Titel: | Zur Anwendung überhitzter Wasserdämpfe in der Industrie; von Ludwig Ramdohr in Halle a. S. |
Autor: | Ludwig Ramdohr |
Fundstelle: | Band 232, Jahrgang 1879, S. 68 |
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Zur Anwendung überhitzter Wasserdämpfe in der
Industrie; von Ludwig Ramdohr in
Halle a. S.
Ramdohr, ü. Anwendung überhitzter Wasserdämpfe in der
Industrie.
Durch nachstehende Zeilen möchte ich die Aufmerksamkeit auf das in der Ueberschrift
genannte und vielfach bekannte, im Allgemeinen aber viel zu wenig berücksichtigte
Hilfsmittel der Industrie tanken. Dem Namen nach ist der überhitzte Wasserdampf ja
wohl ziemlich allgemein bekannt, seine zweckmäſsige Herstellung und Anwendung
dagegen gilt bei Vielen als eine noch ungelöste Frage, und es ist mir sogar mehrfach
vorgekommen, daſs der überhitzte Dampf als etwas Gefährliches betrachtet wurde, dem
man möglichst aus dem Wege gehen müsse.
Hier und da hat man den mehr oder weniger stark überhitzten Dampf in der chemischen
Industrie zum Zweck der Destillation und Sublimation mit bestem Erfolge angewendet; in einer
vielleicht gröſseren Zahl von Fällen dagegen ist seine theoretisch als richtig und
bedeutsam erkannte Benutzung wieder aufgegeben worden, weil die
Ueberhitzungsapparate ohne Dauer waren und namentlich nach kurzer Zeit überall
undicht und damit unbrauchbar wurden. Dieser Uebelstand zeigt sich bei Apparaten für
starke Ueberhitzung selbstverständlich leichter und
schneller, als bei solchen für niedrigere Temperaturen:, er wird aber stets
unfehlbar auftreten, wenn die Construction der unvermeidlichen Ausdehnung oder
Zusammenziehung, sowie der dadurch bedingten Verschiebung u.s.w. der
Ueberhitzungsrohre nicht in vollstem Maſse Rechnung trägt. Ebenso sind Undichtheiten
im Apparat ganz unvermeidlich, wenn die Verbindung der einzelnen Theile unter
Anwendung irgend eines Kittes erfolgt.
Eine weitere Ursache manchen Miſserfolges liegt in der Verwendung von
Ueberhitzungsrohren von unzweckmäſsigen Dimensionen und aus ungeeignetem Material.
In Bezug auf erstere lassen sich bestimmte Regeln oder Tabellen zwar nicht
aufstellen; indeſs ist hierbei im Allgemeinen daran festzuhalten, daſs die
Ueberhitzung um so unvollständiger erfolgt, je gröſser der Durchmesser der Röhren
ist. Denn dann erfolgt die Uebertragung der Wärme auf den Dampf nicht gleichmäſsig
und vollkommen bis zur Mitte der Rohre, und man muſs die letzteren unnöthig hoch
erhitzen, um Dampf von einer bestimmten Temperatur zu erhalten, Wasserdampf gehört
gleich allen Gasen zu den schlechten Wärmeleitern. Trotzdem man nach Vorstehendem
einerseits zu groſse Durchmesser der Ueberhitzungsrohre zu vermeiden hat, so darf
man auch andererseits in entgegengesetzter Richtung nicht zu weit gehen, muſs
vielmehr zu erreichen suchen, daſs der Dampf in dem
Ueberhitzer sich mit geringerer Geschwindigkeit bewegt, als vor und hinter
demselben. Endlich darf man bezüglich der Länge der einzelnen Rohre gewisse
Erfahrungsgrenzen nicht überschreiten, welche von dem Durchmesser und der Wandstärke
abhängig sind.
Als Material zu den Ueberhitzungsrohren verwende ich fast ausnahmslos Schmied eisen,
sowohl weil (namentlich für starke Ueberhitzung) Blasen und sonstige Fehler im
Guſseisen die unliebsamsten Störungen bewirken können, als auch, weil guſseiserne
Röhren von geringem Durchmesser weniger steif und durch ungleichmäſsige Wandstärke
seitlichen Verkrümmungen leicht unterworfen sind, welche letzteren die Dichtheit an
den Verbindungsstellen beeinträchtigen.
