Titel: | Physikalische und chemische Veränderungen, denen das Spiegeleisen beim Umschmelzen im Cupolofen zum Bessemerprocess unterliegt; von E. v. Köppen, Giessereidirector. |
Autor: | E. v. Köppen |
Fundstelle: | Band 232, Jahrgang 1879, S. 53 |
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Physikalische und chemische Veränderungen, denen
das Spiegeleisen beim Umschmelzen im Cupolofen zum Bessemerproceſs unterliegt; von
E. v. Köppen,
Gieſsereidirector.
v. Koppen, ü. Veränderungen des Spiegeleisens beim
Umschmelzen.
Bei der auſserordentlichen Ausdehnung und der steigenden Wichtigkeit der
Fluſseisen-Industrie, welche allmälig in der Schienenfabrikation das Schweiſseisen
gänzlich zu verdrängen droht, hielt es der Verfasser für angezeigt, sich mit einer
bisher in wissenschaftlicher Beziehung weniger behandelten Roheisensorte, dem
Spiegeleisen, eingehender zu befassen, wozu ihm durch die Güte des Hrn.
Generaldirector Richter von der „Vereinigten Königs-
und Laura-Hütte“ vor einigen Jahren Gelegenheit gegeben wurde.
Die Wichtigkeit des Spiegeleisens für die Stahlindustrie zeigt dessen Verwendung in
allen Zweigen derselben, der Tiegelstahl-, Flammofenstahl- (Siemens-Martinstahl-)
und Bessemerstahl-Fabrikation, und dürfte dasselbe auch durch die neue Krupp'sche Erfindung der Entphosphorescirung des Roheisens
im flüssigen Zustande (* D. R. P. Nr. 4391 vom 2. Juli 1877) nicht sobald von der
Verwendung ausgeschlossen worden. Man benutzt es, wie bekannt, sowohl beim
Siemens-Martin- als Bessemer-Proceſs zur Rückkohlung des absichtlich zu weit
entkohlten Eisens. Seine Wirksamkeit, die praktisch auſser Zweifel ist, beruht
theoretisch nicht nur auf seinem hohen Kohlenstoffgehalt, sondern eben grade auf
seiner eigenthümlichen Natur und Zusammensetzung und wird von Wedding dahin erklärt, daſs das im Spiegel eisen
enthaltene Mangan vermöge seiner leichten Oxydirbarkeit sich mit den in dem
flüssigen Bessemerproduct befindlichen Sauerstoffbläschen verbindet und so dem Stahl
gröſsere Festigkeit verleiht – eine Erklärung, welche übrigens andere Einflüsse
nicht ausschlieſst.
In Königshütte wurden damals zu der etwa 9000k
Roheisen betragenden Bessemercharge jedesmal 525k
schwedisches Spiegeleisen – Marke W. 28. B. – in drei Gichten zu je 175k in einem gewöhnlichen kleinen Cupolofen
umgeschmolzen. Der Kalkzuschlag war sehr gering, etwa 15k für die Charge, und dient nur zur Verschlackung des Aschengehaltes der
Kokes, welcher nach eigener Bestimmung durchschnittlich 8,44 Proc. beträgt. Der
Kalkstein ist aus den Brüchen von Chorzow und Lagiewnik und enthält nach einer
Analyse des Hüttenmeisters Sattler:
SiO2
4,350
Al2O3
2,126
Fe2O3
0,740
Mn2O3
Spuren
CaO
50,443
MgO
0,535
CO2 und H2O
40,925
––––––
99,119.
Der Wind wurde in einem kleinen Roots-Gebläse erzeugt und
selbstredend kalt angewendet.
Es wurden nun Proben von fünf auf einander folgenden Chargen genommen und zwar je
eine Durchschnittsprobe von den drei zu jeder Charge in den Ofen gelangenden Gichten
rohen Spiegeleisens und eine Schöpfprobe beim Abstich, bei welchem jedesmal der Ofen
ganz entleert wurde; letztere wurde langsam unter leichter Bedeckung von Formsand
erkalten gelassen. Endlich wurde eine Schlackenprobe und zum Vergleich ferner auch
von reinem Bessemer-Roheisen vor und nach dem Umschmelzen im Cupolofen eine Probe
genommen.
