Titel: | Stickoxydulgas und Stickoxydulwasser; von Cl. Winkler. |
Autor: | Clemens Winkler [GND] |
Fundstelle: | Band 231, Jahrgang 1879, S. 368 |
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Stickoxydulgas und Stickoxydulwasser; von
Cl. Winkler.
Winkler, über Stickoxydulgas und Stickoxydulwasser.
So überreich auch gerade das Ende des vergangenen Jahrhunderts an groſsartigen,
geradezu staunenerregenden chemischen Entdeckungen gewesen ist, so will es doch
erklärlich erscheinen, wenn eine so unerwartete Wahrnehmung, wie H. Davy sie i. J. 1799 am Stickoxydulgase machte, ganz
besonders Aufsehen erregte. Damit beschäftigt, die Athembarkeit oder Unathembarkeit
dieses Gases festzustellen, wie überhaupt mit der die damalige Forschung
kennzeichnenden Kühnheit dessen physiologische Wirkung am eigenen Organismus zu
erproben, nahm Davy wahr, daſs das Einathmen des
Stickoxydulgases die merkwürdigsten Hallucinationen zur Folge hatte, denen
ausgelassene Fröhlichkeit, dann ein angenehmer Traumzustand und endlich volle
Bewustlosigkeit folgte. Wie tiefen Eindruck diese Beobachtung auf den groſsen
englischen Forscher machte, geht daraus hervor, daſs in ihm noch einmal der Gedanke
an die Möglichkeit der Entdeckung des „Steines der Weisen“ auftauchte und
dies zu einer Zeit, wo sich die Pforten des neuen Jahrhunderts aufthun sollten,
welches berufen war, den langvererbten Wust von Irrthümern zu zerstreuen und das,
was man Chemie nannte, zur wahren, wirklichen Wissenschaft zu gestalten.
Es konnte nicht fehlen, daſs in Folge der Datschen Schilderung auch andere Forscher
die Wirkung des Stickoxydulgases an sich versuchten, und wir finden, daſs sie sich
in sehr verschiedener, theilweise sogar in höchst Bedenken eregender Weise darüber
äuſsern. Während z.B. bei Wedgewood sich ebenfalls
Heiterkeit, Lachlust und Rausch einstellten, denen Erschöpfung folgte, wurde Thénard von Blässe und Schwäche bis zur Ohnmacht
befallen; Vauquelin bekam beim Einathmen des Gases sehr
unangehme Erstickungszufälle, bei Proust erregte
dasselbe Verwirrung des Gesichtes, Doppeltsehen, Angst, Ohnmacht. Cardone nahm zunächst einen seifenartigen, dann einen
süſslichen, später einen säuerlichen Geschmack wahr bei gleichzeitiger Trockenheit
im Schlünde; die Wirkung des Gases äuſserte sich dabei in groſser Neigung zu
sprechen und zu lachen, worauf Melancholie und Schläfrigkeit folgten. Gleichzeitig
aber stellte sich auch ein heftiger Schmerz in der Schläfe ein, das Gesicht wurde
getrübt und es folgte Doppeltsehen; das Gehör nahm ab bis zum zeitweiligen Eintritt
voller Taubheit und zuletzt verbreitete sich über den ganzen Körper starker
Schweiſs. Es wird ferner von einer Person erzählt, daſs dieselbe beim Einathmen des
Stickoxyduls in Raserei verfiel, die sich in starken veitstanzähnlichen Bewegungen
äuſserte und sich erst nach mehreren Tagen verlor.
Diese Beobachtungen, welche die Bezeichnung Lach- oder
Lustgas, die Davy dem
Stickoxydul beigelegt hatte, wenig zutreffend erscheinen lieſsen, fanden aber ihre
Erklärung in dem Umstände, daſs die erwähnten Experimentatoren durchaus nicht immer
mit reinem, sondern zumeist mit Chlor- oder Stickoxydhaltigem Gase operirt
hatten.
