Titel: | Expansionssteuerung für schnellgehende Dampfmaschinen; von Carl Heinrich. |
Autor: | Carl Heinrich |
Fundstelle: | Band 233, Jahrgang 1879, S. 270 |
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Expansionssteuerung für schnellgehende
Dampfmaschinen; von Carl
Heinrich.Vgl. Friedrich * 1874 212
185. Rigg * 1876 220
386. Biffar und Beer
1876 220 387.
Mit Abbildungen auf Tafel 25.
C. Heinrich's Expansionssteuerung für Dampfmaschinen.
Die Oekonomie in Anschaffung und Betrieb, der Wegfall von Raum anspruchsvollen
Zwischentransmissionen läſst in vielen Fällen Dampfmaschinen wünschenswerth
erscheinen, welche direct hohe Tourenzahlen machen. Die ursprünglich gehegten
Bedenken gegen Stabilität und Dauer solcher Maschinen sind durch die bezüglichen
eingehenden Untersuchungen von Prof. Radinger
widerlegt, und thatsächlich sehen wir auch, daſs diese berufenste Klasse von
Dampfmaschinen sich in Amerika immer mehr verbreitet, ja selbst in dem conservativen
Europa Bahn bricht.
Benutzung groſser Reibungsflächen, richtiges Verhältniſs des Gewichtes der bewegten
Massen gegenüber Kolbengeschwindigkeit und Admissionsdruck, genaues Ausbalanciren
dieser Massen, hohe Dampfspannungen und Beeinflussung der Füllungsgrade durch den
Regulator bilden die Grundprincipien für Construction schnellgehender Dampfmotoren.
Werden diese praktisch gewürdigt, wobei freilich manches Vorurtheil über Bord
geworfen werden muſs, so resultiren Maschinen, für deren Stabilität, guten Dauerlauf
und ökonomischen Betrieb der Fabrikant ohne weiteres garantiren kann.
Einer der heikelsten Punkte bei Construction von „Schnellläufern“ ist die
Steuerung. Daſs diese ganz zwangläufig sein muſs, erhellt aus der Natur der Sache;
denn wenn auch gewisse Präcisionssteuerungen – so insbesondere das System Regnier, in Folge Zwangeingreifens des activen in den
passiven MitnehmerBezeichnung von Prof. Gust. Schmidt für den
Stoſs- und Fangapparat von Präcisionsmaschinen. – bedeutend
höhere Tourenzahlen zulassen, als sonst üblich, so darf man ihnen ursächlich der
freien Schlieſskraft doch nicht jene Umdrehungszahlen (300 bis 1200 in der Minute)
zumuthen, wie sie zum directen Betriebe von elektrischen Beleuchtungsmaschinen,
Ventilatoren, Kreissägen u. dgl. gebraucht werden. Aus dem gleichen Grunde dürften auch Ventile als
Vertheilungsorgane auszuschlieſsen sein; jedes Aufsitzen, geschehe dieses auch noch
so sanft, ist Schlagwirkung – welche in der kolossalen Summirung einen Verschleiſs
viel eher als bei gleitender Reibung herbeiführen wird. Thatsächlich findet man auch
bei allen bis jetzt bekannten schnellgehenden Maschinen den Schieber, und zwar
wahrscheinlich des gleichförmigsten Einschleifens wegen den Flachschieber, als
Dampfvertheilungsorgan verwendet.
Die ungemeine Einfachheit des Steuerungsmechanismus dürfte wohl Ursache sein, daſs
bei den zwei von Prof. Radinger (vgl. *1878 230 11) erwähnten Constructionen, welche auf der
Philadelphiaer Ausstellung als Schnellläufer bezeichnet waren, der Regulator direct
das Excenter bezüglich seiner Excentricität und des Voreilwinkels bethätigte, um
dadurch die Variation der Füllungsgrade zu erzielen; in beiden Fällen war immer nur
je ein Excenter und der zugehörige Schieber in Verwendung. So gerechtfertigt dieses
Princip seiner Einfachheit wegen in praktischer Beziehung ist, so wenig rationell
ist es bezüglich der Dampfvertheilung, und dürfte dies wohl die Ursache sein, daſs
Diagramme dieser Maschinen nicht erhältlich waren. Bei der einen der erwähnten
Maschinen verdrehte der Regulator die Excenterscheibe, wodurch das Excenter mit
constanter Excentricität, dagegen wechselndem Voreilungswinkel wirksam wurde.
