Titel: | Ueber Anilinblau. |
Fundstelle: | Band 230, Jahrgang 1878, S. 163 |
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Ueber Anilinblau.
Mit Abbildungen auf Tafel 13.
Ueber Anilinblau.
Theoretisches. Die Anilinblau sind
Salze phenylirter Rosaniline; sie entstehen, wenn Rosaniline mit primaren
aromatischen Basen vom Typus des Anilins unter geeigneten Bedingungen erhitzt
werden. Es können 1 bis 3 Phenyl-, bezieh. Totylreste sich an Stelle von 3
Wasserstoff des Rosanilins setzen, indem gleichzeitig 1 bis 3 Ammoniak austreten.
Man kennt so ein Mono-, Di- und Triphenylrosanilin, welche als Basen bräunlich
amorphe Pulver, als Salze, roth- bis grünblaue Lösungen gebend, undeutlich
krystallinische, grünlich-bräunliche Pulver darstellen. Die Reaction bis zum
trisubstituirten Product vollzieht sich in 3 Phasen:
1)
C20H19N3
+ C6H5H2N
=
C20H18(C6H5)N3+ H3N
Rosanilin
Anilin
Monophenylrosanilin
2) C20H18(C6H5)N3 + C6H5H2N = C20H17(C6H5)2N3 + H3N
(Diphenylrosanilin)
3) C20H17(C6H5)2N3 + C6H5H2N = C20H16(C6H5)3N3 + H3N (Triphenylrosanilin).
Ebenso kann man auch tolylirte mit Toluidin (Tolylamin) und
gemischt substituirte Rosaniline, bei Anwendung von Anilin (Phenylamin) und Toluidin
zusammen, darstellen. Nicht primäre Monamine, wie z.B. Methylanilin, liefern unter
gleichen Umständen braune, harzige, wenig untersuchte Massen.
Analytisch festgestellt sind übrigens auch nur die Phenyl- und
Tolylderivate des Rosanilins; am besten bekannt sind ihre Chlorhydrate, Sulfate und
Acetate. Die letzteren sind am besten in Alkohol löslich, ferner die Mono- und
Disubstituirten mehr als die Triderivate und endlich die Tolylblau mehr als die Phenylblau. Die
freien Blaubasen sind Monohydrate, wie das Rosanilin = C20K19N3H2O selbst, z.B. Triphenylrosanilin =
C38H31N3H2O.
Basen und Salze sind in Wasser, Aether, Benzol, Petroleum schwer
löslich oder ganz unlöslich, mäſsig löslich in Methyl-, Aethyl- und Amylalkohol, gut
löslich in Nitrobenzolen, Anilinen, Phenolen. Da diese drei Lösungsmittel ihrerseits
leicht mischbar sind mit Aether, Benzol und Petroleum, so gelingt es, ziemlich
concentrirte Lösungen herzustellen, in denen die letzteren den Hauptbestandtheil
bilden, was zum Zweck der Reindarstellung, als auch für die praktische Anwendung von
Bedeutung ist.
Durch reducirende Stoffe werden die Anilinblau in die
correspondirenden Leukaniline übergeführt; der trocknen Destillation unterworfen,
liefern sie correspondirende Imidbasen, wie Diphenylamin, Phenyltolylamin u.s.w.
Unter Druck in alkalisch-alkoholischer Lösung mit Methyl- oder Aethylhalogenüren
behandelt, werden weitere Substitutionen veranlaſst, bezieh. Additionskörper
gebildet, welche die ursprünglichen Farbstoffe an Feuer der Farbe und in der
Löslichkeit in Alkohol übertreffen. Hingegen sind die so entstandenen Verbindungen
unfähig, gepaarte Sulfosäuren zu bilden. Jene, die ursprünglichen Phenylrosaniline,
liefern solche in verschiedenen Stufen, deren durch Behandlung mit Ammoniak, den
Hydraten und Carbonaten der Alkalien erhaltenen Salze leicht in Wasser löslich sind.
Hierdurch ist ähnlich wie beim Indigo eine bequemere und ökonomischere Anwendung
möglich geworden.
