Titel: | Zur Kenntniss des Cementes. |
Fundstelle: | Band 233, Jahrgang 1879, S. 222 |
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Zur Kenntniſs des Cementes.
Zur Kenntniſs des Cementes.
Zusammensetzung des Cementes, Im Anschluſs an seine
früheren Mittheilungen (1878 230 143) hebt L. Erdmenger (Thonindustriezeitung, 1879 S. 4. 171. 188) hervor,
daſs man es aufgeben müsse, den Portlandcement fernerhin als eine bestimmte
chemische Verbindung zu betrachten. Zunächst spricht für diese Anschauung die
ungemein schwankende Zusammensetzung des Cementes. Wenn auch für gewöhnlich auf je
100 Aequivalente Säurebestandtheile 235 bis 250 Aeq. Kalk kommen, so hat Erdmenger doch früher gezeigt (1875 216 69), daſs diese
Grenzen von 190 bis 260 schwanken können, und daſs dabei immer noch ein Product zu
erhalten ist, welches als Portlandcement bezeichnet werden muſs und bei richtiger
Behandlung an der oberen Grenze noch treibensfrei erhalten werden kann. Richtet man
sich aber nicht nach Festigkeit und Treiben, sondern nur nach dem Ansehen der
Schlacken, der sinterigen Beschaffenheit der Stücke, nach Farbe, specifischem
Gewicht u.s.w., so kann man die Grenzen, namentlich nach oben hin noch viel weiter
ziehen. Der Portlandcement ist daher nicht als ein bestimmtes Silicat, sondern als
eine durch Schmelzmittel aufgeschlossene Silicatverbindung zu betrachten; der
vorhandene Thon ist durch Kalk aufgeschlossen. Die bei der langsamen Zerlegung des
geschmolzenen oder gesinterten Productes durch Wasser sich ausscheidenden Stoffe
sind gelatinös, fast sämmtlich fest oder ganz unlöslich und durch die hohe
specifische Dichte des ursprünglich unzerlegten Pulvers von vornherein auf eine
auſserordentlich geringe Raumeinnahme beschränkt. Ohne diese Beschränkung würde sich
jedes einzelne Cementtheilchen erheblich voluminöser aus einander legen. Die
Schwerlöslichkeit des basischen Theiles des Kalkes und namentlich auch des
theilweise sich bildenden kohlensauren Kalkes bedingt erst wesentlich die
hydraulischen Eigenschaften, die Erhärtung im Wasser, während ohne diese
Schwerlöslichkeit die bindenden Stoffe: Kieselsäure, Thonerde und Eisenoxyd nur im
Trocknen als guter Kitt wirken.
Während es also auf den Charakter des basischen Bestandtheiles selbst wesentlich mit
ankommt, ob die Verkittung auch eine hydraulische werden kann und ferner auch von
der Menge der vorhandenen Basis die zu erreichende Festigkeitshöhe abhängen kann,
läuft im Uebrigen die Erzielung eines möglichst guten Portlandcementes auf eine
möglichst vollständige Zerkleinerung der verkittenden Stoffe, namentlich des Thones
hinaus. Dem entsprechend zeigen auch die besten Portlandcemente beim Auflösen in
verdünnter Säure den gelatinösen Charakter in höherem Grade als mangelhafte
Producte.
Erdmenger hat ferner gezeigt, daſs die Nachhärtung des
Cementes nicht von der Aufnahme von Kohlensäure herrührt, sondern die Folge eines
Austrocknens überschüssig vorhandenen Wassers und demgemäſs des Erstarrens
verkittender, vorher im aufgequollenen Zustand befindlich gewesener Substanz ist,
und daſs damit Hand in Hand geht ein rasches Auskrystallisiren aus der in Folge der
Verdunstung übersättigten Lösung. Das Vorhandensein einer gewissen Menge
Cementsubstanz, die sich nach einiger Zeitdauer der Erhärtung im Wasser in mehr oder
weniger chemisch zerlegtem, in jedem Falle aber aufgequollenem Zustande befindet,
beim nachher erfolgenden Austrocknen aber verhältniſsmäſsig rasch in die
Erhärtungswirksamkeit eintritt, der Umstand ferner, daſs letztere sich bei wiederum
erfolgendem Einlegen in Wasser, wenn auch im Wiederholungsfalle des Versuches in
stetig abnehmendem Grade, in ihrer Wirkung wieder aufheben läſst, und daſs man bei
beliebig oft wiederholtem Versuch selbst nach noch so langer Erhärtungszeit immer
noch eine merkliche Nachhärtung erzielt – ein Vorgang, der aufs deutlichste an das
Steifwerden gallertartiger verkittender Substanzen im Trocknen und das
Wiederaufweichen im Wasser erinnert, ein solcher Vorgang widerspricht zwar nicht
gerade der bisherigen Anschauungsweise betreffs der Constitution der
Porlandcementmolecüle, schlieſst sich aber doch der vorhin ausgesprochenen Ansicht
viel ungezwungener an.