Der Grad der Ueberhitzung des Wasserdampfes kann in auſserordentlich weit von
einander entfernten Grenzen liegen. Dem Zustande des gewöhnlichen gesättigten
Dampfes am nächsten liegt derjenige, welcher durch nachträgliche Verdampfung der in
dem Dampfe mitgeführten Wassertheilchen ohne nennenswerthe Temperaturerhöhung
entsteht, und solchen möchte ich kurzweg als getrockneten
Dampf bezeichnen, wogegen das Charakteristische für den von mir speciell als überhitzt bezeichneten Dampf nicht allein in dem
gänzlichen Fehlen dieser Wassertheilchen, sondern in einer Temperatur liegt, welche
diejenige des zur Ueberhitzung verwendeten gesättigten Dampfes nicht unerheblich
übersteigt. Als die erreichbare Temperaturgrenze nach dieser Richtung hin möchte ich
600 bis 700° und den überhitzten Dampf als schwach oder
stark überhitzt bezeichnen, je nachdem seine Temperatur unter oder über 200° liegt. Diese
Klassifikation ist zwar eine durchaus willkürliche, aber sie möchte wohl am besten
dem praktischen Bedürfnisse nach einer kurzen Bezeichnung der Sache genügen. Die von
mir vorgeschlagene Grenze von 200° zur Unterscheidung von schwach und stark
überhitztem Dampf läſst sich vielleicht auch dadurch rechtfertigen, daſs man bis zu
dieser Temperatur in den meisten Fällen den Dampf mit Abhitze, mit der entbehrlichen
oder überflüssigen Wärme von Rauchgasen, also ohne directe Befeuerung des
Ueberhitzungsapparates, wird erwärmen können.
Bevor ich nun im Nachstehenden die vielseitige Verwendbarkeit des getrockneten und
des überhitzten Dampfes bespreche, bemerke ich bezüglich der Eigenschaften des
letzteren in Kürze Folgendes. In welchem Maſse die Ausdehnung des Dampfes bei seiner
Ueberhitzung von dem Mariotte-Gay-Lussac'schen Gesetze für permanente Gase abweicht,
ist von der Wissenschaft noch nicht endgiltig entschieden, und es dürfte nur das
Eine unzweifelhaft sein, daſs die Abweichungen von jenem Gesetz mit der
Ueberhitzungstemperatur zunehmen, sowie daſs der Ausdehnungscoëfficient für
Wasserdampf gröſser ist als für atmosphärische Luft. Eine genaue Kenntniſs der
betreffenden Gesetze würde von besonderer Wichtigkeit für theoretische Berechnungen
und Betrachtungen bezüglich der Anwendung des überhitzten oder gemischten Dampfes
zum Betriebe der Dampfmaschinen sein. Bei der von mir an dieser Stelle besonders ins
Auge gefaſsten Verwendung des überhitzten Dampfes in der chemisch-technischen
Industrie kommen diese Gesetze indeſs weniger in Betracht, und ich lege vielmehr
besonderes Gewicht auf Folgendes.
1) Der überhitzte Dampf besitzt ein groſseres Volum als
gesättigter Dampf von gleicher Spannung, und zwar ist (bei gleicher Spannung) die
Volumdifferenz zwischen überhitztem und gesättigtem Dampf proportional der
Ueberhitzung. In Folge dessen sind verhältniſsmaſsig kleine Gewichtsmengen von Dampf
erforderlich, um gröſsere Mengen von festen oder flüssigen Körpern in die innigste
und allseitigste Berührung mit dem überhitzten Dampf zu bringen, und es gestaltet
sich dieses Verhältniſs noch günstiger, sobald die Umstände es gestatten, den
überhitzten Dampf stark expandiren zu lassen, denselben also mit möglichst geringer
Spannung zu verwenden.
2) Der überhitzte Dampf verhält sich gegen eine groſse Anzahl von
Stoffen chemisch indifferent und ist deshalb in vielen
Fällen beim Eindampfen von Lösungen, bei der Destillation von Flüssigkeiten, sowie
bei der trocknen Destillation vieler Stoffe, zum Trocknen, Calciniren und Sublimiren
fester Körper u. dgl. m. zu verwenden. Es wird bei den meisten der vorgenannten Operationen sehr vortheilhaft
und bei mehreren selbst nothwendig sein, die erforderliche Wärme nicht mittels
Transmission durch Gefäſs- oder Röhrenwände, sondern durch directe Einleitung eines
Trägers der Wärme in die zu erhitzenden Stoffe hinein zu schaffen. Jene chemische
Indifferenz befähigt den überhitzten Dampf auch, bei der Destillation leicht
zersetzbarer Stoffe organischer Natur die aus ihnen entwickelten Dämpfe durch
Einhüllung vor Zersetzung zu schützen und sie schneller, als es sonst geschieht, aus
dem Destillirgefaſse fortzuführen.
