkohol.
Desgl.
51
26
25
40
24
38,20
Theilweise löslich in Aether-Alkohol.
Desgl.
52
26
25
40
192
40,27
Unlöslich in Aether-Alkohol.
Desgl.
53
33
25
40
¼
36,24
Löslich in Aether-Alkohol.
Desgl.
54
33
25
40
3
37,01
Löslich in Aether-Alkohol.
Desgl.
55
33
25
40
24
41,39
Unlöslich in Aether-Alkohol.
Desgl.Desgl.Desgl.
565758
393950
252525
404040
¼ 3 ¼
–––
Das Papier enthielt in den Poren schwefel-saures Kali eingeschlossen,
welches selbstdurch kochendes Wasser nicht vollständig ent-lernt
werden konnte
2g Baum- wolle
59
20
25
40
¼
34,02
Theilweise löslich in Alkohol und Aether- Alkohol.
Desgl.
60
20
25
40
3
38,78
Theilweise löslich in Aether-Alkohol.
Desgl.
61
20
25
40
24
39,33
Desgleichen.
Desgl.
62
26
25
40
¼
34,91
Theilweise löslich in Alkohol und Aether- Alkohol.
Desgl.
63
26
25
40
24
40,43
Unlöslich in Aether-Alkohol.
Desgl.
64
33
25
40
48
42,09
Desgleichen.
Desgl.
65
39
25
40
48
41,81
Desgleichen.
Desgl.
66
26
25
68
¼
40,45
Desgleichen.
Desgl.
67
26
25
68
¼
37,84
Löslich in Aether-Alkohol.
2g Papier
68
20
25
70
¼
37,30
Leicht löslich in Aether-Alkohol.
Desgl.
69
33
25
57
¼
37,61
Desgleichen.
2g Hanf
70
20
25
40
24
36,71
Löslich in Aether-Alkohol.
Desgl.
71
26
25
40
24
36,86
Desgleichen.
2g Leinen
72
20
25
40
24
34,48
Desgleichen.
2g Baum- wolle
73
20
25
40
24
18,67
Unlöslich.
Desgl.
74
26
25
40
24
32,34
Unlöslich in Alkohol, sehr schwer lös- lich in
Aether-Alkohol.
Bei den Versuchen 73 und 74 war die Schwefelsäure mit 5cc Wasser versetzt worden.
Versuch 75. Schering'sche
Collodiumwolle enthielt 37,65 Proc. NO2.
Versuch 76. Comprimirte Schieſsbaumwolle, schwach gelblich gefärbt
und dem Anscheine nach aus Holzstoff dargestellt, enthielt 41,25 Proc. NO2.
Die Resultate, welche sich aus der Betrachtung, der in vorstehenden Tabellen
enthaltenen Werthe ergeben, nebst den bei der Ausführung der Versuche beobachteten
Thatsachen sind im Folgenden zusammengestellt.
Der Gehalt der Nitroverbindung der Cellulose an
Untersalpetersäure wächst mit der Menge der Schwefelsäure oder, was
gleichbedeutend ist, mit der Concentration der Salpetersäure, ferner mit der
Dauer der Einwirkung und der Höhe der Temperatur des Säuregemisches.
Die verschiedenen Arten der Cellulose werden durch sehr concentrirte Säuren in das
gleiche Product verwandelt, durch verdünntere Säuren aber verschieden hoch nitrirt,
und zwar nimmt Baumwolle unter gleichen Umständen am meisten, Hanf, Papier,
Strohstoff und Leinen in absteigender Folge weniger Untersalpetersäure auf. (Versuch
7 bis 21.)
Die unter 30 Proc. Untersalpetersäure haltenden faserigen Nitroverbindungen der
Cellulose sind unlöslich in Alkohol und Aether-Alkohol. Die Löslichkeit im letzteren
steigt mit der Zunahme an Untersalpetersäure bis gegen 37 Proc. und nimmt von da
wieder ab bis zu der 42 Proc. NO2 haltenden
Verbindung, welche vollständig unlöslich darin ist.
Nur eine der Nitrocellulosen kann ohne Beimischung einer niederen oder höheren
Nitrationsstufe erhalten werden, d. i. die 41,89 Proc. NO2 enthaltende Pentanitrocellulose. Alle anderen Producte sind mehr oder
weniger Gemische. Die 36 bis 37 Proc. NO2
enthaltenden Verbindungen können als hauptsächlich aus Tetranitrocellulose mit 36,50
Proc. NO2 und die gegen 30 Proc. NO2 enthaltenden als Trinitrocellulose mit 30,06 Proc.
