Titel: | Zur Fabrikation von Giessereiroheisen. |
Autor: | – r. |
Fundstelle: | Band 231, Jahrgang 1879, S. 373 |
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Zur Fabrikation von
Gieſsereiroheisen.
Zur Fabrikation von Gieſsereiroheisen
Vor Kurzem ist des gewaltigen Umschwunges Erwähnung geschehen, welchen die
Hohofenindustrie seit Einführung der erhitzten Gebläseluft erlitten hat (vgl. 1878
229 377). Dieser Umschwung ist nach einer doppelten
Richtung zu verfolgen. Während die mit eisernen Röhrenapparaten erreichbaren
Temperaturgrade sich in verhältniſsmäſsig engen Grenzen bewegten und kaum die Ziffer
von 450° überschritten, ist es durch die Regeneratoren nach den Systemen Siemens, Cowper und Whitwell (vgl. 1878 229 455) möglich geworden,
die Gebläseluft bis auf 850° und darüber zu erhitzen, ohne zu gefährden, daſs die
betreffenden Apparate eine frühzeitige Zerstörung erleiden. Eine so
auſserordentliche Verbesserung eines der wesentlichsten Hilfsmittel zur
Roheisenfabrikation konnte nicht verfehlen, dem Hohofenbetrieb ganzer Länderstriche
einen anderen Stempel aufzudrücken.
Wie bekannt, durchzieht die Nordostgrenze von Frankreich, beginnend bei der Festung
Longwy und endigend in der unmittelbaren Nähe von Nancy, ein viele Meter mächtiges
und unter dem Namen „Minette“ bekanntes Eisensteinvorkommen (vgl. S. 180 d.
Bd.), welches seine Ausläufer bis nach Belgien und Luxemburg erstreckt und eine
groſsartige Eisenindustrie ins Leben gerufen hat. Das betreffende Eisenerz, welches
durchweg 0,4 bis 0,7 Proc. Phosphor enthält, wurde bis zu Anfang dieses Jahrzehnts
ausschlieſslich zur Herstellung von weiſsem Puddelroheisen benutzt. Die
Regeneratoren nach dem System Whitwell wurden um die
genannte Zeit namentlich in diesem Erzdistricte mit Erfolg eingeführt, und da
gleichzeitig die nach dem deutschfranzösischen Krieg sich für den Roheisenabsatz
öffnenden Schleusen eine gröſsere Anzahl mit Whitwell-Apparaten versehener
Hohofenanlagen ins Leben riefen, so bietet die Eisenindustrie jener Gegend heute
insofern ein gänzlich verändertes Bild, als die Mehrzahl der neu entstandenen und
viele der älteren Werke aus demselben Rohmaterial mit glänzendem Erfolg
Gieſsereiroheisen herstellen, wodurch es ihnen bei sonst günstigen Verhältnissen
möglich wird, unsere jetzigen für die Eisenindustrie so verhängniſsvollen Zeiten
ohne Einbuſse zu überwinden.
Diese Gieſsereieisen-Fabrikation, welche, wie schon angeführt, vor noch nicht langer
Zeit an der betreffenden Stelle gänzlich unmöglich war, verdankt ihre Entstehung
ausschlieſslich der hoch erhitzten Gebläseluft und bietet auf den einzelnen Hütten so wenig
Verschiedenheiten, daſs es genügt, die Betriebsverhältnisse einer einzigen unter
ihnen kennen zu lernen, um ein Bild von der Gesammtfabrikation zu erhalten. Wir
wählen zu diesem Zwecke eine solche, welche in Bezug auf die Herbeischaffung ihrer
Rohmaterialien und deren Transport zur Hohofengicht mit am günstigsten gelegen ist.
Es ist dies der Hohofen von Ferry, Curicque und Comp.
in Micheville. Derselbe liegt in unmittelbarer Nahe des französischen Dorfes
Villerupt, im Thale der Alzette, welche ihm das erforderliche Wasser liefert. Bei
einer Höhe von 21m, 2m,4 Gestelldurchmesser, 6m,75
Kohlensack- und 4m,00 Gichtweite erhält derselbe
in einer Höhe von 1m über der Sohle die
Gebläseluft aus 4 Windformen von Kupferblech und je 1m Lange, welche mit der inneren Gestell wand abschneiden. Die Dicke der
letzteren beträgt 1m,35. Die Düsen haben 12cm Durchmesser. Die Windpressung ist je nach
Bedarf gleich 10 bis 15cm Quecksilber. Die
Gebläseluft wird ausschlieſslich durch Hohofengase in 5 Whitwell-Apparaten von je
6m,4 Durchmesser und 8m,53 Höhe erhitzt, von denen je drei im Gas und
zwei im Wind stehen, und zwar findet jede Stunde ein Wechsel von Wind auf Gas und
umgekehrt statt. Die erreichte Windtemperatur beträgt in der trockenen Jahreszeit
650 bis 700° und im Winter 550 bis 600°. Sechs liegende cylindrische Kessel mit je
einem Sieder, welche ebenfalls nur mit Hohofengasen erhitzt werden, liefern den
Dampf zum Betriebe einer Woolf'schen Gebläsemaschine von 175e und der zur Wasserhebung erforderlichen Pumpen.
