Titel: | Ueber Ultramarin. |
Fundstelle: | Band 231, Jahrgang 1879, S. 363 |
Download: | XML |
Ueber Ultramarin.
Ueber Ultramarin.
Im Anschluſs an seine früheren Mittheilungen (1876 220 53) berichtet R.
HoffmannLiebig's Annalen der Chemie, 1878 Bd. 194 S. 1
bis 23. über die theoretischen Folgerungen,
welche sich aus seinen Versuchen ergeben. Bekanntlich entsteht Na2S5 aus dem Na2S durch Zutritt von Schwefel: Na2S + 2 S2 = Na2S5 oder durch
Austritt von Natrium: 5Na2S – 4Na2 = Na2S5. Nimmt man nun an, daſs es Silicataluminate des
Natriums geben kann, in welchen ein Theil des Sauerstoffes durch Schwefel ersetzbar
ist, und daſs aus diesen Silicatsulfureten ebenfalls sowohl durch Schwefelaufnahme,
als auch durch Natriumaustritt höhere Sulfurete entstehen können, ohne daſs die
Verbindung aus einander fällt, so ergibt sich die Erklärung der Ultramarinbildung
von selbst.
Glüht man eine innige Mischung von 30 Th. Thon (H2Al2Si2O8) und 18 Th. Natriumcarbonat, so bildet
sich die durch Salzsäure leicht zersetzbare Verbindung Na2Al2Si2O8, welche als das in den kieselarmen
Ultramarinverbindungen wirklich vorhandene Silicat bezeichnet werden kann, aus der
durch Anlagerung von Sulfosalzen des Natriums die Ultramarinverbindungen entstehen.
In der That erhält man vollkommen gutes Ultramarin, wenn man die aufgeschlossene
Masse mit einem Ueberschuſs von Soda, Schwefel und Harz versetzt und den
gewöhnlichen Brennproceſs durchmachen läſst. Im Wesentlichen dasselbe geschieht,
wenn Thon bei hoher Temperatur und Luftabschluſs mit einem Ueberschuſs von
schwefelsaurem Natrium und Kohle, oder mit Soda, Schwefel und Kohle geglüht wird. Es
bildet sich durch Wasser ausziehbares Schwefelnatrium und das weiſse Ultramarin von
Ritter: Na2Al2Si2O8 + Na2S, welches
zwar noch nicht rein dargestellt wurde.
Wird dem weiſsen Ultramarin Natrium entzogen durch Sauerstoff bei Gegenwart von
freiem Schwefel oder durch Chlor, so geht es unter stetiger Farbenänderung durch
Gelb und Grün allmälig in Blau über; hierbei ändert sich die Bindungsweise des
Schwefels in demselben Sinne, wie bei dem freien Monosulfuret angegeben. Ob das
grüne Ultramarin eine wirkliche chemische Verbindung ist, bleibt zweifelhaft;
jedenfalls steht es zwischen dem weiſsen und blauen Ultramarin. Für letzteres ergab
die Jodmethode das Verhältniſs für Sa : Sb (vgl. 1876 220 58) genau mit 1 : 3 oder,
auf Natriumsulfuret bezogen, hätte man im blauen Ultramarin Na2S4 anzunehmen. Der
Uebergang des weiſsen in blaues Ultramarin würde sich hiernach durch folgende
Gleichung ausdrücken lassen: 4 (Na2Al2Si2O8 + Na2S) – 6 Na =
Na10Al8Si8O32S4 oder 4 (Na2Al2Si2O8) + Na2S4. Die im blauen Ultramarin vorkommenden Sulfate
sind offenbar durch Wirkung von Sauerstoff entstanden (vgl. 1876 221 473), die durch
Wasser nicht ausziehbaren Schwefelsauerstoffverbindungen wahrscheinlich in chemischer Silicatverbindung
vorhanden; jedenfalls stammen sie aus vorher gebildetem und wieder zersetztem
Ultramarin.
Für die kieselreiche Ultramarinreihe lassen sich ähnliche Betrachtungen anstellen;
nur fehlt hier das weiſse Ultramarin, das grüne tritt weniger hervor, selbst das
blaue ist nicht so rein als das kieselarme Ultramarin. Geht man von dem Silicat
Na2Al2Si3O10 aus, welches
beim Glühen von Kaolin, Kieselsäure und Soda erhalten wird und fügt 2 Na2S zu, so erhält man den Ausdruck: Na6Al2Si3O10S2 oder Na2Al2Si3O10 + 2 Na2S. Durch
Austritt von 3 Na2 erhält man blaues Ultramarin:
Na6Al4Si6O20S4 oder 2 (Na2Al2Si3O10) + Na2S4. Zieht man von dieser mit 5 multiplicirten Formel
Na2 ab, oder von der obigen Formel für weiſses
kieselreiches Ultramarin 8Na2, so erhält man rothes
kieselreiches Ultramarin nach folgenden Gleichungen:
5 [2 (Na2Al2Si3O10) + Na2S4] – Na2 = Na28Al20Si30O100S20 und
5 (Na2Al2Si3O10 + 2 Na2S) –
8Na2 = Na14Al10Si15O50S10
oder 5 (Na2Al2Si3O10) + 2 Na2S5.
