Titel: | Ueber das Ovalwerk; von Reg.-Rath Prof. Arzberger. |
Autor: | Arzberger |
Fundstelle: | Band 231, Jahrgang 1879, S. 130 |
Download: | XML |
Ueber das Ovalwerk; von Reg.-Rath Prof. Arzberger.
Mit einer Abbildung.
Arzberger, über das Ovalwerk.
Wenn hier abermals über das altbekannte Ovalwerk eine kleine Betrachtung folgt,
obschon an vielen Orten (u.a. auch in D. p. J. * 1867
184 121. 187 458) hierüber geschrieben worden ist, so geschieht dies nur um zu
zeigen, wie auf eine sehr einfache Weise aus der relativen Stellung der drei
Hauptpunkte nicht nur das Maſs der groſsen und kleinen Achse, sondern auch die Lage
der Achsen jener Ellipse abgeleitet werden kann, welche den gegebenen Hauptpunkten
entspricht.
Textabbildung Bd. 237, S. 130In der nachstehenden Figur sei S das Mittel
der auf der Zeichenflache senkrecht gedachten Drehbankspindel, an deren vorderem
freiem Ende senkrecht die Bahn KK' befestigt ist, auf
welcher ein Schlitten hin- und her gleiten kann; letzterer trägt an der Vorderfläche
das Arbeitsstück, an der Rückseite zwei auf der Bahnrichtung KK' senkrecht stehende Führungsbacken F, F',
welche einen am Spindelstocke stellbar befestigten Ring T umgreifen, dessen Mittelpunkt mit R
bezeichnet ist.
Denkt man sich an der plan gedrehten Vorderfläche des Arbeitsstückes einen spitzen
Stichel arbeitend, der im Punkte M befestigt ist, so
verzeichnet dieser Stichel eine Ellipse auf dem Arbeitsstück. Die drei Punkte S Spindelmittel, R
Ringmittel und M Stichelspitze sind die obbenannten
Hauptpunkte, deren relative Lage dadurch bestimmt sein soll, daſs der Abstand RS = 2a, MN = r und der
Winkel MNS = α angegeben
wird. Wie aus der Figur zu ersehen, ist N der
Halbirungspunkt der Geraden RS, mithin ist RN= BN = SN = AN = a, wenn N überdies noch als Mittelpunkt des kleineren der
beiden Kreise angenommen wird.
Der mitten zwischen den beiden Führungsbacken F, F' in
der durch S gehenden Geraden KK' liegende Punkt U soll auf der
Vorderfläche des Arbeitsstückes als Ursprung der Coordinaten fixirt werden. Durch
die Führungsbacken F, F' veranlaſst, muſs die Gerade
RU stets senkrecht auf SU stehen, woraus weiter folgt, daſs der Punkt U sich in dem
Kreise RBUSA bewegen müsse, sobald die Spindel gedreht
wird. – Der Winkel SUR bleibt eben als Winkel im
Halbkreis stets ein rechter. – Die Linie MN schneidet
den kleinen Kreis in A und die verlängerte UA, d. i. die Gerade UX
soll auf der Vorderfläche des Arbeitsstückes als Abscissenachse verzeichnet werden,
wonach MP =y und UP = x die Coordinaten des
Punktes M sind.
Nun wolle man erwägen, daſs die Punkte M, A, N, B, sowie
S und R ihren Ort
nicht ändern, während alle anderen Punkte bei der Spindeldrehung ihren Ort
verändern. U durchläuft den kleinen Kreis bei je einer
Spindeldrehung zwei Mal, während der Winkel AUS als
Peripheriewinkel stets gleich der Hälfte des Centriwinkels ANS bleibt. Durch den Winkel AUS=\frac{\alpha}{2} ist
aber die Lage der vorderhand willkürlich angenommenen Abscissenachse gegen die Linie
KK' gegeben.
Führt man nebst den Veränderlichen x und y noch den veränderlichen Winkel φ = MAP ein und berücksichtigt, daſs der Winkel AUB als Winkel im Halbkreis stets ein rechter bleibt,
so ergibt sich aus der Figur:
MP=y=AM\,sin\,\varphi=(r-a)\,sin\,\varphi . .