Auf Silicium wurden alle Proben nach der gewöhnlichen Methode analysirt, auf
Kohlenstoff mit dem Ullgren'schen Apparat (nur das
Bessemer-Roheisen durch Elementaranalyse), auf Mangan abweichend von der
gewöhnlichen Methode durch Fällung des Mangans mit Brom und Bestimmung desselben als
Mn3O4, auf
Phosphor nach Eggertz'scher, auf Schwefel nach Johnston'scher Methode, und zwar wurde auf letztere
beiden Bestandtheile nur je eine Probe analysirt, weil der Gehalt an demselben
äuſserst gering und ohne Wirksamkeit ist. Die Procent-Resultate der Analysen waren
folgende:
I. Bessemer-Roheisen.
Si
Mn
C (chem. geb.)
C (Graphit)
Gesammt-C
Vor dem
umschmelzen
2,27
3,67
2,06
2,52
4,58
Nach „
„
2,44
2,58
2,56
2,11
4,67
II. Spiegeleisen.
Nr.
Vor dem Umschmelzen
Nach dem Umschmelzen
Si
Mn
C
P
S
Si
Mn
C
P
S
1
0,14
14,81
3,98
0,50
8,96
4,13
2
0,12
14,25
4,40
0,49
10,52
4,62
3
0,12
14,98
4,48
0,42
11,06
4,60
4
0,40
16,24
4,62
0,66
10,98
4,96
5
0,33
14,93
3,63
0,0814
0,00
0,41
12,03
3,67
0,1182
0,0043
III. Schlacke von Spiegeleisen.
SiO2MnCaOAl2O3Fe
33,6320,4721,4511,735,95
Den Rest auf Sauerstoff vonFe und
Mn
–––––
93,23
Diese Zusammenstellung erfolgt hier zu Anfang, da auch bezüglich der physikalischen
Eigenschaften des Spiegeleisens und ihrer Veränderung, hinsichtlich deren
Eintheilung die Metallurgie Stölzel's maſsgebend sein
mag, bisweilen auf obige Resultate Bezug genommen werden muſs.
Was das specifische Gewicht anlangt, so hat nach Slölzel
weiſses Roheisen eine Dichte von 7,056 bis 7,889, ebenso nach Bolley und Wedding. Daſs
das specifische Gewicht des Spiegeleisens unter Umständen ein anderes ist, darf
nicht Wunder nehmen, da sich in Legirungen die specifischen Gewichte bedeutend
ändern, und zwar keineswegs nach dem Verhältniſs der einzelnen Metalle, und das hier
vorliegende Eisen mit seinem hohen Mangangehalt wohl als Legirung in dieser Hinsicht
betrachtet werden kann, wie denn auch eigene Versuche bei Probe Nr. 3 und 5 ein
specifisches Gewicht von 8,16 und 8,29 ergaben, ein Resultat, welches die Annahme
unterstüzt, daſs die chemische Constitution, d.h. die Lagerung der Molecüle, einen
bestimmenden Einfluſs auf das specifische Gewicht ausübt. – Karsten führt folgende Zahlen an:
Spiegeleisen
von
Müsen
(Spiegel)
7,889
„
„
(anderes Stück)
7,459
„
„
7,648
Spiegeleisen
von
Hammhütte
7,614
„
„
„
7,787
„
„
„
7,666.
Ferner Dürre (Ueber die Constitution des Roheisens, Kapitel V):
Vor dem Umschmelzen
Nach dem Umschmelzen
Spiegeleisen
7,606
7,1771
„
7,6582
7,1136.
Eigene Versuche ergaben folgende Resultate:
Vor Umschmelzen
Nach Umschmelzen
Probe
3
8,16
sp.
G.
Mn
14,98
Proc.
7,76
sp.
G.
Mn
11,06 Proc.