NO2 bestehend betrachtet werden.
Die Nitroverbindungen der Cellulose können nicht oder nur unvollständig durch ihre
Löslichkeit in verschiedenen Flüssigkeiten getrennt werden, da eine Verbindung der
anderen beigemischten ihre Eigenschaften mitheilt, indem sie dieselbe unlöslich
macht, oder mit in Lösung hält. So sind die faserigen Nitroverbindungen, welche 28
bis 30 Proc. NO2 enthalten, obgleich zum gröſsten
Theil aus Trinitrocellulose bestehend, unlöslich in Alkohol und Aether-Alkohol,
ferner die aus Baumwolle dargestellten Pyroxyline mit 33 bis 36 Proc. NO2 ganz oder theilweise löslich in Alkohol, trotzdem
daſs die darin enthaltene Tetranitrocellulose in denselben nicht löslich ist.
Die alkoholische Lösung einer solchen Collodiumwolle, mit Wasser gefällt, gab bei der
Analyse (Versuch 77) 34,22 Proc. NO2. Ebenso enthält
die vollständig klar in Aether-Alkohol lösliche Tetranitrocellulose, besonders die
bei hoher Temperatur mit concentrirten Säuren dargestellte, etwas
Pentanitrocellulose in Lösung. Darin mag der Grund zu finden sein, daſs Champion und Pellet die
Zusammensetzung der russischen Collodiumwolle als Pentanitrocellulose angeben.
Es gelang weder durch vermehrten Zusatz von Schwefelsäure zur Salpetersäure von 1,505
sp. G., noch durch Verlängerung der Einwirkung der Säuren, noch durch Erhöhung der
Temperatur, noch durch wiederholte Einwirkung eines Säuregemisches auf
Nitrocellulose (Versuch 38 bis 40) eine höhere Nitrationsstufe als
Pentanitrocellulose zu erhalten. Das zur Darstellung derselben verwendete schwächste
Säuregemisch nitrirte so energisch, daſs bei Einwirkung desselben auf mehr als die doppelte Menge
der gewöhnlich verwendeten Cellulose schon in 1,5 Minuten (Versuch 29) die höchste
Nitrationsstufe erreicht wurde. Wenn also überhaupt eine andere existirte, so hätte
sie bei den angestellten Versuchen entstehen müssen.
Durch ungenügendes Auswaschen werden manchmal Pyroxyline erhalten, welche bis 43
Proc. NO2 enthalten. Solche Producte, in einer
Papiereinhüllung mehrere Wochen sich selbst überlassen, färben dieselbe gelb und
lassen beim Oeffnen schwachen Geruch nach salpetriger Säure wahrnehmen – ein
Zeichen, daſs noch freie Salpetersäure vorhanden war. Durch lang fortgesetztes
Auswaschen, besonders mit warmem Wasser, kann der Gehalt an Untersalpetersäure auf
etwa 42 Proc. erniedrigt werden.
Die Erhöhung der Temperatur eines Säuregemisches gibt
den darin dargestellten Nitroverbindungen nicht nur höheren Gehalt an
Untersalpetersäure, sondern dm Pyroxylinen und deren
Lösungen auch andere physikalische Eigenschaften.
Bei hoher Temperatur dargestellte Pentanitrocellulose ist mürbe, stäubt etwas und
löst sich leichter in Aceton und Essigäther zu einer dünnflüssigeren Lösung, als bei
niederer Temperatur erhaltene, welche fast dieselbe Festigkeit wie die ursprüngliche
Cellulose besitzt.
Bei hoher Temperatur dargestellte Tetranitrocellulose ist leicht löslich und gibt ein
dünnflüssiges, horniges Collodium; solche bei niederer Temperatur erhaltene ist
schwerlöslich und gibt ein schleimiges, dickflüssiges Collodium.
Die Collodiumhaut jener zieht sich beim Trocknen stark zusammen, ist wenig dehnbar
und haftet fest an der Unterlage; die Haut dieser ist sehr dehnbar, leicht
zerreiſsbar, zieht sich wenig zusammen und haftet weniger fest.
