Titel: | Ueber die Zusammensetzung des Pyropissits; von Prof. Dr. H. Schwarz in Graz. |
Autor: | H. Schwarz |
Fundstelle: | Band 232, Jahrgang 1879, S. 466 |
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Ueber die Zusammensetzung des Pyropissits; von
Prof. Dr. H. Schwarz in Graz.
Schwarz, über die Zusammensetzung des Pyropissits.
In dem Braunkohlen führenden Gebiete Thüringens, das zwischen Halle, Merseburg,
Weiſsenfels, Naumburg und Zeitz gelegen ist, findet sich eine eigentümliche
feinpulverige Kohlenvarietät, welche besonders im getrockneten Zustande sehr hell
gefärbt erscheint und ungemein leicht ins Gewicht fällt. Sie hat den mineralogischen
Namen „Pyropissit“ erhalten, weil sie beim Erhitzen pechartig, fast wie
Siegellack schmilzt; die Farbe ändert sich dabei durch Aneinanderbacken der Theile
ins Braunschwarze um.
Der Pyropissit ist in wechselnder Menge der übrigen Braunkohle beigemischt. Man
erkennt dies aus der hellen Farbe, welche einzelne Kohlenstücke beim Austrocknen an
der Luft annehmen, an dem niedrigen Volumgewichte, an der hellen leuchtenden Flamme,
mit welcher die Kohle verbrennt, endlich – bei der Destillation – an der reichen
Ausbeute an paraffinreichem Theer. Auch das Vermögen der erdigen Kohle, nach
vorhergegangener Erwärmung durch starke Pressung sich zu festen glänzenden
Briquettes formen zu lassen, dürfte theilweise auf die Beimengung dieser leicht
zusammenbackenden Kohle zurück zu führen sein. Unter den heutigen gedrückten
Preisverhältnissen der Theerproducte ist eine einigermaſsen lohnende
Theerschweelerei nur bei solchen an Pyropissit reichen Kohlen zu erwarten. Statt 5
bis 7 Proc. Theerausbeute, welche die dunkleren Kohlen dieses Thüringer Reviers im
Durchschnitt liefern, ist ein Betrag von 15 bis 20 Proc. und darüber bei solcher
hellen Schweelkohle nicht ungewöhnlich. Zu einer bestimmten Theerproduction braucht
man dann auch weniger ausgedehnte Anlagen, weniger Retorten, Brennmaterial und Arbeitslöhne.
Es ist daher nicht zu verwundern, daſs solche Lager mit viel Pyropissit eifrig
aufgesucht, hoch bezahlt und sehr sorgfältig ausgebeutet werden.
Der Pyropissit, diese nicht nur vom technischen, sondern auch vom mineralogischen und
geognostischen Standpunkte aus interessante Substanz zog schon in den dreiſsiger
Jahren dieses Jahrhunderts die Aufmerksamkeit der Chemiker auf sich. Wackenroder und nach ihm Brückner behandelten ihn der Reihe nach mit verschiedenen Lösungsmitteln,
wie Alkohol von steigendem Procentgehalte, kalt und kochend, Aether u.s.w., trennten
auch durch Fällung mit Bleizucker die sauren Körper von den indifferenten und
erhielten so eine Anzahl wenig von einander verschiedener, Wachs oder Harz ähnelnder
Substanzen. Es dürfte genügen, deren Namen – Cerinin, Leucopetrin, Georetinsäure,
Geomyricin, Geocerinsäure, Geocerain und Geocerinon – anzuführen, letzteres ein
Destillationsproduct, welches augenscheinlich mit dem später im Groſsen
dargestellten Paraffin identisch ist. Die genaueren Angaben über Darstellung,
Eigenschaften, Zusammensetzung und versuchte Formeln finden sich in Gmelin's Handbuch der Chemie zusammengestellt.
Ich war einer der Ersten, welche die jetzt so ausgedehnte Industrie der Theerproducte
in Thüringen ins Leben gerufen. Es lag mir daher auch nahe, in meiner jetzigen
akademischen Stellung die wissenschaftliche Frage nach der eigentlichen
Zusammensetzung des Pyropissits aufs Neue in die Hand zu nehmen. Der
Liebenswürdigkeit eines alten Freundes, des für die Theerindustrie als praktische
Autorität so hochstehenden Hrn. Commercienrath Dr. B.
Hübner in Leipzig, verdanke ich eine Sendung des reinsten, hell
lederfarbenen Pyropissits.