„
4
8,29
„
„
Mn
16,24
„
7,81
„
„
Mn
10,98
Zu bedauern ist es, daſs bei den obigen Angaben Karsten's der Mangangehalt des Spiegeleisens fehlt, da derselbe entschieden
auf das specifische Gewicht einwirkt. Wenigstens scheint dies nach meinen
Ermittlungen mit Probe Nr. 3 und 4 der Fall zu sein; der bedeutende Unterschied im
Mangangehalt (1,26 Proc.) geht auch mit einem Unterschied von 0,13 im specifischen
Gewichte Hand in Hand. Ebenso entspricht der Abnahme des Mangangehaltes beim
Umschmelzen ganz die Abnahme des specifischen Gewichtes; bei Probe 3 sinkt jener von
14,98 auf 11,06, also um 3,92 Proc. dieses von 8,16 auf 7,76, also um 0,40 Proc.;
bei Probe 4 ist die Abnahme des Mangangehaltes noch stärker, nämlich 5,26 Proc. dem
ähnlich auch die Verminderung des specifischen Gewichtes um 0,48 folgte. Anscheinend
widerspricht dem Gesagten der Umstand, daſs die Probe 4 nach dem Umschmelzen trotz
des etwa geringeren Mangangehaltes ein etwas höheres specifisches Gewicht hat als
Nr. 3; doch ist der Unterschied in beiden Beziehungen so unbedeutend und kann eben
deswegen sehr leicht durch nicht bemerkte Umstände, wie rascheres oder langsameres
Erkalten, hervorgerufen sein, daſs er gegenüber den ersterwähnten auffälligen
Erscheinungen nicht ins Gewicht fällt. Die Thatsache der Verminderung des specifischen Gewichtes des
Spiegeleisens erwähnt auch Dürre in der oben erwähnten
Schrift (Kapitel V), wo er auch sagt, daſs je mehr beim weiſsen Roheisen der
Spiegeleisencharakter hervortritt, desto mehr die Schwere zunimmt – ein Ausspruch,
welcher den Zusammenhang zwischen Mangangehalt und specifischem Gewicht, wenn auch
nicht direct, bestätigt. Das umgeschmolzene Spiegeleisen zeigte auch hier nicht mehr
das krystallinische Gefüge, sondern ähnelte Weiſsstrahleisen, während die rohen
Proben schöne, bis 5cm lage Krystallflächen
aufwiesen.
Die specifische Wärme des Spiegeleisens beträgt nach K v.
Mayrhofer (Berg- und hüttenmännisches
Jahrbuch, 1858 Bd. 6) 0,1182 und 0,1197, ist also gröſser als die anderer
Roheisensorten, welche nach demselben zwischen 0,1176 bis 0,1182 schwankt, nach Bolley und Stölzel 0,1138,
nach Wedding 0,11284 bis 0,11398 beträgt. Ein Einfluſs
des Umschmelzens konnte diesbezüglich nicht festgestellt werden.
Was Farbe und Glanz anlangt, so zeigte das Spiegeleisen vor dem Umschmelzen an
Krystallflächen den eigenthümlichen Krystallglanz, entweder ganz silberweiſs, oder
auch – auf dem ganz frischen Bruch – sehr schön bunt angelaufen, eine auffallende
Erscheinung, welche übrigens auch Dürre schon bemerkt
hat; nach dem Umschmelzen hatte es ein gleichmäſsig weiſses, mattes Aussehen.
Eng hiermit zusammen hängt Krystallisation, Textur und Gefüge. Die Flächen sind zwar
nur Krystallrudimente und deuten nach Wedding auf das
klinorhombische System, nach Mayrhofer auf das
rhombische. Wedding führt in seinem Handbuch der
Eisenhüttenkunde an, daſs das Spiegeleisen in seinem festen Zustande der Formel
(FeMn)4C oder einer ihr nahe kommenden
Zusammensetzung entspräche, eine Ansicht, welche sämmtliche eigenen Analysen
bestätigen. Ebendaselbst fragt der Verfasser nach zuverlässigen Analysen, die
annähernd dem von Gurlt angenommenen Viertel-Carburet
Fe4C entsprächen, ohne bedeutend Mangan zu
enthalten.
Hr. Prickarts, damals Chemiker zu Donnersmarckhütte i.
O.-Schl. hatte nun die Güte, zum Zweck der Veröffentlichung an dieser Stelle, eine
solche Analyse zur Verfügung zu stellen, welche er aber selbst als auffallende
Ausnahme seiner langjährigen Praxis anführt. Es war ebenfalls schwedisches
Spiegeleisen mit der Marke (S) (L) (S), das im J. 1865 in Horde verwendet wurde,
einen grauen Rand und im Innern Spiegelflächen von 1cm Länge zeigte. Proben davon waren leider nicht mehr vorhanden:
C (chem. geb.)
C (Graphit)
Mn
Si
P
S
Spieg. Partie
4,010
0,157
0,100
0,265
0,019
0,002
Grauer Rand
1,625
2,909
0,120
0,264
?