Erhöhung der Temperatur eines Säuregemisches erleichtert
die Durchdringung der Cellulose und ändert oft zugleich
deren Structur.
Bei Darstellung der Pentanitrocellulose ist es nicht so auffällig, da durch
concentrirte Säure jede Cellulose schnell und leicht durchdrungen wird. In weniger
concentrirten Gemischen (Versuch 42 bis 45) findet das Eindringen der Säure und
Austreten der Luft noch ziemlich leicht bei geringem Drucke mit dem Glasstabe statt.
Wird aber Baumwolle in verdünnte Säuren (Versuch 1 bis 7) eingetragen, so bildet
sich sofort ein mit zäher Hülle umgebener Ballen, aus welchen nur durch starkes
Zusammendrücken die Luft entfernt werden kann. Erfolgt das Eintragen der Baumwolle
bei niederer Temperatur (Versuch 1 bis 3), so zeigen nach der Herausnahme die Ballen
im Innern gleiche faserige Structur, wie auſsen. Durch geringe Erhöhung der
Temperatur (Versuch 4 bis 6) verliert ein Theil der Cellulose im Innern seine Textur
und wird pulverig, beim Auswaschen das Wasser schwach trübend. Eine reichlichere
Ausbeute an dieser pulverigen Substanz kann durch Steigerung der Temperatur und
der Quantität der Cellulose erhalten werden (Versuch 22). Dieselbe gesammelt und der
Analyse unterworfen (Versuch 78), ergab einen Gehalt von 33,57 Proc. NO2, bestand also aus Tri- und Tetranitrocellulose und
war löslich in Alkohol und Aether-Alkohol.
Die Entstehung dieser pulverigen Nitrocellulose ist der Einwirkung der mäſsig
concentrirten Schwefelsäure auf die Cellulose zuzuschreiben. Wird Baumwolle in ein
Säuregemisch, wie Versuch 1 bis 7 angibt, eingetragen, so wird die Schwefelsäure
zuerst die Cellulose aufzulösen suchen; da aber zugleich Salpetersäure von
genügender Concentration zugegen ist, wird sofort die Nitration eintreten, und die
Form der Faser wird nicht geändert, fühlt sich aber rauh an (ist pergamentisirt).
Das weiter eindringende, schon eines Theiles der Salpetersäure beraubte, dafür aber
an Wasser reichere (Folge der Reaction der Salpetersäure auf die Cellulose) und
dadurch an Temperatur höhere Säuregemisch wird, im Innern des Baumwollenflockens
angekommen, so reich an Schwefelsäure sein, daſs es die Cellulose löst. Erst die
nachdringende Salpetersäure vermag dieselbe zu nitriren und als Pulver
abzuscheiden.
Die Production dieses pulverigen Pyroxylins ist durch einen gewissen
Schwefelsäuregehalt des Säurgemisches bedingt. Erhöhung desselben vermehrt durchaus
nicht die Pergamentisirung, sondern verringert sie, weil die Concentration der
Salpetersäure dadurch gesteigert wird. So erschienen in den Versuchen 7 bis 21 die
mit der geringsten Schwefelsäuremenge dargestellten Pyroxyline als am härtesten,
rauhesten anfühlbar (am meisten pergamentisirt), die mit dem höchsten
Schwefelsäuregehalt der Mischung erhaltenen als am weichsten und der ursprünglichen
Cellulose am ähnlichsten.
Die Versuche, käufliches Pergamentpapier zu nitriren, gelangen nur unvollständig.
Nach 20 Minuten waren 2g Pergamentpapier in einem
Gemische von 25g Kalisalpeter mit 26cc Schwefelsäure bei 40° nicht, nach 3 und 24 Stunden nur an wenigen Stellen nitrirt.
Von allen Arten der Cellulose wird Leinenpapier nach den Beobachtungen, welche man in
Pergamentpapierfabriken gemacht hat, am leichtesten, Baumwollpapier am schwierigsten
pergamentisirt. In enger Beziehung zu diesen Bemerkungen stehen die oben
mitgetheilten Resultate, daſs mit bestimmten Säuregemischen sich Pergamentpapier nur
sehr schwierig, Leinen am niedrigsten und Baumwolle am höchsten nitriren läſst.
Daraus folgt, daſs je leichter eine Faser pergamentisirt
wird, desto schwerer wird sie nitrirt, und je weniger die Schwefelsäure auf sie
einwirkt, desto mehr kommt die Salpetersäure zur Wirkung.
