Titel: | Siemens und Halske's Telephon mit Hufeisenmagnet nebst telephonischem Rufapparate; von Dr. E. Zetzsche. |
Autor: | Eduard Zetzsche |
Fundstelle: | Band 231, Jahrgang 1879, S. 138 |
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Siemens und Halske's Telephon mit Hufeisenmagnet nebst telephonischem Rufapparate;
von Dr. E. Zetzsche.
Mit Abbildungen.
Zetzsche, über Siemens und Halske's Telephon.
Die kürzlich für Siemens und Halske in Berlin (* D. R.
P. Nr. 3396 vom 8. Mai 1878) patentirten Telephone zeichnen sich vor anderen
Telephonen sehr vortheilhaft durch ihre bedeutende Tonstärke aus und dürften sich
daher auch noch unter Verhältnissen benutzen lassen, wo die älteren Telephone von
wesentlich schwächerem Tone das in den Räumen, worin sie verwendet werden sollten,
vorhandene, zu Folge der in diesen Räumen etwa vorzunehmenden Arbeiten
unvermeidliche Geräusch nicht recht zu durchdringen vermochten. Bei ihrer groſsen
Tonfülle machen diese neuen Telephone zugleich weder beim Hören, noch beim Sprechen eine
besondere Anstrengung oder Gewöhnung nöthig. Da aber das Telephon im Allgemeinen
nach dem Verrauchen der ersten Begeisterung in keineswegs gerechtfertigter Weise
fast aus dem Gedächtniſs verschwunden ist, so möchte ich hier die Gelegenheit nicht
unbenutzt lassen, von neuem darauf hinzuweisen, daſs in zahlreichen Fällen noch das
gegenüber anderen Telegraphen so billige und in seiner Benutzung so einfache und
bequeme Telephon eine sehr zweckmäſsige und nützliche Verwendung als
Verständigungsmittel finden kann, obgleich es für den telegraphischen Verkehr nie
Bedeutung erlangen wird, weil es keine objectiven bleibenden Zeichen gibt.
Während Siemens und Halske bei den Telephonen, auf
welche sie etwa ½, Jahr früher ein Patent (*D. R. P. Nr. 2355 vom 14. December 1877)
genommen haben, und welche ich in meinem Handbuch der
Telegraphie (Bd. 4 S. 106 ff.) eingehend beschrieben habe, darauf
ausgingen, den bei anderen Telephonen vorhandenen einseitigen Zug auf die
schwingende Membran oder Eisenplatte in der Ruhelage zu vermeiden und durch Verlegen
dieser Platte in das starke magnetische Feld zwischen
den Polen eines kräftigen Hufeisenmagnetes eine ganz gleichmäſsige Wirkung der
anziehenden und abstoſsenden Kräfte auf die Platte von beiden Seiten her zu erlangen, wendeten sie bei ihren neuesten Telephonen
zwar ebenfalls einen kräftigen Hufeisenmagnet an, lieſsen jedoch – wie dies ja auch
Bell selbst schon 1877 gethan hatVgl. Handbuch der Telegraphie, Bd. 4 S. 93 und
94. – beide Pole desselben von der nämlichen Seite her auf die
schwingende Platte wirken, gaben aber dabei dem Hufeisenmagnete eine solche
Einrichtung, daſs die beiden mit der schwingenden Platte in eine magnetische
Wechselwirkung tretenden Pole einander möglichst nahe gebracht werden konnten. Dazu
sind auf die beiden Schenkel des Hufeisenmagnetes H
(Fig. 1 und 2)
zwei von den Spulen s1
und s2 umgebene
Polschuhe u1 und u2 aufgeschraubt, deren
Form so gewählt worden ist, daſs sie die beiden Pole einander möglichst nahe zu
bringen gestattet. In die Schenkel von H sind zwei
Eisenstäbchen x eingeschraubt, und zwischen diesen
liegt ein stärkerer Stab y, welcher excentrisch auf
seinen in die Holzfassung C eingelassenen, etwas
dickeren Köpfen z1 und
z2 sitzt, so daſs
er, wenn er durch einen in seinen Schraubenkopf z2 eingesetzten Schlüssel oder Schraubenzieher
gedreht wird, mittels der Stäbe x den Magnet H verschiebt und dadurch dessen Pole der Platte P nähert, bezieh. sie von ihr entfernt. Fig. 2 zeigt das Telephon in einen Fuſs F eingesteckt und so zum Stehen befähigt; in Fig. 1 ist das Telephon mit einem Griff versehen und
wird an diesem in der Hand gehalten. In die Oeffnung des Mundstückes V dieses Telephons läſst sich, wie Fig. 2 erläutert, eine kleine Zungenpfeife Q
einstecken, welche jetzt fast doppelt so groſs, als sie in Fig. 3 dargestellt ist, ausgeführt wird; in ihr ist ein kleiner, gestielter
Metallkörper k so angebracht, daſs er von der
schwingenden Platte P gehoben wird und dann auf sie
zurückfällt; das dadurch erzeugte Trommeln verstärkt den durch das Anblasen der
Trompete Q im empfangenden Telephon hervorgebrachten
Ton so sehr, daſs ein so mittels der Trompete gegebenes Rufzeichen in einer sehr
groſsen Entfernung noch ganz deutlich zu hören ist.
