Titel: | Neuerungen an Tambourir- und Nähmaschinen. |
Fundstelle: | Band 231, Jahrgang 1879, S. 27 |
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Neuerungen an Tambourir- und
Nähmaschinen.
Mit Abbildungen im Text und auf Tafel 4.
Neuerungen an Tambourir- und Nähmaschinen.
Die deutschen Patentschriften der Klasse 52 (Nähmaschinen) enthalten Angaben über
zwei interessante Verbesserungen der Bonnaz'schen
Stick- oder Tambourirmaschine, erfunden zu dem Zwecke, mit dieser Maschine
Verzierungen von gröſserer Mannigfaltigkeit, als ihre ursprüngliche Einrichtung
ermöglicht, herstellen zu können. Diese Verbesserungen sind Gegenstände der Patente
von Herrn. Reichenbach in Limbach in Sachsen
(*D. R. P. Nr. 312 vom 2. August 1877) und von E. Cornely in
Paris (*D. R. P. Nr. 1766 vom 24. August 1877), und es
betrifft die erstere das Buntsticken mit zwei oder mehreren Fäden und einer Nadel
und letztere die Herstellung mehrerer parallelen Sticknähte mit mehreren Nadeln und
einem Faden.
Nach Reichenbach's Einrichtung
enthält die Tambourirmaschine zwei oder mehrere Fadenführer b, c (Fig. 10
Taf. 4) an Stelle des einen bisher verwendeten. Jedes dieser Fadenröhrchen trägt ein
Stirnrad d bezieh. e, in
welches je eine Zahnstange f, g eingreift. Das
Lagerstück l für beide Röhrchen und ihre Zahnstangen
ist an einer unter der Nähtischplatte i verschiebbaren
Platte h befestigt, welch letztere auch die Welle mit
den zur Verschiebung der Zahnstangen verwendeten Excentern trägt. Durch einen auf
dieser Welle befestigten Muff mit gebogener Nuth, in welche ein Zapfen vom
Maschinengestell eingreift, wird die ganze Platte h
während jeder Umdrehung der Welle einmal hin und her geschoben in Richtung von b nach c und zurück, und
die Gröſse dieses Ausschubes beträgt so viel, daſs abwechselnd der eine und andere
Fadenführer b oder c unter
dem Stichloche und unter der Nadel a steht. Letztere
erfaſst also abwechselnd den Faden von b und den von
c und bildet aus ihnen Maschen des Kettenstiches.
Auf je eine Umdrehung der unteren Welle kommen zwei Drehungen der oberen
Nadeltriebwelle, also zwei Stiche der Nadel a. Die
Verbindung der beiden Wellen erfolgt durch ein breites Zwischenrad, in dessen Zähnen
das Rad der unteren Welle hin und her gleiten kann.
Cornely's Einrichtung (Fig. 11 bis
14 Taf. 4) verwendet drei Tambourirnadeln A,
welche sich gleichzeitig heben und senken. Stehen deren Haken unterhalb der Waare
und Tischplatte, so legt ein Fadenführer c den Faden um
alle drei Nadeln und noch um ein Paar empor geschobene Stäbe D und E herum. Hierauf senken sich die Stäbe
D, E wieder bis unter die Fadenlage und zwei
Schienen G werden horizontal zwischen die drei Nadeln
A eingeschoben; sie biegen den Faden zu Schleifen
zwischen dieselben (ähnlich dem Kuliren in der Wirkerei) und erhalten hierzu
genügende Längen des Fadens dadurch, daſs letzterer zuerst auch um die Stifte D, E herum gelegt worden war. Die drei Schleifen auf
A werden nun gleichzeitig emporgezogen und bilden
die drei neuen Kettenmaschen oder Stiche; damit sie vollständig hinauf an den Stoff
gelangen, sind die Stichlöcher s (Fig. 12)
durch Schlitze a mit einander verbunden.
Die deutschen Patentschriften enthalten ferner auch Angaben über folgende zwei
Einrichtungen, welche an Nähmaschinen irgend einer Art mit Nutzen anzubringen
sind.
Eine neue Stoffdrückervorrichtung von E.
White in Brooklyn (*D. R. P. Nr. 2234 vom 8. Februar 1878, ist in Fig.