Es ist inzwischen festgestellt worden, daſs das reine Stickoxydulgas in der That ein
vollkommen unschädliches und in seiner Anwendung- höchst bequemes, sicheres
Anästheticum ist, welches keinerlei schädliche Nachwirkung hinterläſst, wenn seine
Anwendung durch einen erfahrenen Arzt, unter Beihilfe eines geschickten Assistenten,
erfolgt, und so wird es denn heutigen Tages in ausgedehntestem Maſse als
Betäubungsmittel bei kürzeren chirurgischen Operationen angewendet, fabrikmäſsig
dargestellt und in comprimirtem Zustand in den Handel gebracht. Schon im December
1844 benutzte es Horace Wells in Hartfort, Conn.,
zunächst bei sich selbst zur Hervorrufung einer rasch vorübergehenden Narcose; doch
gelangte es damals noch nicht zur Einbürgerung, weil es den bequemer zu handhabenden
Betäubungsmitteln, die man im Chloroform und im Aether gefunden hatte, weichen
muſste, bis 1863 Colton und Porter aufs Neue darauf aufmerksam machten, Letzterer es 1864 in England
einführte und der amerikanische Zahnarzt Evans in Paris
es 1867 zur eigentlich wissenschaftlichen Verwerthung brachte. Seine praktische
Anwendung in Deutschland datirt vom J. 1868, und seitdem dürfte es in allen
civilisirten Ländern zur Verwendung gekommen sein. Für seine Darstellung, seine
Aufbewahrung, seine Anwendung, ja selbst für seine Zurückgewinnung, hat man
geeignete Apparate construirt, und namentlich ist es die Firma C. Ash und Söhne in London, welche sich hierum verdient
gemacht und im Laufe der Zeit Filialen in Manchester, Liverpool, Paris, Berlin,
Wien, Hamburg und Kopenhagen errichtet hat.Näheres hierüber findet sich in der Brochüre: „Das Stickoxydul, seine Herstellung, Anwendung und Wirkung als
Anästheticum“ (Berlin 1877. Julius
Bohne, Wilhelmstraſse 40). Ferner in der interressanten Abhandlung
von O. Liebreich: „Ueber die praktische
Verwendung des Stickoxydulgases“ in A. W. Hofmann's Bericht über die Entwicklung der chemischen
Industrie, Bd. 1 S. 214.
Die Darstellung des Stickoxydulgases erfolgt durchweg durch Erhitzen von reinem
salpetersaurem Ammonium und auf einander folgendes Waschen mit Wasser,
Eisenvitriollösung und Kalilauge. Aus 1k des
Salzes erhält man 182l Gas. Man fängt dasselbe in
einem Gasometer auf, dessen Sperrwasser bereits damit gesättigt ist, und verwendet
es entweder direct, oder bringt es durch Verdichtung in einen für den Verbrauch und
Versandt geeigneten Zustand. Zur Zeit wird wohl alles für den Handel bestimmte
Stickoxydul unter einem Druck von 50at in flüssige
Form übergeführt und in eisernen oder kupfernen Flaschen versendet, die 50, 100, ja
1000 Gallonen der gasförmig gedachten Verbindung fassen. Der Preis beträgt 40 M. für
100 Gallonen oder 8,8 Pf. für 1l, ohne Flasche, ab
Berlin. Beim Verbrauch wird durch geringes Oeffnen des Schraubhahnes ein Theil des
Flascheninhaltes zur Vergasung gebracht und in einem Kautschukballon oder Gasometer
aufgesammelt, von wo aus die Einathmung stattfindet. Um Gasersparniſs
herbeizuführen, hat man wohl auch die Einrichtung getroffen, das vom Patienten
ausgeathmete Gas zurückzugewinnen, es durch Kalilauge oder Kalkmilch von seinem
Kohlensäuregehalt zu befreien und es sodann für eine neue Narcose zu verwenden.
Es erleidet nämlich das Stickoxydulgas bei der Einathmung keine Veränderung, und aus
diesem Grunde hat man auch bis jetzt keine ganz genügende Erklärung für seine
Wirkung geben können. Wird das Gas in völlig reinem Zustande, ohne alle Beimischung
von Luft gegeben, so tritt Bewuſstlosigkeit ohne vorhergehende Heiterkeit ein; man
verwendet es jedoch nie allein, sondern wuscht ihm, je nach der Dauer der
vorzunehmenden Operation, 1/10 bis höchstens ¼ Vol. Luft bei, zumeist derart,
daſs man nach je 5 bis 6 Gaseinathmungen eine Einathmung von atmosphärischer Luft
einschaltet.