Natürlich versuchte ich zuerst, die von meinen Vorgängern dargestellten Substanzen
auf dem von ihnen angegebenen Wege selbst zu gewinnen, muſs aber bekennen, daſs mir
dies nicht im gewünschten Maſse gelungen ist. Vielleicht arbeiteten Jene mit einem
complicirter zusammengesetzten, der dunklen Braunkohle sich nähernden Material,
während mir ein fast reiner Pyropissit zu Gebote stand; vielleicht aber wurden ihre
Resultate durch die Schwierigkeiten der Extraction beeinfluſst, die gerade bei
diesem Material sehr bedeutend sind. Es konnte da die Annahme verschiedener Substanzen veranlaſst werden, während
doch nur Theile derselben Substanz, welche das erste
Lösungsmittel übrig gelassen, in das später angewendete übergingen.
Meist nur bei längerem Kochen mit den Lösungsmitteln wird ein einigermaſsen
erheblicher Antheil der Substanz gelöst, bei sinkender Temperatur aber sehr rasch
wieder ausgeschieden und zwar in wenig krystallinischem, sehr aufgequollenem
Zustande, der ein schwieriges Auswaschen zur Folge hat. Eine Extraction in einem
continuirlich wirkenden Apparate, wie er von Drechsel
angegeben ist, gab daher trotz tagelanger Behandlung nur sehr geringe Ausbeute, gleichgiltig ob man Aether,
Schwefelkohlenstoff, Benzol, Petroläther (Ligroin) oder endlich Alkohol von
verschiedener Stärke als Lösungsmittel anwendete. Das in dem aufsteigenden Kühler
condensirte Lösungsmittel dringt übrigens beim Abtropfen, wenigstens bei der
vorliegenden Form des Apparates in gerader Richtung nach abwärts und läſst die
seitwärts liegenden Theile fast unberührt. Hierdurch, sowie durch die niedrige
Temperatur der aus dem Kühler zurückflieſsenden Flüssigkeit mag die geringe Wirkung
erklärt werden.
Beim Kochen der Substanz mit dem Lösungsmittel und Heiſsfiltriren genügt auch der
gewöhnliche Wasserbadtrichter nicht. Erhitzt man denselben zu stark, so verdunstet
zu viel vom Lösungsmittel, und trotzdem tritt im Trichterrohr, das man kaum genügend
warm halten kann, gar zu leicht eine Verstopfung ein. Schlieſslich blieb ich bei
einem Apparate stehen, bei welchem das Filter von unten durch den Dampf der
Lösungsflüssigkeit selbst erhitzt wird.
Ein Kochkolben steht auf einem Sand- oder Wasserbade. Im Halse desselben ist mittels
eines gut schlieſsenden Korkes die Extractionsbirne des früher erwähnten Apparates
mit schief abgeschnittenem Abtropfrohre befestigt. In dieser Birne wird ein
Sternfilter aus leicht filtrirendem Papier trocken eingesetzt. Es legt sich
gleichmäſsig an die Wandung, schlieſst aber nur lose im Trichterhalse, so daſs dort
der Dampf aus dem Kolben leicht vorbeistreichen kann. Zum Eingieſsen dient ein
kleiner langhalsiger Trichter, der später mit einem Uhrglase bedeckt wird.
Will man diesen Apparat in Gang setzen, so gieſst man zuerst eine kleine Menge des
Lösungsmittels durch den Trichter auf das Sternfilter. Was durchläuft, sammelt sich
im Kolben an und wird dann durch die untergesetzte Gasflamme so lange zum Sieden
erhitzt, bis Birne und Filter gleichmäſsig durch die Condensation des Dampfes
erhitzt sind. Erst wenn der Dampf aus dem Einguſstrichter zu entweichen droht, wird
die Flamme so weit gemäſsigt, daſs die erhöhte Temperatur der Birne eben erhalten
wird. Unterdessen wird die zu lösende Substanz mit dem Lösungsmittel zum Sieden
erhitzt, was bei Aether u.s.w. am sichersten natürlich im Wasserbade geschieht.
Sobald alles gelöst erscheint, läſst man einen Augenblick absetzen und gieſst dann
die klare Lösung durch den Trichter auf das Sternfilter. Unter diesen Umständen
filtrirt die Lösung sehr rasch und läuft bis auf den letzten Tropfen ab. Sollte
zufällig im Halse der Birne oder in dem Räume zwischen Filter und Birne eine
Verstopfung entstehen, so hilft dem eine rechtzeitige stärkere Dampfbildung aus dem
untern Kolben ab; doch ist es besser, schon anfangs genügend Lösungsmittel
anzuwenden, damit nicht gleich bei der geringsten Temperaturverminderung eine solche
Ausscheidung sich einstellt. Durch Wiederholung des Auskochens, Aufbringen des
Rückstandes auf das Filter und schlieſsliches Auswaschen mit dem heiſsen
Lösungsmittel läſst sich eine vollkommene Erschöpfung bewirken. Den ungelösten
Rückstand kann man nach dem Trocknen leicht entfernen, falls die obere Birnenöffnung
nicht gar zu eng ist. Diese Filtration im eigenen Dampfe dürfte sich in vielen
schwierigen Filtrationsfällen als recht zweckmäſsig bewähren.