0,005.
Ferner führt Prickarts an, daſs
er in Hohofensäuen im Siegerlande öfters groſse Spiegelflächen gefunden habe,
während das Eisen sonst die Constitution und die Zusammensetzung gewöhnlichen
weiſsen Roheisens gehabt
habe (Analysen liegen leider nicht vor), ferner auch, daſs in Horde gut
krystallisirtes Spiegeleisen mit etwa 1,5 Proc. Mangan erblasen wurde, welches
strahliges Eisen zwischen den Krystallflächen enthielt und einen grauen Saum hatte.
Interessant ist, daſs das ersterwähnte schwedische Spiegeleisen nach den
Mittheilungen des genannten Chemikers als Zusatz zum Bessemern absolut unverwendbar
war und keine andere Wirkung hatte, als der Zusatz gewöhnlichen Roheisens (wohl
wegen des geringen Mangangehaltes), den Stahl zum Walzen untauglich machte, trotzdem
daſs der geringe Gehalt an Phosphor, Schwefel und Silicium unmöglich einen
nachtheiligen Einfluſs üben konnte, und trotz des verhältniſsmäſsig hohen
Kohlenstoffgehaltes. Das krystallinische Gefüge war nach dem Umschmelzen, wie oben
gesagt, völlig verschwunden, vielmehr in ein strahliges übergegangen, trotzdem die
Probestücke langsam erkalteten, was sich nicht nur bei diesen zeigte, sondern auch
bei einer groſsen Masse, die sich in den Boden eingefressen hatte und bei einer
Reparatur des Ofens entfernt und zerschlagen wurde, die also jedenfalls sehr langsam
erkaltet war. Es erklärt sich diese Erscheinung nach Dürre und Mayrhofer dadurch, daſs die
Spiegelbildung nur dann eintritt, wenn Erzeugungs- und Schmelztemperatur nahe
zusammentreffen, nach Aussage von Praktikern (die übrigens Dürre an einer anderen Stelle bestätigt), wenn man behufs der
Spiegelbildung das Eisen unter einer Schlackendecke erstarren läſst.
Die Härte des Spiegeleisens, sowie seine Sprödigkeit ist bedeutend und ist es
unbedingt die härteste Roheisensorte. Es ritzt vor dem Umschmelzen Glas, wenigstens
mit den Krystallkanten, hat also nach der Kirwan'schen
Härtescale die Härte 8; nach dem Umschmelzen war dies nicht mehr der Fall. Auch
verliert es durch das Umschmelzen an Sprödigkeit, was mit der Veränderung der
Krystallisation und des Gefüges zusammenhängt. Das rohe Spiegeleisen zersprang beim
Zerschlagen leicht und zeigte an allen Bruchflächen Krystallisationsflächen, während
das umgeschmolzene bedeutend schwerer zu zerschlagen war und auch nicht die
Erscheinung des vielfachen Zerspringens zeigte, wie ja auch Textur und Gefüge von
selbst auf eine gröſsere Cohäsion hinweisen. Dürre sagt
in seiner Schrift „Ueber die Constitution des
Roheisens“: „Der Einfluſs jeder Umschmelzung ist der Cohäsion
günstig, sobald man nur die erste rein moleculare Wirkungsweise betrachtet;
dieser günstige Einfluſs wird indessen geschwächt, sobald die chemische Wirkung
des Umschmelzens entweder einen unschädlichen, bezieh. der Cohäsion günstigen
Bestandtheil zerstört, oder einen nachtheiligen Bestandtheil vermehrt bezieh.
einführt.“ Dies letztere ist hier fast gar nicht oder in so geringem Maſse
der Fall, daſs man unter Berücksichtigung der praktischen Resultate und des schon
erwähnten Aussehens als feststehend betrachten kann, daſs durch das Umschmelzen die
Cohäsion des Spiegeleisens vermehrt wird.
Ueber die Festigkeit des Spiegeleisens liegen keine Versuche vor, wohl weil die
Resultate keinen praktischen Werth besitzen, da dasselbe bis jetzt nur als Zusatz
zur Stahlerzeugung dient. Dürre sagt zwar ganz
allgemein, daſs hellere Roheisensorten beim Umschmelzen wohl eine Zunahme der
Dichtigkeit – worunter an dieser Stelle (Aphorismen, §.