Zur Hervorbringung einer totalen Narcose sind im Durchschnitt 22 bis 26l Gas erforderlich, bei theilweiser Rückgewinnung
nur 11l. Hat das Einathmen 20 bis 30 Secunden
angedauert, so macht sich die Wirkung des Gases dadurch bemerkbar, daſs Blässe des
Gesichtes, leichte Erweiterung der Pupille und Zucken der Hände und Augäpfel
eintritt. Gleich darauf erlahmt die Willenskraft und es tritt Gefühllosigkeit ein.
Der Narcotisirte selbst empfindet mit dem Schwinden der Sinne ein klingendes
Geräusch im Kopfe, ein seltsames Trommeln in den Gehörorganen und fühlt durch den ganzen
Körper hindurch das Schlagen des Pulses, während gleichzeitig in vielen Fällen
äuſserstes Wohlbehagen Platz greift und entzückende Träume eintreten. Bei tiefer
Narcose bemerkt der Beobachter ein Zucken der Muskeln des Gesichtes, des Halses, des
Hinterhauptes und der Hände; bei unvollständiger sind dagegen Schreien und heftige
Bewegungen nicht ungewöhnlich.
Das Einathmen des Gases darf nicht länger als 90 bis 120 Secunden fortgesetzt werden,
ohne daſs man einmal Luft in die Lungen treten läſst. Die Zeitdauer der Narcose
beträgt 30 bis 90 Secunden; doch hat man dieselbe auch schon auf 50 bis 90 Minuten
ausgedehnt, indem man zeitweilig Luft schöpfen lieſs. Unterbricht man die Zufuhr des
Stickoxydulgases vollständig, so tritt schon nach 1 bis 2 Minuten der normale
Zustand wieder ein, ohne daſs sich die mindeste Nachwirkung bemerkbar macht.
Lang fortgesetztes Einathmen von Stickoxydul, behufs Herbeiführung einer vollkommenen
und lang andauernden Empfindungslosigkeit, erfordert immerhin groſse Umsicht des
Operateurs, weil in solchem Falle leicht bedenkliche Erstickungszufälle eintreten
können. Dies ist auch der Grund, warum man dieses Anästheticum zeither fast
ausschlieſslich bei der Ausführung wenig Zeit beanspruchender Operationen,
namentlich beim Ausziehen der Zähne, in Anwendung gebracht hat.
Paul BertComptes rendus, 1878 Bd. 87 S.
728. hat nun neuerdings das gleichzeitige Einathmen von Luft
und Stickoxydul, ohne Abschwächung der Wirkung des letzteren, dadurch ermöglicht,
daſs er gleiche Volume dieser Gase mischt und sie unter doppeltem Atmosphärendruck
einathmen läſst. In gleicher Zeit wird dann dieselbe Menge Stickoxydul den Lungen
zugeführt, wie beim Einathmen des Gases in reinem, unverändertem Zustande unter
gewöhnlichem Luftdruck, mit ihm aber eine für die normalen Respirationsbedingungen
genügende Sauerstoffmenge. Auf solche Weise vermochte Bert bei Versuchen, die er an Thieren anstellte, eine volle Stunde
hindurch gänzliche Empfindungslosigkeit zu unterhalten und in dieser Zeit
Nervenbloslegungen und Amputationen schmerzlos vorzunehmen; nach 2 bis 3 Athemzügen
frischer Luft trat der normale Zustand wieder ein, ohne daſs sich irgend welche
Nachwirkungen gezeigt hätten.
Dies führt auf die Frage, ob man das gleiche Ziel nicht eben so gut und einfacher
erreichen könnte, wenn man für andauernde Narcosen ein Gemisch von Stickoxydul und reinem Sauerstoff, also gewissermaſsen eine
Luft verwendete, deren Stickstoffgehalt durch Stickoxydul ersetzt ist. Die in einem
solchen Gemisch enthaltene Sauerstoffmenge würde voraussichtlich weniger als die in
der atmosphärischen Luft enthaltene betragen können, ohne daſs man deshalb
Erstickungserscheinungen zu befürchten hätte.
