Titel: | Ueber das Methylanilin. |
Fundstelle: | Band 230, Jahrgang 1878, S. 245 |
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Ueber das Methylanilin.
Ueber das Methylanilin.
Von den substituirten Anilinen, deren Ammoniakwasserstoff ganz oder zum Theil durch
Alkoholreste ersetzt wurde, ist bei weitem das wichtigste das Methylanilin, als
directe und indirecte Ausgangssubstanz für violette, grüne und blaue Farbstoffe. Für
das mit diesem Namen bezeichnete technische Product ist die Bezeichnung
„Methylanilin“ nur insofern richtig, als darunter methylirtes Anilin
schlechthin verstanden werden soll; denn thatsächlich bildet das Methylanilin des
Handels, und meist jedes durch Methylirung veränderte Anilin, ein Gemisch, dessen
vorwiegender Bestandtheil Dimethylanilin C6H5.(CH3)2N ist neben Monomethylanilin C6H5.CH3.HN, Anilin, Toluidin, methylirten Toluidinen und
selbst höheren Homologen.
Das Monomethylanilin ist ein Isomeres der drei Toluidine und des
Benzylamins, das Dimethylanilin ein Isomeres der möglichen Methyltoluidine, der
Xylidine, des Aethylanilins u.s.f. Die folgende tabellarische Uebersicht läſst trotz
ihrer Lücken die Unterschiede der bezüglichen methylirten Basen von ihren Isomeren
erkennen.
Methyl-anilin
Ortho-toluidin1 : 2
Meta-toluidin1 : 3
Para-toluidin1 : 4
Benzyl-amin
Siedepunkt
190 bis 191°
197°
198°
202°
183°
Schmelzpunkt
–
–
–
45
–
Specifisches Gewicht
0,976
1,00
0,998
–
0,990
AcetoverbindungSchmelzpunkt
104°
107°
65,5°
145°
–
Benzylamin verhält sich wie ein Amin der Fettreihe und reagirt
alkalisch, während die echten Derivate des Anilins, wie dieses selbst, gegen Lackmus
nicht reagiren.
Dimethyl-anilin
Methyl-toluidin1 : 4
Aethyl-anilin
Xylidine1 : 3
Siedepunkt
192°
208°
204°
216°
Schmelzpunkt
+ 0,5°
–
–
–
Specifisches Gewicht
0,9553
–
0,954
–
Die methylirten Aniline entstehen durch Einwirkung der
Methylhalogenure auf die primäre Base, die Behandlung von Anilinchlorhydrat mit
Holzgeist unter Druck ist nur eine Modifikation der allgemeinen Reaction, derzufolge
die secundare Base entsteht nach: C6H5.H2N + CH3J = C6H5.CH3.HN + HJ, und
die tertiare Base nach: C6H5CH3.HN + CH3J = C6H5.(CH3)2N + HJ. Durch weitere Zufuhr an Halogenur werden
die tertiären zu Ammoniumbasen. Unter Druck bei hoher Temperatur verwandeln sich die
höher substituirten Amidobenzole in die nächsten Amidotoluole u.s.w.; so gibt
Monomethylanilinchlorhydrat bei 335° Toluidin (1 : 4). Diese Umlagerung
(Atomwanderung) beginnt schon bei niedrigeren Temperaturen und ist groſsentheils die
Ursache des Vorkommens der Amine höherer Kohlenwasserstoffe im technischen
Methylanilin.
Reines Monomethylanilin (Moleculargewicht = 107) läſst sich nach
Hepp durch Einwirkung von Jodmethyl auf
Acetanilidnatrium und folgendem Verseifen des Methylacetanilids gewinnen:
Acetanilid, in Xylol gelöst, wird mit Natrium behandelt (C6H5.HN – C2H3O + Na = C6H5.NaN.C2H3O + H). Nach dem Entweichen des
Wasserstoffes wird Jodmethyl in geringem Ueberschuſs zugefügt; es entsteht
Jodnatrium und Methylacetanilid: C6H5.NaN.C2H3O + CH3J = C6H5.CH3N.C2H3O + NaJ. Das Xylol wird durch Destillation
entfernt, der Rückstand mit alkoholischem Alkali hinreichend gekocht und somit die
monomethylirte Base erhalten: C6H5.CH3N.C2H3O + KOH = C6H5.CH3.HN + C2H3KO2. Der Siedepunkt
der reinen Verbindung liegt bei 190 bis 192°, der des Acetylderivates bei 245° und
des letzteren Schmelzpunkt bei 99,5° (Hofmann).
