Titel: | Ueber den Einfluss des Wassers bei der Herstellung der Rohseide. |
Fundstelle: | Band 232, Jahrgang 1879, S. 277 |
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Ueber den Einfluſs des Wassers bei der
Herstellung der Rohseide.
Ueber den Einfluſs des Wassers bei der Herstellung der
Rohseide.
Es wird allgemein angenommen, daſs der Seidenfaden, wie er von der Seidenraupe
erzeugt wird, mit einem Firniſs oder Gummi überzogen sei, der sich in kochendem
Seifenwasser auflöst (vgl. 1877 224 99). Bei dieser
Behandlung lösen sich aber nach L. Gabba und O. Textor (Berichte der
deutschen chemischen Gesellschaft, 1879 S. 17) zugleich die färbenden
Bestandtheile des Seidenfadens auf. Cocons verlieren beim wiederholten Abkochen mit
Seife 22,26 Proc. Rohseide 20,14 Proc. so daſs beim Abwickeln der Coconfaden in
heiſsem Wasser 2,12 Proc. organische Stoffe verloren gehen. Gerade diese sind es
aber, die der Rohseide Ansehen, Farbe und Stärke geben und daher in der Rohseide
zurückbleiben sollten. Um das Abwickeln der Cocons zu ermöglichen, muſs das
natürliche Gummi zwar erweicht, aber nicht gelöst werden, da es die einzelnen
Coconfäden zusammenkleben soll, um nach dem Erhärten dem Rohseidenfaden seine
Festigkeit zu geben. Die Stärke der Seide nimmt genau im Verhältniſs des Verlustes
an löslichen Stoffen ab, während die Elasticität nur in untergeordneter Weise davon
abhängt. Da nun die Cocons bei der Rohseide-Erzeugung in heiſsem Wasser erweicht und
zur Erleichterung der Abwickelung des Fadens in demselben schwimmend erhalten
werden, so liegt es nahe, daſs die Zusammensetzung des Wassers nicht ohne Einfluſs
auf die Beschaffenheit der erhaltenen Seide sein kann.
Umfassende Versuche zeigten nun, daſs die in den weichen Wässern ersponnenen Seiden
weniger ansehnlich, weniger schön in Farbe und weniger kräftig waren als jene, welche
mit den härteren Wässern dargestellt waren. Der Grund liegt eben darin, daſs die
löslichen Stoffe von den weichen Wässern leichter als von den harten aufgelöst und
damit der Seide entzogen werden, während sie derselben doch grade erhalten bleiben
sollten.
Um die Einwirkung der Wässer auf die Seide kennen zu lernen, wurden Spinnversuche in
destillirtem Wasser sowie in Lösungen der am häufigsten in den natürlichen Wässern
vorkommenden Salze ausgeführt. Es ergab sich dabei, daſs die in destillirtem Wasser
gesponnene Seide weich, trüb von Farbe, aber sehr elastisch war. Die trübe Farbe
rührte von aufgelösten organischen Bestandtheilen der Cocons her, welche von dem
Rohseidenfaden aufgesaugt wurden. Die in der Lösung von schwefelsaurem Calcium
gesponnene Seide war hell, weiſslich von Farbe, hart und wenig elastisch. Die in
Natriumcarbonat-Lösung erhaltene Seide war grünlich und hatte einen starken Glanz.
Wenig ansehnlich und von trüber, grünlicher Farbe war die Seide aus der Lösung von
schwefelsaurem Magnesium und die aus Chlorcalcium hatte eine schmutzige Farbe und
war stark haarig.
Es wurden nun Versuche gemacht, die Producte derjenigen Spinnereien, die nur weiches
Wasser haben, durch Zusetzen der dem Wasser fehlenden Stoffe auf die Höhe derjenigen
zu bringen, welche mit hartem Wasser arbeiten, was auch vollständig gelang.
Aus diesen Untersuchungen geht also hervor, daſs die Seiden, welche in kalk- und
alkalireichen Wässern ersponnen werden, die schönsten Producte geben, daſs also der
Rohseidenproducent der Verwendung der harten Wässer den Vorzug gibt. Für den
Stofffabrikanten und namentlich für die Färber sind aber die mit hartem Wasser
ersponnenen Seiden nicht die vortheilhaftesten, denn solche Seiden enthalten immer
etwas Kalk mechanisch eingeschlossen. Durch die Aschenanalysen wurde der Kalk
nachgewiesen; je härter die Wässer waren, in denen die Seiden gesponnen wurden, um
so gröſser waren auch die gefundenen Kalkmengen und selbst durch das Abkochen der
Rohseide behufs des Färbens lieſsen sich diese Kalkeinschlüsse nicht vollständig
entfernen. Da wo Kalktheilchen auf dem Seidenfaden haften, wird der Farbstoff des
Färbebades weniger leicht aufgenommen und die Seide in Folge dessen streifig
erscheinen, ein Umstand, der namentlich für die nicht beschwerten Seiden von
gröſster Wichtigkeit ist. Für helle Farben wird also der Färber den Seiden den
Vorzug geben, welche in weichen Wässern gesponnen wurden.