Die Hohofengicht ist offen und sowohl mit seitlichem, als centralem Gasfang
versehen, von denen ersterer die Weite der Gicht und letzterer 2m,5 Durchmesser hat. Beide gehen bis 3m,5 unter das Gichtniveau nieder und vereinigen
die aufgefangenen Gase, welche auf trockenem Wege durch sogen. Staubsäcke vom
Flugstaube gereinigt werden, in einer 2m weiten,
zur Hohofensohle absteigenden und von da zu den Dampfkesseln bezieh.
Winderhitzungsapparaten abzweigenden Rohrleitung. Der die Gase nach der Verbrennung
aus den Windapparaten aufsaugende Schornstein hat eine Höhe von 65m.
Die für den Betrieb der Hütte so auſserordentlich günstige Lage besteht vorzüglich
darin, daſs sowohl die Abfuhrwege eines etwa 600ha
groſsen und mehrere Meter mächtigen, der Hütte eigenthümlichen Eisensteinfeldes,
welches in unmittelbarer Nähe betrieben wird, als die zur Herbeiführung des
Brennmaterials dienende Eisenbahn Longwy-Villerupt in einer Höhe von 11m über dem Gichtniveau münden. Es wird dadurch
sowohl für Erz, als für Kokes eine erhebliche Sturzhöhe gewonnen, und beide befinden
sich direct in der Füllhöhe des Ofens. Für die Kokes sind drei je 200000k haltende Behälter, nach englischem Muster,
angelegt, welche aus den darüber herfahrenden Eisenbahnwaggons durch Abstürzen
gefüllt und durch unterhalb angebrachte Schiebervorrichtungen in die Gichtwagen
entleert werden. Es liegt auf der Hand, daſs hierdurch neben verhältniſsmäſsig
geringem Kokesabfall eine wesentliche Ersparniſs an Arbeitslöhnen erzielt wird. Das
erblasene Roheisen, welches seinen Absatz ausschlieſslich nach Frankreich findet,
wird durch einen Dampfaufzug auf die Höhe der Eisenbahn gehoben.
Neben der Anwendung hoch erhitzter Gebläseluft sind zur Gieſsereieisen-Fabrikation
aus Minette vorzüglich zwei Punkte zu beobachten. Diese sind eine richtige Gattirung
der Rohmaterialien und Einschränkung der zur Verhüttung gelangenden Mengen innerhalb
gewisser Grenzen. Die Kokes, welche heute zu etwa ¾ aus Belgien und zu ¼ aus
Westfalen bezogen werden und selbstredend bester Qualität sein müssen, kosten auf
der Hütte etwa 2 M. für 100k. Die Erze, graue und
rothe Minette, werden – zu etwa Faustgröſse zerkleinert – so gemischt, daſs sie eine
Schlacke von 43 bis 45 Proc. Kalk, 18 bis 20 Proc. Thonerde und 33 bis 35 Proc.
Kieselsäure liefern und bringen 29 bis 30 Proc. Eisen aus. Das Gewicht der
Kokesgicht beträgt 4000k, und auf diese werden, je
nach Umständen, 10000 bis 11000k Eisenstein
gesetzt, entsprechend einem Kokesverbrauch von 1215 bis 1375 auf 1000 Roheisen,
ungerechnet den Kokesabfall. Die tägliche Roheisenproduction beträgt etwa 60000k, entspricht an Qualität durchschnittlich unserem
Nr. 2 und ist von sehr schönem dunklem Bruch. Da sich der Preis des Eisensteines auf
der Hütte auf etwa
1,80 M. für 1000k stellt, so beziffern sich die
directen Fabrikationskosten heute auf ungefähr 44 bis 45 M. für 1000k Roheisen. Die Verkaufspreise für Gieſsereieisen,
welches in Frankreich bekanntlich in 7 Nummern klassificirt wird, stehen
augenblicklich für Nr. 1 auf etwa 64 M. und für Nr. 7 auf etwa 50 M.
Wir sehen hiernach, daſs es trotz der ungünstigen Conjuncturen, Dank den Erfindungen
der Neuzeit, unserer Hohofenindustrie an manchen Orten noch möglich ist, wenn auch
mit bescheidenem Verdienst zu arbeiten; denn nicht nur die angeführten, sondern
sämmtliche an der Nordostgrenze Frankreichs gelegenen und Gieſsereieisen erzeugenden
Hohöfen neuerer Construction arbeiten unter ähnlichen Verhältnissen.
– r.