Monomethylanilin entsteht ohne Ausnahme neben Dimethylanilin bei
der Methylirung des Anilins; es ist deshalb auch in allen Methylanilinen des Handels
enthalten, wechselnd zwischen 0,5 bis 50 Proc. Die Mengenverhältnisse der secundären
und tertiären Base wechseln mit den Mengenverhältnissen der erzeugenden
Verbindungen, sind zudem bestimmt durch die Natur des Halogenurs und die Leitung des
Processes. So bildeten sich Mono- und Dimethylanilin aus annähernd gleichen Mengen
Anilin und bezieh. Chlor-, Brom- und Jodmethyl im Verhältniſs von 3 : 4, 1 : 3,3 und
1 : 4,2. Das Verhältniſs von 3 : 4,5 wurde in den älteren Methylanilinen des Handels
häufiger beobachtet, während jetzt ein möglichst geringer Gehalt an Monomethylanilin
(0,5 bis 5 Proc.) erstrebt wird, seit man geneigt ist, im Dimethylanilin den
wesentlichen Farbstoffbildner zu sehen. Um nun die secundäre Base aus einem der
Reactionsproducte, wie sie in der vorstehend angedeuteten Weise erhalten werden,
rein abzuscheiden, hat man zunächst das etwa vorhandene Anilin als Sulfat zu
entfernen- dies geschieht für annähernd quantitative Versuche durch Ausschütteln mit
verdünnter Schwefelsäure, wobei thunlichst jedes Uebermaſs vermieden wird. Nachdem
der Aether entfernt, werden die methylirten Basen mit Essigsäureanhydrid (etwa dem
halben Gewicht) gemischt; sofort verräth eine merkliche Temperaturerhöhung die
Bildung des Methylacetanilids, selbst wenn nur wenig Monomethylanilin zugegen ist.
Man destillirt bis zu 220° ab, das essigsaure Dimethylanilin geht über, die
Acetoverbindung bleibt zurück und erstarrt krystallinisch; durch wiederholte
Destillation des Uebergegangenen werden noch kleine Mengen davon erhalten. Aus der
durch einmaliges Umkrystallisiren hinreichend gereinigten Gesammtmenge wird der
Betrag des Monomethylanilins berechnet (149 : 107). Der Rest kann in den meisten
Fällen als Dimethylanilin angesehen werden. Ein Probegewicht von 30, höchstens 50g genügt, um eine vergleichsweise genaue
Bestimmung auf Monomethylanilin auszuführen. Vorhandene Toluidine und deren Methylderivate (meist
1 : 4) reagiren übereinstimmend und können durch zweckmäſsig erweiterte Untersuchung
erkannt, bezieh. geschieden werden.
Reines Monomethylanilin steht in seinen Eigenschaften dem Anilin
nahe, es gibt mit Hypochloriden eine schwach violette Färbung, seine Salze zeigen
geringes Krystallisationsvermögen. Für sich allein zeigt es keine bemerkenswerthen
chromogenen Eigenschaften, wohl aber zusammen mit Dimethylanilin und anderen Basen-
besonders wichtig aber wird es in dieser Hinsicht als Ausgangspunkt für die
Herstellung mancher gemischten tertiären Amine, welche neben dem Methylrest Aethyl-
und Benzylreste enthalten und ihrerseits als Ausgangspunkt für die Bereitung
gewisser Violettnüancen dienen können.