15 Taf. 4 skizzirt und folgendermaſsen eingerichtet: Die gewöhnliche
Stoffdrückerstange D trägt einen Bügel E, welcher eine kleine Preſsstange f als Führung dient. Letztere ist unten zum
Stoffdrücker G, welcher die Nadel c umfaſst, ausgebildet und reicht oben mit einem Arme
h an die Nadelstange B. Wenn letztere sich hebt, so daſs die Nadel aus dem Stoffe heraustritt,
so stöſst der Zapfen i an den Arm h und hebt den Drücker G;
senkt sich die Nadel c wieder zum neuen Stiche, so
drückt die Feder g auch die Stange f und G wieder hinab auf
den Stoff. Der letztere wird folglich nach jedem Stiche ganz frei von Nadel und
Stoffdrücker, kann mit der Hand beliebig verschoben und der Nadel vorgelegt werden,
wie dies z.B. für Besetzen oder Sticken u. dgl. erwünscht sein kann. Der Zapfen l, welcher in eine Nuth der Stange f greift, verhindert eine Drehung der letzteren.
Die Erfindung von Seidel und Naumann
in Dresden (*D. R. P. Nr. 1796 vom 3. Juli 1877) betrifft eine Kupplung, welche
gestattet, das Schwungrad einer Nähmaschine leicht und schnell auszurücken, wenn man
Garn spulen will, so daſs während dieser Arbeit nicht die ganze Maschine in Bewegung
ist. Sie ist in zwei Ausführungen angegeben, welche die Fig. 16 bis
18 Taf. 4 verdeutlichen. Nach der einen Construction wird vor das lose
auf der Welle sitzende Schwungrad eine Schraube b mit
breitem Kopfe in die Welle eingeschraubt. Der Kopf dieser Schraube enthält eine
Vertiefung c oder mehrere derselben und die
Schwungradnabe trägt in einer langen Oeffnung einen Bolzen d, welchen eine Feder immer nach auſsen schiebt. Trifft nun dieser Bolzen
in eine Vertiefung c, so ist dadurch Rad und Welle
gekuppelt. Die Radnabe
ist am vorderen Ende auf ein Stück in der Achsenrichtung und dann ein Stück quer
dagegen geschlitzt und ein Zapfen e vom Bolzen d reicht durch sie nach aufwärts. Man kann nun mit der
Hand leicht den Zapfen e zurückschieben und zur Seite
umlegen, also d aus c
herausziehen und innerhalb der Nabe (bei g) fest halten
lassen; dann ist die Kuppelung gelöst. – Die zweite Ausführung ist noch einfacher.
Das Loch c ist durch den ganzen Kopf von b gebohrt, enthält Schraubengewinde und eine Schraube
x, mit welcher man den Bolzen d, wenn ausgekuppelt werden soll, aus c hinaus drängt.
Weiterhin sind folgende Verbesserungen der Bemerkung werth. Die
Doppelsteppstich-Handschuh-Nähmaschine von Necker und
Comp. in Berlin (*D. R. P. Nr. 738 vom 1. August 1877) zeigt einige
Aehnlichkeit mit den sogen. Cylinder-Nähmaschinen, deren Nähtisch die Deckplatte
eines schmalen Prismas oder Cylinders bildet, über welchen man den zu nähenden
Handschuhfinger hinweg schieben kann. In der vorliegenden Maschine liegt aber in dem
Cylinder, welcher dieses Waarenstück aufnimmt, die Nähnadel selbst und sie bewegt
sich in ihm hin und her, wobei sie aus einer Oeffnung des Stirnendes heraustritt.
Dieser Nadelcylinder stöſst mit einer kleinen Rolle gegen den Mantel eines gröſseren
Hohlcylinders, welcher sich dreht und dabei den zwischen beiden eingeklemmten Stoff
fortrückt, welcher ferner mit seiner inneren Wand zugleich die Schiffchenbahn
bildet, da in ihm das Schiffchen in einer Kreisbahn sich hin und her bewegt. Die
Anordnung gestattet das Nähen der Handschuhfinger sowohl an den Seiten, als auch an
den Spitzen.