Fig. 1., Bd. 237, S. 140
Fig. 2., Bd. 237, S. 140
Fig. 3., Bd. 237, S. 140
Um der Luft freien Austritt zu gestatten, ist die Pfeife Q oder das Mundstück V mit
einer Anzahl von kleinen Luftlöchern versehen. Die Klemmen K1 und K2, welche die Zuleitungsdrähte aufnehmen, haben
neuerdings noch eine zweckmäſsigere Einrichtung erhalten und werden von der Seite
her (bei a, a) in der Holzfassung C befestigt; die Mutter bewegt sich mit einer runden
Scheibe an ihrem inneren Ende in dem hohl-cylindrischen Körper der Klemme und preist
beim Einschrauben den Draht gegen den Grund der Klemme, wogegen ein Vorstecker in
der Schraubenspindel verhütet, daſs die Mutter ganz von der Spindel abgeschraubt
wird. Dabei ist zugleich sowohl der äuſsere Durchmesser des auf C aufgekitteten dickeren Endes U der Fassung, wie auch die halbkugelförmige Höhlung in ihr, welche die Spulen
umgibt, noch um etwa die Hälfte vergröſsert worden, so daſs die Platte P einen Durchmesser von nahezu 10cm erhalten konnte. Die Klemmen K1 und K2 sind übrigens mit
den Buchstaben K und Z
bezeichnet, damit, wenn das Telephon in eine Telegraphenleitung einzuschalten ist,
worin mit galvanischen Strömen gearbeitet wird, der Kupferpol der Batterie an K, ihr Zinkpol an Z gelegt
werde, weil dabei der galvanische Strom den Magnetismus des Hufeisens nicht
schwächt, sondern verstärkt. Die Spulen s1 und s2 sind so gewickelt, daſs derselbe Strom beide Pole
verstärkt, oder beide schwächt.
Das Ohr kann mittels dieses Telephons selbst das gesprochene Wort schon in ziemlicher
Entfernung vom Mundstücke V verstehen, und der Mund des
Sprechenden durfte bei den im Dresdener Polytechnikum mit diesem Telephon
angestellten Versuchen (noch bei etwa 3000 S. E. Widerstand im äuſseren
Schlieſsungskreise) gut 1m von V entfernt sein, ohne daſs das Gesprochene
unverständlich wurde: erst wenn die Entfernung des Mundes vom Mundstücke auf etwa
2m anwuchs, war das Gesprochene nicht mehr zu
verstehen.
Obwohl die eben beschriebene Trompete in den meisten Fällen zum Rufen vollkommen
ausreichen wird, haben Siemens und Halske auch eine als
telephonischer Wecker brauchbare sympathische Glocke
(vgl. * 1878 227 441) mit derselben magnetischen Anordnung wie das eben beschriebene
Telephon hergestellt. Dieselbe ist in Fig. 4 im
Durchschnitt dargestellt. Die Glocke G ruht auf dem
Träger X und liegt mit ihrer Wandung ganz nahe vor den
von Spulen s umgebenen Polen u des Hufeisenmagnetes H, welchen eine
Holzschraube auf der Grundplatte Y festhält. Wird die
eine von mehreren gleichgestimmten, in dieselbe Leitung eingeschalteten Glocken
anschlagen, so tönen alle übrigen mit.
