Titel: | Gewinnung von Benzoësäure aus Chlorbenzyl und Benzotrichlorid; von Dr. Albrecht v. Rad. |
Autor: | Dr. Albrecht v. Rad |
Fundstelle: | Band 231, Jahrgang 1879, S. 538 |
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Gewinnung von Benzoësäure aus Chlorbenzyl und
Benzotrichlorid; von Dr. Albrecht v.
Rad.
v. Rad, über Gewinnung von Benzoësäure.
Bei der immer steigenden technischen Bedeutung, welche die gechlorten Derivate des
Toluoles für die Fabrikation der Anilinfarben gewonnen haben, darf es nicht Wunder
nehmen, daſs man seit geraumer Zeit von verschiedenen Seiten bemüht ist, jene Stoffe
nach dem gewöhnlichen Verfahren durch Einleiten von trocknem Chlor in siedendes
Toluol im Zustande gröſster Reinheit zu erhalten. In
der chemischen Fabrik von v. Rad und Hirzel in
Pfersee vor Augsburg ist man nun schon seit etwa 2 Jahren
bestrebt, jenes Ziel zu erreichen, wobei man indeſsen weniger die Herstellung jener
Verbindungen für die Fabrikation von Anilinfarben, als die Umsetzung derselben in
Benzoësäure im Auge hatte. Bei einer langen Reihe von streng nach diesem Ziele
gerichteten Versuchen wurde die Reinheit, bezieh. die Brauchbarkeit des unter den
verschiedensten Umständen erhaltenen Benzylchlorides oder Benzotrichlorides nach der
erhaltenen Ausbeute an Benzoësäure gewerthet. Selbstverständlich konnte aber hierbei nicht eine
analytische Methode gewählt werden, welche sämmtliche in der Flüssigkeit vorhandene
Benzoësäure angibt, sondern es wurden Werthe zu Grunde gelegt, welche auf den bei
der Reinigung von Harnbenzoesäure im Groſsen gemachten Erfahrungen des Verfassers
beruhen. Zunächst ergab sich bei Versuchen im Laboratorium, wobei verhältniſsmäſsig
kleine Mengen von Toluol in Arbeit genommen wurden, daſs man durch Einleiten von
trocknem Chlor in Toluol bis zu der berechneten Gewichtszunahme, sei es nun, daſs
das Toluol über mäſsigem freiem Feuer oder im Oelbade von 115 bis 125° oder in
kochender gesättigter Chilisalpeterlösung erhitzt wurde, regelmäſsig ein Product erhält, welches bei nachher folgender Oxydation
mit doppelt chromsaurem Kali und Schwefelsäure oder auch mit verdünnter
Salpetersäure eine solche Ausbeute ergibt, daſs man sich wohl zu der Hoffnung
berechtigt halten kann, nach diesem Verfahren der Fabrikation von Benzoësäure aus
dem Harne der Pflanzenfresser erfolgreich Concurrenz machen zu können.
Leider haben sich jedoch diese Erwartungen nicht bestätigt. Nimmt man gröſsere Mengen
von Toluol (etwa 20k auf einmal) in Arbeit und
beobachtet man hierbei streng die im Laboratorium bei Versuchen im Kleinen zur
Anwendung gebrachten Temperaturverhältnisse, so verläuft sowohl die Bildung des
Chlorbenzyls, als die Umsetzung des letzteren in Benzoësäure durchaus nicht in der
glatten exacten Weise, als man nach den auf dem Laboratoriumstische erzielten
Ergebnissen zu erwarten berechtigt ist. Die Ausbeute an Benzoësäure verschlechtert
sich bei Verarbeitung gröſserer Mengen Toluol in ganz auffallender Weise und bei der
nun folgenden Oxydation eines solchen Chlorbenzyls wurden Benzoësäuremengen
erhalten, welche gegenüber der Gewinnung desselben aus dem Harne der Pflanzenfresser
wenig Verlockendes darbieten. Dazu kommt noch der weitere, sehr schwer ins Gewicht
fallende Uebelstand, daſs es seine Schwierigkeit hat, immer ein gleich gutes, sich
gleich verhaltendes Toluol zu erhalten. Das vom Verfasser aus deutschen Fabriken
bezogene Toluol war entweder nicht rein genug, oder, wenn dies der Fall war, doch
viel zu theuer, um ein günstiges finanzielles Resultat zu liefern, während ein
französisches Destillat ziemlich rein und auch bei Bezug verschiedener Partien von
annähernd gleicher Qualität befunden wurde. Alle diese verschiedenen Uebelstände –
die wechselnde Beschaffenheit des Toluoles, die geringe und wechselnde Ausbeute an
Benzoësäure, das Unangenehme der Darstellung des Chlorbenzyls, die zeitraubende
Oxydation durch Salpetersäure – veranlaſsten den Verfasser, nach einer
praktischeren, in finanzieller Beziehung Rechnung gebenden Methode für Darstellung
von künstlicher Benzoësäure zu suchen.