Es sei Kv (Fig.
1 Taf. 25) der Schieberkreis für die der gröſsten Füllung entsprechende
Excenterlage (Voreilwinkel x) E der Kreis der äuſseren Deckung und K ein um
die Kanalbreite von E abstehender Hilfskreis, so ist
leicht einzusehen, daſs durch Verdrehung des Excenters, bezieh. Vergröſserung des
Voreilwinkels die Füllungen zwar kleiner werden, die lineare Voreilung dagegen
auſserordentlich wächst (v, v', v'') derart, daſs z.B.
im vorliegenden Beispiele schon beim Füllungsgrad 30 Proc. in der Mittelstellung des
Kolbens der gegenseitige Kanal ganz geöffnet ist. Die Variation der Füllungsgrade
kann daher für diese Steuerung praktisch nur eine sehr geringe sein.
Durch Verschieben der in einer Nuth beweglichen Excenterscheibe, wurden bei der
zweiten Maschine Füllungsvarianten erzielt. Es ändert sich hierbei relativ sowohl
die Excentricität, als der Voreilungswinkel. Bei derselben Bedeutung der Kreise in
Fig. 2 sei das Excenter auf der Welle derart verschiebbar, daſs die
Mittelpunkte der verschiedenen Stellungen (r, r', r'')
in einer auf die todte Kurbellage senkrechten Linie liegen. Diesen durch den
Regulator bewirkten Excenterverschiebungen entsprechen nun allerdings verschiedene
Füllungsgrade, auch ist das lineare Voreilen hierbei für alle Expansionsgrade
constant; dagegen tritt für kleinere Füllungen ein starkes Verengen der
Kanaleröffnung und gleichzeitig sehr baldiges Voröffnen ein. Es ist daher auch für
diese Anordnung nur
eine sehr geringe Aenderung der Füllungsgrade mit Bezug auf dampfökonomischen
Betrieb erreichbar.
Zur Vermeidung dieser Uebelstände entschloſs ich mich gelegentlich einer bezüglichen
Motorenconstruction – unter Beibehaltung dieses wirklich einfachen
Regulatoreingriffes – zu einer Complication, deren geringer praktischer Nachtheil
durch den Vorzug einer guten Dampfvertheilung innerhalb eines groſsen Umfanges von
Füllungsgraden (5 bis 70 Proc.) reichlich aufgewogen wird.
Die Fehler der vorerwähnten Steuerungen sind unter Beibehaltung des Principes der
gleichzeitigen Veränderlichkeit von Excentricität und VoreilwinkelIst d die äuſsere Deckung, v das lineare Voreilen, rn und αn die Gröſse von Excenter und
Voreilwinkel für eine gewisse Regulatorstellung (Verschiebung), so gilt: rn cos αn = (d
+ v) + Const als
Bestimmungsgleichung für rn = φ (αn); den
jeweiligen Regulatorhub gibt h= rsinα = rnsinαn, wo für r das ± Zeichen gilt,
je nachdem der Mittelpunkt ober oder unterhalb der todten Kurbellage
fällt. durch Anwendung des Zweischiebersystemes zu vermeiden,
wobei der eine Schieber, unter Einfluſs eines unverstellbaren Excenters stehend, die
Vertheilung bewirkt, der zweite dagegen, unter dem Einflüsse des Regulators stehend,
durch Veränderung von Excentricität und Voreilwinkel als Expansionsschieber
functionirt.