Zur Stütze dieser Ansichten führt der Verfasser schlieſslich
aus Raramelsberg's Handbuche der Mineralchemie die
Formeln derjenigen Silicate an, welche ursprünglich die Anregung zur künstlichen
Darstellung des Ultramarins gegeben haben, von denen hier nur die kieselreiche Reihe
folgen mag:
Mesotyp
Na2Al2Si3O10 + 2 H2O.
Zersetzter Sodalith
Na2Al2Si3O10.
Weiſses Ultramarin
Na2Al2Si3O10 + 2 Na2S.
Blaues „
2 (Na2Al2Si3O10) + Na2S4.
Rothes „
5(Na2Al2Si3O10) + 2 Na2S5.
Gelbes „
2 (Na2Al2Si3O10) + Na2S3O4.
A. LehmannBericht der Provinzialgewerbeschule zu
Iserlohn, 1878. Berichte der deutschen
chemischen Gesellschaft, 1878 S. 1962.
betrachtet dagegen weiſses Ultramarin als 2 (Na2S)2S + 3 Al2Si2O7,
grünes als 2 Na2S.Na2O.S + 3 Al2Si2O7 und blaues Ultramarin als 2 (Na2O)2S+ 3 Al2Si2O7. Er suspendirte 15g blaues Ultramarin in etwa 200cc
Wasser, vertrieb die Luft aus dem Kolben durch Auskochen, lieſs nach dem Erkalten
0g,662 HCl mit Wasser verdünnt ansaugen und
destillirte nach 24 Stunden einen Theil ab. Zur Absorption des entweichenden
Schwefelwasserstoffes waren zwei mit Bromwasser und etwas Brom gefüllte Gefäſse
vorgelegt. Es wurde nie in dem etwas erwärmten Bromwasser eine Abscheidung von
Schwefel bemerkt; vielmehr wurde sämmtlicher Schwefelwasserstoff zu Schwefelsäure
oxydirt, so daſs nach Verjagen von überschüssigem Brom der Schwefel sofort als
BaSO4 bestimmt werden konnte. Nach dem
Austreiben des Schwefelwasserstoffes wurde der Inhalt des Kolbens filtrirt, im
oxydirten Filtrat der Schwefel als BaSO4 bestimmt
und im wohl getrockneten Rückstand der Schwefel durch CS2 ausgezogen und direct gewogen. Ebenso wurde mit grünem Ultramarin verfahren, nur daſs hier
der als Schwefelsäure frei werdende Schwefel nicht bestimmt zu werden brauchte. Die
Analyse ergab folgendes:
Blaues Ultramarin
GrünesUltramarin
HCl
0,6625
0,6625
0,6625
0,6625
Na
0,466
–
–
0,438
Sα (H2S)
–
0,0384
0,0297
0,0783
Sγ (H2SO4)
–
0,0243
0,0200
–
Sα + Sγ
0,0700
(0,0627)
(0,0497)
(0,0783)
Sβ (S)
0,1800
0,1475
0,1750
0,0950
Sα + Sβ + Sγ
(0,2500)
(0,2102)
(0,2247)
(0,1733)
SiO2
–
–
–
0,0605
Thonerde war nicht in Lösung gegangen, concentrirte Sodalösung
zog aus dem Rückstande nur wenig Kieselsäure.
Die vorstehenden Zahlen ergeben, daſs die in Lösung gegangene Natriummenge der
angewendeten Salzsäuremenge äquivalent ist, daſs beim Blau die erhaltenen
Zersetzungsproducte fast in demselben Verhältnisse stehen wie in der ursprünglichen
Substanz, und daſs endlich beim Grün mehr Na2O
ausgezogen wird, als der ursprünglichen Substanz nach dem ausgezogenen Schwefel
entsprechen würde.
Verfasser bestätigt ferner, daſs Grün durch SO3 in
Blau übergeführt wird und daſs blaues Ultramarin durch Reduction in grünes
zurückgeführt werden kann.