Das rohe Material wurde zuerst einer Gesammtanalyse unterzogen; die lufttrockene
Kohle enthält:
Hygroskopisches Wasser
20,86
Proc.
Asche
10,88
Organische Substanz
68,26
Bei 100° getrocknet hinterläſst die Substanz 13,89 Proc. Asche. Nach Abzug derselben
ergeben 100 Theile organischer wasser- und aschenfreier Substanz:
C
74,19
Proc.
H
11,46
O
14,35
Eine Formel für letztere aus der Analyse abzuleiten, unterlasse ich, da, wie spätere
Extractionsversuche zeigten, selbst nach vollkommener Erschöpfung mit Lösungsmitteln
immer noch etwas organische Substanz im Rückstande, der Asche, beigemengt verbleibt.
Die Farbe des erschöpften Materials erscheint dunkler braun, und dürfte vielleicht
deshalb eine Beimengung gewöhnlicher Braunkohle nicht ganz ausgeschlossen sein. Der
Lösungsrückstand hinterläſst übrigens beim Glühen schon 54 Proc. Asche, so daſs der
organische Rückhalt unbedeutend ist.
Die Asche enthält viel Sand, etwas Thon, Gyps und kohlensauren Kalk, sehr wenig
Eisenoxyd und eine Spur Phosphorsäure, die sich durch den Molybdänniederschlag
nachweisen läſst. Eine Durchschnittsanalyse, die mein Assistent, Hr. Pastrovich, ausführte, ergab:
Kieselsaure
60,48
Thonerde und Eisenoxyd
28,63
Kalk
6,96
Schwefelsaure
2,12
Kohlensaure, Phosphorsaure und Verlust
1,81
––––––
100,00.
Ich wendete zuerst die gewöhnlichen indifferenten Lösungsmittel für derartige Harze
oder Wachsarten: Aether, Schwefelkohlenstoff, starken Alkohol, vorzüglich aber
leichtes Petroleum, das sogenannte Ligroin an. Nur bei Siedetemperatur und oft
wiederholtem Auskochen mit gröſseren Mengen Lösungsmittel tritt eine einigermaſsen
vollkommene Erschöpfung ein. Die heiſs filtrirte Lösung setzt beim Erkalten die
gelöste Substanz in Form von hell gelblichen Körnern ab, die nach dem Abfiltriren,
Abwaschen und Absaugen auf Flieſspapier, an der Luft getrocknet, ein feinkörniges
Pulver hinterlassen. Unter dem Mikroskop bei starker Vergröſserung betrachtet,
erscheint die Substanz
in rundlichen Körnern und Warzen, die beim Zerdrücken eine feine, radial verlaufende
Streifung zeigen, was indessen das einzige Anzeichen von Krystallisation darstellt.
Sehr häufig zeigen sich an einander haftende Aggregate von Kugelbruchstücken mit
entsprechend verlaufender radialer Streifung. Das anhaftende Ligroin verdunstet
bald, ein etwaiger Rest geht beim Erhitzen fort, wobei die Masse schmilzt und dann
beim Erkalten zu einem mäſsig spröden Wachs erstarrt, das schwach bräunlich gefärbt
erscheint.
Ich habe es vorgezogen, bei diesen wie bei den später zu berührenden Substanzen die
Erstarrungs- statt der Schmelzpunkte zu ermitteln, da erstere constanter erscheinen
und bequemer zu bestimmen sind. Alle diese Bestimmungen wurden mit einem
Geiſsler'schen Normalthermometer ausgeführt. Der Quecksilberbehälter wurde in die
schmelzende Substanz eingetaucht und nach dem Herausziehen der Augenblick
beobachtet, in welchem das durch das Quecksilber gespiegelte Bild eines hellen
Fensters z.B. sich zu trüben anfing. Zweckmäſsig ist es, wenn dabei ein zweiter
Beobachter gleichzeitig dem Gang des Quecksilberfadens folgt und im gegebenen
Augenblicke die Temperatur abliest.
Je nach der Art der Extraction und des Lösungsmittels erhielt ich Substanzen, die in
Erstarrungspunkt und Elementarzusammensetzung etwas von einander abwichen. Bei der
Extraction im continuirlich wirkenden Apparate, also mit kaltem Ligroin, wurde eine
Substanz in relativ geringer Menge erhalten, welche den Erstarrungspunkt von 82° und
die Zusammensetzung besaſs:
C
79,87
Proc.
H
13,16
O
6,97
In gleicher Art mit Aether extrahirte wachsartige Substanz zeigte die
Zusammensetzung:
C
80,07
Proc.
