Titel: | Ueber den Ultramarin. Zweite Abtheilung von Dr. Knapp in Braunschweig. |
Autor: | Knapp |
Fundstelle: | Band 233, Jahrgang 1879, S. 479 |
Download: | XML |
Ueber den Ultramarin. Zweite Abtheilung von Dr.
Knapp in
Braunschweig.
Knapp, über den Ultramarin.
Die von mir in Gemeinschaft mit Dr. P. EbellDr. Ebell hat sich inzwischen einem anderen
Berufskreis gewidmet und ist dadurch genöthigt gewesen, aus der Betheiligung
an obiger Untersuchung auszuscheiden. veröffentlichte erste
Abtheilung der Untersuchung über Ultramarin (vgl. 1878 229 69. 173) hatte zur Aufgabe eine möglichst vollständige Aufstellung der
Erscheinungen, welche bei der Bildung von Ultramarinmutter und ihrer Umwandlung in
Blau auftreten; eine Aufstellung mit Ausschlieſsung aller Hypothesen und
Conjecturen, lediglich dem Thatsachenbestande nach.
Die zweite Abtheilung beschäftigt sich zunächst mit einer Reihe von Fällen, die mit
dem Ultramarin zwar nicht unmittelbar zusammenhängend, doch hinsichtlich der ihnen
gemeinschaftlichen Erscheinung Momente enthalten von mehr oder weniger Bedeutung für
die Erkenntniſs der Natur jenes Farbenkörpers, also auch für den Kreis dieser
Studien. Die meisten der hierher gehörigen Fälle sind längst bekannt, andere bisher
nicht beobachtet, aber gerade von besonderem Interesse. Die allen Fällen gemeinsame
Erscheinung ist das Auftreten einer dem Ultramarin sehr ähnlichen, oder ihm
gleichen, auch in der Entstehung mehr oder weniger verwandten oder analogen blauen
Färbung. Es sind die folgenden.
Dressel beobachtete (Leonhardt:
Neues Jahrbuch für Mineralogie und Geologie, 1875 Heft 1), daſs
Noseanbomben zwischen brennenden Steinkohlen eine zuweilen ins Grüne gehende, meist
reinblaue Farbe annehmen. Der Nosean ist ein Gemenge von Hauyin und Sodalith.
Hauyin, im Platintiegel auf Rothglut erhitzt, färbte sich durch Eintragen eine
Messerspitze voll Schwefelblumen in den Tiegel schön himmelblau. – Die Wiederholung
des Versuches von Dressel, den er zur Erkennung des
Minerals vorschlägt, mit einem Gestein mit eingesprengten kleinen Hauyinkrystallen,
bestätigte vollkommen seine Angabe.
Eine andere merkwürdige Erscheinung ist hier in Braunschweig bei Gelegenheit einer
Untersuchung über das Gelbfärben des Glases mit Schwefelnatrium beobachtet worden.
Man schmolz im Porzellantiegel über dem Gebläse gewöhnlichen entwässerten Borax und
trug in das geschmolzene Borat unter Umrühren Natriumschwefelleber in erbsengroſsen
Stücken ein. Der Fluſs nahm (wie bei gewöhnlichen Kieselsäuregläsern) eine gelbe,
bei weiterem Zusatz von Schwefelleber eine intensiv rothbraune Farbe an; eine
erkaltete Probe davon erschien vollkommen durchsichtig. Als man nun dem so
erhaltenen Fluſs bei fortgesetztem Schmelzen und Umrühren entwässerte und gepulverte Borsäure allmälig
zusetzte, so offenbarte sich eine auffallende Aenderung der Farbe. Mit der Aufnahme
der ersten Antheile Borsäure in den Fluſs dunkelte die Farbe stark und ging ins
Dunkelbraune, dann mit den weiteren Zusätzen ins Schwarzbraun und sehr bald ins
völlig Schwarze über. In diesem Stadium erschien eine aus dem Tiegel genommene Probe
nach dem Erkalten unter dem Mikroskop in dünnen Splittern als ein farbloses Glas,
durchsetzt mit einem fein zertheilten trübenden Körper. Im durchfallenden Licht ist
dieser letztere von tief schwarzer Farbe, also völlig undurchsichtig: im
auffallenden Lichte von fahler Farbe und schwachem Metallglanz. Hält man das
Boraxglas über das Eintreten der schwarzen Farbe noch einige Zeit im Fluſs, so hellt
es sich auf und geht unter Verschwinden des schwarzen trübenden Körpers in ein
schönes blaues, völlig durchsichtiges Glas über. Die Farbe sticht (ganz wie der
Ultramarin aus Soda) ins Violette, ist aber weniger tief. Sie ist auch im Erkalten
beständig und hat sich bis jetzt in über 2 Jahre alten Proben unverändert erhalten.