3) Für manche Operationen wird dagegen eine chemische Verwendung der Elemente des Wassers
beabsichtigt, und in solchen Fällen erfolgt die Zersetzung des hoch erhitzten
Wasserdampfes immer leichter und vollkommener, als die des gesättigten oder des
Wassers selbst.
4) Der überhitzte Dampf besitzt in hohem Maſse das Bestreben,
alles Wasser in sich aufzunehmen, bezieh. zu verdampfen, welches er in den mit ihm
in Berührung kommenden Stoffen vorfindet, ohne daſs eine Abkühlung bis zu seiner
Condensation stattfindet, wenn seine Temperatur genügend hoch war. Auf dieser
Eigenschaft beruht sein hoher Werth zum Eindampfen von wässerigen Lösungen, sowie
zum Trocknen der verschiedenartigsten festen Körper. Derartige Verdampfungs- oder
Trockenprocesse verlaufen überraschend schnell, gleichmäſsig und vollkommen, wenn
man den überhitzten Dampf direct in die zu verdampfenden oder zu trocknenden Stoffe
einleitet, da derselbe dann mit den kleinsten Theilchen der letzteren in
unmittelbare Berührung kommt und ihnen auf dem nächsten und directesten Wege einen
Theil seiner Wärme abgeben kann.
5) Bei vielen Processen kommt es wesentlich auf eine ganz bestimmte, sich gleichbleibende oder sich
steigernde Temperatur an. Laſst sich eine solche nun schon an und für sich durch
Anwendung überhitzten Dampfes weit genauer innehalten, als bei Heizung mit freiem
Feuer, so gewährt die weiter unten näher zu besprechende Erzeugung von gemischtem
Dampfe ein bequemes Mittel zu einer in der Industrie bisher unerreichbar gewesenen
Innehaltung der engsten Temperaturgrenzen. Man hat nur nothig, hinter dem
Ueberhitzer eine einfache Vorrichtung anzubringen, mittels welcher der zeitweise
etwa mit etwas zu hoher Temperatur austretende überhitzte Dampf durch Mischung mit
kleinen Mengen gesättigten Dampfes auf die verlangte Temperatur abgekühlt wird.
Im Nachstehenden mögen die verschiedenen Arten der Anwendung des überhitzten Dampfes
etwas specieller besprochen werden.
Getrockneter oder schwach überhitzter Dampf sollte eigentlich
überall da zur Verwendung gelangen, wo man überhaupt Dampf benutzt. Die
Nichtbeachtung dieses Satzes kostet der Industrie alljährlich Millionen. Es ist
Thatsache, daſs von der durch den Verbrennungsproceſs erzeugten Wärme bei unsern
Dampfkesseln trotz der scharfsinnigsten Verbesserungen, welche immer wieder für
dieselben vorgeschlagen und ausgeführt werden, nur ein auſserordentlich kleiner
Theil (18 bis 20 Proc.) in dem erzeugten Dampfe wirklich zur Verwendung kommt,
während ein nicht geringer Procentsatz der Verbrennungswärme unnöthiger Weise und
unbenutzt durch den Schornstein entweicht.Vgl. 1878 229 131. Was liegt näher als
der Gedanke, einen Theil dieser verlorenen Wärme, welche mittels des Kessels dem
erzeugten Dampfe nun einmal nicht einverleibt werden kann, dem letzteren auf einem
anderen Wege nachträglich zuzuführen? Wie lang (und oft genug schlecht gegen Abkühlung geschützt) sind
ferner in den meisten Fällen unsere Dampfrohrleitungen; wie viel des mit schwerem
Gelde im Kessel erzeugten Dampfes geht in diesen Leitungen durch Abkühlung verloren,
und wie viel Wasser endlich wird vom Dampfe mechanisch aus dem Kessel mitgerissen!