Die Grundlage derselben bildet die allgemein bekannte Reaction, daſs sich
Benzotrichlorid mit Wasser unter Druck in Benzoësäure umsetzt. Muſste man sich
einerseits auch gleich im Voraus gestehen, daſs man bei der Fabrikation von
Benzoësäure aus Benzotrichlorid auf die nämlichen, wenn nicht auf noch gröſsere
Schwierigkeiten stoſsen würde, wie bei der Fabrikation von Benzoësäure aus
Chlorbenzyl, so waren doch andererseits in der möglichen leichten Ueberführung des
Benzotrichlorides in Benzoësäure, sowie der Umgehung der zeitraubenden und
unbequemen Oxydation des Chlorbenzyls entschiedene Vortheile zu erblicken. Dazu kam,
daſs im Kleinen angestellte Versuche ein auſserordentlich günstiges Resultat
ergaben, indem aus manchen Toluolen 70 Procent der theoretisch berechneten Ausbeute
an Benzoësäure erhalten wurden. In gleicher Weise wie bei der Darstellung von
Chlorbenzyl wurde Toluol, welches im Oelbade unter Einhalten der für die Bildung
geeignetsten Temperatur in Mengen von etwa 20k
erhitzt wurde, so lange der Einwirkung von getrocknetem Chlorgas ausgesetzt, bis die
Zunahme der für Benzotrichlorid berechneten Menge Chlor dem Gewichte nach erreicht
war. Wurde hierauf das erhaltene Product mit Wasser unter Druck behandelt, so
erhielt man neben ziemlich weiſser Benzoësäure eine pechartige schwarze Masse oder
auch nicht klebende braune Kohlenwasserstoffe; es sind diese Nebenproducte auf die
Bildung von Chlorsubstitutionsproducten zurückzuführen, welche bei der Sättigung von
heiſsem Toluol mit Chlor ja in zahlreichster Weise entstehen können.
Schwierigkeit bei diesem Verfahren bot der Umstand, daſs es nicht möglich war, trotz
gleichen specifischen Gewichtes des chlorirten Toluoles eine für die Darstellung von
Benzoësäure gleich gut geeignete Flüssigkeit zu erhalten. Aus diesem Grunde wurde
auch vorerst von einer weiteren industriellen Benutzung dieser Methode abgesehen.
Indessen stützen sich die hier mitgetheilten Erfahrungen nicht auf einige im Groſsen
angestellte Versuche, sondern auf einen einjährigen regelmäſsigen technischen
Beirieb, welcher alle Schattenseiten und Vorzüge dieser Gewinnungsmethode für
Benzoësäure zur Genüge studiren lieſs. Ein Quantum von etwa 500k Benzoësäure ist nach dieser Methode aus der
Fabrik des Verfassers hervorgegangen.