H
13,20
O
6,73
Abweichend davon zeigte die mit Schwefelkohlenstoff gelöste Substanz den
Erstarrungspunkt 79 bis 80° und die Zusammensetzung:
C
77,84
Proc.
H
12,64
O
9,52
Beim Auskochen mit Ligroin und heiſser Filtration erhielt ich beim Erkalten eine
Substanz, die ebenso bei 79 bis 80° erstarrte und bei der Analyse ergab:
C
77,95
Proc.
H
12,62
O
9,43
Beim Extrahiren mit kochendem absolutem Alkohol endlich erhielt ich gleichen
Erstarrungspunkt und eine Zusammensetzung von:
C
78,24
Proc.
H
12,45
O
9,31
Bei den Verbrennungen wurde die Substanz im Schiffchen geschmolzen
und abgewogen, dann mittels körnigen Kupferoxydes und schlieſslich durchgeleiteten
Sauerstoffes verbrannt. Das gekörnte Kupferoxyd wurde fast glühend in das
Verbrennungsrohr eingefüllt, um einer genauen Bestimmung des Wasserstoffes sicher zu
sein, und die Verbrennung überhaupt sehr langsam geführt. Die Resultate stimmten
daher sehr gut mit einander, wenn gleiche Substanzen verbrannt wurden.
Wie wir weiter unten sehen werden, liegen hier nur verschiedene Anhydroverbindungen
einer und derselben organischen Säure vor, welche einigermaſsen im Verhalten zu den
Lösungsmitteln differiren. Möglicher Weise liegt nur ein Anhydrid vor, das mit dem
betreffenden Säurehydrat gemischt ist, oder beim Lösen selbst theilweise in dasselbe
übergeht. Die Aufklärung dieser Verhältnisse ergibt sich, wenn man zu einem tiefer
eingreifenden Lösungsmittel, d.h. zu Kali oder Natron haltenden Alkohol seine
Zuflucht nimmt. Hierdurch wird ein so überwiegender Antheil der organischen Substanz
in Lösung gebracht, daſs man dieses als das beste Lösungsmittel bezeichnen muſs.
Zugleich erhält man dadurch stets einen Körper von constanter Zusammensetzung und
Eigenschaften, d.h. das Salz einer Fettsäure, welche theils direct aufgenommen,
theils aus den Anhydriden durch Wasseraufnahme gebildet wird.
Wenn man Alkohol von 90 bis 94 Proc. Tr. mit 1/10 seines Volums
einer 30procentigen Aetzkali- oder Aetznatronlösung vermischt, von den etwa
ausgeschiedenen Verunreinigungen abgieſst und 20 Theile dieser Flüssigkeit auf 1
Theil feingepulverten Pyropissit bei Siedehitze einwirken läſst, so werden etwa 57
Proc. des lufttrockenen Pyropissits an organischer Substanz in Lösung gebracht. 5g lufttrockner Pyropissit hinterlieſsen einen
trocknen Rückstand von 1g,106, welcher beim
Verbrennen 0g,572 Asche lieferte. Hiernach
zerfallen 100 Th. lufttrockner Pyropissit in:
Feuchtigkeit
21,0
Asche
11,4
Damit vermischte organische Substanz
10,3
Gelöste organische Substanz
57,3.
Dies ist eine Erschöpfung des Pyropissits an organischer Substanz, die bisher in
keiner Art zu erreichen war.
Das Filtrat ist in der Hitze klar und bräunlich gefärbt und zwar
um so weniger, je sorgfältiger ein Alkaliüberschuſs vermieden wurde. Beim Erkalten
erstarrt die Flüssigkeit zu einem hell lederfarbenen Brei von undeutlichen
Krystallen des Alkalisalzes, die sich unter dem Mikroskop als sehr feine, weiche,
oft sichelförmig gekrümmte Nadeln darstellen. Durch Abfiltriren, Absaugen und
Auswaschen mit kaltem starkem Alkohol können sie von der dunkleren Mutterlauge
befreit werden. Diese liefert übrigens beim Abdestilliren eines Theiles des
Alkoholes und Erkalten eine neue, nur etwas dunklere Krystallisation gleicher Art,
und selbst die letzte wässerige Mutterlauge liefert bei der Zersetzung durch Säuren
noch Fettsäure, welche in der zuerst ausgeschiedenen Alkaliverbindung vorliegt.
Natürlich sind in dieser Mutterlauge auch der Ueberschuſs an Kali und die durch die
Berührung mit dem Alkohol entstandenen Zersetzungsproducte enthalten.
Die verschiedenen rohen Krystallisationen lassen sich durch
erneutes Auflösen in starkem kochendem Alkohol, Zusatz von aschenfreier Knochenkohle
und Filtriren
reinigen. Ein schwach gelblicher Stich scheint selbst dem reinsten Salze
eigentümlich zu sein. Um einen etwaigen Ueberschuſs an Alkali zu beseitigen, kann
man durch die kochende Alkohollösung einen Strom gewaschener Kohlensäure leiten,
wodurch dieser Ueberschuſs in Form von unlöslichen Carbonaten gefällt wird, von
denen man die Flüssigkeit klar abgieſst.