Sowohl dieses letztere, als auch das durch Condensation erzeugte Wasser ist aber für
die meisten Verwendungsarten des Dampfes nicht nur werthlos, sondern sogar
hinderlich und nachtheilig. Die diesem Wasser innewohnende Wärme ist nur selten noch
verwendbar, und mit ihr geht der zu ihrer Erzeugung verwendete Brennstoff
verloren.
Zur vollen Verwerthung dieser Wärme sowohl, als auch der überschüssigen Wärme der
Rauchgase kann man sich eines einfachen, billigen und dauerhaften Apparates
bedienen, für welchen sich bei allen Dampfkesselanlagen ein geeigneter Platz finden
wird und den ich als Dampftrockner bezeichnen möchte.
In dem zwischen dem Dampfkessel und dem Schornstein befindlichen sogen. Fuchs haben
selbst bei guten Feuerungsanlagen die Rauchgase gewöhnlich noch einen Ueberschuſs an
Wärme, welcher zur Verdampfung allen vom Dampf mitgeführten Wassers mehr als
genügend ist. Gestatten örtliche Verhältnisse die Benutzung des Fuchses zur
Aufstellung eines Dampftrockners oder Ueberhitzers nicht, so findet sich dafür unter
allen Umständen Raum in den Seitenzügen der Kessel. Ich habe auch für diesen Fall
besondere Ueberhitzer construirt, welche in keiner Weise den Zug behindern und von
fast unbegrenzter Dauer sind.
In den meisten Fällen wird es nicht nur bei der blosen Wasserverdampfung sein
Bewenden haben; man wird vielmehr auch noch allen Dampf ohne irgend welche Kosten
mehr oder weniger stark überhitzen können. Dadurch wird das Volum desselben bei
gleichbleibender Spannung vergröſsert, man wird also ein gewisses Volum Dampf von
gleicher Spannung mit dem ursprünglichen gesättigten Dampfe durchaus kostenfrei
haben. Oder mit anderen Worten: man ist im Stande, durch eine geringere Wärmemenge,
als zur Erzeugung eines bestimmten Volums gesättigten Dampfes erforderlich ist, das
Volum desselben ohne Verminderung der Spannung zu vergröſsern, und da die hierzu
erforderliche Wärme kein besonderes Brennmaterial beansprucht, so wird man eine
entsprechend gröſsere Kraft mit einem geringeren Aufwände an Brennstoff
erzielen.
Der getrocknete oder schwach überhitzte Dampf ist vortheilhaft in allen denjenigen Fällen zu
verwenden, wo man sonst nur gesättigten Dampf benutzt, also, um nur einige Beispiele
anzuführen, zum Betriebe aller Dampfmaschinen (Betriebsmaschinen in Fabriken,
Wasserhaltungs- und Fördermaschinen, Locomotiven und Locomobilen, Schiffsmaschinen
u.s.w.), zu den verschiedensten Operationen in Zuckerfabriken, chemischen Fabriken
aller Art, Brennereien, Seifenfabriken u.s.w.
Gestatten die Verhältnisse die Aufstellung eines Apparates, welcher den Kesseldampf
nicht nur trocknet, sondern auch schwach überhitzt, so ist dies um so besser; nur
empfiehlt es sich dann, zum Betriebe von Dampfmaschinen den sogen, gemischten Dampf zu verwenden, und zwar aus folgenden
Gründen. Der gesättigte Wasserdampf tritt mit einer Temperatur in den Cylinder,
welche eine besondere Schmierung der bewegten Theile gestattet. Am Rande des Kolbens
vertritt gewöhnlich das von dem Dampfe mitgeführte Wasser die Stelle der Schmiere.
Bei nur getrocknetem Dampfe wird an diesen Verhältnissen nichts geändert, da sich
aus demselben auf dem Wege zum und im Dampfcylinder die zur Schmierung des Kolbens
nöthige Wassermenge condensirt, ohne daſs dadurch der bedeutende Gewinn, den die
Trocknung des Dampfes durch kostenfreie Erzeugung eines gröſseren Volums bietet, in
nennenswerther Weise beeinträchtigt würde. Bei Verwendung überhitzten Dampfes kann
dagegen der Fall eintreten (sobald nämlich die Ueberhitzung bis zu oder über 200°
getrieben wird), daſs das Schmiermaterial zersetzt und die Packung der Stopfbüchsen
zu schnell zerstört wird. Diesem Uebelstande wird durch Anwendung einer Mischung von überhitztem mit gesättigtem Dampfe auf das
Wirksamste begegnet. Erfahrungsgemäſs ist es am besten, beide Dampfströme
unmittelbar hinter dem Austritt des überhitzten Dampfes aus dem Apparate mit
einander zu vereinigen. Durch zahlreiche, von Autoritäten ausgeführte Versuche ist
nachgewiesen worden, daſs bei Anwendung gemischter Dämpfe in Dampfmaschinen die
Nachtheile der zu hohen Temperatur fortfallen, während man alle Vortheile des
überhitzten Dampfes erhält.
