Titel: | Zur Gewinnung von Farbstoffen. |
Fundstelle: | Band 231, Jahrgang 1879, S. 173 |
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Zur Gewinnung von Farbstoffen.
Zur Gewinnung von Farbstoffen.
Benzol. Einer längeren Abhandlung von J. MarzellChemical News, 1878 Bd. 37 S. 45.
über die Farbstoffe des Steinkohlentheeres entnehmen wir die Angabe, daſs aus 100l bei 80 bis 150° siedendem Rohbenzol folgende
Fractionen erhalten werden:
Siedepunkt
Benzol und niedriger siedende Stoffe
6l
62
bis
80°
Benzol
44
80
„
82
Gemisch von Benzol und Toluol
6
82
„
110
Toluol
17
110
„
112
Gemisch von Toluol und Xylol
5
112
„
137
Xylol
9
137
„
140
Gemisch von Xylol u. höher siedenden Stoffen
5
140
„
148
Rest
8
148
„
150.
Nach den Versuchen von Salzmann und H. WichelhausBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
1878 S. 1431. über die Gewinnung von Benzol durch Ueberleiten von
Braunkohlentheerdämpfen über Platinasbest oder Knochenkohle (vgl. 1878 229 353) kann
die Erklärung des Vorganges nur in einer Spaltung der Kohlenwasserstoffe gefunden
werden, bei welcher das auftretende Gas das wasserstoffreichere Product
ausmacht.
Herstellung blauer Farbstoffe aus Dimethylanilin. Die
Badische Anilin- und Sodafabrik in Mannheim stellt
nach dem D. R. P. Nr. 1886 vom 15. December 1877 in folgender Weise blaue Farbstoffe
aus Dimethylanilin und anderen tertiären aromatischen Monaminen her. In eine kalte
Auflösung von 10k Dimethylanilin, 30k concentrirter Salzsäure und 200l Wasser läſst man eine Lösung von 5k,7 reinem salpetrigsauren Natrium in 200l Wasser unter fortwährendem Rühren innerhalb 4
bis 5 Stunden einflieſsen. Zur Reduction des hierbei gebildeten salzsauren
Nitroso-Dimethylanilins in Amido-Dimethylanilin wird dieses in einem geschlossenen,
mit mechanischem Rührwerk und Abzugsvorrichtung für den überschüssigen
Schwefelwasserstoff versehenen Holzfasse mit 500l
Wasser und 50k concentrirter Salzsäure verdünnt,
dann Schwefelwasserstoff eingeleitet, bis die gelbe Farbe verschwunden ist. Nun
werden 200l einer Eisenchloridlösung von 1,07 sp.
G. langsam hinzugesetzt. Die Mischung wird mit Kochsalz gesättigt und mit so viel
Chlorzinklösung versetzt, daſs der Farbstoff völlig gefällt wird. Dann wird filtrirt
und dem Niederschlage durch allmäliges Behandeln mit Wasser der blaue, leicht
lösliche Farbstoff entzogen. Die Lösung wird wieder mit Kochsalz gesättigt, mit
Chlorzink gefällt, der Niederschlag abfiltrirt, gepreſst und getrocknet in Handel
gebracht (vgl. 1876 221 192).
Nach MeldolaChemical News. 1878 Bd. 37 S. 56.
löst man Diphenylamin in Eisessig, leitet salpetrige Säure ein, sammelt die nach
einigen Stunden ausgeschiedene krystallinische gelbe Substanz und wäscht sie mit
Wasser aus. Beim Kochen mit alkoholischer Natronlauge gibt sie eine tiefrothe
Flüssigkeit, die in Wasser gegossen einen gelben Farbstoff abscheidet, welcher Seide
und Wolle sehr schön gelb färbt, dessen Zusammensetzung aber noch bestimmt werden
muſs.
Zur Gewinnung des Arsens aus den Rückständen
der Anilinfabrikation destillirt E. A. Parnell
(Englisches Patent Nr. 2002 vom 12. Mai 1876) ein Drittel Arsen durch Erhitzen der
Rückstände ab und glüht dann den zurückgebliebenen arsensauren Kalk mit Sand und
Kohle, wodurch auch das übrige Arsen verflüchtigt wird (vgl. 1877 226 317).