Es ist ferner noch nicht gelungen, zwischen den chemischen Bestandtheilen des
Portlandcementes und der zum Anmachen und späteren Erhärten notwendigen Wassermenge
eine bestimmte Beziehung im stöchiometrischem Sinne nachzuweisen. Findet auch in der
Stärke der allmäligen, beim Erhärten erfolgenden Wasseraufnahme eine gewisse
Gesetzmäſsigkeit statt, darf die Wassermenge unter eine bestimmte Grenze ohne
Beeinträchtigung der Festigkeit später auch nicht mehr herabgedrückt werden, so
wechselt dieses sogen. Erhärtungswasser doch noch zwischen ziemlich weiten Grenzen
und ist im Allgemeinen um so geringer, je weniger Wasser beim Anmachen genommen, je
dichter also der Mörtel gemacht und je dichter er in die Formen eingeschlagen wurde
(vgl. 1878 230 142). Es ist eben nur so viel Wasser
nöthig, daſs beim Schlagen oder Pressen noch ein gewisser plastischer Zustand
entsteht, wie er sich durch das Erscheinen von Tropfen an der Oberfläche erkennen läſst. Von der
gesammten Wassermenge kommt dann nur annähernd so viel auf jedes Cementtheilchen,
daſs der Reiz für die Reactionsfähigkeit des Kalkes und damit zur Umsetzung und
Einleitung der Verkittung gegeben wird. Bei starkem Wasserzusatz wird ein groſser
Theil der Cementmasse zu rasch zerlegt, so daſs seine Bestandtheile dadurch viel
unzweekmäſsiger und mangelhafter in die Erhärtungsarbeit eintreten, auch theilweise
ausgelaugt und überdies aus einander geschwemmt werden. Dieses Aufschwemmen der
verkittenden Stoffe muſs aber die Festigkeit herabstimmen, da es wohl unzweifelhaft
ist, daſs die Verkittung um so vollkommener erfolgen wird, in je steiferem und
derber plastischem Zustande die Masse gehalten werden kann. Es erhellt auch hieraus
der Vorzug des Langsambindens zwischen Cementen, die im Uebrigen gleich guter
Qualität sind. Der langsamer bindende Cement wird bei dem aus ihm hergestellten
Mörtel bei einem gewissen Wasserminimum immer noch beim Pressen oder Schlagen einen
plastischen Zustand annehmen und noch weitere Verdichtung zulassen, wo bei dem
rascher bindenden Cement schon Starre und damit Unzulässigkeit weiterer Verdichtung
eingetreten ist. Es erfolgt dadurch aber mehr ein plastisches Sichanfügen der
verkittenden Stoffe an die Wände der Hohlräume bei den langsam bindenden Cementen,
während die Theilchen des Verkittungsstoffes bei den rascher bindenden mehr zu
Körnern erstarren werden, die von den Wänden theilweise getrennt sind. Noch mehr von
selbst hervortretend ist in Bezug auf obige Betrachtungen der Vortheil des
Langsambindens beim Anmachen mit einer reichlichen Menge Wasser. Es stöſst da der
langsam bindende Cement immer noch weiter und weiter Wasser ab und bewirkt im
Verhältniſs zum rascher bindenden Cement in noch auffallenderem Grade und ganz von
selbst eine gröſsere Steife des Verkittungsstoffes, verbunden mit vollkommener
Anfügung an die Porenwände, so daſs auch ohne jedes weitere Zusammensinken des
Mörtels, also ohne gröſsere Dichte, die Zunahme der Festigkeit gegen den
rascherbindenden sich erklärt. Es wird also das Anmachewasser und das später
angezogene Wasser gleichzeitig verwendet zur Bindung von Kalk und zur Ueberführung
des Verkittungsstoffes in den plastischen Zustand; letzterem wird allmälig durch
weiteren Kalk das Wasser wieder entzogen und er dadurch in die Starre
übergeführt.
Bei der Frage, ob der Kalk nicht zu entbehren sei, ist zu berücksichtigen, daſs die
Festigkeit allerdings von den verkittenden Stoffen bedingt wird, während der Kalk
nur durch Verfilzung und Schlieſsung der Poren wirkt. Zwar wird durch den Kalk die
Härte der Kieselsäure heruntergedrückt, ohne Kalk würde man aber keine Masse
bekommen, welche sich mit Hilfe von Wasser in der zur Mörtelbeschaffenheit
erforderlichen Weise umsetzen und so die verkittenden Stoffe in Thätigkeit zu setzen
vermöchte. Berücksichtigt man ferner, daſs selbst bei zu hohem Kalkgehalt oft nach
bereits eingetretenem, selbst starkem Treiben, und nachdem der Ueberschuſs des
Kalkgehaltes ausgelaugt oder seine treibende Wirkung zu Ende ist, bei noch
genügendem Zusammenhalt trotz groſser Zerklüftung namentlich reiner Cementmörtel die
gröſste Festigkeit erreichen kann, so geht auch daraus hervor, daſs, wenn die
Kalkgehaltsgrenzen auch nicht allzuweit aus einander liegen, doch nach der Strenge
des stöchiometrischen Sinnes immerhin eine zu groſse Willkür in der zulässigen
Kalkmenge gestattet ist, um den Begriff einer chemischen Verbindung für
Portlandcement festhalten zu können.