In gleicher Weise, wie zum Betriebe von Dampfmaschinen, kann man sich in manchen
Fällen zwar ebenfalls des gemischten Dampfes zum Trocknen fester Körper, zum
Versieden von Flüssigkeiten u.s.w. bedienen; meistentheils wird es aber
vortheilhafter sein, hierzu ungemischten und je nach Umständen schwach oder stark
überhitzten Dampf zu benutzen.
Stark überhitzter Dampf empfiehlt sich für alle
diejenigen Operationen, bei denen entweder eine hohe und constante Siedetemperatur
innezuhalten, oder ein Verdampfungsproceſs zu unterstützen ist, um Zersetzungen der
Destillationsproducte zu vermeiden, oder zum Trocknen fester Körper, zu
Sublimationen u. dgl. Für die meisten derartigen Operationen erblicke ich den Werth
des überhitzten Dampfes besonders in dem Umstände, daſs derselbe meist chemisch
indifferent ist und deshalb mit den zu erhitzenden, zu verdampfenden oder zu
trocknenden Körpern in die innigste und directeste Berührung gebracht werden kann
dadurch, daſs man ihn in die festen oder flüssigen Massen
unmittelbar hinein oder durch dieselben hindurch leitet. Auf keine andere
Weise vermag man den betreffenden Stoffen groſse Wärmemengen schnell, billig und in der
ganzen Masse gleichmäſsig zuzuführen. Die Einrichtungen und Apparate zur
gleichmäſsigen Vertheilung und vortheilhaften Verwendung des überhitzten Dampfes
müssen selbstverständlich ebenso verschieden sein, wie die mit ihnen auszuführenden
Operationen verschieden sind, und ich kann an dieser Stelle nur auf die in dieser
Richtung mir zum Theil bereits ertheilten, zum Theil angemeldeten Patente verweisen,
welche fast alle wichtigeren Anwendungen des überhitzten Dampfes umfassen.
Speciell für folgende Operationen läſst sich stark überhitzter
Dampf empfehlen:
1) Zur Herstellung von wässerigen Lösungen
fester Körper, sobald dieselbe unter Anwendung von Wärme erfolgen muſs.
Meist erwärmt man das lösende Wasser (oder schwache Restlaugen u. dgl.) auf die
erforderliche Temperatur durch Einleitung von gesättigtem Dampf, verbraucht dann
aber von demselben unverhältniſsmäſsig groſse Mengen. Ich möchte in dieser Hinsicht
ganz besonders auf solche Lösungen von Salzen verweisen, welche für eine bestimmte
und hohe Temperatur (über 100°) gesättigt sein müssen. Es ist dies z.B. bei der
Herstellung von Chlorkalium aus den sogenannten Abraumsalzen der Fall. In den
betreffenden Fabriken werden zur Lösung der Rohsalze auſserordentlich groſse
Dampfmengen verbraucht, zu deren Erzeugung Dampfkessel-Anlagen vorhanden sind,
welche voraussichtlich auf die Hälfte bis drei Viertel ihres jetzigen Umfanges
würden reducirt werden können, wenn man an Stelle des (in den luftigen Fabrikräumen
ohnehin noch stark abgekühlten) gesättigten Dampfes überhitzten Dampf anwenden
wollte. Das Vorstehende gilt für eine ganze Reihe anderer Lösungsprocesse in der
chemischen Industrie.