Aus Fig. 3 wird die Wirkungsweise sofort klar. Kv ist der Schieberkreis des
Vertheilungsexcenters; Ke,
Ke'... die den verticalen
Verschiebungen entsprechenden Schieberkreise des Expansionsexcenters. Es ist nun
leicht ersichtlich, daſs hier für alle Füllungsgrade das Voreilen constant bleibt,
ebenso auch das Voröffnen, während ein Verengen der Kanalöffnung wegen des Wachsens
von re bei negativem
αe (d.h. αe > 90) erst
bei jenen kleinen Füllungsgraden eintritt, welche bei dieser Maschinengattung
überhaupt nicht verwendet werden können.Prof. Radinger führt in seinem Werke „Dampfmaschinen mit hoher Kolbengeschwindigkeit“ 15 Proc.
als Minimalfüllung an. Da ferner der Dampfabschluſs rasch
erfolgt, ist diese Steuerung bezüglich Dampfökonomie einer rational dimensionirten
Meyer-Steuerung gleichwerthig.
Die praktische Ausführung dieser Steuerung ist aus den Fig. 4 bis
8 Taf. 25 zu ersehen.
Der Vertheilungsschieber b wird durch ein auf die
Kurbelwelle aufgekeiltes Excenter a bethätigt, während
das mittels Langloch auf dieselbe Welle geschobene Excenter c den Expansionsschieber d bewegt. Die
drehende Bewegung empfängt das Expansionsexcenter durch die Riemenscheibe
(Schwungrad), in deren Nabe es sich mittels der Keilführung k verschieben kann. Eine mit der Excenterscheibe fest verbundene Stange
l, deren zweites Ende in einem Ansätze des
Radkranzes geführt wird, trägt das als Regulator dienende Gewicht g, durch dessen Centrifugalkraft die Excenterscheibe in
der Keilnuth gehoben
wird und dadurch nach dem Vorgesagten seine Excentricität und seinen Voreilwinkel,
somit den Füllungsgrad ändert.
Um bei langsamerem Gange das Excenter wieder in die höheren Füllungsgraden
entsprechenden Lagen zurückzuführen, dient die Feder f,
welche durch die Fliehkraft des Gewichtes g
zusammengepreſst wird und derart dimensionirt ist, daſs ihre Federkraft bei einer
gewissen minimalen Tourenzahl die Fliehkraft überwiegt. Durch Regulirungsschrauben
kann sowohl die Spannkraft der Feder, als die Lage des Regulatorgewichtes, also
dessen Fliehkraft verändert werden.
Symmetrisch zum Regulator ist das Gegengewicht g' behufs
Ausbalancirung angebracht. Um den Variationen der Fliehkraft des Regulatorgewichtes
Rechnung zu tragen, drückt auch das Gegengewicht gegen eine Feder f', so daſs für veränderte Tourenzahlen in beiden
Fällen das Verhältniſs der Centreentfernungen constant bleibt. Ein als Mutter
behandeltes kleineres Gegengewicht q' hat den Zweck,
als Hilfsregulirung für das Hauptbalancegewicht (zur Ausgleichung des Kolben-,
Kreuzkopf-, Stangen- und Kurbelgewichtes) zu dienen.
Des guten, dichten Schlusses halber wurde der Vertheilungsschieber flach, der
Expansionsschieber dagegen, um den Regulator möglichst zu entlasten, als Kolben
ausgeführt und zwar derart, daſs dieser in einer cylindrischen Höhlung des ersteren
gleitet. Der Kolben, falls er nur genügend lang ist, braucht blos satt
eingeschliffen zu sein, um genügend dicht zu halten, abgesehen davon, daſs hierbei
ein geringes Undichtsein in Folge der relativ kurzen Nachdampfzeit bezüglich der
Dampfvertheilung fast einfluſslos ist.
Schlieſslich sei noch bemerkt, daſs die Anordnung dieses Regulators – in der Höhlung
der Riemenscheibe – eine bequeme ist und der Maschine das Compendiöse einer solchen
ohne Regulator gewahrt bleibt.