Daſs die rauh anfühlbaren, pergamentisirten Pyroxyline aus einer Nitroverbindung von
besonderen Eigenschaften bestehen, oder davon bedeckt sind und dieselben der
Einwirkung der Schwefelsäure auf die Cellulose verdanken, zeigen folgende Versuche.
Cellulose, mit Schwefelsäure und darauf mit einer Lösung von Jod in Jodkalium betupft,
färbt sich sofort blau. Sobald aber durch mehr Schwefelsäure die Cellulose gelöst
ist, so färbt sich diese Lösung mit Jod nur röthlichbraun, ist durch Wasser nicht
fällbar und enthält nach BraconnotAnnales de Chimie et de Physique, Bd. 12 S.
272. Holzdextrin (Dextrin de
ligneux), welches nach BéchampComptes rendus, 1860 Bd. 51 S. 256.
die meisten Eigenschaften des Dextrin de fécule, aber
ein anderes Rotationsvermögen besitzt und ein Dextrin
nitrique ligneux verschieden von Binitrodextrin bildet.
Wird die Lösung der Cellulose in Schwefelsäure mit Aether-Alkohol gefällt und der
Niederschlag nitrirt, oder zweckmäſsiger in diese sehr stark abgekühlte Lösung
Salpeter in kleinen Portionen eingetragen, mit der Vorsicht, daſs weder
Temperaturerhöhung, noch Entwicklung von salpetriger Säure stattfindet, so werden
Nitroverbindungen erhalten, welche beim Eingiessen in viel Wasser sich als gelblich
weiſses Pulver abscheiden. Diese sind theilweise löslich in Aether-Alkohol und
zeigen auch die Eigenschaft, einer auf andere Art zu erhaltenden Mischung von Bi-
und Trinitrocellulose, sich in Wasser von 50 bis 100° zum gelblichen Gummi
zusammenzuballen. Erhitzt man diese Nitroverbindungen mit 25 proc. Schwefelsäure und
einem Krystalle von Eisenvitriol in einem Porzellanschälchen zum Kochen, setzt
einige Tropfen Jodlösung hinzu und verjagt das überschüssige Jod, so färbt sich die
durch diese Behandlung theilweise reducirte Nitrocellulose röthlichbraun, gerade so
wie das Holzdextrin von Braconnot und Béchamp.
Mit Hilfe dieser Reaction lassen sich mehr oder weniger
pergamentisirte Pyroxyline leicht von einander unterscheiden. Bei lange
Zeit fortgesetztem Kochen mit dieser reducirenden Lösung färben sich alle
Nitrocellulosen röthlichbraun, aber verschieden dunkel. So trat z.B. beim Kochen von
Schering'scher Collodiumwolle und pergamentisirtem
Nitropapier oder Nitrobaumwolle die charakteristische Färbung bei letzteren viel
eher ein als bei ersterer – ein Zeichen, daſs dieselbe nicht pergamentisirt und
somit wahrscheinlich frei war von Nitroverbindungen der durch Schwefelsäure
veränderten Cellulose. Da es denkbar war, daſs auſser Tri-, Tetra- und
Pentanitrocellulose auch noch eine Mono- und Binitrocellulose existire, so wurden
Versuche zu deren Darstellung unternommen.
Es ist schon oben bemerkt worden, daſs mit Schwefelsäure behandelte Cellulose mit
Jodlösung eine blaue Farbe annimmt; dieselbe Reaction tritt auch ein durch
Behandlung mit Salpetersäure von 1,38 sp. G. Liebig
zeigte, daſs diese Erscheinung kein Beweis für eine Stärkebildung sei, wie behauptet
worden war. Die gebläute Cellulose wird durch Waschen mit Wasser bald entfärbt, die
Jodstärke aber nicht.
Da die Nitrocellulosen sich mit Jodlösung nicht blau färben, so kann diese Reaction
sehr gut zur Auffindung nicht nitrirter Cellulose in einem Pyroxylin verwendet
werden. Das nach Versuch 49 dargestellte Nitropapier enthielt nur 28 Proc. NO2, färbte sich aber mit Jod nicht blau, enthielt
also keine unveränderte Cellulose und muſs deshalb als aus Bi- und Trinitrocellulose
bestehend betrachtet werden. Die Nitrobaumwolle (Versuch 73), welche nur 18,67 Proc.