Als wesentlicher Vortheil der neuen Methode gegenüber der jetzt noch allgemein
üblichen Darstellung der Benzoësäure aus Harn dürfte in erster Linie der Umstand
erscheinen, daſs es bei der ungemein wechselnden Nachfrage nach diesem Artikel
möglich wäre, die Production nach Bedarf zu regeln, was bei dem gegenwärtigen
Verfahren aus verschiedenen hier nicht näher zu erörternden Gründen nicht wohl
thunlich erscheint Ferner verläuft die Umwandlung des einmal hergestellten
Benzotrichlorides in Benzoësäure so leicht und glatt, daſs für technische Zwecke gar
keine bessere Methode gewünscht werden kann. Die Ueberführung des Benzotrichlorides
der Benzoësäure durch Schwefelsäure, welches Verfahren von Dr. Fr. Jenssen in Hamburg (D. R. P. Anmeldung Nr. 23030
vom 28. December 1878) angegeben wurde, bietet Vortheile nicht dar. Es ist dieses
Verfahren jedenfalls kostspieliger, und wie die angestellten Versuche ergaben, ist
auch die erzielte Ausbeute an Benzoësäure eine geringere als bei der Ueberführung
von Benzotrichlorid in Benzoësäure durch Wasser unter Druck. Verfasser wurde auf
diese jetzt als neu hingestellte Reaction schon vor 3 Jahren aufmerksam gelegentlich
eines verunglückten Versuches, bei welchem Benzotrichlorid in eine mit Schwefelsäure
gefüllte Waschflasche unglücklicher Weise zurückstieg.
Wie aus den obigen Mittheilungen zur Genüge hervorgehen dürfte, liegt überhaupt das
hauptsächlichste Hinderniſs für eine vortheilhafte Benzoësäure-Gewinnung nicht in
der Art der Umwandlung des Benzotrichlorides in Benzoësäure und der weiteren
Reindarstellung jener Säure, sondern lediglich in dem Mangel einer sicheren,
gleichmäſsig verlaufenden, technisch brauchbaren Darstellungsmethode für reines
Benzotrichlorid. Und da trotz aller Bemühungen eine solche bisher noch keinem
Chemiker gelungen ist, so kann die Gewinnung der Benzoësäure im groſsen Maſsstabe
aus dieser Verbindung wohl nur wenig Hoffnung haben, die alte Darstellung dieser
wichtigen Säure aus dem Harne der Pflanzenfresser zu ersetzen, oder gar zu
verdrängen.
Zum Schlüsse möchte Verfasser noch bemerken, daſs sich die aus Benzotrichlorid
gewonnene, auf nassem Wege und durch Sublimation gereinigte Benzoësäure in ihren
Eigenschaften von der aus Harn dargestellten Benzoësäure etwas unterscheidet. Die
künstliche Benzoësäure zeigt nämlich bei der Sublimation nie die schönen spieſsigen
Krystalle der echten Harn-Benzoësäure, sondern erscheint als eine sehr leichte, aus
gröſseren und kleineren Blättchen bestehende Krystallmasse. Sie schmilzt ferner
nicht zu den groſsspieſsigen krystallinischen Kuchen, sondern zeigt nach dem
Umschmelzen ein mehr körniges Gefüge. Auch beim Umkrystallisiren in Wasser sind
keine groſsen, deutlichen Krystalle zu erhalten, sondern nur kleine
Krystallblättchen. Den erhaltenen Salzlösungen (benzoësaures Natron) der künstlichen
Benzoësäure haftet ein eigenthümlich bitterer Geschmack an. Jedenfalls rührt dieses
von der echten Harnbenzoesäure abweichende Verhalten auf der Beimischung von gechlorter Benzoësäure und anderer durch die
gewöhnlichen Reinigungsmethoden nicht entfernbaren Stoffen her, und muſs man, um ein
gut krystallisirendes Product zu erhalten, noch eine weitere Reinigung mit
Chromsäure oder übermangansaurem Kali einschalten. Mit dem angeregten Umstande mag
wohl auch in Verbindung stehen, daſs erfahrene Anilinfarben-Fabrikanten dem
Verfasser gegenüber schon geäuſsert haben, daſs sie mit Harn-Benzoësäure bessere
Resultate erzielen als mit künstlicher Benzoësäure.
Pfersee vor Augsburg, Februar 1879.