Reines Dimethylanilin (Moleculargewicht 121) wird erhalten durch
trockne Destillation des Trimethylphenylammoniumhydroxydes: C6H5(CH3)2N.CH3OH = C6H5(CH3)2N + CH3OH, oder durch Destillation des Jodides desselben
Körpers im Chlorwasserstoffstrom, wobei zugleich Jodmethyl entsteht: C6H5(CH3)2N.CH3J + HCl = C6H5(CH3)2N.HCl + CH3J,
endlich durch Ausfrierenlassen eines von Anilin und Monomethylanilin befreiten
Methylirungsproductes; es erstarrt nämlich bei + 5° und kann bei tüchtigem Abpressen
durch Wiederholung des Verfahrens vollkommen rein (Siedepunkt 192°) gewonnen werden.
Ohne Einwirkung auf Lackmus wird es auch durch Hypochlorid nicht verändert; seine
Salze, ebenfalls schwer krystallisirbar und hygroskopisch, färben sich an der Luft
schwach grünlich. Wie das Anilin besitzen auch die methylirten Basen die Fähigkeit,
sich mit den Salzen vieler Metalle zu Doppelverbindungen zu vereinigen, so besonders
mit CuCl2 und ZnCl2.
Als tertiäre Base nicht acetylirbar, bildet das Dimethylanilin bei weiterer Zufuhr
von Alkylhalogenür leicht Ammoniumbasen; besonders charakteristisch ist die leicht
krystallisirende Benzylverbindung, welche sich nach einigem Stehen aus einer
Mischung mit Chlorbenzyl ausscheidet. Der Gehalt an Dimethylanilin entscheidet
zumeist über die Brauchbarkeit des technischen Methylanilins; es ist wesentlich
diese Base, deren Erzeugung bei der Fabrikation des Handelsproductes beabsichtigt
wird, und ihr kommt – wenn auch nicht ausschlieſslich – die farbstoffbildende Kraft
in qualitativem und quantitativem Sinne zu.
Im käuflichen, unter Druck dargestellten Methylanilin finden sich
nun auſser den schon aufgeführten Basen: Toluidin, Mono- und Dimethyltoluidin,
selbst Xylidin u.a.m. Vorkommen und Gehalt an diesen höheren Homologen vsind
abhängig von der Temperatur und dem Druck, welchem das Reactionsgemisch ausgesetzt
gewesen. Von Monomethyltoluidinen ist das dem Paratoluidin entsprechende bekannt. Es
bildet sich beim Einleiten von CH3Cl in das siedende
Monamin, neben der disubstituirten Base im Verhältniſs von 3,5 : 1,
selbstverständlich auch bei Anwendung anderer Halogenüre oder der Behandlung des
Chlorhydrates mit CH3OH unter Druck. Der Siedepunkt
liegt bei 208°, die Nitrosoverbindung schmilzt bei 54°, die Acetoverbindung siedet
bei 283° und schmilzt bei 83°.
Von Dimethyltoluidinen sind bislang zwei bekannt geworden, dem
Ortho- und Paratoluidin entsprechend. Sie entstehen gleichzeitig durch Behandlung
von Trimethylphenylammoniumjodid unter Druck bei 220 bis 230°, oder durch trockne
Destillation der entsprechenden Toluylammoniumhydroxyle. Die Orthobase siedet bei
183°, die Parabase bei 208°. Zu beachten ist, wie beim Mono- und Dimethylanilin, die
Nähe der Siedepunkte der entsprechenden Methylderivate des Paratoluidins; dieselben
dürften als Farbstoffbilder nahezu dieselbe Rolle spielen, wie die entsprechenden
Aniline, wenn schon sie nicht zur Erzeugung derselben violetten, oder violetter
Farbstoffe überhaupt unterschiedslos verwendet werden können. Die Entstehung der
Toluolbasen wird angesehen als eine Folge der Verschiebung der zunächst an den
Stickstoff des Anilins gebundenen Methylreste in den aromatischen Kern. Diese
Verschiebung ist lediglich als eine Druckwirkung aufzufassen, da die Methylirung
durch Halogenüre unter normalem Druck nur bis zur Bildung von Ammoniumverbindungen
führt, welche unter Zerfall des Molecüls bei der Destillation wieder tertiäre
Monamine liefern. (Vgl. Ende der Abhandlung.)
