Titel: | Stephan Verderber's Locomotivkessel ohne Feuerbüchse. |
Autor: | Wilman |
Fundstelle: | Band 233, Jahrgang 1879, S. 442 |
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Stephan Verderber's Locomotivkessel ohne
Feuerbüchse.
Verderber's Locomotivkessel ohne Feuerbüchse.
Ein äuſserst interessantes und für die zukünftige Praxis des Locomotivbaues
folgenschweres Experiment wurde im vergangenen Jahr von dem Generalinspector der
Ungarischen Staatsbahnen, Stephan Verderber,
vorgenommen und nach einigen Zwischenstadien zum vollständigsten Erfolge geführt. Es
handelt sich um nichts geringeres als die Verwerfung der bis jetzt als
vorzüglichstes Kennzeichen der Locomotivkessel betrachteten Innenfeuerung und Ersatz
derselben durch die Vorfeuerung (*D. R. P. Nr. 4899 vom 3. September 1878), welche
ja selbst bei Stabilkesseln oft genug aufs miſsgünstigste beurtheilt wird. Und zudem
herrscht seit jeher der feste und durch Versuche wohl begründete Glaube unter den
Locomotivconstructeuren, daſs der Feuerbüchse der Löwenantheil der Arbeitsleistung
des Kessels zukomme und daſs sie groſs und gröſser gemacht werden müsse, die
Siederohre dagegen über eine gewisse Länge von etwa 3m hinaus ganz werthlos seien.
Indem nun Verderber einerseits wohl zugibt, daſs
thatsächlich die Büchse bei den jetzigen Constructionen den gröſsten Theil der Wärme
aufnimmt und den meisten Dampf erzeugt, will er andererseits nicht daraus gefolgert
wissen, daſs darum die Siederohre, bei ihren engen Querschnitten und geringen
Wandstärken, nicht auch im Stande wären, genügend Dampf zu liefern, sondern erklärt
ihre anscheinende Unwirksamkeit treffend damit, daſs eben die Feuerbüchse so viel
von der vorhandenen Wärme aufnimmt, daſs bei dem raschen Zug der Gase für die
Siederohre zu wenig übrig bleibt.
Entsprechend dieser Anschauung müſsten nach Entfernung der Feuerbüchse, die ja nur
den 10- bis 15ten Theil der Gesammtheizfläche bildet, die Siederohre ohne groſse
Schwierigkeit dieselbe Dampfmenge allein erzielen, welche sie früher mit der Büchse
gemeinsam gehabt hatten; der Locomotivkessel aber würde durch den Wegfall der
Kupferbüchse um 6000 bis 8000 M. billiger, einfacher herzustellen und die bei nur
einigermaſsen schlechtem Wasser endlosen Schwierigkeiten der Instandhaltung wären
mit einem Schlage behoben.
Alles dies, so ungläubig es noch vor einem Jahre aufgenommen worden wäre, ist nun
thatsächlich bestätigt. Verderber hat, nach
verschiedenen Vorversuchen, bei einer in Reparatur kommenden Maschine die
Kupferbüchse herausgenommen und das hintere Ende des Rundkessels gleichwie das
Rauchkastenende durch eine Rohrwand abgeschlossen, den inneren Raum des eisernen
Büchsenmantels mit Chamotte ausgemauert und so als Vorfeuerung benutzt. Die Maschine
läuft seit Mai 1878 im regelmäſsigen Betrieb und versieht den gleichen Dienst wie
eine Zahl mit ihr gleichzeitig gelieferter und mit Ausnahme der unverändert
gebliebenen Büchse völlig identischer Maschinen. Während letztere als Mittel
mehrwöchentlicher Versuchsfahrten mit guter Salgo-Tarjaner-Braunkohle 4,62fache
Verdampfung ergaben, hatte die mit Vorfeuerung betriebene Locomotive 4,55fache
Verdampfung – ein Resultat, welches mit dem anderen praktisch identisch ist. Im
übrigen zeigte sich gleichfalls keine Veränderung, die Bedienung kann in völlig
gleicher Weise stattfinden und nur die Kesselstein-Ablagerungen finden jetzt, statt
wie früher in der Büchse, am hinteren Ende des Rundkessels statt, wo sie jedoch
durch Anbringung eines Auswaschloches und Entfernung der untersten Rohre leicht
entfernt werden können.
Die näheren Einzelheiten der Construction, sowie die eingehende Beschreibung der
verschiedenen Versuche würde hier zu weit führen und wir verweisen diesbezüglich auf
einen im Organ für Eisenbahnwesen, 1879 S.
172 erschienenen ausführlichen Bericht des Erfinders.
Wilman.