Titel: Die Stuttgarter Dampf-Strassenwalze; gebaut von G. Kuhn in Stuttgart-Berg.
Fundstelle: Band 231, Jahrgang 1879, S. 505
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Die Stuttgarter Dampf-Straſsenwalze; gebaut von G. Kuhn in Stuttgart-Berg. Mit Abbildungen auf Tafel 45. Kuhn's Dampf-Straſsenwalze. Die ersten Versuche, die Straſsenwalzen mit Dampfkraft zu betreiben und so den mühsamen Pferdezug zu beseitigen, wurden Mitte der 60er Jahre in Frankreich und England gemacht, und wären die ausgezeichneten Resultate, welche dabei erzielt wurden, hinlänglich bekannt geworden, so müſste die Anwendung dieser Maschinen bereits eine allgemeinere sein; in Deutschland sind sie so zu sagen noch unbekannt, denn auſser Berlin, Königsberg und seit neuester Zeit StuttgartIn Oesterreich Wien, in Ungarn Pest und in der Schweiz Winterthur. besitzt keine deutsche Stadt eine solche Maschine. Würde man der Dampfstraſsenwalze bisher mehr Interesse gewidmet haben, so könnte man sich jetzt sicher nicht mehr mit dem Gedanken tragen, die sogen. „Macadamstraſsen“ zu verlassen und auf kostspielige Pflasterung überzugehen; denn alle die Unzuträglichkeiten, wie Gefährlichkeit, Schmutz und Staub, welche man den ersteren nachsagt, werden bei Anwendung der Dampfwalze in einem Grade gemindert, daſs sie stichhaltig nicht mehr geltend gemacht werden können. Keinesfalls hätte das zur Sommerszeit seines durchdringenden Geruches wegen so unangenehme, bei Regen und Glatteis so gefährlich passirbare Asphaltpflaster, sowie das durch seine Absorptionsfähigkeit so gesundheitsschädliche Holzpflaster Verbreitung gefunden. Bei der Herstellung eines guten, dauerhaften Straſsenkörpers kommt es hauptsächlich darauf an, daſs die Geschlägsteine dicht an einander in den Straſsenkörper eingepreſst werden, ohne hierbei ihre scharfkantige Form einzubüſsen; dies zu bewirken, ist jedoch nur eine schwere Walze, welche einige Male über den Einwurf zu gehen hat, im Stande, nie aber eine leichte, von Pferden gezogene Walze, die zur einigermaſsen genügenden Einbettung der Schottersteine ungleich öfter den Straſsenkörper befahren muſs; denn eben durch dieses häufigere Darüberfahren, mahlen sich die Steine an ihren scharfen Kanten derart ab, daſs sie einen festen Straſsenkörper niemals dauernd zu geben vermögen. Ueberdies wühlen die Walzenzugpferde den nothdürftig fest gewalzten Schotter mit ihren Hufen immer und immer wieder auf. Das mühsame Umwenden der Pferdewalzen (wobei sie anderen Fuhrwerken ein lästiges Verkehrshinderniſs bilden), das ungleiche Ziehen der Pferde und die Schwierigkeit der Führung eines gröſseren als Sechser- oder Achterzuges haben zur Folge, daſs sie eben kaum die halbe Zeit arbeiten, dabei aber zudem eine Arbeit leisten, wie sie für die stark befahrenen Macadamstraſsen gröſserer Städte keineswegs genügt, welche somit in keinem Verhältniſs zu den aufgewendeten Kosten steht. Soll nun eine Straſse eingewalzt werden, so ist Bedingung, daſs dieselbe entweder durch vorausgegangene nasse Witterung oder durch Besprengen mit Wasser durchfeuchtet und dadurch einigermaſsen weich gemacht wird, damit die Steine durch die schwere Walze nicht zermalmt, sondern fest und zwar mit ihrer flachen Seite nach oben, eingedrückt werden. Die etwaigen Zwischenräume werden durch wiederholtes Bestreuen mit Sand und Begieſsen mit Wasser ausgefüllt, sowie mit der Walze vollends wie zu einem Guſse festgewalzt; hierauf wird die Straſse durch reichliches Besprengen mit Wasser reingewaschen. Nach den Angaben der Pariser Ingenieure, welchen langjährige Aufzeichnungen zu Grunde liegen, gewähren