57) ganz entschieden die Cohäsion zu verstehen ist – aber eine Abnahme der
Festigkeit ergaben, bald darauf aber (§. 61) ganz speciell, daſs weiſse
Roheisensorten ohne groſse Gefahr für die Festigkeit im Cupolofen umgeschmolzen
werden könnten, da sie an Zähigkeit gewinnen, an Härte und Sprödigkeit verlieren.
Ueberdies ist die Zunahme der durch ihren geringen ursprünglichen Procentsatz so wie
so unschädlichen, die Festigkeit beeinträchtigenden Substanzen (Phosphor, Silicium,
Schwefel) so gering, ferner der Mangangehalt immer noch so bedeutend, daſs man ruhig
annehmen kann, daſs wohl keine Veränderung der Festigkeit des Spiegeleisens durch
das Umschmelzen eintritt.
Das Spiel des umgeschmolzenen Spiegeleisens war abweichend von dem des grauen Eisens
und zeigte kleine, bis etwa 2 bis 3cm Durchmesser
haltende, viereckige Sternchen, im Wesentlichen nicht von dem Spiel des vom Hohofen
fallenden Spiegeleisens verschieden, welches Verfasser anderwärts beobachtet
hatte.
Was die Veränderungen der chemischen Eigenschaften anlangt, so gaben die oben
zusammengestellten Analysen zuerst eine geringe Zunahme an Silicium, und zwar von
0,12 bis 0,66 überhaupt; doch ist zu beachten, daſs die drei Proben, die nur 0,12
Proc. Silicium vor dem Umschmelzen enthielten, eine Zunahme bis 0,50 Proc. also um
0,38 Proc. zeigen, während die siliciumreicheren Proben 4 bis 5, erstere um 0,26,
letztere nur um 0,08 Proc. zunimmt, das sehr siliciumreiche Bessemerroheisen auch
blos um 0,17 Proc. Es scheint also beinahe, als ob der Siliciumgehalt des
Spiegeleisens einen gewissen Maximalsatz nicht überschritte. Die Zunahme von
Silicium an sich ist leicht erklärlich, wenn man die Schlackenanalyse betrachtet. Es
geht Eisen und Mangan, letzteres sogar bedeutend, in die Schlacke über. Die gesammte
Menge des Eisens ist also vor den Formen absolut geringer, als die ursprünglich
eingesetzte. Es wäre also sehr wohl denkbar, daſs selbst, wenn keine anderen
Ursachen mitwirkten, blos dieselbe Menge von Silicium, die in dem ursprünglichen
Einsatz war, sich auf die nun geringere Eisenmenge vertheilte und so einen erhöhten
Procentsatz ergäbe. Es ist aber sehr wohl anzunehmen, daſs im Cupolofen im Kleinen
derselbe Proceſs stattfindet wie im unteren Theile des Hohofens, etwa von der
Reductions- und Kohlungszone abwärts. Die Vorgänge in der Schmelzzone sind
jedenfalls dieselben. Das Spiegeleisen geht plötzlich aus dem festen in den
flüssigen Aggregatzustand über und durchläuft nicht, wie die anderen weiſsen
Roheisensorten, erst einen teigigen Zustand. In diesem flüssigen Zustand nun, bei der groſsen Hitze,
welche der hohe Kokessatz und der enge Schmelzraum erzeugt, sind alle Bedingungen
vorhanden, um eine Reduction des Siliciums aus der Schlacke, die sich aus dem
geringen Kalkzuschlag, mechanischen Verunreinigungen des Eisens und hier
hauptsächlich aus dem Abbrand des feuerfesten Ofenmaterials zusammensetzt, und eine
Ueberführung in das Eisen zu bewirken.
Dieselben Umstände bewirken eine Zunahme an Gesammtkohlenstoffgehalt, der hier nur in
chemisch gebundenem Zustande vorhanden war. Graphit wurde nirgends gefunden. Auch
hier bei der sehr geringen Zunahme, die sich in den Grenzen von 0,04 bis 0,34
bewegt, ist sowohl anzunehmen, daſs diese geringe Zunahme keine absolute ist,
sondern nur eine relative, d.h., daſs der Gesammtkohlenstoffgehalt des
ursprünglichen Einsatzes sich auf eine geringere Menge vertheilt, als auch, daſs
analog den Vorgängen im unteren Theile des Hohofens, eine Kohlung des Eisens, wenn
auch in geringem Maſse, stattfindet. Bei der niedrigsten Zunahme ist aber auch
möglich, daſs Kohlenstoff verbrennt und trotzdem der Procentgehalt, allerdings nur
um so wenig, höher ist, was mit anderen Umständen zusammenhängen mag (s.u.).
