Titel: | Ueber die Entphosphorung von Roheisen; von Head. |
Autor: | –r. |
Fundstelle: | Band 232, Jahrgang 1879, S. 452 |
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Ueber die Entphosphorung von Roheisen; von
Head.
Head, über Thomas und Gilchrist's Entphosphorung von
Eisen.
Es hat bekanntlich bisher nie gelingen wollen, in der Bessemerbirne auch nur eine
Spur von Phosphor aus dem Roheisen zu entfernen; der Phosphorgehalt des Eisens wuchs
sogar mit der Höhe des Abbrandes, welchen das Eisen während des Processes erlitt.
Aus diesem Grunde konnten nur solche Brände zu Stahl Verblasen werden, welche an
Phosphor sehr arm waren; manche Bessemerhütte kam in Verlegenheit wegen Beschaffung
ihres Rohmaterials und muſste dasselbe zu theurem Preis aus weiter Ferne beziehen.
Die Eisenhüttenbesitzer des Cleveland-Districtes, deren Zukunft seit Erfindung des
Bessemerstahles gefährdet schien, haben vergeblich sich alle erdenkliche Mühe
gegeben, die Ursachen dieser merkwürdigen Erscheinung zu ergründen. Nicht das
geringste Verdienst hat sich J. L. Bell auf diesem
Gebiete erworben, und man ist durch seine rastlosen Arbeiten der Wahrheit auch ein
gut Theil näher gerückt. Erfaſst wurde dieselbe jedoch erst in der jüngsten Zeit von
S. G. Thomas und F. C.
Gilchrist, welche innerhalb ½ Stunde aus geschmolzenem Cleveland-Roheisen
sämmtliches Silicium und ⅘ des Phosphors dadurch entfernten, das sie dasselbe in
einem mit Dolomit und Rotheisenstein ausgefütterten Behälter der Einwirkung eines
stark gepreſsten Windstromes aussetzten. Dieser erste Versuch wurde im December 1878
auf den Acklam-Eisenwerken zu Middlesbrough angestellt. Seitdem ist die Sache unter
dem Schütze der Firma Bolckow, Vaughan und Comp. weiter
verfolgt und ausgebeutet worden, und heute sind dieselben nicht nur zu klarer
Erkenntniſs der hierbei ins Spiel kommenden chemischen Thätigkeiten gelangt, sondern
erzeugen in der Bessemerbirne aus Clevland-Eisen einen Stahl, welcher an Reinheit
alle anderen Guſsstahlsorten übertrifft.
Wegen der auſserordentlich hohen Temperatur, welche während des Blasens in der
Bessemerbirne herrscht, ist es nothwendig, dieselbe innerlich mit einem möglichst
feuerfesten Futter zu bekleiden, und zwar bedient man sich zu diesem Zwecke reinen
Quarzsandes (Ganister). Die durch das Einblasen von Luft in das geschmolzene Metall
hervorgerufene chemische Wirkung besteht nun in der Oxydation sämmtlicher dem Eisen beigemengten
Stoffe, sowie eines Theiles des Eisens selbst. Es entsteht demnach aus dem Silicium
Kieselsäure, aus dem Phosphor Phosphorsäure und aus einem Theile des Eisens
Eisenoxyd. Die einzige vorhandene Base, das Eisenoxyd, hat also zwei Säuren –
Kieselsäure in sehr bedeutender Menge und verschwindend wenig Phosphorsäure – zur
Verfügung und hat nebenbei zu ersterer eine gröſsere chemische Verwandtschaft als zu
dieser. Aus besagten Gründen bildet sich nur Eisensilicat, während die Phosphorsäure
zum Schlüsse des Processes reducirt und wieder an das Eisen gebunden wird.
Ganz anders jedoch stellt sich das Verhältniſs, wenn auſser dem Eisenoxyd noch andere
Basen im Ueberschuſs vorhanden sind, oder mit anderen Worten, wenn das Futter der
Bessemerbirne nicht aus Kieselsäure, sondern aus Metalloxyden besteht, und dies ist
die Grundlage, auf welcher die Entdeckung von Thomas
und Gilchrist beruht. Zur Bekleidung der Birne
verwenden dieselben eine Art Dolomit, welche aus 7 Proc. Kieselsäure, 3,5 Proc.
Thonerde und Eisenoxyd sowie 88 Proc. kohlensaurem Kalk und kohlensaurer Magnesia
besteht. Dieses Material wird gemahlen, in Formen von 229 × 152 × 76mm gepreſst und in Schachtöfen so stark gebrannt,
daſs sämmtliche Kohlensäure entweicht. Die so gebildeten, etwas keilförmigen Ziegel
werden in die Birne eingemauert. Bevor letztere nun mit geschmolzenem Eisen
beschickt wird, gibt man eine nach Gewicht und Güte desselben bemessene Menge
Dolomit und Rotheisenstein in Stücken hinein, welche sich in dem Metallbad lösen und
dadurch das fest eingemauerte Futter vor zu starkem Abbrennen schützen. Nachdem 10
Minuten lang mit einer Pressung von 775mm
Quecksilber geblasen worden ist, wird eine weitere Menge Dolomit und Rotheisenstein
eingeworfen, sodann das Blasen noch 15 Minuten fortgesetzt und schlieſslich
geschmolzenes Spiegeleisen zugefügt. Nach weiteren 6 Minuten Blasezeit ist die
Charge beendet. Die durch den Proceſs gebildete Schlacke, welche an Menge etwa das
Doppelte der bei dem früheren Verfahren erhaltenen beträgt, ist stets basisch,
während sie sonst entschieden sauer war, und in diesem Umstand allein ist der Grund
zu suchen, warum der Phosphor von ihr aufgenommen wird, ungeachtet der
auſserordentlich hohen Temperatur, welche demnach hierbei ganz einfluſslos ist.
Der auf diese Weise aus Cleveland-Eisen mit 1,5 Proc. Phosphor erzeugte Stahl
enthielt nur noch 0,02 Proc. Phosphor und bewährte sich bei sämmtlichen
Festigkeitsproben vortrefflich. Die Mehrkosten des Verfahrens gegenüber dem bisher
üblichen Proceſs können wegen der Billigkeit der zur Verwendung kommenden Zuschläge
nur unbedeutend sein; dagegen bleibt es fortgesetzten Versuchen vorbehalten, mit
welchem Grade von Regelmäſsigkeit das Endproduct erzeugt werden kann. (Nach dem
Engineer, 1879 Bd. 47 S. 273.
Vgl. D. R. P. Anmeldung Nr. 11468 vom 20. Mai 1878.)
–r.