2) Das Eindampfen von Lösungen
erfolgt schnell und ohne Zerstörung der Siedepfannen mit überhitztem Dampf. Wie
schwierig ist oft das Verdampfen von Salzlösungen über freiem Feuer! Ich erinnere
hier an die störenden und theuern Reparaturen an den Siedepfannen unserer Salinen,
Chlorkalium- und anderen Fabriken. Die Ausscheidung von Gyps u. dgl. in dem
ersteren, von einem Gemisch verschiedener Salze in dem zweiten Falle vermindert die
Transmission der Warme durch die Gefäſswände in kurzer Zeit bedeutend und führt zu
einer schnellen Zerstörung der Bleche. Ueberhitzter
Dampf dagegen wird in verhältniſsmäſsig kleinen Mengen direct in die
Flüssigkeit geleitet, aus welcher er als gesättigter Dampf, also mit verdampftem
Wasser beladen, entweicht und dann mit Vortheil noch zum Vorwärmen von Flüssigkeiten
und ähnlichen Arbeiten verwendet werden kann. In ganz ähnlicher Weise wirkt
überhitzter Dampf, wenn er bei der Seifenfabrikation zum Ansieden der Seifen benutzt
wird. Ich habe in dieser Richtung sehr gute Erfolge schon mit nur getrocknetem Dampf
erzielt. Er wird bis nahe zum Boden der gewöhnlichen conischen Siedekessel geführt.
Diese letzteren werden in keiner Weise umgeändert und behalten die übliche Heizung
durch freies Feuer zum Fertigsieden. Das Ansieden des Inhaltes geht mit überhitztem
Dampfe in auſserordentlich kurzer Zeit vor sich, und die Zeit zur Vollendung eines
Sudes wird um weit mehr als die Hälfte abgekürzt.
3) Zur Unterstützung der Destillation von
Flüssigkeiten hat sich der überhitzte Dampf bereits seit einer Reihe von
Jahren vielfach bewährt, so z.B. zur Destillation von Fettsäuren, von Glycerin, von
Mineralölen aller Art, von Harzen und Harzölen u.s.w. Die Rolle, welche der Dampf in
diesem Falle spielt, ist gewöhnlich eine mehrfache. Er soll als Träger der Wärme
diese an die zu verdampfende Flüssigkeit abgeben, die aus letzterer entwickelten
Dämpfe (sie gewissermaſsen einhüllend) schnell und unzersetzt aus dem
Destillirgefäſs entfernen und endlich den Destillationsproceſs beschleunigen. Bei
der Destillation mit überhitztem Dampfe lassen sich bestimmte Temperaturen weit genauer innehalten, als bei der Destillation
über freiem Feuer. Paraffinhaltige Mineralöle und ähnliche Stoffe erleiden bei der
Destillation ohne Dampf stets eine tiefgehende Zersetzung unter Verlust an dem werthvollsten
Körper, dem Paraffin, dadurch, daſs die aus der Flüssigkeit aufsteigenden Dämpfe zu lange in der Blase verweilen und entweder an den zum
Theil zu hoch erhitzten Seitenwandungen unter Ausscheidung von Kohlenstoff direct
zersetzt, oder aber an dem kälteren Deckel der Blase durch Abkühlung condensirt und
erst später bei der nach und nach steigenden Siedetemperatur (zum zweiten Male)
verdampft werden. Der eingeleitete, angemessen überhitzte Dampf dagegen entzieht die
Dämpfe des Destillates schnell diesen nachtheiligen und zersetzenden Einflüssen, und
er wird dies um so vollkommener bewirken, wenn seine eigene Temperatur mit der
Siedetemperatur der Flüssigkeit übereinstimmt. Diesem Erfordernisse wird unter
Beibehaltung des freien Feuers auf eine sehr einfache und billige Weise durch ein
Verfahren genügt, welches mir vor Kurzem patentirt worden ist (D. R. P. Nr. 5315 vom
28. Juli 1878) und worüber ich hier nur bemerke, daſs der Wasserdampf nicht in einem
besonderen Apparate auſserhalb der Blase, sondern in einem Rohrsystem überhitzt
wird, welches seine Wärme aus der siedenden Flüssigkeit oder aus den aus derselben
entwickelten Dämpfen erhält.
4) Was in Vorstehendem über die Vermeidung von Zersetzungen bei
der Destillation von Fettsäuren, paraffinhaltigen Oelen u. dgl. gesagt wurde, gilt
auch für die trockene Destillation von Braunkohlen zur
Theergewinnung, also für das sogen. Schweden der Kohlen. Die Ausbeute an
Theer (dem Rohmaterial zur Darstellung des Paraffins und der Mineralöle) beträgt im
Fabrikbetriebe kaum ein Viertel von derjenigen, welche im Laboratorium als
thatsächlich in der Kohle enthalten und aus derselben gewinnbar nachgewiesen worden
ist. Das Abschweelen der Kohlen erfolgt fast allgemein in stehenden Retorten (sogen.