NO2 enthielt, färbte sich mit Jod blau, enthielt
somit nicht nitrirte Cellulose und muſs als aus dieser und aus Binitrocellulose
bestehend angesehen werden.
Wie bereits angegeben, ist es möglich, durch Anwendung von Säuren bestimmter
Concentration direct aus Baumwolle pulverige Nitrocellulose darzustellen (Versuch
22). Gröſsere Ausbeute an dieser Substanz, welche BéchampAnnales de Chimie et de Physique, Bd. 37 S. 207.
Bd. 46 S. 338. Comptes rendus, Bd. 37 S. 134.
Journal für praktische Chemie, Bd. 58 S.
15. Bd. 60 S. 187. Bd. 68 S. 51. als Trinitrocellulose
betrachtete, kann aus der Lösung des faserigen Pyroxylins nach dessen Angaben
folgendermaſsen erhalten werden.
Wird die äther-weingeistige Lösung der Schieſsbaumwolle mit so viel weingeistigem
Kali versetzt, als zur Neutralisation aller Salpetersäure nöthig ist, so erstarrt
sie zur Gallerte und scheidet auf Zusatz von wenig Wasser eine pechartige Masse aus,
während im überstehenden Aether-Weingeist kaum organische Substanz gelöst bleibt.
Dieselbe Zersetzung und Fällung des Pyroxylins wird durch Zusatz von concentrirter
wässeriger Natronlauge bewirkt. Die Kali- oder Natronhaltige Masse, in so viel
Wasser gelöst, als der Aether-Alkohol betrug, gibt eine gelbliche Lösung, aus
welcher durch Essigsäure ein sehr feinkörniger Niederschlag ausfällt, der bei 45 bis
50g sich zusammenballt und unter 100°
schmilzt. Das Product zeigt je nach der Darstellung verschiedene Löslichkeit in
Aether-Alkohol. Der Gehalt an Untersalpetersäure schwankte nach der Menge der
angewendeten Kalilauge und der Dauer der Einwirkung. Zu lange Einwirkung bewirkt
vollständige Zersetzung der Nitrocellulose, so daſs nach dem Ansäuren kein
Niederschlag mehr entsteht. Durch verdünnte Alkalilösung wurden Substanzen mit:
33,84 Proc. NO2 (Versuch 79) und
33,97 Proc. NO2 (Versuch 80)
durch concentrirte Laugen Producte mit:
23,27 Proc. NO2 (Versuch 81),
23,90 Proc. NO2 (Versuch 82)und 25,81 Proc.
NO2 (Versuch 83)
erhalten, von denen die mit dem geringsten Gehalt an
Untersalpetersäure nur wenig in Aether-Alkohol löslich waren.
Aus diesen Versuchen ist ersichtlich, daſs nach dieser Darstellungsmethode nicht, wie
Béchamp angibt, Trinitrocellulose, sondern
Mischungen von dieser mit Tetranitrocellulose und von Bi- und Trinitrocellulose erhalten werden. Verbindungen, welche weniger als 22,22 Proc. NO2, wie es der
Binitrocellulose zukommt, enthielten, konnten nicht dargestellt werden.
Nach Béchamp wird die zähe Lösung der Schieſsbaumwolle
in 40 Th. Aether und 15 Th. Weingeist von 86 Proc. beim halbstündigen Einleiten von
Ammoniakgas dünnflüssig und scheidet beim Eingieſsen in viel Wasser
Tetranitrocellulose als weiſses Pulver aus. Durch Wiederholung dieses Versuches
wurde folgendes gefunden.
Ammoniakgas, 1 Stunde lang durch eine Lösung von Collodiumwolle in käuflichem
absoluten Aether-Alkohol geleitet, verändert die Consistenz der Lösung nicht; sobald
man aber durch Zusatz von Wasser die Aufnahme des Ammoniaks erleichtert, wird die
Lösung sehr bald dünnflüssig und scheidet, in Wasser gegossen, ein feinkörniges,
weiſses Pulver ab. Daſselbe enthielt durch Einwirkung von Ammoniak nach:
1,5
Stunden
Versuch
84
33,11
Proc.