. . . . . . . . . . . . (1)
UP=x=BM\,cos\,\varphi=(r+a)\,cos\,\varphi;
cos\,\varphi=\frac{x}{r+a} . . . (2)
Aus (1)
y=\pm\,(r-a)\sqrt{1-cos^2\varphi} und wegen
(2):
y=\pm\,(r-a)\sqrt{1-\left(\frac{x}{r+a}\right)^2} oder
y=\pm\,\frac{(r-a)}{(r+a)}\sqrt{(r+a)^2-x^2} .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3)
Dies ist die nach y aufgelüste Mittelpunktsgleichung
einer Ellipse, deren groſse Halbachse =(r+a) und deren kleine
Halbachse =(r-a) ist; es geht hieraus auch hervor, daſs die
Neigung der groſsen Halbachsen, gegen die Bahnrichtung KK', \frac{\alpha}{2} ist. Es ist somit durch r, a und α nicht nur das
Maſs der groſsen und kleinen Halbachse, sondern auch die Lage dieser Achsen
bestimmt.
Man ersieht hieraus weiter, daſs das Maſs der beiden Achsen von a unabhängig ist, und daſs bei gleich bleibendem r und a, für verschiedene
Werthe von α, congruente Ellipsen entstehen, die zwar
den gemeinsamen Mittelpunkt U besitzen, jedoch
verschiedene Stellungen der Achsen zeigen. Verzeichnet man insbesondere zwei
Ellipsen mit Stichelstellungen, welche den Werthen α
und \alpha+180^{\circ} entsprechen, so ist die Lage der
beiderseitigen groſsen Achsen beziehungsweise durch
\frac{\alpha}{2} und
\frac{\alpha}{2}+90^{\circ} gegeben, d.h. die gleichnamigen
Achsen dieser zwei Ellipsen stellen auf einander senkrecht.
Beläſst man a und α
constant und ändert blos r, d.h. bewegt man den Stichel
bei der Arbeit in der Linie MA oder in einer durch MA zur Spindelachse parallel gelegten Ebene, so
entstehen verschiedene Ellipsen, deren lange Achsen alle in eine Linie fallen, und
für welche die Differenz zwischen groſser und kleiner Halbachse constant bleibt.
Diese Differenz ist d=(r+a)-(r-a)=2\,a. Nimmt r so weit ab, daſs der Stichel in den Punkt A fällt, d.h. wird r=a, so geht die
Ellipse in eine gerade Linie über, welche von x=+2\,a bis
x=-2\,a reicht; denn die kleine Halbachse wird jetzt Null,
die groſse Halbachse 2 a (vgl. Gleichung 3).
Wird endlich der Stichel noch weiter hereingerückt, d.h. macht man
r<a, so fällt die kleine Halbachse negativ aus, es
wird r-a=-(a-r), und da das Vorzeichen in diesem Falle keinen
Einfluſs auf die Gestalt der Ellipse ausübt, so sind nun die beiden Achsen
(r+a) und (a-r); die Differenz dieser
absolut genommenen Strecken ist jetzt d'=(r+a)-(a-r)=2\,r während
für r>a die Differenz d=2\,a war.
Die mit r<a gebildeten Ellipsen passen daher zu den übrigen
nicht mehr so, wie alle jene unter einander, die mit r>a
ausgeführt wurden, weshalb auch die letztgenannten Stichel Stellungen bei der
praktischen Arbeit mit dem Ovalwerk für gewöhnlichgewöhnlick keine Anwendung finden.
Wollte man mit dem Stichel noch weiter bis N, d h. bis
zu dem Punkte, der durch r = Null gegeben ist,
vorrücken, dann würde für r=0 auch d'=0, d.h.
die beiden Halbachsen werden gleich groſs und die Gleichung (3) geht über in
y=\mp\,\sqrt{a^2-x^2}, entsprechend einem Kreise vom
Halbmesser a.
Ein noch weiteres Fortschreiten mit dem Stichel gegen B
hin entspricht einem Umschlagen von α in
\alpha+180^{\circ}, während r
wieder von Null angefangen im positiven Sinne wächst. Wie oben gezeigt wurde, gehen
jetzt alle dem r entsprechenden Ellipsen in solche
über, deren gleichnamige Achsen auf jenen der früher entstandenen Ellipsen senkrecht
stehen. Es wird somit, bei ruckweisem Fortrücken des Stichels von N gegen B und noch weiter
hinaus, in umgekehrter Ordnung dieselbe Reihe von Ellipsen entstehen, wie früher bei
der ruckweisen Annäherung des Stichels von M gegen N, die jedoch gegen die erstere Reihe um 90° verdreht
erscheint.