H. Kämmerer (Notizblatt des
deutschen Vereines für Fabrikation von Ziegeln, 1878 S. 343) hat in
Fortsetzung seiner früheren Versuche (1878 228 189) in 13
Cementen folgenden Procentgehalt an Schwefelverbindungen gefunden:
Bezeichnung des Cementes
Schwefel-calcium
Einfach-Schwefel-eisen
Unter-schwefels.Calcium
Schwefels.Calcium
Feege und Gotthardt, Frankfurt a. M.
–
0,285
0,0257
0,506
Schifferdecker und Söhne, Heidelberg
–
0,668
0,0112
1,109
Mannheimer Portlandcementf. vorm. J. F.
Espenschied
0,246
1,375
0,0498
0,701
Dyckerhoff und Söhne, Amöneburg
–
1,035
0,0358
0,628
„ „ „ „
–
1,208
0,0213
0,374
Schifferdecker und Söhne, Heidelberg
–
0,665
0,0341
0,810
Dyckerhoff und Söhne, Amöneburg
–
0,411
0,0111
0,361
„ „ „ „
–
0,731
0,0181
0,345
„ „ „ „
–
0,627
0,0138
0,344
Stern, Portlandcementfabrik, Stettin
0,059
0,737
0,0379
0,456
Dyckerhoff und Söhne, Amöneburg
–
0,571
0,0592
0,540
Lothary, Mainz
–
0,500
0,0588
0,422
Dyckerhoff und Söhne, Amöneburg
–
0,501
0,0373
0,471
List (Wochenschrift des
Vereines deutscher Ingenieure, 1878 S. 364) glaubt, die Kieselsäure sei im
Portlandcement in zwei verschiedenen Zuständen enthalten, da beim Zusatz mäſsig
verdünnter Salzsäure sich immer ein Theil der Kieselsäure sandartig ausscheide.
Dieses sei vielleicht die Kieselsäure, welche durch Aluminatbildung frei gemacht
werde, bei der im Cementofen herrschenden Hitze aber nicht im Stande sei, sich zu
verbinden. – Diese Ansicht ist wenig wahrscheinlich.
Theorie der Cementhärtung. In einem auf der
Generalversammlung des Vereines deutscher Cementfabrikanten am 5. Februar 1879
gehaltenen Vortrage erinnert Hauenschild daran, daſs
nach den Versuchen von Stephan die Gröſse der bei der
Berührung zweier Flächen entstehenden Adhäsion nicht durch eine bestimmte Kraft
gemessen werden kann, sondern daſs eine Trennung beider Flächen durch jede auch
minimale Kraft erfolgt nur innerhalb einer Zeit, die umgekehrt proportional zur
trennenden Kraft und zu den vierten Potenzen der Radien der sich berührenden Flächen ist. Je
kleiner die trennende Kraft, desto länger dauert es, bis die Trennung erfolgt, und
je gröſser die Berührungsflächen, desto gröſser muſs die Kraft sein, welche in
bestimmter Zeit trennen soll. Ist aber eine benetzende Flüssigkeit zwischen den
Flächen, dann vergröſsert sich die dynamische Wirkung, die Trennung erfolgt bei
verschiedenen Flüssigkeiten proportional der Zeit, welche dieselben gebrauchen, um
unter gleichem Druck durch gleiche Capillarräume zu strömen. Diese
Diffusionsfähigkeit ist aber sehr gering, oder sie fehlt ganz bei den Colloiden, zu
denen bekanntlich Gummi, Leim, Albumin, Thonerde u.s.w. gehören. Das Wesen der
Verkittung scheint demnach lediglich eine Colloidalwirkung zu sein. – Auch Schott hat beobachtet, daſs bei der Erhärtung des
Cementes ein eigenthümlicher Colloidkörper mitwirkt. Es ist ferner bemerkenswerth,
daſs man früher in Tyrol, Salzburg und Steiermark den Romancement zur Herstellung
von Säulen u. dgl. aus Steinguſs offenbar mit einer Colloidsubstanz angemacht hat,
da Hauenschild in derartigen alten Bauwerken
unzweifelhaft Albumin und Fibrin nachweisen konnte.
Verhalten des Cementes gegen saure und alkalische
Flüssigkeiten. Entgegen den Angaben von H.
Kämmerer, daſs der Einlaſs auch sehr verdünnter saurer und alkalischer
Flüssigkeiten in die mittels Cement hergestellten Kanäle nicht zu gestatten sei,
zeigt L. Erdmenger (Thonindustriezeitung, 1878 S. 246. 379. 397), daſs Kanäle, deren Fugen mit
reinem Cement verstrichen sind, Flüssigkeiten ohne Schaden ertragen, selbst wenn sie
1 Proc. Schwefelsäure enthalten. Salzsäure und Salpetersäure wirken in dieser
Concentration bereits verderblich. Flüssigkeiten, die nicht mehr als 0,25 Proc.
freie Säure enthalten, sind für Cementmauerwerk unbedenklich.