Fig. 4., Bd. 237, S. 141
In Betreff der Einschaltung der Telephone in eine Leitung, worin auch mit anderen
Telegraphen gearbeitet werden soll, sei darauf hingewiesen, daſs die Elektromagnete
der letzteren das telephonische Sprechen nicht hindern. So konnten bei meinen im
Spätherbst 1878 auf dem 5km langen Dresdener
Militärkabel mit dem oben beschriebenen
Siemens'schen Telephone angestellten Versuchen 4 Siemens'sche Inductionszeigertelegraphen eingeschaltet
bleiben. Bei den in der ersten Hälfte des Decembers begonnenen Versuchen auf einem
3km langen Strahl der Dresdener
Feuerwehrtelegraphen bleiben während des Sprechens auf dem Telephon ein ganzes
Dutzend Siemens'sche Inductionszeiger eingeschaltet;
hier sind die Telephone und die Magnetzeiger einfach hinter einander geschaltet, die
Telephone werden aber bei Beendigung des Telephonirens durch Herstellung eines
kurzen Schlusses ausgeschlossen.
Wenn nun unter diesen Verhältnissen jetzt mit gröſserer Berechtigung, als es bereits
voriges Jahr geschehen ist, die Frage aufgeworfen werden darf, ob das Telephon nicht auch für den Eisenbahnverkehr,
sei es als tragbarer, von den Zügen mitzunehmender Telegraph, sei es – und gewiſs
zweckmäſsiger – als in einer entsprechenden Anzahl von Wärterhäusern aufzustellender
und im Falle des Bedarfes zu vorübergehendem Dienste bereiter Apparat zum Sprechen
mit den benachbarten Stationen, verwendbar sein sollte,
so liegt es nahe, daſs eine derartige Verwendung um so leichter sich wird Bahn
brechen können, je einfacher und leichter sich das Telephon in die Schaltung der bei
den Eisenbahnen sonst schon vorhandenen Telegraphen wird einfügen lassen. Seine
Benutzung erfordert nun in den Stationen und in den betreffenden Wärterhäusern nur
die Aufstellung eines bezieh. zweier (beim Sprechen sowohl wie beim Hören) zugleich
zu benutzender Telephone und eines zweckmäſsigen Ab- oder Ausschalters, damit das
Telephon für gewöhnlich nicht mit von den Strömen durchlaufen wird, welche in die
für dasselbe zu benutzende Linie beim Telegraphiren und Signalisiren gesendet
werden. Unbedingt nothwendig ist eine solche Ausschaltvorrichtung, wenn die
genannten Ströme so kräftig sind, daſs sie das Telephon schädigen könnten. In diesem
Falle wird es ferner das Einfachste sein, die Station zur Einschaltung ihres
Telephons durch ein bestimmtes, von der Wärterbude aus zu gebendes Lärmsignal auf
einem in eine Ruhestromleitung zu legenden gewöhnlichen elektromagnetischen Wecker
aufzufordern, und dies kann mittels eines einfachen Unterbrechungstasters geschehen,
welcher dem Telephon der Wärterbude beizugeben wäre. Könnte man dagegen das Telephon
in den Stationen beständig eingeschaltet lassen, wobei man nur darauf zu achten
hätte, daſs die dasselbe mit durchlaufenden Ströme seinen Magnet nicht schwächen,
sondern zu verstärken trachten, so könnten die Stationen auch mit irgend einem
telephonischen Wecker gerufen werden. Daſs diese Wecker sich selbst durch eine etwa
in der Linie eben befördertes Morsetelegramm hindurch in den Stationen vernehmbar zu
machen im Stande sein müſsten, ist ein Forderung, deren Erfüllung keine
Schwierigkeiten macht, da ja selbst das Sprechen durch die gleichzeitige Morsearbeit
hindurch verständlich bleibt. Konnte ich doch gerade im Hinblick auf diesen
letzteren Umstand schon voriges Jahr die Möglichkeit eines gleichzeitigen
Arbeitern mit Morse und Telephon bei einfacher Hintereinanderschaltung derselben
in derselben Leitung behaupten. Da aber bei einer solchen Schaltung zur
Doppeltelegraphie die zeitweilige Benutzung des Telephons ein Unterbrechen des
Morsetelegraphirens nicht nothwendig macht, und weil bei dieser Schaltung sich in
einfachster Weise das Telephon in die Morsetelegraphie einfügt, so habe ich im
verflossenen November Gelegenheit genommen, die Durchführbarkeit meines vorjährigen,
im Journal Télégraphique, 1878 Bd. 4 S. 9 ausreichend
deutlich skizzirten Vorschlages durch eine Reihe von Versuchen mit den eben
beschriebenen Siemens'schen Telephonen zu prüfen. Wenn
auch diese Versuche bis jetzt nur aus einem Zimmer des Dresdener Polytechnikums in
das andere gemacht wurden, so ist doch nicht daran zu zweifeln, daſs Versuche auf
der Linie, zu denen ich bis jetzt noch nicht die Zeit fand, ein ebenfalls günstiges
Ergebniſs geliefert haben würden.