Nach dem Trocknen an der Luft erhält man das Salz als krümliches, gelblich weiſses
Pulver. Im Luftbade erhitzt, fängt es bei 130° an zusammenzusintern, bedarf aber
mindestens einer Wärme von 150°, um völlig zu schmelzen. Diese Verbindung zeigt alle
charakteristischen Eigenschaften einer Seife. Sie löst sich in kochendem Wasser zu
einer nur schwach opalisirenden Flüssigkeit, die ebenso stark schäumt als eine
gewöhnliche Fettsäureseife und sich in der That zum Waschen verwenden lieſse. Die
Lösung wird ferner in derselben Art, wie eine gewöhnliche Seife durch einen
Ueberschuſs an Aetzalkali, durch einen Zusatz von Kochsalz, wodurch sie gleichzeitig
in Natronseife sich umbildet, endlich durch Salze von Kalk, Magnesia u.s.w. gefällt,
wobei sie durch die Bildung von Kalkseife natürlich die Eigenschaft zu schäumen
einbüſst. Endlich wird die Lösung durch stärkere Säuren sofort gallertartig gefällt.
Die ausgeschiedene organische Säure ist in diesem Zustande fast weiſs, vollkommen
unlöslich in Wasser, zieht sich aber beim Erwärmen zusammen und schmilzt endlich zu
einem klaren bräunlichen Oele, welches beim Erkalten wachsartig erstarrt.
Die Säure läſst sich reinigen durch Auflösen in kochendem Alkohol, besser noch in
Ligroin, wobei die Spuren etwa unzersetzter Seife als bräunliche Syrup-artige
Flüssigkeit zurückbleiben. Die Lösung in diesen und analogen Lösungsmitteln erfolgt
nunmehr bedeutend leichter als bei den Anhydriden des Pyropissits, aus denen die
Säure durch die Behandlung mit alkoholischem Kali gebildet wurde. Die Lösungen
können ebenfalls durch Knochenkohle etwas entfärbt werden. Der Versuch, mittels
concentrirter Schwefelsäure oder Chlor die Entfärbung der geschmolzenen Säure
herbeizuführen, erwies sich, wie vorauszusehen, erfolglos und führte nur zu
tiefgreifenden Zersetzungen. Aus dem Ligroin krystallisirt die Säure in kleinen
weiſsen Warzen heraus, die unter dem Mikroskop aus undeutlich krystallinischen
Nädelchen bestehend sich zeigen. Das schwammartig von ihnen eingeschlossene Erdöl
verdampft nach und nach an der Luft beim Auflegen des Filters auf Papier
vollständig. Um aber sicher zu sein, daſs nicht etwa schwerer flüchtige Oele des
Erdöles zurückbleiben, habe ich auch zuletzt aus wasserfreiem Aether
umkrystallisirt, ohne indessen ein abweichendes Verhalten der so gereinigten Säure
feststellen zu können. Auf Lackmuspapier reagirt die in Wasser völlig unlösliche
Säure nicht, eine alkoholische Lösung derselben färbt es roth. Die trockne Säure
schmilzt beim Erhitzen zu einer klaren gelblichen Flüssigkeit. Wird die Erhitzung im
Luftbade über 130° getrieben, so tritt langsam Bräunung und Oxydation ein. Am besten trocknet man zur
Elementaranalyse im Luft- oder Wasserstoffstrome und im Wasserbade. Ich habe im
letzteren Falle indessen keine wesentliche Abweichung der analytischen Ergebnisse
gegenüber der Trocknung in der Luft beobachten können. Ueber 130° hinaus scheint
eine langsame Verdunstung einzutreten, weshalb die abgewogenen Proben langsam, aber
constant an Gewicht verlieren. Bei directer Erhitzung in einer Retorte geht eine
vollständige Verflüchtigung ohne wesentlichen kohligen Rückstand vor sich. Auf dem
Platinbleche erhitzt, schmilzt die Substanz, entzündet sich und verbrennt mit
hellleuchtender, wenig ruſsender Flamme. Der Erstarrungspunkt endlich wurde bei den
verschiedensten Proben zu 76° gefunden.
Die Analyse ergab, bei Probe I aus Ligroin, bei Probe II aus absolutem Alkohol, bei
Probe III aus Aether krystallisirt:
I
II
III
C
76,20
75,95
75,89
Proc.