Die Rückstände der Fuchsin- und
Magentaroth-Fabrikation werden nach A. Wachhausen
(Englisches Patent Nr. 2649 vom 10. Juli 1877) mit einer Alkalilösung behandelt, die
ungelöst bleibende arsenfreie Masse abfiltrirt, gewaschen, getrocknet und in Alkohol
gelöst. Nun werden Zink und Salzsäure zugesetzt; nach Entfernung des überschüssigen
Zinkes wird der gebildete braune Farbstoff durch Zusatz von Wasser gefällt.
Aurin. Nach R. S. Dale und
C. SchorlemmerBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft
1878 S. 1556. hat das Aurin die Formel C19H14O3. Zur Herstellung desselben erhitzten sie Oxalsäure
mit reiner Phenolsulfosäure und erhielten so neben Aurin,
das aber nicht rein zu sein scheint, etwas Ameisensäure und ziemlich viel freie
Schwefelsäure. Um die Wirkung der letzteren auszuschlieſsen, wurde statt der freien
Phenolsulfosäure ihr Bariumsalz angewendet und so mehr Ameisensäure erhalten;
dasselbe erreicht man, wenn ein Gemisch von Schwefelsäure mit überschüssigem Phenol
erhitzt wird und man allmälig Oxalsäure zugibt. Dabei entwickelt sich nur wenig Gas,
welches aus gleichen Raumtheilen Kohlenoxyd und Kohlendioxyd besteht. Die Bildung
des Aurins scheint daher nach folgender Gleichung vor sich zugehen: 3C6H6O + C2H2O4 = C19Hl4O3 + CH2O2 + 2H2O.
Gesundheitsverhältnisse der Arbeiter in
Anilinfarbenfabriken. Nach einem Bericht von GrandhommeCorrespondenzblatt des niederrheinischen Vereines für
öffentliche Gesundheitspflege, 1878 S. 108. beschäftigte
im J. 1877 die Anilin- und Alizarinfarbenfabrik von Meister,
Lucius und Brüning (vgl. 1877 226 96) 496 Arbeiter. Verglichen mit früheren
Jahren ergeben sich folgende Krankheitsverhältnisse:
Jahr
Arbeiter-zahl
Erkran-kungstage
Auf
jedenArbeiterkommenErkran-kungstage
Erkran-kungsfälle
Es erkrank-ten
vonsämmtlichenArbeitern
1874
349
2555
7,30
230
66 Proc.
1875
406
2903
7,15
269
66
1876
450
2070
4,60
216
48
1877
496
1786
3,60
189
38
Vom 1. Januar 1877 bis dahin 1878 wurden im Durchschnitt beschäftigt in der
Alizarinfabrik 209, in der Anilinfabrik 212 und in der mechanischen Werksätte 74
Mann. Hiervon erkrankten 162, und zwar:
in der
1mal
2mal
3mal
4mal
Tage
AlizarinfabrikAnilinfabrikMechanischen Werkstätte
58 68 18
4123
––1
–1–
66 98 25
Zusammen
144
19
1
1
189
Die meisten Krankheiten dauerten 1 bis 10 Tage. Bemerkenswerte sind die vielen
Montags-Erkrankungen.
Es meldeten sich krank in der
Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Freitag
Sonnabend
AlizarinfabrikAnilinfabrikWerkstätte
181710
1211 5
1415 5
915–
510 3
810 2
Zusammen
45
28
34
24
18
20
Folgende Tabelle zeigt die Vertheilung der einzelnen Erkrankungen auf die
verschiedenen Organe:
Krankheiten
Alizarin-fabrik
Anilinfabrik
Werkstätte
Zusammen
In Proc.
Ernährungskrankheiten
9
7
2
18
10,0
Infectionskrankheiten
3
4
1
8
4,3
Respirationsorgane
10
15
6
31
16,8
Digestionsorgane
14
25
4
43
23,3
Nervensystem
3
2
1
6
3,3
Augen und Ohren
2
2
–
4
2,2
Haut
–
7
–
7
3,8
Verletzungen
10
26
5
41
22,0
Chirurgische Krankheiten
9
8
5
22
12,0
Fabrikkrankheiten
–
3
–
3
1,6
Verschiedene
–
1
–
1
0,5
Speciell in der Anilinfabrik vertheilten sich die Krankheiten in folgender Weise:
Arbeitsraum
Zahl der
In Proc.