NO2
2
„
„
85
33,27
„
„
9
„
„
86
33,07
„
„
15
„
„
87
30,04
„
„
24
„
„
88
32,17
„
„
48
„
„
89
29,75
„
„
48
„
„
90
28,39
„
„
4
Tagen
„
91
27,07
„
„
7
„
„
92
25,54
„
„
14
„
„
93
23,38
„
„
Aus diesen Versuchen geht hervor, daſs je nach der Dauer der Einwirkung des Ammoniaks
verschiedene Substanzen erhalten werden, welche nicht, wie Béchamp angibt, Tetranitrocellulose, sondern Mischungen derselben mit
Trinitrocellulose, oder von Tri- und Binitrocellulose sind; erstere sind leicht und
vollständig in Alkohol und Aether-Alkohol, 1 ei ziere nur in Aether-Alkohol
löslich.
Pentanitrocellulose, in Essigäther gelöst, gab nach 1 stündigem Einleiten von
Ammoniakgas keine dünnflüssige Lösung, wohl aber als durch Zusatz von Aether-Alkohol
und Wasser die Aufnahme desselben erleichtert wurde. Nach 5 stündiger Einwirkung die
Hälfte der Flüssigkeit in Wasser gegossen, schied sich ein weiſses Pulver ab,
welches 35,88 Proc. NO2 (Versuch 95) enthielt. Die
andere Hälfte der Lösung, nach 20 Stunden ebenfalls durch Wasser gefällt, gab ein
Product mit 30,93 Proc. NO2 (Versuch 96). Erstere
Verbindung, aus Tetra- und Trinitrocellulose bestehend, war unlöslich in Alkohol,
löslich in Aether-Alkohol; letztere, hauptsächlich Tri- mit wenig
Tetranitrocellulose, war löslich in Alkohol und Aether-Alkohol.
Durch kürzere Einwirkung von Ammoniak auf gelöste Pentanitrocellulose, als in Versuch
95 angegeben, erscheint es sehr wohl möglich, dieselbe, wenn auch neben
Tetranitrocellulose, pulverförmig zu erhalten.
Béchamp gibt an, daſs durch Einwirkung von Ammoniak auf
gelöste Schieſsbaumwolle Tetranitrocellulose und salpetersaures Ammoniak entstehe, da er annahm, daſs in
der Nitrocellulose Wasserstoff durch Salpetersäure vertreten sei. Die Unhaltbarkeit
dieser Annahme läſst sich leicht nachweisen; denn durch Zusatz eines löslichen
Jodsalzes zu einer der oben erhaltenen alkalischen Flüssigkeiten, welche
Nitrocellulose gelöst enthielten, und Ansäuren mit Essigsäure wird durch Freiwerden
von Jod die Anwesenheit von salpetriger Säure constatirt. Dies entspricht der
Zersetzung der Untersalpetersäure durch Alkalien, welche durch deren Aufnahme
salpetrigsaure und Salpetersäure Salze bildet.
Die Löslichkeit der Nitroverbindungen der Cellulose ist je
nach der Zusammensetzung und der Structur derselben verschieden.
Pentanitrocellulose ist unlöslich in kaltem und kochendem Alkohol, Aether, Eisessig,
Amylalkohol, Holzgeist, Chloroform und in Mischungen derselben; löslich in Aceton
und Essigäther, leichter noch in Mischlingen derselben mit Aethyläther. Die Lösungen
geben verdunstet matte Schichten.
Tetranitrocellulose (die Versuche wurden mit Schering'scher Collodiumwolle angestellt) ist unlöslich in kaltem und
kochendem Alkohol, Aether, Amylalkohol, Chloroform und in kaltem Eisessig;
schwerlöslich in kochendem Eisessig; löslich in Aether-Alkohol, Essigäther, Aceton
und Holzgeist. Lösungen derselben in Aether-Alkohol, Essigäther-Alkohol,
Aceton-Alkohol und Holzgeist-Alkohol geben glänzende, glasartige Schichten; die
Lösungen in Essigäther, Aceton, Holzgeist, Holzgeist-Aether, Essigäther-Aether und
Aceton-Aether geben matte, undurchsichtige Schichten – ein Zeichen, daſs die Erhaltung einer glasartigen Schicht nicht sowohl
von der Substanz, als auch von der Art des Lösungsmittels abhängig ist.