H
12,65
12,69
12,31
O
11,15
11,36
11,80
Die einfachste, sich hieraus ergebende Formel ist C9H18O. (C9
= 76,05, H14 = 12,65 und O = 11,30 Proc.) Nach den
Analysen der betreffenden Salze müssen wir diese Formel verdreifachen und sie als
C27H53O2.HO schreiben.
Um diese Moleculargröſse der Säure zu finden, wurde der Gehalt an
Basis in den verschiedenen Salzen bestimmt. Bei den Alkalisalzen bediente ich mich
theils des Eindampfens mit Schwefelsäure, Glühens und Wiegens, theils der
maſsanalytischen Bestimmung. Die Fettsäure wurde durch einen gemessenen Ueberschuſs
von Normalsalzsäure aus der kochenden wässerigen Seifenlösung ausgeschieden und nach
dem Erkalten auf ein gewogenes Filter abfiltrirt und gewogen, während das Filtrat
mit Normalalkali zurücktitrirt wurde, also ganz wie bei einem gewöhnlichen
maſsanalytischen Verfahren der Seifenanalyse. Es kann auf diese Art auch eine Lösung
von unbekanntem Gehalt an Substanz analysirt werden. Beide Bestandtheile, Säure und
Basis, addirt und für die Basis das äquivalente Wasser von der Summe abgezogen,
ergibt das angewendete trockne Salz, worauf sich dann leicht der Procentgehalt an
Basis berechnen läſst.
Aus dem gewöhnlich zuerst dargestellten Kalisalze läſst sich durch Aussalzen das
Natronsalz darstellen; doch wurde auch direct mit natronhaltigem Alkohol ausgezogen
und das ausgeschiedene Natronsalz nach der Reinigung analysirt.
Aus der wässerigen Lösung des Kali- oder Natronsalzes erhielt man
durch Zusatz von Chlorbarium oder salpetersaurem Silber in geringem Ueberschusse,
Auswaschen und Trocknen des Niederschlages die neutralen Baryt- und Silbersalze. Die
Barytbestimmung erfolgte durch Einäschern mit Schwefelsäure, die Silberbestimmung
durch einfaches Glühen. Das Silbersalz war sehr voluminös, anfangs weiſs, färbte
sich aber am Tageslichte bald braun, ohne indessen, wie die Analyse zeigt, seine
Zusammensetzung dadurch wesentlich zu ändern.
Die Ergebnisse der Analyse sind folgende:
Kalisalz, lufttrocken, verlor 7,00 Proc. H2O, bei 100°, hin- terlieſs beim
Glühen 9,64 Proc. K2O, auf waserfreies
Salz berechnet
10,36 Proc. K2O
Das Kalisalz einer andern Bereitung, wassserfrei,
durch Glühen
10,45
Proc.
K2O
Dasselbe, maſsanalytisch
10,21
„
„
Ein unreineres Salz aus Mutterlauge
9,82
„
„
Lassen wir letztere Bestimmung aus, so finden wir im
Mittel
10,34
„
„
Die
Formel
C27H53KO3
erfordert
10,13
„
„
„
„
C27H53O3 +2H2O für lufttrocknes Salz erfordert
7,20
„
H2O.
Natronsalz, aus Kalisalz durch Aussalzen
dargestellt, ergab durch Glühen
7,27
Proc.
Na2O
Ein anderes, direct erhalten
7,54
„
„
Ein drittes, mehrmals aus Alkohol
umkrystallisirt
6,67
„
„
Im Mittel
7,22
„
„
Die Formel C27H53NaO3
erfordert
6,92
„
„
Barytsalz, trocken, durch Glühen:
Berechnet nach
Gefunden
(C27H53O3)2Ba
BaO
16,15
15,52 Proc.
Silbersalz, trocken durch Glühen:
Gefunden
Berechnet nach
I
II
C27H53AgO3
Ag
20,55
20,47
20,26 Proc.
Zur ferneren Bestätigung der Formel für die Säure wurden noch der Aethyl- und
Amyläther derselben durch Lösen der Säuren in den betreffenden kochenden Alkoholen
und Sättigen mit trocknem Salzsäuregas dargestellt. Sobald genügende Sättigung
eingetreten, scheiden sich die Aether in ölartigen Tropfen aus, welche beim Erkalten
fest werden.
Der Aethyläther erstarrte bei 69 bis 70° und ergab bei
der Elementaranalyse:
Berechnet nach
Gefunden
C27H53O3.C2H5
C
76,60
76,65
Proc.
H
12,60
12,77
O
10,50
10,58
Der Amyläther erstarrte bei 64°:
Berechnet nach
Gefunden
C27H53O3.C5H5
C
77,33
77,41
Proc.