Die Darstellung phenylirter Rosaniline gelingt nur sehr
unvollkommen, wenn man Rosanilin oder Fuchsin (das Chlorhydrat des ersteren) mit
überschüssigem Anilin erhitzt; ja es wird sogar durch noch nicht aufgeklärte
Reactionen der zuerst gebildete blaue Farbstoff wieder zerstört. Dagegen leicht und
in fast theoretischer Menge werden die Blau erhalten, wenn man zu Rosanilinansätzen
gewisse Monocarbonylsäuren, wie Essigsäure, Stearinsäure, Benzoesäure, Salicylsäure,
und zu Fuchsinansätzen die entwässerten Natriumsalze der Säuren (vorzüglich
Natriumacetat und Benzoat) in bestimmten Verhältnissen zugibt. Bicarbonylsäuren, wie
z.B. Oxalsäure oder Phtalsäure, sind nicht zu verwenden. Die Rolle, welche die
vorhin genannten Zusätze in der Blaubildung spielen, ist trotz ihrer offenbaren
Wichtigkeit nicht hinreichend erklärt. Aus den fertigen Schmelzen kann man die
Säuren unverändert wiedergewinnen, sämmtliches Natrium findet sich in den
Fuchsinschmelzen als Chlorid wieder. Dabei sind es keineswegs genau stöchiometrische
Mengen, bezogen auf das Rosanilin oder Fuchsin, welche man zu nehmen hat, um gute
Ausbeuten zu erhalten. Wenn man, um Rosanilinbenzoat zu bilden, auf 1 Th. der Base
0,38 Th. der Säure zu nehmen hat, so erhält man mit 0,12 Th. der letzteren die beste
Blau-Ausbeute. Von Eisessig braucht man, vermuthlich der gröſseren Flüchtigkeit
wegen, mehr und fast die moleculare Menge, nämlich 0,16, so auch vom Natriumacetat.
Kurz, man kann das günstigste Verhältniſs nicht theoretisch vorherbestimmen, sondern
nur experimentell finden. Auch auf die Nuance des Endproductes ist die Wahl des
Zusatzes von Bedeutung; so erhält man mit Benzoesäure und Benzoaten Blau, die sich
mit grünem Stich auffärben (Grünstich-Blau), mit Essigsaureanhydrid und Acetaten
solche, die sich mit vergleichsweise rothlichem Stich auffärben.
Von allergröſster Bedeutung aber ist das Verhältniſs zwischen den
anzuwendenden Mengen von Anilin- und Rosanilinverbindungen selbst. Für die
Festhaltung desselben Endproductes ist unter allen Umständen zunächst gleichmäſsig
verbleibende Beschaffenheit der Materialien erforderlich, ferner Innehaltung
derselben Reactionsdauer und derselben Temperatur.
Fabrikation. 1) Spiritusblau. Am ehesten wird es
gelingen, ein anschauliches Bild der Anilinblaufabrikation zu geben, indem wir mit
Erwähnung aller Nebenumstände die fabrikmäſsige Darstellung eines marktfähigen,
feinen Blaus verfolgen, zunächst bis zu seiner Fertigstellung als trocknes, in
Alkohol lösliches Chlorhydrat. Man nennt die feineren und mehrfach gereinigten
Sorten „Opalblau“, die zunächst aus der Schmelze abgeschiedenen Blau schlechthin
„Spiritusblau“, im Gegensatz zu den hernach zu behandelnden, in Wasser
löslichen, schlechthin „löslichen“ Blau.
Es wird dem Praktiker willkommen sein, wenn die Beschreibung des Processes unter
Heranziehung gewichtlich bestimmter Massen erfolgt; damit im Zusammenhang werden die
geeigneten Gröſsen der benöthigten Gefäſse gegeben. Es wird dann leicht sein, mit
Hilfe der Zeichnungen eventuell Einrichtungen für beliebig andere Mengenverhältnisse
zu treffen.
Für die Fabrikation eines feinen grünstichigen Blaus, wie es in Spirituslösung für
die Seidenfärberei verlangt wird, ist die Anwendung der Rosanilinbasis nach vielen
Erfahrungen unumgänglich, ferner ein bedeutender Ueberschuſs möglichst reinen
Anilins (Phenylamin), endlich Benzoesäure oder Salicylsäure.