Straſsen, die mit Dampfkraft eingewalzt wurden, gegenüber solchen, auf denen Pferdewalzen thätig waren, eine Ersparniſs an Herstellungskosten von rund 50 Proc.; auſserdemanſserdem werden erstere Straſsen mit der Zeit so fest, daſs wenn sie sonst jährlich zweimal eingewalzt werden muſsten, sie jetzt nur noch einmal des Jahres den Dienst der Dampfwalze beanspruchen; auch leisten bei stark befahrenen Straſsen die schwersten Walzen die besten Dienste. Dies waren nun auch die Gründe, welche den Stuttgarter Gemeinderath, der jährlich bedeutende Summen für Unterhaltung der vielen neuen Straſsen zu bewilligen hatte, ohne dabei den gewünschten guten Zustand derselben zu erzielen, veranlaſsten, zum Einwalzen der Straſsen mittels Dampfkraft überzugehen.Die Winterthurer Maschine wurde von einer städtisch-technischen Commission eingesehen und hierauf von den in engerer Concurrenz in- und ausländischer Fabrikanten eingeforderten Eingaben demjenigen von G. Kuhn in Stuttgart-Berg im Mai 1878 der Zuschlag ertheilt. Die Maschine sollte programmmäſsig mindestens 15000k Leergewicht und eine gröſste Breite von 2m erhalten; auch war als Grundtypus die bewährte Anordnung der Aveling und Porter'schen Maschinen vorgeschrieben. Die Maschine muſste demnach hinten zwei groſse Triebräder von etwa 1500mm Durchmesser und vorn zwei kleinere conische Leiträder erhalten; 1000l Speisewasser waren in seitlichen Wasserkästen mitzuführen, desgleichen in besonderem Behälter 200k Kokes. Die kgl. Staatsregierung bestimmte einen sicher und rasch wirkenden Lenkapparat und eine kräftige Bremsvorrichtung; auch sollten sämmtliche in lebhafter Bewegung befindliche Theile durch Blechmäntel dem Anblick der Maschine begegnenden Zugthiere entzogen sein. Da zur sichern Bedienung namentlich bei Fahrten durch belebte Stadttheile zwei Mann als nöthig erkannt wurden, war auf einen geräumigen Führerstand Bedacht zu nehmen, welch letzterer, da die Maschine meist bei nasser Witterung in Dienst tritt, bedeckt vorgesehen wurde. Nachdem in Stuttgart in neuerer Zeit das äuſserst harte Porphyrgeschläg zur Anwendung kommt, und da ferner Straſsen bis zu 8 Proc. Steigung eingewalzt werden müssen, so war eine besonders kräftige Maschine mit einem reichlichen Kessel bedingt. Die Maschine kann bis zu 35e ausüben, die Heizfläche des Kessels beträgt 21qm,5 bei 8at Ueberdruck; die Construction ist die des gewöhnlichen Locomotivkessels mit viereckiger kupferner Feuerbüchse und 74 Messing-Siederöhren von 45mm Lichtweite. Der schmiedeiserne Rost ist zum Zwecke bequemer Reinigung um eine horizontale Achse drehbar; der Aschenkasten ist, wenn nöthig, allseitig dicht schlieſsbar; auch verhindert ein in der Rauchkammer schräg vor die Rohre gestelltes Metallsieb das Auswerfen glühender Kokestheile. Die auf dem Kessel angebrachte Maschine ist eincylindrig, was beim Anfahren bei einiger Uebung des Maschinisten durchaus keine Schwierigkeiten bietet, da ein schweres Schwungrad die todten Punkte überwindet. Der Cylinder ist in den Dampfdom eingebaut und wird die Kraft von hier aus mittels Kurbelmechanismus und Räderübersetzung auf die 1700mm groſsen, 500mm breiten Treibwalzen übertragen. Die Uebersetzungsräder sind aus Stahlguſs, die Wellen aus Guſsstahl, die Treib- und Leitwalzen aus Hartguſs (besonderer Satz in eisernen Formen gegossen). Die Achse der conischen Leiträder ist innerhalb Grenzen universal drehbar. Die Veränderung ihrer Richtung in horizontalem Sinne wird durch zwei an den Enden befestigten Ketten bewerkstelligt, welche sich auf einer Kettentrommelwelle mittels Schneckenrad und Schnecke