H
12,90
12,90
O
9,77
9,69
Ueber den Namen, den ich der Säure geben sollte, habe ich einige Zeit geschwankt. Man
kann sie mit der Stearinsäure in Vergleich bringen. Diese hat die Formel C18H36O2, meine Säure C27H54O3,
wäre daher als Sesquistearinsäure zu bezeichnen. Da sie sich indessen in ihrem
Verhalten, in der Schwerlöslichkeit, in dem Aussehen der geschmolzenen Säure, dem
Wachse nähert, so zog ich es vor, sie in Zusammenhang mit der Cerotinsäure des
Wachses zu bringen, und bezeichne sie demnach als „Oxycerotinsäure“. Man kann annehmen, daſs die durch indifferente
Lösungsmittel aus dem Pyropissit ausgezogenen Substanzen Anhydride der
Oxycerotinsäure sind, aus denen sie sich beim Kochen mit alkoholischem Kali durch
Wasseraufnahme bildet:
C_{27}H_{54}O_3-H_2O=C_{27}H_{52}O_2 und
2\,C_{27}H_{54}O_3-H_2O=C_{54}H_{106}O_5=\left.C_{27}H_{53}O_2\atop
C_{27}H_{53}O_2\right\}O.
Letztere Verbindung kann auch als eine Verbindung von Anhydrid mit Säure betrachtet
werden:
Berechnet
Gefunden
C27
79,51
79,87
80,07
Proc.
H52
12,74
13,16
13,20
O2
7,75
6,97
6,73
C54
77,69
77,84
77,95
Proc.
H106
12,80
12,64
12,62
O5
9,51
9,52
9,43
Die Formel C27H52O2 ist nur durch 2H von der der Cerotinsäure
verschieden, deren Elementarzusammensetzung nur unmerklich abweicht.
Da die helle Schweelkohle hauptsächlich durch Destillation verwerthet wird, lag es
nahe, die reine Oxycerotinsäure ebenfalls dem Destillationsprocesse zu
unterwerfen.
Durch die gewöhnliche Destillation erhielt ich ein hellgelbes weiches Destillat vom
Erstarrungspunkt 53°, das durch Reinigung mittels Ligroin bis auf den
Erstarrungspunkt 69° gebracht wurde, dabei aber wachsartig knetbar verblieb, während
die Ligroinmutterlauge ein butterartiges Product mit Paraffinblättchen hinterlieſs,
welche nach dem Abpressen bei 44° erstarrten.
Bei der Destillation der reinen Oxycerotinsäure unter geringem Druck verändert sie
sich viel weniger. Das Destillat war hart, spröde und lieſs sich zu einem staubigen,
sehr elektrischen Pulver zerreiben, ganz wie die unveränderte Säure. Der
Erstarrungspunkt, anfangs auf 73° gesunken, stieg durch die Reinigung mit Ligroin
wieder bis auf 75°, was mit dem der unveränderten Säure nahe zusammenfällt.
Wurde der rohe Pyropissit mit überhitztem Dampfe destillirt, so erhielt ich, nebst
wenig schwach leuchtenden Gasen bis 55 Procent eines ziemlich harten, aber dunkel
gefärbten Destillates, das bei 55 bis 56° erstarrte, also dem aus reiner Säure durch
Destillation unter Luftdruck erhaltenen einigermaſsen entsprach. Nach dem Auswaschen
mit kaltem Ligroin, dem Auflösen des Rückstandes in kochendem Ligroin, nach der
Entfärbung der Lösung durch entkalkte Knochenkohle und Krystallisation erhielt ich
weiſse Körnchen von 77° Erstarrungspunkt und der Procent-Zusammensetzung:
Gefunden
Berechnet
I
II
III
IV
Mittel
für C54H106O5
C
78,54
78,52
78,44
78,47
78,49
77,69
H
13,18
13,08
13,06
13,06
13,15
12,80
O
8,28
8,40
8,50
8,57
8,36
9,51.
Man könnte dieses Product als identisch mit dem einen Anhydride C54H106O5 betrachten, nur durch einen Körper von niedrigerem
Schmelzpunkt und höherem Kohlenstoffgehalte verunreinigt. In der That löst sich die
Substanz zum groſsen Theil in alkoholischem Kali beim Kochen; es bleibt aber ein nur
in heiſsem Ligroin löslicher Rückstand in geringer Menge, welcher bei der Analyse
ergibt:
C
80,98
Proc.
H
13,30
O
5,72
Die Formel C54H102O3, d.h. 2 Oxycerotinsäure minus 3H2O, liefert:
C
81,20
Proc.
H
12,78
O
6,02
Der Schmelzpunkt konnte nicht genau bestimmt werden.
Als ich, um den Farbstoff zu beseitigen, das Product der Destillation mit üherhitztem
Dampfe nochmals unter schwachem Druck destillirte und erst dieses Destillat der
Ligroinreinigung unterwarf, sank der Erstarrungspunkt der reinen Substanz auf 71°;
sie erschien nach dem Schmelzen auffallend wachsartig und ergab die
Procent-Zusammensetzung:
Gefunden
Mittel
Berechnet
I
IIa
IIb
für C17H34O
C
80,33
80,22
80,27
80,27
80,31
H
13,49
13,32
13,53
13,44
13,38
O
6,18
6,46
6,20
6,29
6,31.