Die Trennung des secundaren vom tertiären Methyltoluidin erfolgt durch Anwendung
derselben Processe, deren man sich bei der Trennung der entsprechenden Aniline
bediente. Die Untersuchung bezieh. Trennung eines Gemisches, welches neben den
Benzolbasen höhere Homologe enthält, ist noch nicht in einer für das technische
Bedürfniſs handlichen Weise ausgebildet worden 5 doch gewährt die Acetylirung
immerhin ein bequemes Mittel, um zunächst primäre und secundäre Basen von den
tertiären zu scheiden und somit zu erfahren, wie hoch der Gehalt im Ganzen ist, an
jenen minder werthvollen, z. Th. sogar schädlich wirkenden Verbindungen. Schneller
gewinnt man ein zureichendes Urtheil über die Verwendbarkeit eines Methylanilins aus
der Destillation einer bestimmten Menge unter immer gleichen Verhältnissen, wie
solche zur Werthbestimmung des Blauöles (Anilin), Rothöles (Basengemisch für
Fuchsin) und anderer Flüssigkeiten vorgenommen wird. 100cc reichen aus, wenn man die bei gleichmäſsiger Destillation, innerhalb
des Intervalles von 1°, übergehenden Mengen notirt, um zu erkennen, ob, in welchem
Maſse und in welcher Richtung wesentliche Uebereinstimmung oder Abweichung zwischen
fraglichen Basengemischen vorhanden. Ein Methylanilin, welches einen gewissen Gehalt
an ursprünglichem Anilin besitzt, wird entsprechende Mengen bei niederer Temperatur
abgeben; ein anderes, vermischt mit höheren Homologen, wird diese durch ein
entsprechendes Steigen des Kochpunktes bis zur Abgabe eines bestimmten Quantums
verrathen; in einem dritten endlich wird ein sprungweises Wechseln des Siedepunktes
das Vorhandensein von einander relativ weit ab siedender Verbindungen anzeigen. Wenn
schon nun die Zahlen für die gradweis übergegangenen Mengen nicht, wie wohl
vorgeschlagen worden, Durchschnittsberechnungen auf den wirklichen Gehalt an
verschiedenen Basen zu Grunde gelegt werden dürfen, so ist doch immerhin eine
derartige Destillation das bequemste Mittel, gewisse Anhaltspunkte für die
Darstellung sowohl, als für die weitere Behandlung, bezieh. Verwerthung eines
Methylanilins zu gewinnen. Hier sei noch der eigenthümlich knatternden Explosionen
gedacht, welche man beobachtet bei der beginnenden Destillation der meisten, selbst
durch Chlorcalcium entwässerten Methylaniline; dieselben wurden der Zerlegung
hydratischer Verbindungen des Methylanilins (Martius)
zugeschrieben.
Die nachfolgende Tabelle gibt die Resultate einiger solcher Destillationen,
herausgegriffen aus einer groſsen Reihe systematischer Untersuchungen und
Notirungen. Letztere gewinnen im Zusammenhang mit systematisch geführten Bemerkungen
über die Darstellung und Verwendung der Methylaniline, bezieh. über die Ausbeuten an
Violett, für den Betrieb ganz wesentliche Bedeutung. Einige der destillirten
Methylaniline sind gleichzeitig auf ihren Gehalt an Anilin und an Monomethylanilin
geprüft worden, wie nebenher angemerkt ist. Die gewählten Beispiele sind ferner
typisch für die Methode der Darstellung und die Methode der Verarbeitung auf
Violett, und soll auf dieselben in der speciellen Beschreibung der Fabrikation des
Methylanilins darauf Bezug genommen werden. Die unter A aufgestellten Methylaniline
waren dargestellt durch Einleiten von Chlormethyl in siedendes Anilin. Die unter B
und C waren entstanden aus Anilinchlorhydrat und Holzgeist unter Druck. Von je
100cc gingen bei den links verzeichneten
Graden des nämlichen Thermometers, in demselben Apparat und an demselben Tage der
Destillation unterworfen, über von:
Grad
A
B
C
Grad
A
B
C
I
II
I
II
I
II
I
II
I
II
I
II
185186187188189190191192193194
–1430879194–97–
–133288929597––
––143887919597–
–––33687929496–
––––2632556880
––––2838566781
195196197198190200202204206
–––––––––
–––––––––
–––––––––
–––––––––
8690||||94||96||98
8790||94||96||98–
A I und II enthielten Spuren von Anilin, reichlich 45 Proc.