Dieselbe Beobachtung bestätigt die Roheisenanalyse; auch hier nimmt der
Gesammtkohlenstoffgehalt zu. Auf die Bildung des Graphits wirken so viel andere auch
äuſsere Umstände ein, daſs die Abnahme desselben übrigens eine bei allen grauen
Roheisensorten zu beobachtende Erscheinung, und die Zunahme an chemisch gebundenem
Kohlenstoff allein noch nicht entscheidend ist. Eine Bestätigung der obigen
Ansichten über die Zunahme von Silicium und Gesammtkohlenstoff gewährt die Angabe
Prickarts', wonach in Horde Eisen, welches beim
Bessemern überblasen war, sogenanntes verbranntes Eisen, und schlechte Schienenenden
bei hohem Kokessatz im Cupolofen umgeschmolzen wurden und wiederum ein mäſsig
gekohltes, graues Roheisen mit einigem Siliciumgehalt erzeugt wurde. Leider liegen
keine genauen analytischen Resultate vor.
Anzuführen wäre an dieser Stelle noch die bemerkenswerthe Thatsache, daſs in
Königshütte im Cupolofen allerdings einmal Eisen gefeint wurde, als die Düsen nach
abwärts geneigt eingesetzt wurden. Doch ist dies ein abnormer Fall, welcher mit den
Principien des Umschmelzens im Cupolofen, zum Zweck des Bessemerns wenigstens,
nichts gemein hat.
Der Mangangehalt des Spiegeleisens nimmt beim Umschmelzen bedeutend ab. Abgesehen von
den Analysen der Schlacken, die eine starke Verschlackung des Mangans beweisen, kann
man es schon an dem rein äuſserlichen, aber sehr charakteristischen Zeichen des
Mangan-Bauches, der beim Ende des Cupolofen-Processes aus dem Schornstein steigt,
bemerken. Das Mangan hat das Bestreben, sich aus dem flüssigen Eisen auszuscheiden
und nach oben zu steigen; daher enthalten bisweilen in ein und demselben Stück Eisen
die oberen Schichten mehr Mangan als die unteren, wenn die Massel dazu dick genug
ist. In den Hohöfen zur Erzeugung des Spiegeleisens bemüht man sich, einen möglichst
langsamen Hohofengang herzustellen, um das Mangan mit dem Eisen möglichst lange
einer reducirenden Wirkung auszusetzen. Im Cupolofen fällt diese Wirkung fort, es
wirken vielmehr auf eine Oxydation des Mangans die zwar hohe Temperatur, welche aber
doch geringer ist als die Erzeugungstemperatur, unter welcher sich Mangan reducirt,
ferner die saure Schlacke (Sauerstoff von SiO2 =
17,87 gegen jenen von Al2O3 = 5,46 und aus CaO = 6,13, also zusammen Sauerstoff der Basen = 11,59),
endlich die geringe Pressung des Windes. Schlieſslich verbrennt Mangan selbst auf
dem kurzen Wege vom Cupolofen bis in die Birne, vor deren Mündung die Proben
genommen wurden. Die Abnahme des Mangangehaltes beträgt 2,90 bis 5,85 Proc., also ⅕
bis ⅓ des Gesammtmangangehaltes des rohen Spiegeleisens; bei dem Bessemerroheisen
1,09 Proc., also auch etwa ⅓ des Gesammtgehaltes.
Die Beobachtung, daſs das rohe, völlig schwefelfreie Spiegeleisen etwas Schwefel
aufnimmt, ist leicht aus dem Schwefelkiesgehalt der Kohle zu erklären, aus welcher
die hier verbrauchten Kokes bereitet werden. Diese Annahme von Schwefel ist übrigens
so gering (0,0043 Proc.), daſs sie ohne jeden Einfluſs ist. Nach einer Hypothese Dürre's (Aphorismen, §.
