Titel: | Ueber Einwirkung von Salmiak auf Chlorkalk; von Th. Salzer. |
Autor: | Th. Salzer |
Fundstelle: | Band 230, Jahrgang 1878, S. 419 |
Download: | XML |
Ueber Einwirkung von Salmiak auf Chlorkalk; von
Th. Salzer.
Salzer, über Einwirkung von Salmiak auf Chlorkalk.
Da Salmiak und Chlorkalk in chemischen Laboratorien und Fabriken vielfach angewendet
werden, mache ich hiermit darauf aufmerksam, daſs diese beiden Stoffe sehr lebhaft
auf einander einwirken, daſs manchmal sogar Explosionen durch sie hervorgerufen
werden können.
Je 1g Chlorkalk und Salmiak, lufttrocken in einem
Gläschen durch einander geschüttelt, sind schon hinreichend, unter bedeutender
Temperaturerhöhung starke Nebel zu erzeugen, und das über Wasser aufgefangene Gas
kann, scheinbar ohne äuſsere Veranlassung, explodiren.
Daſs ein Tropfen Salmiakgeist genügt, eine lebhafte Zersetzung von Chlorkalk
einzuleiten, ist vielleicht auch schon anderweitig beobachtet worden. In beiden Fällen wird
die Explosion durch Stoſs oder Zusatz von Terpentinöl nicht hervorgerufen; sie
scheint also durch die Zersetzung von unterchlorigsaurem Ammoniak und nicht, wie
etwa zu vermuthen wäre, durch die Entstehung von Chlorstickstoff bedingt zu
werden.
Zweck dieser Zeilen ist zunächst, darauf hinzuweisen, daſs Chlorkalk in Lagerräumen
von Ammoniaksalzen sorgfältig getrennt zu halten ist und Ammoniakdämpfen nicht
zugänglich sein darf; ich möchte jedoch auch darauf aufmerksam machen, daſs ein
genaues Studium der angegebenen Reaction vielleicht zur Lösung der Frage über die
Constitution des Chlorkalkes beitragen kann. Wenn möglichst reiner und vollkommen
gesättigter Chlorkalk bei der Zersetzung durch Ammoniaksalze kein freies Ammoniak
entwickelt, so ist dadurch wohl der Beweis geliefert, daſs solcher Chlorkalk weder
freien, noch mit Chlorcalcium verbundenen Kalk enthalten kann; denn ich habe durch
einen directen Versuch nachgewiesen, daſs Salmiak beim Anreiben mit reinem
Calciumoxychlorid ebenso rasch Ammoniak entwickelt, wie mit reinem Kalk oder
Kalkhydrat.
Bei dem Schütteln von etwa 28proc. Chlorkalk mit Salmiak scheint freies Ammoniak auch
nicht sofort, sondern erst später (vielleicht nur in Folge der Zersetzung von
unterchlorigsaurem Ammoniak) aufzutreten. Das entweichende Gas riecht dem Chlor
ähnlich und wenigstens im Anfang durchaus nicht nach Ammoniak; bringt man in den
obern Theil des Gläschens, welches die Salzmischung enthält, einen Streifen
befeuchtetes Curcumapapier, so wird derselbe weder gebleicht noch gebräunt- bringt
man jedoch, nachdem die Einwirkung ziemlich vorüber, einen frischen Streifen
Curcumapapier ein, so wird dieser sofort gebräunt. Dieser scheinbare Widerspruch ist
dadurch zu erklären, daſs aas zuerst auftretende Zersetzungsproduct das
Curcumapapier unempfindlich gegen Ammoniak macht, wie vergleichende Versuche
bestätigt haben.
Dagegen wird Curcumapapier, nachdem es durch Chlorgas fast vollständig gebleicht,
noch deutlich gebräunt, wenn es Ammoniakdämpfen ausgesetzt wird. Blaues
Lackmuspapier wird bei der Einwirkung von Salmiak auf Chlorkalk nicht geröthet,
sondern langsam gebleicht; rothes Lackmuspapier wird aber sofort gebläut. Es ist
jedoch die letztere Reaction nicht als sicherer Beweis für das Auftreten von freiem
Ammoniak anzusehen, weil auch die Säure des Papieres das unterchlorigsaure Ammoniak
zersetzen und dadurch abgestumpft werden kann.
Zweifellos tritt freies Ammoniak auf, wenn gewöhnlicher Chlorkalk bei Gegenwart von
Wasser durch Salmiak zerlegt wird, selbst wenn Chlorkalk im Ueberschuſs vorhanden
ist; nach Gmelin's Angaben so dabei unter gewissen
Vorsichtsmaſsregeln eine Auflösung von unterchlorigsaurem Ammoniak erhalten werden
können.
Durch die Güte des Hrn. Dr. Pauli erhielt ich
nachträglich aus der chemischen Fabrik Rheinau einen ausgezeichneten, fast 38proc.,
staubtrocknen Chlorkalk, welcher sich mit der doppelten Gewichtsmenge Salmiak
zerreiben lieſs, ohne eine Veränderung zu erleiden und ohne eine Spur von Ammoniak
zu entwickeln. Erst auf Zusatz von etwas Wasser begann die Reaction: das
entweichende Gas verursacht starkes Aufschäumen, und die Blasen zerplatzen unter
kleinen Detonationen und unter schwacher Lichtentwicklung. Es dürfte also dieser
Versuch die Ansicht Stahlschmid's (1876 221 243)
unterstützen, daſs gesättigter Chlorkalk weder freien Kalk, noch Kalkhydrat, noch
Calciumoxychlorid enthalten kann.
Leider war es mir nicht möglich, sogleich den nöthigen Gegenversuch durch Zumischen
von Aetzkalk anzustellen, und als ich dies den nächsten Tag thun wollte, hatte der
Chlorkalk schon zu viel Feuchtigkeit angezogen; er lieſs sich nicht mehr ohne
Zersetzung mit Salmiak mischen und nach Zusatz von 10 Proc. Aetzkalk konnte die
Entwicklung von freiem Ammoniak durch den Geruch und die Wirkung auf Reagenzpapiere
nicht mehr nachgewiesen werden.
Die Zusammensetzung der zurückbleibenden Masse wechselt mit dem Verhältniſs, in
welchem die beiden Salze mit einander gemischt werden, und der Menge des zugefügten
Wassers; ist aller Chlorkalk zerstört, so ist Salpetersäure nachweisbar. (Mit
negativem Erfolg wurde nach salzsaurem Hydroxylamin gesucht, mit dem das
unterchlorigsaure Ammoniak isomer wäre: NH3O.HCl =
NH4ClO.)
In weiterem Gegensatz zu den oben erwähnten 28proc. liefert dieser 38proc. Chlorkalk
nach dem Anreiben mit der 100fachen Menge Wasser und Zusatz von vollkommen neutraler
Salmiaklösung im Ueberschuſs eine vollkommen klare, neutrale, nicht bleichende
Flüssigkeit, welche unter Gasentwicklung (Stickstoff?) allmälig saure Reaction
annahm. Es gibt dieses Verfahren deshalb wahrscheinlich ein einfaches Mittel an die
Hand, zu untersuchen, ob ein Chlorkalk vollkommen gesättigt ist oder nicht.
Da es mir nicht möglich ist, den Gegenstand weiter zu verfolgen, muſs ich mich auf
die Mittheilung der wenigen von mir beobachteten Thatsachen beschränken.
Worms, October 1878.