Die Bildung dieser mehr Paraffin als Wachs artigen Substanz, die wahrscheinlich auch
bei der Destillation der reinen Oxycerotinsäure entsteht, läſst sich ohne
Schwierigkeit in der Art deuten, daſs 2C27H54O3 zerfallen in
3(C17H34O) +
CH4
+ CO2 + H2O. Gehen wir von Anhydrid C54H106O5 aus, so fällt nur das H2O weg. Nebenbei erhält man freilich eine Menge von öligen Substanzen und
weiche Paraffine.
Wäre eine nicht allzu umständliche Reindarstellung der Oxyceratinsäure im Groſsen
möglich, so würde sich dieselbe sowohl zur Seifendarstellung, als auch als
ausnehmend hartes Kerzenmaterial verwenden lassen. Leider ist die Verseifung durch
wässeriges Alkali bisher daran gescheitert, daſs sich die beigemischte Huminsäure
der Braunkohle mit dunkler Farbe gleichzeitig löst und die Masse dabei so aufquillt,
daſs z.B. eine Trennung durch Absetzen oder Filtriren völlig unmöglich erscheint.
Eine Entfärbung des Dampfdestillates durch concentrirte Schwefelsäure nach Analogie
des Paraffins scheitert an der intensiven Schwarzfärbung und Zersetzung der ganzen
Masse. Die Schwefelsäurereinigung ist nur bei denjenigen Kohlenwasserstoffen
möglich, die nur noch Spuren gebundenen Sauerstoffes enthalten.
Dies zeigt sich recht auffallend bei dem vergleichsweise ebenfalls untersuchten
Erdwachs oder Ozokerit. Hier ist der Sauerstoff gegenüber dem Pyropissit schon sehr
zurückgetreten, indessen immer noch gröſser als beim eigentlichen Paraffin. Es läſst
sich der Ozokerit zwar durch Schwefelsäure bleichen, wird aber dabei zum
beträchtlichen Theile zersetzt. Diese bisherige, dem Paraffin entnommene Reinigung
des Ozokerits zeigt sich daher als höchst verschwenderisch und läſst sich leicht
durch eine verbesserte Methode ersetzen. Selbst der dunkelste Ozokerit gibt durch
die schon oft berührte Reinigung mit Ligroin und Knochenkohle ein reines
wachsartiges Product, einen Normalozokerit von 69,5° Erstarrungspunkt. Der mit
Schwefelsäure und Knochenkohle in der gewöhnlichen verschwenderischen Art gebleichte
Ozokerit ergab, nochmals mit Ligroin gelöst und umkrystallisirt, dasselbe Product.
Der Unterschied beider Reinigungsmethoden liegt nur darin, daſs man auf die erstere
Art aus den zweiten Krystallisationen der Ligroinlösung noch einen beträchtlichen
Antheil eines bei 65° erstarrenden zweiten Productes und aus der letzten Lauge
endlich ein weiches knetbares Wachs von 52° Erstarrungspunkt erhält, während diese
Antheile bei der Schwefelsäure-Behandlung gröſstentheils verloren gehen. Ich habe
diese Producte ebenfalls der Elementaranalyse unterworfen:
A) Normalozokerit, I Schwefelsäure-Reinigung. IIa und IIb
Ligroin-Reinigung. Erstarrungspunkt 69,5°.
Gefunden
Berechnet
I
IIa
IIb
für C75H152O
C
84,00
84,01
84,04
84,27
H
14,52
14,26
14,45
14,23
O
1,48
1,73
1,51
1,50.
B) Zweite Ozokeritkrystallisation verschiedener Darstellungen.
Erstarrungspunkt 65 bis 66°.
Gefunden
Berechnet
I
II
III
für C50H102O
C
83,26
83,03
83,59
83,56
H
14,53
14,34
14,29
14,20
O
2,21
2,63
2,12
2,24.
Beim Fehlen von Verbindungen oder Zersetzungsproducten kann man diesen Formeln nur
einen beschränkten Werth beilegen. Sie genügen indessen, um den Satz zu erläutern,
daſs mit dem Sauerstoffgehalte die Empfindlichkeit gegen die Schwefelsäure steigt.
Durch Destillation tritt eine wesentliche Herabsetzung des Schmelzpunktes ein. Das
Destillat erscheint blätteriger und nähert sich dem Paraffin auch darin, daſs es
durch concentrirte Schwefelsäure nur braun gefärbt wird, während roher Ozokerit
unter gleichen Verhältnissen sich in der ganzen Masse schwärzt.