Für 25k Rosanilin, 250k Anilin, 3k Benzoesäure ist ein Kessel
nöthig von 500l Inhalt, einem Durchmesser von
85cm und einer Höhe von 120cm. Er ist in der aus Fig. 10
Taf. 13 ersichtlichen Weise eingemauert, so daſs er durch einen bis zu einem Drittel
der Höhe reichenden Schutzmantel aus 5mm starkem
Eisenblech umgeben und vor der directen Berührung der Flamme geschützt ist; er steht
also in einem Luftbad, welches durch eine gut zu regulirende Feuerung erwärmt wird.
Vermöge mehrerer Zapfen oder eines Ansatzringes ragt der Kessel mit etwa ⅙ seiner
Höhe aus der Herdmauer, an der oberen Oeffnung befindet sich eine etwa 8cm breite Flansche, auf welcher ein passender
Deckel mittels Schrauben und einer Dichtung aus Hanf und Mennige oder eines
Gummiringes luftdicht aufgesetzt werden kann. Das Material des Kessels ist entweder
3cm starkes Guſseisen oder 2mm starkes Kupferblech. Bei Anwendung von Eisen,
das man bei solchen Dimensionen nicht gut emaillirt haben kann, empfiehlt es sich,
das Innere sorgfältig auszubleien. An dem Deckel bemerkenswerth sind die centrale
Stopfbüchse, durch welche eine 3cm starke Spindel
R mit ankerförmigen Rührarmen v bis nicht ganz auf die tiefste Stelle des Kessels
hinabgeht; die Spindel und mit ihr das Rührwerk wird langsam durch Maschinenkraft
gedreht; sie wird noch durch eine Führung oberhalb des Zahnrades z gehalten. An der tiefsten Stelle des Kessels mündet
ein etwa 2mm,5 weites Gasrohr M, welches an der Wandung unterhalb der Rotationssphäre
des Rührwerkes emporsteigt, luftdicht durch den Deckel geht, auſserhalb mit einem
aufsteigenden Rohr verbunden und durch einen Hahn abgeschlossen werden kann. Jenes
Rohr führt zu dem später zu beschreibenden Fällungsapparat. Ein anderes Rohr C von gleicher Weite geht eben nur durch den Deckel,
ist mit Hahnschluſs versehen und läſst sich in Verbindung setzen mit dem Druckventil
einer Compressionspumpe. Einen vierten ebenfalls abschlieſsbaren Ausgang B nimmt das etwa helmartig erweiterte
Destillationsrohr, welches zur Kühlschlange D führt.
Eine fünfte Oeffnung dient zur Aufnahme eines Thermometers und zur Entnahme von
Proben während der Operation; endlich kann man noch ein Metallmanometer m anbringen, um die fertige Schmelze mit gemessenem,
ein für alle Male gleichem Druck durch die Abdruckröhre nach den Fällungsgefäſsen
überzuführen.
Es braucht kaum erwähnt zu werden, daſs unter anderen Bedingungen und Räumlichkeiten,
als die hier vorgestellten, mancherlei passendere Veränderungen getroffen werden
können; nur ist zu berücksichtigen, daſs es immer gestattet sein muſs, die
Blauschmelze der weiteren Reaction zu entziehen. Bei kleineren Ansätzen in kleineren
Kesseln wird man z.B. vom Rühren durch Dampfkraft absehen, ebenso vom
Hinüberdrücken; man wird dann aber den Kessel so einzusetzen haben, daſs er leicht
aus dem Luftbad herausgenommen werden kann. – Für den hier in Rede stehenden,
festgemauerten Kessel empfiehlt sich ferner die Anbringung einer gröſseren Oeffnung,
damit man nicht jedes Mal nöthig hat, bei neuer Beschickung den ganzen Deckel
abzunehmen; man stellt durch Bügelschraube, angepaſste Platte und Gummidichtung in
bekannter Weise leicht vollkommenen Schluſs her.