Die meisten Erkrankungenfallen
auf
Arbeiter
Erkran-kungen
Nitrobenzol
11
2
18
Reduction
17
7
41
Fuchsin
30
11
36
Verletzungen
Blau
17
6
35
Dahlia
16
6
36
Grün
9
4
44
Eosin
24
17
70
Haut und Digestionsorgane
Lager
28
11
40
Respiration
Schlosser und Heizer
18
11
60
Verletzungen
Hofarbeiter
28
9
32
Digestionsorgane
Fuhrwesen
14
14
100
Desgleichen und Verletzungen.
Es wäre sehr wünschenswerth, daſs auch andere Fabriken chemischer Producte eine so
sorgfältige Krankenstatistik einführten; es würde die übermäſsige Furcht vor der
Gesundheitsschädlichkeit dieser Anlagen dadurch sicher beseitigt werden.
Das Färben von Wolle mittels Anilinfarben bespricht V.
Joclét in seinem Handbuch der gesammten
Wollenfärberei. Mit 17 Abbildungen und 60 selbstgefärbten Originalproben.
Preis 8 M. (Leipzig 1878. Verlag von H. Hässel.)
Giftige Farben.
Nach einem Referat von WenzelChemische Industrie. 1878 S. 291.
über den Entwurf eines Gesetzes, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln,
Genuſsmitteln und Gebrauchsgegenständen richtet sich das einzige Bedenken, das von
Seiten der chemischen Industrie zu erheben ist, gegen die Bestimmung, welche ganz
allgemein den Verkehr mit Farben der polizeilichen Beaufsichtigung nach Maſsgabe des
Gesetzes unterordnet. Auch die giftige Farbe kann im öffentlichen Verkehr nur in
ihrer Verbindung mit Genuſsmitteln und Gebrauchsgegenständen gesundheitsgefährlich
werden, und da die letzteren ohnehin durch das Gesetz der Controle unterworfen sind,
so ist kein Grund vorhanden, die Farbenindustrie selbst, die nicht weniger als 733
Fabriken mit 10355 Arbeitern in Deutschland umfaſst, abgesehen von den allgemeinen
Strafbestimmungen, noch besonderen Beschränkungen zu unterwerfen.
Martius stimmt dem Urtheil des
Referenten über die Regierungsvorlage und ihre Motive bei, die er als die
mangelhafteste und flüchtigste Arbeit bezeichnet, die je dem Parlament vorgelegt
worden sei, hält aber auch die Commissionsbeschlüsse, mit Rücksicht auf die Neigung
der Polizeibehörden, ihre Befugnisse möglichst weit auszudehnen, für nicht
unbedenklich. Namentlich die Willkür bezüglich des Verbotes der Verwendung giftiger
Farben könne den Fabrikanten auf das Empfindlichste schädigen, wie dies das Beispiel
des gelben Farbstoffes Aurantia (vgl. 1876 222 192)
beweise, dessen Anwendung, zeitweilig verboten, später als völlig unschädlich
nachgewiesen wurde. Die Polizeibehörde berücksichtige nicht, daſs ein Farbstoff, für
Genuſsmittel verwendet, zwar gesundheitschädlich, als Färbemittel dagegen völlig
unschädlich sein könne.
Leonhardt hält die Furcht vor
arsenhaltigen Kleidungsstücken für unbegründet, Jacobsen hält dagegen die Verwendung von Arsen für gefährlich. Martins schlägt vor, die früher bereits dem Reichstage
eingereichte Petition wegen gänzlichen Ausschlusses der Farben aus den Bestimmungen
des Gesetzes, mit einer ausführlicheren Motivirung versehen, in der nächsten Session
noch einmal an den Reichstag gelangen zu lassen. Grüneberg beantragt dagegen, an den Reichstag eine Eingabe zu richten, in
welcher unter Hinweisung auf specielle Fälle die Forderung ausgesprochen werde, daſs
vor der Entscheidung darüber, ob eine Farbe als giftig zu erklären sei, eine
eingehende wissenschaftliche Prüfung durch eine aus sachverständigen Chemikern und
Physiologen bestehende Commission vorgenommen werde, welche begutachten müsse, ob
der Farbstoff in seiner Anwendung als solcher
gesundheitsschädlich sei.
Beide Anträge sind verbunden vom Verein
zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands
angenommen.