108) soll der Schwefel vielleicht die blätterige, nicht reguläre Krystallisation des
Spiegeleisens veranlassen. Dies ist hier offenbar nicht der Fall, da das rohe
Spiegeleisen, welches sehr schöne blätterige Krystallflächen aufwies, gar keine Spur
von Schwefel enthielt.
Die Zunahme des Phosphorgehaltes ist eine oft bestätigte Erscheinung. Sie erklärt
sich ebenso, wie die Zunahme von Silicium und Kohlenstoff, durch Oxydation von Eisen
und Mangan, also Vertheilung des ursprünglichen Gehaltes auf eine geringere Menge.
Auſserdem enthalten aber die hiesigen Königshütter Kokes nachgewiesenermaſsen alle
Phosphor, den das Eisen beim Umschmelzen stets mit aufnimmt. Die Zunahme betrug
0,0368 Proc. bei Probe 5.
Vergleicht man diese chemischen Veränderungen im Zusammenhange unter einander, so
ergibt sich nach der oben gegebenen Uebersicht folgende neue Tabelle:
Durch das Umschmelzen wurde bewirkt:
Probe
Zunahme von Si und C
Abnahme von Mn
1
0,36 Proc.
0,15 Proc.
5,85 Proc.
2
0,37
0,22
3,73
3
0,30
0,12
3,92
4
0,26
0,34
5,26
5
0,08
0,04
2,90.
Die Proben 1 bis 3 zeigen ein ziemlich constantes Verhältniſs
der Zunahme von Si + C,
nämlich 0,51, 0,59 und 0,60 Proc. wären also eine analytische Bestätigung der
Annahme von Wedding, daſs sich Silicium und Kohlenstoff
im Eisen ergänzen, aber auch, wenn man unter Zuhilfenahme der ersten Tabelle den
Gehalt an Kohlenstoff und Silicium zusammen vor dem Umschmelzen mit dem Gehalt an
beiden Stoffen nach dem Umschmelzen vergleicht, erhält man dies bestätigende
Resultat:
Vor dem Umschmelzen
Nach dem Umschmelzen
Probe
Si + C
Si + C
1
4,12 Proc.
4,63 Proc.
2
4,62
5,11
3
4,60
5,02
4
5,02
5,62
5
3,96
4,08
Je gröſser der Gehalt an Silicium und Kohlenstoff im rohen Spiegeleisen, desto
gröſser auch im Verhältniſs die Zunahme und daher auch der Gehalt an beiden
Elementen in dem umgeschmolzenen Eisen. Wedding hat
allerdings bei der oben angeführten Hypothese nur graphitreiches Roheisen im Auge;
doch kommt bei den hier vorliegenden Versuchen in Betracht, daſs der immerhin sehr
bedeutende Mangangehalt sämmtlichen Kohlenstoff als chemisch gebundenen im Eisen
bedingt und die Ausscheidung von Graphit verhindert. Analyse 5 widerspricht dem eben
Gesagten übrigens auch nicht, bestätigt vielmehr dasselbe, da der Gehalt an Silicium
und Kohlenstoff ursprünglich gering, mithin auch die Zunahme durch das Umschmelzen,
wenn auch auffallend, klein ist. Leider war bei dem Cupolofenbetrieb, bei den durch
die Bessemerei bedingten localen Verhältnissen, gemeinschaftlicher Windleitung zu
beiden Oefen, gemeinschaftlichem Manometer und vor Allem bei dem durch keinerlei
störende Versuche zu unterbrechenden Gange die Beobachtung eines einzelnen
Spiegeleisenofens so erschwert, daſs nicht aus dem Ofengange selbst erklärt werden
kann, daſs die Charge, welcher die Probe 5 entnommen wurde, kälter ging als die
vorhergehenden; doch beweisen dies die analytischen Resultate. Die Zunahme 0,07 an
Silicium und 0,04 an Kohlenstoff ist sehr gering; also war jedenfalls die Temperatur
nicht hoch genug, um Silicium aus der Schlacke zu reduciren, oder eine Kohlung des
Eisens zu bewirken, welche bei den anderen Proben, wenn auch im geringeren Maſse,
doch wohl stattfindet. Im Gegentheil kann hier bei der niedrigen Temperatur, wie
oben erwähnt, die Zunahme an Kohlenstoff als eine relative aufgefaſst und angenommen
werden, daſs Kohlenstoff verbrennt, wie man das bei jedem Cupolofen bei schlechten
Kokes, oder bei zu geringer Menge derselben, oder bei zu geringer Windpressung
beobachten kann.