Vorprüfung der Materialien. Die
anzuwendende Rosanilinbase, Base schlechthin genannt, muſs als Salz dem reinsten
Fuchsin (Blaustich) entsprechen. An sieh reiner ist die mit Kalk oder Ammoniak
abgeschiedene als die sogen. Natronbase, meist auch reiner, wenn sie aus dem
Nitrobenzolverfahren, als wenn sie aus dem Arsenverfahren stammt. Ein Arsengehalt,
wenn auch nur im Marsh'schen Apparat nachweisbar, ist
unstatthaft, weniger wegen des Arsens selbst, als wegen der aus seinem Vorhandensein
zu erschlieſsenden übrigen Verunreinigungen. Die Base, mit etwas Essigsäure gelöst,
darf nach dem Trocknen in neutraler Lösung keinen Rückstand lassen, muſs die volle
Intensität eines guten Fuchsins zeigen, sowohl aufgefärbt, als in der bei
Feststellung von Fuchsinschmelzen üblichen colorimetrischen Probe; verpönt ist dabeidahei ein Stich ins Gelbliche. In Ammoniak und in Alkohol muſs sich die Base
ebenfalls ohne Rückstand lösen. Aeuſserlich zeigt sich die Brauchbarkeit eines
Rosanilins, durch das blaſsrothe Aussehen der kleinblätterigen Krystalle, aus denen
sie besteht; dagegen erscheint eine durch Natronlauge gefällte, ordinäre Base als
ziegelrothes amorphes Pulver mit nur vereinzelten Krystallen.
Das in die Operation gehende Anilin muſs nahezu reines Phenylamin
sein, reinstes Blau-Anilin (Blau-Oel), nur schwach gefärbt, von reinem Geruch und
einem normalen Wassergehalt. Ein Geissler'sches
Thermometer muſs etwa von 180 bis 182,5° gestiegen sein, wenn 97 Vol.-Proc.
übergegangen sind. Blau-Oele, welche dieselbe Menge erst innerhalb 40 oder 60
absieden, sind besser für rothstichiges Blau zu verwenden.
Auſser der Benzoesäure bleiben mit Rücksicht auf gelegentliche
Verwendung auch noch die Salicylsäure, die Essigsäure und Stearinsäure zu
besprechen. Letztgenannte, nicht rein, sondern als bestes Stearin des Handels
angewendet und daher mit Palmitinsäure gemischt, liefert zwar ein sehr
befriedigendes Product; indeſsen bedarf man wegen ihrer vergleichsweise geringen
Energie und wegen ihres hohen Moleculargewichtes wesentlich mehr davon als von den
andern. Ferner ist sie nicht ohne besondern Proceſs völlig aus den beiden
Schluſsproducten der Schmelze, dem Blau und dem Anilinchlorhydrat zu trennen. Sie
muſs übrigens rein weiſs sein, sich vollkommen in Aether lösen und nach dem
Verseifen wieder abgeschieden denselben Schmelzpunkt von 59 bis 61° zeigen. Mit
Essigsäure, als Eisessig zu verwenden, wird nicht leicht der gewünschte Grünstich
des Blaus erhalten; auch muſs man auf die Wiedergewinnung in irgend welcher Form
völlig verzichten. Salicylsäure und Benzoesäure geben gleich gute Resultate; man bedarf
von ersterer fast ein Drittel des Gewichtes weniger. Doch ist entsprechend reine
Salicylsäure immer noch theurer und schwerer wiederzugewinnen als die Benzoesäure;
diese genügt allen Ansprüchen am meisten. Sie muſs rein weiſs, ohne Rückstand
löslich und sublimirbar sein. Meist haftet ihr ein schwacher Harngeruch an, woraus
sich schlieſsen läſst, daſs der bei weitem groſsere Theil noch immer aus Kuhharn
bereitet wird.
Verlauf der Operation. Ein Ansatz von 25k Rosanilin, 250k Anilin und 3k Benzoesäure bedarf zur
völligen Umwandlung in das beabsichtigte Blau 8 bis 9 Stunden. Man läſst daher am
Abend vor dem Fertigtreiben den Kessel beschicken und am andern Morgen bei Zeiten
anfeuern. In 2 bis 3 Stunden zeigt das Thermometer Annäherung an den Siedepunkt des
Anilins 5 man hat nun diese Temperatur so fest zu halten, daſs nicht allzu rasch und
allzu viel Anilin in die unter dem Kühlfaſs befindliche Vorlage geht. Bei richtig
geleiteter Operation darf dieses Destillat nicht über 10 bis 15 Proc. des in Arbeit
genommenen Oeles enthalten, im bezüglichen Falle also 25 bis 35k. Selbstverständlich ist während der Operation
nur der Abgang nach dem Kühlfaſs D offen. Daſselbe mag
etwa 150cm hoch, 80cm weit sein, mit einer Kühlschlange von 5 bis 6 Windungen; das Kühlwasser
ist am besten in beständiger Erneuerung.