Wichtig ist es bei dieser Doppeltelegraphie, daſs beim Arbeiten des Tasters die Linie
für die Telephonströme nicht unterbrochen wird. Man hat daher die Morsezeichen nicht
durch Geben und Unterbrechen des Stromes, sondern durch Stromverstärkung und
Stromschwächung (Schaltung auf Differenzstrom) hervorzubringen. Hierzu führt die
abwechselnde Herstellung und Beseitigung eines kurzen Schlusses zu einem
entsprechend eingeschalteten Widerstände oder einer Batterie. Fig. 6 zeigt die Anlegung des Widerstandes W an den Taster, wenn dessen Hebel beim Niederdrücken
auf den Arbeitscontact a das Zeichen durch Verstärkung
des Stromes in der Linie LL' hervorbringen soll; sollte
dies durch Stromschwächung geschehen, so müſste L' mit
W von a nach dem
Ruhecontacte c verlegt werden. Bei einigen meiner
Versuche lag auſser einem Taster und einem Morseapparat noch ein Widerstand von 2000
S. E. beständig in der Linie und weitere 2000 S. E. wurden durch die Tasterbewegung
aus- und eingeschaltet. Fig. 7 zeigt die Einschaltung
der Batterie B, deren Strom nach dem Niederdrücken des
Tasters auf a nicht mehr in LL' thätig sein soll; würden die beiden Drähte von a nach c verlegt, so brächte das
Niederdrücken des Tasterhebels die Batterie B in LL' erst zur Wirkung. Die kurze Schlieſsung der
Batterie bedingt natürlich einen etwas gröſseren Verbrauch an Batteriematerial; man
erspart aber bei ihr die Anschaffung der Widerstände W
in den Tastern. Uebrigens läſst sich die Dauer des kurzen Schlusses bei Anwendung
eines Hilfshebels am Taster aufs äuſserste verkürzen.
Fig. 5., Bd. 237, S. 143
Fig. 6., Bd. 237, S. 143
Fig. 7., Bd. 237, S. 143
Auch bei ganz gewöhnlicher Schaltung des Morsetasters, z.B. nach Fig. 5 auf Arbeitsstrom, habe ich einige
doppeltelegraphische Versuche angestellt. Bei langsamem Arbeiten mit dem Taster
machten die sich wiederholenden Linienunterbrechungen im Taster das Gesprochene
unverständlich; bei raschem Arbeiten dagegen geht der Faden des Gespräches nicht
ganz verloren. Trotzdem ist indeſsen eine solche Schaltung durchaus nicht zu
empfehlen.
Noch sei einer Anzahl von Versuchen gedacht, welche zugleich einen weitern Beleg für
die groſse Empfindlichkeit dieser Siemens'schen
Telephone geliefert haben. Zum Sprechen brauchen nämlich diese Telephone durchaus
nicht in eine geschlossene, in sich zurücklaufende Leitung eingeschaltet zu werden,
sondern es genügt, wenn man zwei Telephone durch einen
Draht verbindet und von ihren dann noch frei bleibenden Klemmschrauben Drähte an
entsprechend groſse, gegen einander isolirte
Metallmassen führt.Ein Seitenstück dazu habe ich im Journal
Télégraphique, 1878 Bd. 4 S. 8 beschrieben. Bei
Verkleinerung dieser Metallmassen wird schlieſslich zwar eine sprachliche
Verständigung unmöglich; doch kann man dann die Massen noch sehr weit verkleinern,
ohne daſs das Ohr aufhört, die Wirkung der durch das eine Telephon erregten
Inductionsströme in dem anderen zu spüren.