Im Uebrigen hat man es hinsichtlich der Handhabung des Stickoxydulgases zu einer
höchst beruhigenden Sicherheit gebracht. Die vorhandene Statistik zeigt, daſs es
unter allen Anästheticas das ungefährlichste, oder richtiger, daſs es bei
sachverständiger Anwendung gänzlich ungefährlich ist.
E. Andrews hat eine tabellarische Zusammenstellung
geliefert, nach welcher
1 Todesfall
auf
2723
Narcosen
durch
Chloroform
1 „
„
5588
„
„
eine Mischung von Chloroform und Aether,
1 „
„
7000
„
„
Methylenbichlorid,
1 „
„
23200
„
„
Aether,
kein „
„
75000
„
„
Stickoxydulgas
kam. Im Ganzen sind zwei oder drei Todesfälle zu verzeichnen
gewesen, welche jedoch auf andere Ursachen zurückgeführt werden müssen und
ebensowohl bei Anwendung eines anderen Anästheticums eingetreten sein würden.
Es war vielleicht ein unfruchtbarer Gedanke, eine Verallgemeinerung der Anwendung des
Stickoxyduls dadurch anzustreben, daſs man dasselbe, seine Löslichkeit benutzend,
unter erhöhtem Druck in Wasser einpreſste und dadurch ein moussirendes Getränk
herstellte, welches nach Art des kohlensauren Wassers getrunken werden sollte und
dabei möglicherweise erheiternde, berauschende oder vor Allem schmerzstillende Wirkung
ausüben konnte. Allerdings war vorauszusehen, daſs bei dieser Art des Gemisches die
Resorption des Stickoxyduls in ganz anderer Weise und wahrscheinlich weit langsamer
erfolgen werde; auch war es unmöglich, dem Organismus das Narcoticum während einer
gegebenen Zeit in gleich beträchtlicher Menge zuzuführen, wie dies bei der Athmung
des Gases der Fall ist. Immerhin aber erschien die Ausführung der Idee eines
Versuches werth und Hr. Dr. Otto Schür in Stettin
erklärte sich bereit, denselben in seiner Mineralwasser- und Pastillenfabrik
vorzunehmen, wie überhaupt dem Gegenstande seine Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Was zunächst den Apparat anlangt, der zur Entwicklung des Stickoxydulgases diente, so
war dessen Thätigkeit eine continuirliche. Ein horizontales, wenig nach vorn
geneigtes und mit einem Blechmantel umgebenes Eisenrohr wurde mit einer Füllung von
grobem Sand versehen und in seiner ganzen Länge durch eine Reihe darunter
befindlicher Gasbrenner erhitzt. Beide Enden des Rohres waren mit durchbohrten
Deckeln verschlossen, deren einer eine Welter'sche
Trichterröhre trug, während sich an den anderen die Abzugsröhre für das entwickelte
Gas ansetzte. Das Salpetersäure Ammonium, welches zur Entwicklung diente, wurde in
geschmolzenem Zustande angewendet; es floſs aus einem mit Hahn versehenen, auf etwa
110° erhitzten Blechgefäſs in dünnem Strahl durch die Trichterröhre ein und
durchsickerte die erhitzte Sandschicht, deren Temperatur an der Eintrittsstelle etwa
150° betrug, nach dem Austrittsende zu aber auf 250 bis 260° anwuchs, was durch
eingesetzte Kniethermometer beobachtet und durch die Hähne der Gasbrenner regulirt
werden konnte. So entstand eine gleichmäſsige und gefahrlose Gasentwicklung, die
sich ganz nach der Stärke des Salzzuflusses regelte. Das entwickelte Gas passirte
drei kleine, bleierne, mit Kokes gefüllte Waschthürme, in denen es zunächst durch
Wasser, dann durch Eisenvitriollösung und endlich durch Natronlauge gewaschen
wurde.
