Titel: | Reinigung von rohem Leuchtgas durch Ammoniakgas; von Wilh. Göbel, Ingenieur der Gasanstalt in Hannover. |
Autor: | Wilh. Göbel |
Fundstelle: | Band 232, Jahrgang 1879, S. 181 |
Download: | XML |
Reinigung von rohem Leuchtgas durch Ammoniakgas;
von Wilh. Göbel, Ingenieur der
Gasanstalt in Hannover.
Göbel's Reinigung von rohem Leuchtgas durch
Ammoniakgas.
Bei meinen täglichen Bestimmungen des specifischen Gewichtes der Ammoniakwässer aus
den Condensern und Scrubbern fand ich, daſs die Verbindung der Kohlensäure und des
Schwefelwasserstoffes mit dem im Rohgase enthaltenen Ammoniak bei den Temperaturen
von 15 bis 20° am vollkommensten stattfand, wobei ich am Ausgang der letzten
Condenser ein Gaswasser bis zu dem höchst beobachteten specifischen Gewicht von
1,0855 = 11,4° B. erhielt. Daſs ferner zu dieser Verbindung eine langsame Erkaltung
des Rohgases insofern günstig ist, als noch genügend Wasser vorhanden, eine
Verbindung jedoch trotz der selbst niedrigeren Temperatur nicht stattfindet, wenn
die Wasserdämpfe
sich bis zum Ausgang der Condenser bereits niedergeschlagen haben. Trat dieser
letzte Fall ein, so sank das specifische Gewicht bei obigem Ausgang des letzten
Condensers auf 1,0300 = 4,5° B., und das noch im Rohgase befindliche Ammoniak wurde
nach diesem im Scrubber durch Wasser herausgewaschen, wobei nochmals zu derselben
Zeit ein Ammoniakwasser von 1,0370 sp. G = 5,5° B. erhalten wurde. Es ist somit
klar, daſs das Ammoniak, welches bei höherer Temperatur mit Kohlensäure im Rohgase
enthalten ist, ohne sich verbinden zu können, bei langsamer Erkaltung und genügend
vorhandenen Wasserdämpfen leichter kohlensaures Ammoniak bildet. Wenn das Ammoniak
erst kalt geworden in die Scrubber tritt, so ist die Bildung von kohlensaurem
Ammoniak viel schwieriger, auch wenn es dann genügend Wasser vorfindet. Hierdurch
wurde ich zur Ansicht gebracht, daſs dies auf vorangegangene Bildung von Ammonium
beruhe, welches dann nicht mehr so energisch auf Kohlensäure einwirke. Ganz ähnlich
der Kohlensäure verhält sich der Schwefelwasserstoff zum Ammoniak.
Auf Grund dieser Erfahrungen sind also die Bedingungen einer Reinigung des Rohgases
dann erfüllt, wenn 1) genügend kaustisches Ammoniakgas und 2) genügend Wasserdampf
vorhanden, endlich 3) langsame Erkaltung von einer höheren Temperatur bis herunter
zu 14 bis 20° beobachtet wird.
Diese Bedingungen werden nun durch mein Verfahren (D. R. P. Nr. 4346 vom 26. Mai
1878) in folgender Weise erfüllt: Ich leite kaustisches Ammoniakgas in die Vorlage
zu dem Rohgase und lasse die Abkühlung mit demselben durch die Condenser bewirken.
Alsdann lasse ich das Rohgas von unten in einen mit Kokes gefüllten Scrubber
gelangen, dem ich jedoch kurz vorher wieder kaustisches Ammoniakgas von einer
Temperatur von 25 bis 40° zugeführt, so daſs also Rohgas mit dem zugeführten
Ammoniak gemengt in den Scrubber tritt; letzterer wird mit gypshaltigem Wasser von
der Temperatur bis zu 19° durch fortwährenden Zufluſs von oben ausgewaschen.
Hierdurch wird nun nicht allein Kohlensäure und Schwefelwasserstoff, sondern auch
Cyan, Schwefelkohlenstoff, letzterer vollständig aus dem Gase, entfernt. Durch den
Zufluſs von kalkhaltigem Brunnenwasser und von Gypswasser findet eine Umsetzung
statt, von letzterem in Ammoniumsulfat, Schwefelcalcium und Rhodancalcium. Der
Schwefelkohlenstoff findet Gelegenheit, mit Schwefelcalcium oder auch
Schwefelammonium die bekannte Doppelverbindung einzugehen, um entfernt zu werden.
Auch die Gegenwart von Kohlenoxysulfid war bei den Versuchen nicht nachzuweisen, und
ich nehme an, daſs auch dieses durch Ammoniak zerlegt wird, etwa wie die bekannte
Verbindung mit kaustischem Kali oder Natron unter Wasserbildung: COS + 4(NH4OH) = (NH4)2S + (NH4)2CO3 + 2H2O.
Durch diese Reinigung fällt die bisherige Kastenreinigung mit Kalk oder Eisenmasse
gänzlich fort und es tritt eine nasse Scrubberreinigung dafur ein, wodurch nicht
allein das lästige Füllen der Kästen beseitigt wird, sondern auch die
Unannehmlichkeiten mit der Nachbarschaft entfallen, welche durch das Aufschütten von
gebrauchten Reinigungsmassen in den Gasanstalten oft herbeigeführt werden. Es wird
ein Nebenproduct verwerthet, das in vielen Anstalten unbenutzt bleibt, und noch
dasjenige Ammoniak gewonnen, welches durch Kalk- oder Eisenreinigung als Ammoniak
selbst oder in Form von Cyanverbindungen verloren geht. Bisher nahm man an, daſs das
Ausgehen von Blumen in Zimmern, das Bleichen von organischen Farbstoffen, wie z.B.
bei Bändern, und das Anlaufen von Metallwaaren in den Läden durch im Gase
enthaltenen Schwefel verursacht würde. Sollten sich diese Uebelstände bei der
Anwendung des von allem Schwefel gereinigten Gases nicht mehr zeigen, so würde nicht
allein obige Annahme bestätigt, sondern auch die Lieferung von schwefelfreiem Gase
günstig auf den Verbrauch einwirken.