Alle Mischungen von Tetra-, Tri- und Binitrocellulose sind löslich in Aceton,
Essigäther und kochendem Eisessig, sehr wenig löslich in kochendem Amylalkohol, beim
Erkalten ausfallend; verschieden löslich in Alkohol, Aether-Alkohol und Holzgeist,
und zwar richtet sich die gröſsere oder geringere Löslichkeit nach der
Zusammensetzung, der Structur der Nitrocellulosen und der Art der Cellulose, aus
welcher sie dargestellt sind. So sind von den Mischungen von faseriger mit wenig
pulveriger Nitrocellulose, welche etwa 35 Proc. NO2
enthalten, nur die aus Baumwolle dargestellten in Alkohol löslich, alle anderen
darin unlöslich.
Die pulverigen Nitrocellulosen, aus der äther-alkoholischen Lösung durch Einwirkung
von Alkali dargestellt, verhalten sich gegen Lösungsmittel ganz gleich,
gleichgültig, ob das Pyroxylin aus Baumwolle, Hanf, Leinen, Papier oder Strohstoff
dargestellt wurde, und geben matte undurchsichtige Schichten. Ist Cellulose mit
faseriger Binitrocellulose gemischt erhalten worden, so kann die letztere durch kein
Lösungsmittel von ersterer getrennt werden.
In neuerer Zeit waren in den photographischen Zeitschriften AngabenPhotographische Mittheilungen, 1875 Bd. 12 S.
285. 302. zur Darstellung einer für Bromsilber-Emulsionsplatten
besonders geeigneten Collodiumwolle enthalten, welche empfahlen, die Baumwolle mit
Gelatinelösung zu tränken, zu trocknen und dann zu nitriren, oder dem Säuregemisch
Gelatine zuzusetzen. Wenn, wie angenommen wurde, dadurch Körper entstünden, welche
der Collodiumwolle beigemischt blieben und dem daraus dargestellten Collodium
besonders günstige Eigenschaften ertheilten, so muſste es möglich erscheinen, diese
Substanzen für sich allein aus Gelatine zu erhalten. Bei der Nitration derselben
konnten jedoch keine in Wasser unlöslichen Producte erhalten werden. Die Gelatine
zerfällt durch Einwirkung von Salpetersäure unter Entwicklung von salpetriger Säure
in Kohlensäure, Oxalsäure und Aepfelsäure, und auch diese werden wahrscheinlich
weiter oxydirt werden.
Nach H. VogelPhotographische Mittheilungen, 1875 Bd. 12 S.
178. erscheinen pulverige Collodiumwollen besonders für den
Emulsionsproceſs geeignet und geben nach L.
WarneckePhotographische Mittheilungen, 1875 Bd. 12 S.
301. gröſsere Porosität der Schichten. Wenn diese Eigenschaften
ein gutes Emulsionscollodium bedingen, so läſst es sich nach den oben angeführten
Beobachtungen auch erklären, warum Gelatinezusatz die Collodiumwolle verbessern
konnte. Durch die Oxydation der Gelatine wurde die Menge der Salpetersäure
verringert, Wasser gebildet, dadurch die Säuremischung verdünnt, zugleich die
Temperatur erhöht und so alle Bedingungen zur Erhaltung einer pulverigen
Nitrocellulose herbeigeführt.
Nach einigen Beobachtungen kann ein Emulsionscollodium seine guten Eigenschaften
verlieren durch Niederschlagen mit wenig Wasser oder – nach H. VogelPhotographische Mittheilungen, 1875 Bd. 12 S.
179. – durch Uebergieſsen einer collodionirten Platte mit
Alkohol. Dies läſst sich erklären durch die Löslichkeit des pulverigen Pyroxylins in
Alkohol oder in mit Wasser verdünntem Aether-Alkohol. Vorausgesetzt ist dabei, daſs
das verwendete Pyroxylin aus Baumwolle dargestellt wurde, da dem aus Papier u.s.w.
erhaltenen durch Alkohol nichts entzogen werden kann.
Um die Ueberzeugung zu gewinnen, daſs wirklich die Beimischung pulveriger
Nitrocellulose eine Collodiumhaut poröser mache, wurden verschiedene unter dem
Mikroskope betrachtet. Eine Lösung Schering'scher
Collodiumwolle gab eine glasartige Schicht, in welcher mit Hilfe der stärksten
Vergröſserung keine Spur einer Netzbildung oder Structur beobachtet werden konnte.