Nachdem das Stickoxydul im Gasometer aufgesammelt worden war, sättigte man, unter
Benutzung der für die Darstellung kohlensaurer Wässer gebräuchlichen Apparate,
destillirtes Wasser von 8,3° damit. Der angewendete Druck betrug 3 beziehentlich
4at, und es würde somit die Gasaufnahme,
normalen Barometerstand vorausgesetzt, bei 3at
2,927 und bei 4at 3,903 Vol. Stickoxydul betragen
haben. An Kohlensäure würde 1 Vol. Wasser unter gleichen Verhältnissen aufnehmen bei
3at 3,857 und bei 4at 5,143 Vol., so daſs also das bei 4at gesättigte Stickoxydulwasser einem bei 3at dargestellten kohlensauren Wasser im Gasgehalte
etwa gleichkommt. Das fertige Wasser wurde auf Glasflaschen von 0l,25 Inhalt gefüllt und diese gehörig verpfropft
und verdrahtet. Der Gasinhalt einer solchen Flasche betrug mithin 0,73 beziehentlich
0l,97.
Das Stickoxydulwasser, oder wie die Schür'schen Etiketten es nennen, das Lachgaswasser, bildet eine Flüssigkeit, welche, wie das
nicht anders zu erwarten ist, in genau derselben Weise moussirt, wie das künstliche
kohlensaure Wasser, dabei aber kleinere Blasen wirft und im gekühlten Zustande das
Gas ziemlich festhält. Es fehlt ihm der kräftige, prickelnde Geschmack des
kohlensauren Wassers, es schmeckt im Gegentheil mild, entschieden süſs, aber nicht
widerlich oder fade, sondern, besonders wenn es frisch aus dem kühlen Keller kommt,
oder in Eis gestanden hat, wirklich angenehm.
Hinsichtlich einer etwaigen Wirkung als Anästheticum erfüllte das mit Stickoxydul
beladene Wasser die gehegten Erwartungen nicht. Allerdings ist es bis jetzt von
Niemandem in beträchtlicher Menge und namentlich nicht fortgesetzt getrunken worein.
Prof. Dr. O. Liebreich in Berlin, welcher auf Dr. Schür's Ersuchen die Güte hatte, dasselbe auf seine
physiologische Wirkung zu prüfen, trank selbst eine halbe Flasche, Verfasser sogar
eine ganze, ohne den Eintritt auffälliger Erscheinungen wahrzunehmen. Bei genauerer
Ueberlegung erscheint dies erklärlich; denn die in einer Flasche Stickoxydulwasser
enthaltene Gasmenge beträgt nur 1/30 bis 1/25 der Dosis, welche zur Hervorrufung einer Narcose
auf dem Wege des Einathmens erforderlich ist. Auſserdem aber wird, ganz abgesehen
von dem unvermeidlichen Verluste an Gas vor und nach dem Trinken des Wassers, die Resorption durch den
Verdauungsapparat ungleich langsamer erfolgen, als durch die Lungen, und selbst,
wenn alles Stickoxydul in das Blut übergeführt würde, müſste seine Wirkung doch
dadurch abgeschwächt, ja aufgehoben werden, daſs die Athmungsorgane in dieser Zeit
ungestört weiter functioniren, von einer Aufhäufung desselben, wie sie zum Eintritt
der Bewuſstlosigkeit erforderlich ist, somit nicht die Rede sein kann.
Ob das Stickoxydulwasser wirklich ohne alle Wirkung ist, ob es nicht doch vielleicht
unter gewissen Umständen beruhigende oder schmerzstillende Eigenschaften zeigt, wenn
es z.B. bei Fieberzuständen fortgesetzt genossen, oder bei localen Schmerzen
injicirt wird, ist noch unentschieden und muſs ärztlicherseits durch Versuche
festgestellt werden. Ist auch das ursprünglich angestrebte Ziel nicht erreicht
worden und konnte dasselbe, wie man sich hinterher sagen muſs, auf dem
eingeschlagenen Wege nicht wohl erreicht werden, so ist es doch immer als ein Gewinn
zu betrachten, daſs deutsche Zahnärzte und Stickoxydul-Consumenten von jetzt ab
nicht mehr, wie bisher, gezwungen sind, ihren Gasbedarf aus England zu beziehen,
indem die Mineralwasserfabrik von Dr. Otto Schür in
Stettin nunmehr im Stande ist, Stickoxydul in jeder beliebigen Menge zu liefern, sei
es in Gestalt von Gas, oder in verdichtetem Zustande, oder endlich in Lösung als
moussirendes Wasser.
Freiberg, Januar 1879.