rechts- und linksgängig auf- und abwickeln lassen. Bei allen bis jetzt ausgeführten derartigen Maschinen muſs der Führer unter namhaftem Kraft- und Zeitaufwand die Drehung dieser Trommelwelle oder des diesen Mechanismus ersetzenden Apparates mittels Handrad vornehmen, was zur Folge hat, daſs weder anderen Fuhrwerken rechtzeitig ausgewichen, noch enge Straſsen mit scharfen Biegungen mit Sicherheit befahren werden können. Bei der Kuhn'schen Maschine jedoch genügt ein einziger Hebeldruck des Führers, den Lenkapparat in oder auſser Thätigkeit zu setzen und dadurch die Maschine ohne Verminderung ihrer Geschwindigkeit nach rechts oder links, oder im kleinsten Kreise zu drehen. Dies geschieht einfach durch ein Schneckengetriebe (Fig. 1 Taf. 45), auf dessen Welle zwei Kegelräder lose sitzen, die mit einem dritten Kegelrade auf der Schwungradwelle in stetem Eingriff sind. Durch eine Klemmkupplung (Fig. 2) kann entweder das eine oder das andere getriebene Kegelrad mit der Sckneckenwelle fest verbunden und dadurch die das Vordergestell dirigirende Kettentrommel rechts oder links gedreht werden. Erst jetzt kann man behaupten, daſs Straſsenlokomotiven, wenn sie mit der Kuhn'schen Drehvorrichtung ausgerüstet sind, sich auch auf Straſsen ohne Gefahr für sich selbst, für Gebäude und den übrigen Verkehr bewegen können. Vielleicht dürfte gerade diese nun erreichte Eigenschaft für die Einführung dieser Maschine in Deutschland bahnbrechend sein. Als fernere Constructionsbedingung galt die möglichste Beseitigung des stoſsweisen Austretens des Abdampfes und des damit verbundenen Geräusches. Zu diesem Zweck muſs der Dampf ein in den beiden Wasserkasten befindliches Schlangenrohr durchstreichen, worin er gröſstentheils condensirt und der Rest thatsächlich fast geräuschlos und kaum sichtbar aus dem Kamin entweicht. Für obige Bedingungen genügen die Gröſsen und Zugverhältnisse des Kessels bei Fahrten auf Straſsen bis zu 5 Proc. Steigung. Auf gröſseren Steigungen hat Zugverstärkung einzutreten. Diese wird durch eine Klappenvorrichtung erreicht, welche den Abdampf mit Umgehung des Schlangenrohres direct durch das Blasrohr in den Kamin austreten läſst. Die Maschine war am 4. November 1878 in der Fabrik betriebsfähig hergestellt und am 23. November von der Stadtgemeinde Stuttgart in Dienst genommen. Im Laufe der folgenden Tage wurde die Maschine in verschiedenen Stadttheilen, auf verschiedenen Straſsen und auf verschiedenen Steigungen eingehenden Proben unterworfen. Am 2. December 1878 fand in der frisch eingeworfenen 800m langen Hohenheimerstraſse, welche 7¾ Proc. Steigung hat, Besichtigung durch die städtisch-technische Commission statt, welche in ihrem hierüber abgegebenen Gutachten sich schlieſslich dahin aussprach: „daſs die Maschine sowohl ihrer Construction und Leistung, als auch ihrer Ausführung nach zur Uebernahme empfohlen werden müsse.“ Die Maschine erhielt ein Gewicht von 23000k und eine Breite von 2m,200. Die Fahrgeschwindigkeit beträgt auf frisch eingeworfenen Straften 2 bis 2km,5, auf fertigen Straſsen 3 bis 4km in der Stunde. Bei Anwendung von Porphyrgeschläg, und wenn etwa 10 bis 15cm hoch eingeworfen wird, ist ein 16 bis 18maliges Befahren der Straſsenbreite nöthig bis zum Fertigwalzen; für Kalkgeschläg genügen schon 9 bis 10 Fahrten. Die Maschine leistet somit stündlich, je nach dem zur Verwendung kommenden Einwurfmaterial und der Höhe der Beschotterung, 250 bis 500qm fertig gewalzte Straſsenfläche; dabei verbraucht sie 40k Kokes und 0k,15 Schmiermaterial.

Tafeln

Tafel Tafel 45
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