Die anilinische Lösung färbt sich offenbar durch die Bildung eines Rosanilinbenzoates
sofort, schon in der Kälte, tief roth 5 diese Färbung fängt schon bei 120° an ins
Rothviolette überzugehen, nach einiger Zeit bei 150 bis 170° erscheint sie
blauviolett, bei etwa 180° scheint bei nur oberflächlicher Prüfung der Fortschritt
geringer. Es hat sich nun übrigens als vortheilhaft herausgestellt, nicht sogleich
die ganze Menge der Benzoesäure zu Anfang in den Kessel zu geben, sondern etwa 1/7 bis ⅙ davon
zurückzuhalten, um es, wenn der Siedepunkt erreicht worden, nach zu schütten. Die
momentane Wirkung der Säure auf das erhitzte und schon ziemlich entwässerte Gemisch
hat etwas überraschendes; ein kräftiges Aufsieden und stärkere Ammoniakentwicklung
ist die unmittelbare Folge. Bis zu einer Temperatur von 120° kommt nur Wasser, mit
Spuren von Anilin, bei 140° wird das Ammoniak bemerklich und als ein etwa 10proc.
Ammoniakwasser tropft es, mit immer mehr Anilin gemischt, bis 180° in die Vorlage.
Diese wird von Zeit zu Zeit gewechselt und in einen hohen, eisernen Cylinder
entleert, sodann so viel Kochsalz nachgegeben, als genügt, um das Anilin
abzuscheiden. Dieses Vorlaufsöl ist fast immer von niedrigerem Siedepunkt als das in
Arbeit genommene, und verlohnt es sich deshalb wohl, dasselbe für sich
aufzubewahren. Auf die Gewinnung des Ammoniaks verzichtet man in der Regel, obwohl
bei 150 solcher Operationen im Jahre und der halben theoretischen Ausbeute an
3000k 10proc. Ammoniakwasser gewonnen werden
könnten. Der nächste Weg wäre der, den Vorlauf zu fractioniren, was bei der
Verschiedenheit der
Siedepunkte keine Schwierigkeiten haben kann, ein anderer dem Destillationsausgang
mit einem geeigneten Dephlegmator zu versehen; es wäre dann noch ein höher gelegener
Ausgang in Verbindung zu setzen mit einer Absorptionsvorrichtung für das
Ammoniak.
Ist der Punkt der Bläuung erreicht, bei dem man die Färbungen
zweier nach einander entnommenen Proben, auf Papier, Porzellan oder selbst auf Glas,
nicht mehr sicher unterscheiden kann, so muſs man zu einer anderen wesentlich
feineren und nur wenig umständlicheren Methode übergehen. Man hat sich alkoholische
Lösungen entweder aus Musterschmelzen oder schon gefällten Blau von bestimmtem
Gehalte fertig gestellt, etwa 1g
Anilinblauchlorhydrat auf 100cc. Hiervon, oder
besser von einer noch 10fach verdünnten zweiten Lösung, gibt man so viel zu 20cc Alkohol in ein 40cc fassendes Probefläschchen, daſs eine zarte, doch deutliche Blaufärbung
entsteht; diese Lösung gilt für Stärke und Nuance als Vergleichsmuster. Doch spielt
die Ermittlung der Stärke, des Gehaltes an Blau, hier eine mindere Rolle als bei dem
nach gleichem Verfahren zu ermittelnden Gehalt an Farbstoff in Grün- und
Fuchsinlösungen. Denn erstens ist in der noch treibenden Schmelze der Gehalt ein
wechselnder und muſs von einer Wägung der Zeitersparniſs wegen abgesehen werden und
zweitens fallen in einer normalen Schmelze die Maximalpunkte von Reichthum und Feuer
des Farbstoffes zusammen. Um aber doch annähernd immer dieselbe Menge Schmelze zur
Probe zu nehmen, verfährt man am besten auf folgende Weise. Man läſst auf einen etwa
lern breiten Streifen Filtrirpapier einen Tropfen der Schmelze fallen, wozu man sich
des Thermometers bedient, schneidet dann jedesmal die gleiche Fläche ab, etwa 0qc,5, kocht dieses in einem Reagenzgläschen mit
immer der gleichen Menge Alkohol, dem etwa 0,5 Proc. Essigsäure beigemischt sind,
aus und tröpfelt von der Lösung zu 20cc Alkohol so
viel, bis Musterglas und Probelösung neben einander gehalten die gleiche Intensität
zeigen. Nur ein sehr geübtes Auge wird bei schon weiter vorgeschrittener Operation
da noch die zuweilen recht bedeutenden Unterschiede gewahren, die sofort
entgegentreten, wenn man die also in Bezug auf Stärke gleich gestellten Lösungen vor
homogenes Licht, z.B. das Licht einer Gasflamme in dunklem Räume bringt. Statt die
Vergleichung in einem verdunkelten Zimmer vorzunehmen, kann man sich auch eines
innen geschwärzten, gegen das directe Tageslicht abgeblendeten Blechkastens von
50cm Höhe, 60cm Breite und 40cm Tiefe bedienen. Die
eine Seitenwand und die damit correspondirende Bodenfläche sind selbstverständlich
offen, gegen das Ende ist in der Decke ein Schornstein für den beweglichen Brenner
eingelassen.