Pergamentisirtes Papier (Versuch 44) gab eine schwach opalisirende Schicht, in
welcher sehr geringe Structur nachgewiesen wurde. 2 Th. Schering'sche Collodiumwolle mit 1 Th. pulverigem Pyroxylin nach Béchamp gab eine schwach opalisirende Schicht, in
welcher gleich starke Structur als im vorhergehenden Versuche bemerkt wurde. Durch
Erhöhung der Beimischung von pulveriger Nitrocellulose wurde die Structur immer
deutliche, die Schicht weiſslicher und weniger durchsichtig, ohne daſs die
Festigkeit der Schicht merklich abnahm.
Aus der vorstehenden Arbeit lassen sich folgende Resultate ableiten.
1) Durch Einwirkung von Salpeter-Schwefelsäure auf Cellulose werden Nitroverbindungen
derselben erhalten, deren Zusammensetzung und Eigenschaften variiren, nach der Menge
der Salpetersäure und der Schwefelsäure, der Art der Cellulose, der Dauer der
Einwirkung und der Höhe der Temperatur des Säuregemisches.
2) Es gibt 4 Nitroverbindungen der Cellulose:
Pentanitrocellulose C12H5 (NO2)5 O10,
Tetranitrocellulose C12H6 (NO2)4 O10,
Trinitrocellulose C12H7 (NO2)3 O10,
Binitrocellulose C12H8 (NO2)2 O10.
3) Diese Verbindungen können in faserigem und pulverigem Zustand erhalten werden.
4) Der Gehalt der Nitroverbindungen der Cellulose an Untersalpetersäure wächst mit
der Menge der Schwefelsäure, der Concentration der Salpetersäure, der Dauer der
Einwirkung und der Höhe der Temperatur des Säuregemisches.
5) Erhöhung der Temperatur eines Säuregemisches steigert nicht nur den Gehalt des
Productes an Untersalpetersäure, sondern erleichtert auch das Durchdringen der
Cellulose, verändert deren Structur und gibt den Pyroxylinen und deren Lösungen
andere physikalische Eigenschaften.
6) Die durch Nitriren der Cellulose entstehenden Producte sind meistens Mischungen
verschiedener Nitrationsstufen, welche auſser der Pentanitrocellulose nur schwierig
allein darstellbar sind und nicht oder nur
unvollständig durch Lösungsmittel getrennt werden können.
7) Nitroverbindungen der Cellulose mit mehr als 41,89 Proc. NO2 enthalten in den Poren Salpetersäure, welche nicht
durch Auswaschen entfernt wurde; solche, die weniger als 22,22 Proc. NO2 enthalten, sind mit nicht nitrirter Cellulose
gemischt.
8) Durch sehr concentrirte Salpeter-Schwefelsäure werden die verschiedenen Arten der
Cellulose in die gleiche Verbindung verwandelt, durch schwächere Säuren dagegen
verschieden hoch nitrirt.
9) Je leichter eine Faser durch Einwirkung der Schwefelsäure pergamentisirt wird,
desto schwieriger wird sie nitrirt, und jeweiliger die Schwefelsäure auf sie
einwirkt, desto mehr kommt die Salpetersäure zur Wirkung.
10) Durch theilweise Reduction mit kochender schwefelsaurer Eisenvitriollösung und
Färbung mit Jodlösung lassen sich stark pergamentisirte Pyroxyline von weniger und
nicht pergamentisirten unterscheiden.
11) Die Löslichkeit der Nitrocellulosen ist je nach der Zusammensetzung und der
Structur derselben verschieden.
12) Die Erhaltung einer glasartigen Schicht beim Verdunsten einer Pyroxylinlösung ist
nicht sowohl von der Substanz, als auch von der Art des Lösungsmittels abhängig.
13) Durch Imprägniren von Baumwolle mit Gelatine, oder durch Zusatz von Gelatine zu
dem Säuregemische vor dem Nitriren, können die zur Erhaltung eines theilweise
pulverigen Pyroxylins nöthigen Bedingungen herbeigeführt werden.
Die vorstehende Arbeit wurde mit Erlaubniſs des Vorstandes der „Kgl. Chemischen
Centralstelle für öffentliche Gesundheitspflege“ in Dresden, Hrn. Hofrath
Dr. H. Fleck, in dem Laboratorium derselben
ausgeführt.