Eine Vorrichtung zum seitlichen Handbetriebe für
Singer-Nähmaschinen ist von Biesolt und Locke in
Meiſsen, Sachsen (*D. R. P. Nr. 1085 vom 5. September 1877) angegeben. An den
Handnähmaschinen ist gewöhnlich das Schwungrad mit der Handkurbel so angebracht,
daſs seine Achse A in der Längsrichtung der Maschine
liegt; hier aber hat man eine besondere Kurbelwelle C,
um 90° gegen die Schwungradachse gedreht, angebracht und der Arbeiter findet nun die
Handkurbel E direct vor sich. Durch Kegelräder B wird die Drehung auf die Triebwelle der Maschine
übertragen. Die Welle C ruht in Lagerbüchsen D des am Gestelle festgeschraubten Bügels F.
Textabbildung Bd. 237, S. 29
F. E. Thode und Knoop in Dresden
(*D. R. P. Nr. 1771 vom 23. October 1877) haben Neuerungen an
Wachsfaden-Nähmaschinen patentirt und geben mehrere Einrichtungen der Maschinen an, wie sie zu den
verschiedenen Verwendungen in der Schuh- und Stiefelfabrikation, als Schaftnähen,
Nähen des Rahmens an die Brandsohle, der Sohle an das Oberleder u.s.w., am
geeignetsten sind. In allen diesen Anordnungen ist nicht die Nähnadel mit Spitze und
Fadenöhr, sondern die Tambourirnadel mit Spitze und Haken verwendet, welche das
Leder zu durchstechen und von der Rückseite her sich den Faden zu holen hat. Weiter
wird ein rotirendes Schiffchen, ähnlich dem der Wheeler und Wilson-Nähmaschine,
benutzt, welches seinen Faden durch die Schlinge des Fadens der Tambourirnadel
hindurch führt. Die Anordnung und Form der Nähtische ist den jeweiligen Arbeiten
angepaſst.
Neuerungen an Nähmaschinen für überwendliche Naht sind patentirt
von Detrick und Webster in
San Francisco (*D. R. P. Nr. 2076 vom 1. Februar 1878). Sie beziehen sich auf solche
Maschinen, welche schwere Arbeiten zu liefern, z.B. Säcke, Teppiche u. dgl., zu
nähen haben. Die Nähnadel mit Oehr ist kreisförmig gebogen, hat also nicht die
Gestalt einer längeren Spirale, wie in anderen ähnlichen Einrichtungen (vgl. * 1877
224 259). Sie liegt um einen Kreisring herum, welcher
während der Arbeit nach und nach über einen hohlen Cylinder geschoben wird, auf
dessen Mantel der Nähfaden in Schraubenganglinien aufgewunden ist. Die Bewegung der
Nadel erfolgt durch zwei an einer rotirenden Scheibe angebrachte Mitnehmer, welche
in seitliche Einschnitte der Nadel greifen und abwechselnd immer da zurückgezogen
werden, wo die Nadel den Stoff durchdringt. Zur Erzielung der richtigen
Fadenspannung wird sowohl der Nadeltrieb-Mechanismus, als auch der Fadencylinder mit
geeigneter Geschwindigkeit umgedreht.
Verbesserungen an Kettenstich-Nähmaschinen (nach der allgemeinen
Einrichtung von Willcox und Gibbs), welche mit einem
Faden arbeiten, bestehen nach Angaben von W. F. L.
Newey in Hamburg (*D. R. P. Nr. 2257 vom 26. December 1877) darin, daſs der
unter der Nähtischplatte wirkende Greifer nicht an der Triebwelle befestigt ist und
mit ihr rotirt, sondern als einarmiger Hebel in Form eines Hakens um einen Bolzen im
Gestell sich dreht und von dem excentrischen Zapfen einer Scheibe an der Hauptwelle
in einem gekrümmten Schlitze erfaſst und schwingend hin und her bewegt wird. Er
enthält ferner zum Auffangen der Fadenschleife eine Blattfeder, welche mit ihm um
denselben Bolzen ausschwingt und durch einen Stift noch steif mit ihm verbunden ist.
Den Nadelstab hat man mit dem Winkelarme der Maschine zu einem Stücke fest vereinigt
und letzterer wird in verticalen Führungen direct durch die kurbelförmig gekröpfte
Triebwelle gehoben und gesenkt. Der Nadelarm bildet also nicht, wie gewöhnlich,
einen Hebel, welcher den Nadelstab bewegt, sondern mit letzterem zusammen ein
rahmenartiges Gestell, welches sich vertical hebt und senkt, um mit der Nadel durch
den Stoff zu stechen. Der Betrieb der Maschine als Handnähmaschine erfolgt durch Kurbel und Stirnräder.