Man darf nun die Schmelze nie so lange treiben lassen, bis die optische Prüfung
annähernde Gleichheit in der Bläue anzeigt; man würde nicht allein Gefahr laufen,
ein Product von der gewünschten Nuance nicht zu erhalten, sondern sogar den Gehalt
der Schmelze erheblich schädigen und schlieſslich ein Blau mit allerlei unliebsamen
Eigenschaften erhalten, als da sind: Nachgrauen auf den Geweben und besonders
Schwerlöslichkeit bei der Ueberführung in wasserlösliche Verbindungen. So lange
nämlich noch die colorimetrischen Lösungen vor einer gelben Flamme einen
vergleichsweise rötheren Stich zeigen als das Muster, so lange ist noch nicht alles
Rosanilin bis zu der bezüglichen Stufe phenylirt; sobald dies aber geschehen,
schreitet die Reaction in der nicht plötzlich bis zur Inactivität zu kühlenden Masse
weiter vor und die chemische Thätigkeit richtet sich, wenn das nach den
Verhältnissen erreichbare Maximum in der Blaubildung eintrat, gegen das
beabsichtigte Product selbst. Phenylirte Rosaniline werden selbst bei groſsem Ueberschuſs
von Anilin, wenn die Reactionswärme (180°) andauernd erhalten wird, wieder zerstört;
unter den für die Industrie, bislang wenigstens, unbrauchbaren Producten findet sich
auch Diphenylamin. Hat man indeſsen das Auge an kleineren Versuchen im Laboratorium
geübt und arbeitet später im Groſsen immer mit gleichen Materialien, Apparaten
u.s.w., so bedarf der Proceſs, wie jedes durchgebildete Verfahren, nur der
allgemeinen Ueberwachung.
Das Feuer unter dem Kessel wird sofort entfernt, wenn nach der letzten Probenahme der
geeignete Zeitpunkt, die fernere Reaction in der Abkühlungszeit geschehen zu lassen,
gekommen ist. Nach 1½ Stunden wird die Masse etwa eine Temperatur von 150 bis 160°
zeigen, und eine neue colorimetrische Prüfung, bei welcher man auch gleichzeitig
eine Färbung auf Wolle ausführen kann, wird noch einen bedeutenden Fortschritt
zeigen. In der Zwischenzeit hat man die Menge des durch das Kühlrohr gegangenen
Anilins ermittelt. Man habe z.B. 30k gefunden, so
ist diese und die zur Phenylirung verbrauchte Menge vom ursprünglichen Quantum
abzuziehen; aus der Formelgleichung:
C20H19N3.H2O :
3C6H5H2N = C20H16(C6H5)3N3.H2O + 3H3N
berechnet sich für das umgesetzte Anilin rund 22k; es sind also verschwunden 52 und bleiben 198k Anilin. Diese und die dem Rosanilin
entsprechende Menge der Farbbase müssen behufs der Abscheidung des Blaus in ihre
Chlorhydrate übergeführt werden. Dies geschieht mittels der gewöhnlichen Salzsäure
von 32 Proc. Da nur ein mäſsiger Ueberschuſs derselben erwünscht ist, so berechnet
man zunächst die für beide Basen erforderlichen Mengen. Das Aequivalent einer Säure
von bezeichnetem Gehalt ist etwa 114, aus der Proportion 93 : 114 = 198 : 242,7 und
aus 319 : 114 = 25 : 8,9 ergibt sich in Summe ein Gewicht von 251k,6 Salzsäure; man nimmt statt dessen 260k, also einen Ueberschuſs von etwa 10k, der auf den Verlauf in diesen Grenzen günstig
einwirkt.