Monomethylanilin.
B II enthielt Spuren von Anilin, etwa 4 Proc.
Monomethylanilin.
C I und II enthielten etwa 5 Proc. Anilin, bezieh. Toluidin und
gegen 11 Proc. monomethylirtes Anilin, bezieh. Toluidin.
Methylaniline A I und II waren dargestellt durch Einleiten von
CH3CI in siedendes Anilin (500g). A I war das durch eine einmalige Absättigung
mit CH3Cl erhaltene und darauf von Anilin befreite
Product; methylirt im Ganzen war vom angewendeten Anilin etwa ein Drittel (157g), hiervon – wie die Acethylirung eines aliquoten
Theiles ergab – waren 71g,5 Monomethylaniline.
A II wurde nach der ersten Reaction wieder basisch gemacht, im
Wasserdampfstrom umdestillirt und ein zweites Mal mit CH3Cl behandelt, bis das Halogenür nicht mehr aufgenommen wurde. Methylirt
waren zwischen zwei Drittel und der Hälfte des Anilins (284g), davon Monomethylanilin 126g. Zur Trennung der Basen wurde statt des Aethers
hochsiedendes Benzol (Siedepunkt 90 bis 120°) verwendet.
Es war also nicht, wie man hätte erwarten sollen, der Gehalt an tertiärem Amin
gegenüber dem Monomethylanilin gestiegen; vielmehr ist bei weiterem Methyliren erst
dann ein solches Steigen bemerklich, wenn die Menge der unveränderten Aniline auf
etwa ein Drittel des ursprünglichen gesunken ist. Nur schwierig und unter starkem
Verlust an Chlormethyl schreitet, vielleicht unter Rückzerlegung, die
Ammoniumbildung vor. Ferner war es von vornherein nicht auszuschlieſsen, daſs unter
den gegebenen Verhältniſsen Diphenylamin, Ammoniak und deren Methylderivate hätten
entstehen können; es wurde indeſsen nichts davon beobachtet, vielleicht wohl deshalb
nicht, weil der
Proceſs stets mit dem Auftreten unabsorbirten Chlormethyls unterbrochen wurde. Für
die moleculare Mechanik der Reaction ist bemerkenswerth, daſs der aus dem Halogenür
entstehende Chlorwasserstoff zunächst an das Anilin tritt, letzteres also als
stärkere Base fungirt, und ferner, daſs schon im Beginn der Methylirung die
secundäre Base in die tertiäre übergeführt wird, die Substituirung des dritten
Ammoniakwasserstoffes also leichter vor sich zu gehen scheint, als die des
zweiten.
Ob mit Hilfe der Chlormethylreaction nach Ch. Groves die
Darstellung des Methylanilins fabrikmäſsig betrieben wird, ist nicht bekannt
geworden. Daſs sich bei geeigneter Apparatur und Anordnung des Processes gute
Resultate auch im Groſsen erreichen lieſsen, kann kaum bezweifelt werden,
ebensowenig aber auch, daſs die Rentabilität eines hierauf basirten Verfahrens
geringer sein wird, als die des später im Zusammenhang besprochenen Druckverfahrens
der thatsächlich eingeführten Behandlung des Anilinchlorhydrates mit Holzgeist in
geschlossenen Gefäſsen bei erhöhter Temperatur.
Die unter B und C in der Tabelle aufgeführten Methylaniline sind nach dem
Druckverfahren gewonnene Producte, und zwar:
B I käufliches Methylanilin (französisches Fabrikat).
B II entstanden aus 40 Th. Anilinchlorhydrat, 30 Th. Anilin, 45
Th. Holzgeist (1 Mol. : 2 Mol.) 10 Stunden erhitzt, 320 bis 250° äuſsere, 185°
innere Temperatur, Druckmaximum 20at,5.