Cylindern), bei denen die Temperatur von unten nach oben gleichmäſsig (und zwar
erheblich) abnimmt. Während im oberen Theile nur Wasserdämpfe und leichtere
Kohlenwasserstoffe abdestilliren, nimmt die Entwickelung von schweren Oelen,
Paraffin u.s.w. mit der Temperatur nach unten hin zu. Alle diese
Destillationsproducte bewegen sich nur langsam durch die Kohlen hindurch und
erleiden auf ihrem Wege so zahlreiche Zersetzungen, daſs eben nur etwa ¼ von ihnen
wirklich gewonnen wird. Um die Kohle durch die ganze Dicke hindurch gleichmäſsig zu
erhitzen und die Dämpfe der aus ihr frei gewordenen Kohlenwasserstoffe schnell allen
schädlichen Einflüssen zu entziehen, überhitze ich in einem längs der Retortenwand
in mehrfachen Windungen entlang geführten Rohre Wasserdampf proportional der nach unten zunehmenden Schweeltemperatur und lasse den so
überhitzten Wasserdampf auf eine eigenthumliche Weise gleichmäſsig durch die
Schweelkohle hindurch ziehen. (Vgl. * D. R. P. Nr. 2232 vom 3. Februar 1878 und
Zusatz * Nr. 2704 vom 1. März 1878). – An dieser Stelle sei zugleich noch bemerkt,
daſs ich nach einem bereits vor einiger Zeit angemeldeten Patente die Schweelkohle vor ihrem Eintritt in die Retorte mittels
überhitzter Wasserdämpfe trockne. Auf Grund der bereits vorliegenden
Resultate, welche sich aus dem Abschweelen von vorgetrockneter Kohle (im
grubenfeuchten Zustande 40 und mehr Procent Wasser enthaltend) ergeben haben, darf
ich eine erhöhte Theerausbeute und eine bedeutend gröſsere Leistungsfähigkeit der
Retorten aus der Einführung dieser Methode erwarten.
5) Trocknen und Calciniren fester Körper
mit überhitztem Dampf. Sämmtliche bisher angewendeten Methoden zum Trocknen
fester Körper, mögen letztere grob- oder feinkörnig sein, leiden an dem Uebelstande
einer mangelhaften Uebertragung der Wärme. In den meisten Fällen müssen die zu
trocknenden Körper durch Menschenhand oder durch mechanische Rührvorrichtungen
umgewendet werden, um sie mit heiſsen Metallflächen u. dgl. in erneute Berührung zu
bringen. Wo es sich um Bewältigung sehr groſser Mengen handelt, findet man deshalb
häufig complicirte, theure und vielen Raum einnehmende Trockenapparate, und es ist
eine bekannte Thatsache, daſs z.B. bei der Fabrikation von Briquettes aus
Braunkohlen gerade die schwächste und kostspieligste Seite die Unbrauchbarkeit und
(häufig genug) die Feuergefährlichkeit der Trockenapparate ist. Eine schnelle,
sichere und rationelle Trocknung von erdigen Braunkohlen und anderen pulverförmigen Stoffen kann nur
dadurch erfolgen, daſs man einen indifferenten, gasförmigen Träger der Wärme direct in die Kohle u. dgl.
hinein und durch dieselbe hindurch leitet. Der geeignetste Träger dieser
Wärme ist aber der überhitzte Wasserdampf. Für derartige Trocknungsoperationen ist
mir unter Nr. 4514 vom 23. August 1878 ein sehr einfacher, für periodischen und
continuirlichen Betrieb geeigneter Apparat von groſser Leistungfähigkeit patentirt
worden, welcher sich nicht allein zum Trocknen von Kohlen, sondern auch von anderen
grob- oder feinkörnigen Stoffen, zum Brennen von Gyps,
Wiederbeleben von Knochenkohle u.s.w. eignet.
Selbstverständlich ist derselbe Apparat auch zum Calciniren von Salzen u.s.w. verwendbar und geeignet,
sobald man überhitzten Dampf von genügend hoher Temperatur anwendet.