Durch Vereinigen der noch warmen Anilinfarbstofflösung mit concentrirter Salzsäure
wird das Blau zum allergröſsten Theile in feinpulverigem Zustande gefällt, während
aus der verdünnten und erkalteten Anilinchlorhydratlösung ein unbedeutendes Gewicht
eines geringwerthigen Blaus (sogen. Rückstandsblau) gewonnen wird. Gleichzeitig
schwimmt dann oben der gröſsere Theil der Benzoesäure, die abgehoben, gesammelt und
gelegentlich wieder zum Gebrauch gereinigt werden kann. Um nun im Groſsen ein gutes
und gleichbleibendes Resultat zu erzielen, ist auf die Fällungsapparate groſse
Sorgfalt zu verwenden. Dazu gehören wesentlich drei Gefäſse von entsprechenden
Dimensionen. Zunächst eine gut ausgebleite Bütte A
(Fig. 11 Taf. 13) von gegen 800l Inhalt,
versehen mit geeignetem Rührwerk (ebenfalls verbleit), ferner mit einer unter dem
Bleiboden liegenden, mit dem Dampfhahn b verbundenen
Dampfschlange, um die Massen, deren rasche Filtration etwa verhindert wurde, warm
halten zu können. Die Fällungsbütte befindet sich auf einem geräumigen, etwa 3m hohen Boden, unter dem sich eine Staffel tiefer
die Filterbütte F befindet. Diese besteht aus einem dem
Heiſswassertrichter der Laboratorien entsprechenden Apparat. Ein groſser oder
mehrere kleinere Bleitrichter, oben beckenartig erweitert und mit einem
viellöcherigen Boden versehen, sind so eingesetzt, daſs der obere Theil von warmem
Wasser umspült wird; in diese fächerartigen Trichter wird starkes
Wollstoff-Filtertuch eingelegt und am Rande oben durch einen Ring festgehalten. Auf
diese Filter wird durch einen geeigneten Abfluſs die noch warme Masse gebracht; in 1
bis 2 Stunden bei einer Filtrirfläche von 2qm kann
man die Scheidung von Blau und Anilinchlorhydrat vollenden. Es empfiehlt sich, die
Bleitrichter so aufzusetzen, daſs man die Filtration noch durch Absaugen mittels
einer Luftpumpe beschleunigen kann. Das auf dem Filter zunächst verbleibende Blau
bildet, wenn die Fällung gelungen, einen äuſserst feinkörnigen Schlamm, der noch bis
zum eigenen Gewicht an Mutterlauge enthält, von welcher er durch eine starke
Pressung, am besten mittels hydraulischer Presse, befreit wird. Der so gewonnene
Preſskuchen wird wieder in der Fällungsbütte mit dem gleichen Gewicht Salzsäure
digerirt, wobei er sich von neuem vertheilt, mit genügend viel Wasser abermals
filtrirt und so lange gewaschen, bis von Salzsäure und Anilin im Filtrat nichts mehr
nachzuweisen ist. Die noch feuchte Masse wird auf Trockenbleche vertheilt und bei
60° getrocknet; man erhält es dann schlieſslich als staubiges, braungrünliches
Pulver. Dieser pulverförmige Zustand ist für die Reinheit des Productes, für die
spätere Verarbeitung so wesentlich, daſs man auf die Leitung und Vorrichtung zur
Fällung, welche hierfür maſsgebend sind, die gröſste Sorgfalt verwenden muſs. Man
läſst aus der Mündung des Abdruckrohres a, welches vom
Schmelzkessel über die Fällungsbütte führt, die Anilinhaltige Lösung, besonders
anfänglich, nur in dünnem Strahle laufen, während für dauerndes und kräftiges
Umrühren gesorgt ist; doch wird jener Zweck nur immer dann vollständig erreicht
werden, wenn sich das Blau in so stark überschüssiger Anilinlösung befindet, wie in
dem besprochen Falle, wo das Verhältniſs etwa 1 : 7 ist. In allen andern Fällen –
und bei der Darstellung der weniger feinen Producte setzt man die Schmelzen mit
weniger Anilin an – wird man bröcklige, bis klumpige Fällungen erhalten, die selbst
durch wiederholtes Auskochen mit Salzsäure und durch Mahlen in getrocknetem Zustande
nicht die erwünschte, locker pulverförmige Beschaffenheit gewinnen.