Die geringe Abnahme des Mangangehaltes (2,90 Proc.) scheint dieser Annahme auf den
ersten Blick zu widersprechen, da im Allgemeinen feststeht, daſs je niedriger die
Temperatur ist, desto mehr Mangan verschlackt wird. Es kommt aber hier erstens in Betracht, daſs die Abnahme
nicht grade abnorm gering ist, im Verhältniſs zu den Proben 2 und 3, wo die rohen
Proben beinahe denselben Mangangehalt haben wie Probe 5; andererseits – und dies ist
am wesentlichsten – stehen der Mangan- und Kohlenstoffgehalt in enger Beziehung zu
einander, da das Mangan den Kohlenstoff chemisch bindet. Auſserdem wirken bei der
Verschlackung von Mangan noch mancherlei Nebenumstände, mehr oder weniger saure
Schlacke, Windpressung u.a., mit, die sehr wohl einmal eine Abweichung zur Folge
haben können.
Faſst man sämmtliche Resultate in physikalischer und chemischer Beziehung zusammen,
so ergibt sich, daſs durch den Umschmelzproceſs im Cupolofen das Spiegeleisen an
specifischem Gewicht abnimmt, der Glanz verschwindet, die Farbe sich ändert, die
Krystallisation in eine strahlige Textur übergeht, die Härte abnimmt, die Cohäsion
vergröſsert wird und die Festigkeit ziemlich dieselbe bleibt; ferner daſs der
Gehalt. an Silicium, Kohlenstoff und Phosphor zunimmt, Schwefel in das Eisen
übergeht, Mangan dagegen bedeutend abnimmt.
Was die Bedeutung dieser Veränderungen anlangt, so steht jedenfalls fest, daſs
dieselben für die Verwendung in der Praxis keinen schädlichen Einfluſs ausüben. Die
direct schädlichen Bestandtheile, Silicium (das hier als schädlicher Bestandtheil
mit zu erwähnen ist, da das Spiegeleisen erst am Ende des Bessemerprocesses
zugesetzt wird), Phosphor und Schwefel bleiben weit hinter der Schädlichkeitsgrenze
zurück und sinken auf ein Minimum herab, wenn man berücksichtigt, daſs 525k Spiegeleisen als Zusatz zu 9000k Roheisen in der Bessemerbirne dienen. Dagegen
ist der Kohlenstoffgehalt so groſs, daſs er selbst bei sehr stark entkohltem
Roheisen noch zur Rückkohlung und Umwandlung in Stahl genügt, und auch der
Mangangehalt bedeutend genug, um – nach Wedding's
Hypothese – durch Oxydation die Sauerstoffblasen, die den Stahl sonst undicht und
brüchig machen würden, zu vertreiben.
Es verdient daher das Umschmelzen im Cupolofen bei Weitem den Vorzug vor dem
Flammofenproceſs, welcher früher allgemeiner üblich war, da hierbei das Eisen durch
den Zutritt der Luft immer gefeint wird, d.h. Kohlenstoff und allerdings auch
Silicium und Phosphor abgibt, im Hinblick aber auf die geringe Menge der letzteren
Bestandtheile kein so hoher Vortheil, um den gröſseren Verlust an Kohlenstoff und
Mangan aufzuwiegen. Auſserdem wird durch den Flammofenproceſs leicht mehr Schwefel
dem Eisen zugeführt, ganz abgesehen davon, daſs der Flammofen einen höheren
Brennmaterialverbrauch und genauere Wartung nöthig macht. Zu einem ununterbrochenen
Betriebe, wie er auf gröſseren Bessemerhütten die Regel ist, eignet sich überdies
der Cupolofen besser.
Hiermit mögen diese Betrachtungen schlieſsen, die durchaus nicht den Anspruch auf absolute
Neuheit und wissenschaftlichen Werth machen, sondern nur den Zweck haben, das
Wenige, das sich über diesen Punkt in der Literatur, und auch nur sehr zerstreut,
findet, mit den eigenen Beobachtungen zu einem einheitlichen Ganzen zusammenzufassen
– ein Zweck, welcher durch die praktische Bedeutung des behandelten Gegenstandes
wohl seine Begründung finden dürfte.
Würzburg, Februar 1879.