Nach R. RickmannBerichte der deutschen chemischen
Gesellschaft, 1878 S. 2013. ist in dem
Ultramarinweiſs von Ritter keine
Schwefelwasserstoff-Sauerstoffverbindung vorhanden, vielmehr ist der Schwefel als
Monosulfid zugegen (vgl. 1878 229 69). Rickmann geht
nun ebenfalls von dem Silicat Na2Al2Si2O8 aus und gibt dem idealen Ultramarinweiſs die
Formel: Na2Al2Si2O8.2 Na2S oder, da das Aluminiumsilicat durch
Natriumsilicat ersetzt werden kann: 2 Na2SiO3.Na2S.
Der Bläuungsproceſs mittels Chlorwasserstoff wird durch folgende
Zersetzungsgleichungen ausgedrückt:
(2 Na2SiO3, 2Al2SiO5, Na2S) + 2HCl
= (Na2SiO3, 2Al2SiO5, Na2S)
+ SiO2 + 2 NaCl
Ultramarinweiſs
+ H2O.
Na2SiO3,
2Al2SiO5, Na2S + SiO2
= Na2SiO3,
2Al2SiO5, Na2SiO2S.
Ultramarinblau.
Da nun mit 2 Mol. Doppelsilicat im Ultramarinweiſs 2, 3 und 4
Mol. Na2S vorhanden sein können, so läſst sich nach
Angabe des Verfassers der Bläuungsproceſs in folgender Weise veranschaulichen:
2 Na2SiO3, Al2SiO5, Na2S = 2 Al2SiO5 + 2 Na2SiO2S,
2 Na2SiO3, Al2SiO5, Na2S = Na2SiO3, Al2SiO5 + 2 Na2SiO2S,
2 Na3SiO3, Al2SiO5, 3 Na2S = Al2SiO5 + 3 Na2SiO2S,
2 Na3SiO3, Al2SiO5, 4 Na2S = 4 Na2SiO2S.
So kommen wir also schlieſslich zu der einfachen Verbindung Na2SiO2S, einem
Natriumsulfosilicat, welches man wohl als die ideale Form des Ultramarinblaus
ansehen kann.
Glüht man vorsichtig ein Gemenge von Na2S und Na2SiO3 und erhitzt das Glühproduct
in einem Strom von Chlorwasserstoffsäure, so erhält man ein Product, welches in
seinen Eigenschaften vollständig mit dem Ultramarinblau identisch ist; die
Kieselsäure ist also mit dem Na2S in Verbindung
getreten. Es ist bemerkenswerth, daſs das Gelingen des Versuches sehr von der
richtigen Regulirung der Temperatur (vgl. 1876 221 461) abhängig ist; bei zu
niederer Temperatur findet keine Verbindung zwischen Na2S und Na2SiO3 statt, bei zu hoher dagegen Sinterung und Zersetzung. Hiernach ist also
auch die Rolle des Aluminiumsilicates erklärlich, welches nach obiger Formel ja
überflüssig wäre; durch die Schwerschmelzbarkeit desselben wird der Sinterung und
somit der Zersetzung vorgebeugt.
R. HeinzeR. Heinze: Ein Beitrag zur
Ultramarinfabrikation (Dresden 1879). hat je 50
bis 60g der bekanntesten Ultramarinsätze im
Porzellantiegel geglüht und aus diesen Versuchen, deren Resultate nachstehend
zusammengestellt sind, die Herstellungskosten berechnet. So schätzenswerth derartige
Versuche sind, so berechtigen sie doch nur in sehr beschränkter Weise zu
entsprechenden Schlüssen für den Groſsbetrieb, da unter anderem die Schönheit und
Ausgiebigkeit des Farbstoffes, welche den Werth desselben in erster Linie bedingen,
nicht berücksichtigt sind.
Sätze mit vorwiegendkohlensaurem
Natron(Französische Fabri-kationsmethoden)
Sätze mit vorwiegendschwefels.
Natron(Deutsche Fabri-kationsmethoden)
Satz mit gleichenTheilen
kohlens.u.schwefels. Natron
Gebrannter KaolinCalcinirte 95 proc.
SodaCalcinirtes
GlaubersalzKolophoniumHolzkohleStangenschwefelSchwefelblumen
a34,736,33,9–3,921,2–
b36,836,8––4,422,0–
c32,329,0–1,91,335,5–
d26,0–57,19,1––7,8
e47,9–44,0–8,1––
f37,96,039,8–8,77,6–
g47,1719,3419,34–8,026,13–
Zusammen
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
Menge des gewonnenenGrüns
Proc.Verbrauch an Röstschwefel
Proc.Menge des gewonnenenUltramarins Proc.Preis
für 100k fertiges
Ultra-marin M.
45,743,6643,3475,8
44,228,5642,2281,6
69,47–41,6976,8
27,433,2928,0494,4
56,0721,7452,0755,2
41,543,3339,9062,0
46,9537,2144,2086,0
Methoden:
a Fürstenau A. b Gentele. c Fürstenau B. d Habich. e Gentele. f
Fürstenau. g Gentele.