Die in dem Gefäſse C vereinigten Filtrate und
Waschwässer, die einen Raum von 800l erfüllen,
scheiden, wie schon erwähnt, beim Erkalten noch etwas Blau und einen Theil der
Benzoesäure ab. Man pumpt die Flüssigkeit nach geschehener Trennung hiervon in einen
liegenden Kessel über, der entweder durch directe Feuerung, oder wie in diesem Falle
genügend, durch einen Doppelboden mittels Dampf heizbar ist. Eine durch einen
Domaufsatz führende Dampfleitung erlaubt, den Dampf direct in die im Kessel
befindlichen Massen einzuführen. Die Vorrichtung zum Ablassen und das Mannloch zum
Reinigen gehören selbstredend zur Armatur eines Kessels von etwa 400cm Länge, 150cm
Höhe und einem dem entsprechenden Inhalt von gegen 7cbm Von dem in der Mitte aufgesetzten Dom führt ein etwa 5cm weites Abgangsrohr, sich allmälig bis auf 25mm verjüngend, in eine ausgiebige Kühlvorrichtung.
Bevor man die salzsaure Anilinlösung einpumpt, hat man in den Kessel die Menge gut
gelöschten Kalkes, am besten in Breiform, hineingegeben, welche mehr als genügend
ist, die gesammte Salzsäure zu sättigen und das Anilin in Freiheit zu setzen. Die
Salzsäuremenge, welche in die Operation gegangen, ist bekannt: Zum Fällen wurden
verwendet 260k, zum Nachwaschen seien z.B. 100k gebraucht; 360k Salzsäure erfordern 95k Kalk mit 85
Proc. CaO. Man nimmt statt dessen etwa 100k, kann
dieselben übrigens auch durch einen geübten Arbeiter im Kessel selbst ablöschen
lassen und nach vollendeter Reaction die Anilinlösung zupumpen, wodurch man Wärme
gewinnt, welche die Zeit bis zum Sieden der Masse erheblich vermindert. Wenn der
Siedepunkt erreicht ist, läſst man den Dampf kräftig eintreten und kann so obige
Menge Anilin in 7 bis 8 Stunden mit den Wasserdämpfen übertreiben. Das gegen Ende
der Destillation in einem Probecylinder über etwas Kochsalz aufgefangene Wasser darf
keine ölige Tropfen mehr abscheiden. Die Menge des Destillates richtet sich,
abgesehen vom Einfluſs der Kesselconstruction, nach der Beständigkeit der Siedewärme
und der Spannung des Dampfes. Die gesammelten Destillate kommen in groſse Ständer
aus Eisen und werden mit so viel Kochsalz versetzt, daſs etwa eine 15proc. Lösung
entsteht. Das Anilin sammelt sich oben als hellgelbes Oel und wird nach Tagesfrist
abgezogen. Der fractionirten Destillation unterworfen, zeigt es schon eine wenn auch
geringe Steigerung des Siedepunktes, welche nach wiederholten Operationen so
hervortritt, daſs es, anstatt wie anfänglich zwischen 180 bis 182, erst bei 186°
völlig übergeht. Man verwendet die so schwerer gewordenen Oele für die rötheren
Sorten der Anilinblau. Das Kalkwasser läſst man direct laufen, wenn man auf die
Wiedergewinnung eines anderen Theiles der Benzoesäure verzichten will. In der That
scheidet sich die letztere mehr und reiner aus bei Zusatz von Salzsäure zu den
alkalischen Kalkbrühen 5 doch sind andererseits deren Volume so beträchtlich
geworden, daſs es meist umständlich wird, die Abscheidung vorzunehmen.
Das Hauptproduct, das Blau selbst anlangend, so erhält man bei guter Operation 40 bis
43k, statt der theoretischen 44,3, an feinem
Blau, daneben 2 bis 4k Rückstandsblau von blauschieferigem Aussehen und geringer Qualität.
(Fortsetzung folgt.)