Der Druckarm mit dem Presserfuſse oder Stoffdrücker liegt neben dem Nadelarme und
ist besonders mit der Gestellplatte verbunden.
An Nähmaschinen für den Gebrauch in der Schuhmacherei sind folgende Neuerungen zu
verzeichnen. Die Sohlen-Nähmaschine von H. C. Gros in
Reutlingen (*D. R. P. Nr. 2280 vom 15. Januar 1878) arbeitet mit einer
Tambourirnadel, d. i. eine Nadel mit. Haken und und Spitze, welche den Faden von der
Gegenseite als Schleife durch das Leder zieht. Sie ist kreisförmig gebogen und
sticht entweder selbst direct durch das Leder, oder bei schwerer Arbeit, wie beim
Nähen der Sohle an den Rahmen, sticht eine ebenfalls kreisförmig gebogene Ahle das
Loch vor, indem sie von der Gegenseite her durch das Leder geschoben wird. Ein
schwingendes Röhrchen führt den Pechfaden und legt ihn in den Nadelhaken, wenn
derselbe den Stoff durchdrungen hat. Nadel und Ahle schwingen im Kreisbogen hin und
her. Während des Nähens werden auch von der Maschine selbstthätig die Heftstifte,
mit denen man die Lederstücke vorläufig verbunden hatte, ausgezogen, ehe sie in den
Weg der Nadel kommen. Der Nähtisch bildet einen schwingenden Support, welcher an
Schnuren hängt und durch Gewichte aufwärts an den Stoffdrücker gezogen wird, sonst
aber leicht nach allen Richtungen hin zu bewegen ist.
Die Sohlen-Nähmaschine von C. S. Larrabee
und Comp. in Mainz (*D. R. P. Nr. 2381 vom 18. November 1877) ist eine
Verbesserung der M. J. Stein'schen Maschine (1872
erfunden) zum Nähen umgewendeter Schuhe sowohl, als auch der Rahmenarbeit und sie
bezweckt nun noch das Annähen der Auſsensohle an den Rahmen. Sie arbeitet auch mit
einer kreisförmig gebogenen Tambourirnadel und einer Ahle und bildet den
Einfadenkettenstich derart, daſs die Maschenlagen desselben auf den Rahmen und seine
geraden Fadenlagen (der Steppstich) in den zugedeckten Kanal des Sohlenbodens zu
liegen kommen. Bevor der Faden in das eigentliche Führerröhrchen gelangt, wird er
durch ein Rohr im Gestell geleitet, unter welchem eine kleine Lampe brennt, welche
Rohr und Faden erwärmt und letzteren geschmeidig hält.
Neuerungen an Schuhwerks-Nähmaschinen von L. R. Blake in Paris (*D. R. P. Nr. 2410 vom 22.
November 1877) betreffen ebenfalls Nähmaschinen für das Annähen des Oberleders an
die Sohle. Der Nähtisch wird von einem drehbaren Hörne gebildet, welches schräg nach
oben gebogen ist und so spitz ausläuft, daſs der Schuh auf dasselbe gesteckt werden
kann, welches aber doch in seinem Inneren den Fadenführer in Gestalt eines conischen
Rädchens mit excentrischer Durchbohrung enthält. Die hierbei benutzte Tambourirnadel
hat das Leder selbst zu durchstechen, fährt dann in das Hörn und durch die hohle
Nabe des Führerröhrchens, welches ihrem Haken den Faden einlegt. Der Kettenstich
wird auſsen auf der Sohle gebildet. Stoffrücker und Stoffdrücker wirken von oben neben der Nadel
auf das Leder und letzterer drückt die zu verbindenden Stücke während des Anziehens
eines Stiches fest zusammen. Das Fadenführerrad wird nicht oscillirend im Kreise
bewegt, sondern immer in gleicher Richtung herumgedreht, und zwar in wechselnder
Geschwindigkeit unter Vermittlung zweier Ellipsenräder, welche in die Transmission
zwischen Hauptwelle und Führerrädchen eingeschalten sind. Als neu in dieser
Einrichtung wird auch die Vorrichtung zum Verstellen der Stichlänge und des
Nadelhubes angegeben.