C. I u. II entstanden aus 80 Th. Anilinchlorhydrat, 45 Th.
Holzgeist, 90 Proc. (1 Mol. : 2 Mol.), mit 10 Th. Wasser 12 Stunden lang erhitzt,
bei einer äuſseren Temperatur von 350 bis 320°, einer inneren bis zu 180°, bei einem
halbstündigen Druckmaximum von 25at.
B II wurde mit überschüssigem Kalk basisch gemacht und im
Dampfstrom destillirt; es wurden 73,5 Th. methylirtes Anilin erhalten (berechnet aus
obigen Daten 77,5). Daſselbe enthielt noch 5 Proc. Anilin, das durch directes
Vermischen mit der berechneten Menge Schwefelsäure (verdünnt im Verhältniſs 1 : 6)
gefällt und durch Filtration entfernt wurde; alsdann erhielt man das oben nach
Siedepunkt und Zusammensetzung charakterisirte Product.
C I und II lieferten neutrale Chlorhydrate von methylirten,
bezieh. durch Umlagerung weiter veränderten Anilinen. Von beiden aus nur aliquoten
Theilen abgeschiedene Basengemische zeigten entsprechend dem gleichartigen Ansatz
und der gleichartigen Behandlung übereinstimmenden Charakter.
Nun ist für den technischen Werth eines Methylanilins die Ausbeute an Violett
maſsgebend. Da aber nicht jedes Oxydationsverfahren – von sonstigen ökonomischen
Momenten abgesehen – von allen Methylanilinen maximale Ausbeuten liefert, so können
Ausbeuten an Violett nur dann einer vergleichenden Werthschätzung zu Grunde gelegt
werden, wenn sie aus den vortheilhaftesten Verfahren gewonnen sind. Die sechs
Methylaniline, die hier als dem Ursprung und den Eigenschaften nach als verschieden
behandelt wurden, ergaben in zwei – wenn man will – entgegengesetzten
Oxydationsverfahren Resultate, welche erstens groſse Differenzen in Bezug auf die
Methylaniline, dann auch
in Bezug auf das Verfahren zeigten, so zwar, daſs die Ausbeutemaxima für das eine
Methylanilin nach diesem, für das andere nach jenem Verfahren erhalten wurden. Die
im Kleinen, zu je 20g Methylanilin, angestellten
Versuche finden übrigens Bestätigung bei der Darstellung im Groſsen. Die Umwandlung
in Violett geschah nun einerseits durch Behandlung der basischen Methylaniline mit
Kupferchlorid und Kaliumchlorat, andererseits durch Behandlung der Chlorhydrate mit
frisch gefälltem Kupferoxydhydrat allein. Es gaben 20g Methylanilin:
I. Base mit Kupferchlorid
II. Chlorhydrat mit Kupferoxyd
g
g
ABC
IIIIIIIII
9,1 = 45,5 9,0 = 45,013,4 = 67,014,1
= 70,010,5 = 52,510,4 = 52,0
Proc. Violett
9,9 = 49,510,1 = 50,511,0 = 55,011,0
= 55,013,8 = 69,013,5 = 67,5
Proc. Violett
Die Ueberführung in Violett als Werthbestimmungsmethode liefert offenbar nicht
absolute, sondern nur vergleichbare Resultate; jedoch geht aus der Tabelle hervor,
daſs B und C Methylaniline, trotz ihrer merklich verschiedenen Zusammensetzung,
nahezu gleichviel Farbstoff zu liefern vermögen, also für den Fabrikanten, die
Gewinnungskosten gleich gesetzt, denselben Werth haben. Es ist hier nicht der Ort
die Violettdarstellung selbst zu besprechen, noch weniger diesbezügliche
theoretische Erörterungen anzuknüpfen; nur sei noch erwähnt, daſs die betreffenden
Violett nicht allein im Zustande gleicher Trockenheit gewogen, sondern auch
coloristisch geprüft wurden, wobei denn weder in Stärke, noch in Nuance
bemerkenswerthe Unterschiede aufgefunden werden konnten.
(Schluſs folgt.)