In höheren Hitzegraden, gegen die Weiſsglut hin, wird das Boraxglas wieder schwarz,
zuletzt nochmals blau und verschwindet die Farbe dann vollkommen, während
fortwährend Verbrennungsproducte des Schwefels austreten. Auch der blaue Ultramarin
bildet bekanntlich, bis zum Schmelzen erhitzt, ein schwarzes Glas. Dünne Splitter
davon geben sich unter dem Mikroskop als ein durchsichtiges, etwas miſsfarbiges Glas
zu erkennen mit zahlreichen Bläschen, in denen ein schwarzer undurchsichtiger Körper
sitzt.
Ganz dieselbe blaue Farbe mit dem violetten Stich entwickelt sich beim Schmelzen von
Rhodankalium. Bei der Temperatur seines Schmelzpunktes und noch etwas über diesen
hinaus, bildet dieses leichtflüssige Salz eine dünne farblose Flüssigkeit, die bei
eingetretener voller Rothglut mit einem Mal in eine durchsichtige blaue Flüssigkeit
übergeht. Mit dem Erkalten wird der Fluſs noch vor dem Erstarren wieder farblos, mit
gesteigerter Hitze wieder blau u.s.w., so oft man den Versuch wiederholt. Bei lange
fortgesetztem Schmelzen in der Rothglut scheidet das Rhodankalium einen schwarzen
Körper in spärlicher Menge ab, während die blaue Farbe verschwindet und der Fluſs
nach dem Erkalten zu einem farblosen weiſsen Salzkuchen erstarrt, der nur am Boden
von dem schwarzen Körper dunkelgrau gefärbt ist. Im Wasser löst sich das Salz und
der schwarze Niederschlag bleibt zurück. Das durch langes Schmelzen farblos
gewordene Rhodankalium wird durch bloses Erhitzen nicht wieder blau, wohl aber durch
Schmelzen mit Schwefel.
Genau dieselben Erscheinungen wie beim Rhodankalium treten ein beim Eintragen von
Schwefel in schmelzendes Cyankalium. Besser mischt man das zerriebene Cyankalium vor
dem Erhitzen mit etwa ¼
seines Gewichtes Schwefelblumen. Dieses Gemenge schmilzt äuſserst leicht, ungleich
leichter als Cyankalium für sich. Nachdem es in Fluſs gekommen, nimmt es erst eine
rothbraune, später die blaue Farbe an. Die schmelzende Masse nimmt bei wiederholtem
Zusatz von Schwefel noch viel davon auf, gibt fortwährend unter Effervescenz Dämpfe
von Schwefel ab, während sich jener schwarze Niederschlag, aber ungleich reichlicher
als bei Rhodankalium, absondert. Mit der Bildung des schwarzen Körpers schwindet die
blaue Farbe mehr oder weniger und entwickelt sich mit jedem frischen Zusatz von
Schwefel aufs Neue. Läſst man die Schmelze in diesem Zustande erstarren, so bildet
sie einen Kuchen, auſsen schwarz, ins Blaue ziehend, inwendig lehmfarbig, ins Grüne
gehend. Beim Behandeln des Kuchens mit Wasser bleibt ein schwarzer unlöslicher
Rückstand, während sich eine gelbe Lauge bildet, die bei Zusatz von Säuren Schwefel
fallen läſstDas Cyankalium war käuflich und enthielt, wie alles käufliche,
Aetznatron.
Schon Ritter beklagt es, daſs sich die blaue Farbe des
im Schmelzen überhitzten Rhodankaliums nicht fixiren läſst; man erhält in der That
durch Schmelzen von Rhodankalium mit Kaolin, den Bestandtheilen des Ultramarins, mit
Silicaten, nach dem Auswaschen mit Wasser immer nur ganz weiſse Rückstände. Platin –
läuft allerdings von im Schmelzen überhitztem Rhodankalium blau bis blauschwarz
an.
Für eine weitere hier einzureihende Beobachtung, die er bei einer anderweitigen
Gelegenheit gemacht, bin ich Hrn. Dr. Max Müller
verpflichtet. Nach seiner Mittheilung nimmt eine Lösung von weinschwefelsaurem
Kalium und unterschwefligsaurem Kalium, im zugeschmolzenen Glasrohr erhitzt, eine
blaue Farbe an, die beim Erkalten und Oeffnen des Rohres wieder verschwindet.Auch bei verschiedenen andern organischen Verbindungen, welche den Schwefel
als SH2 enthalten, will man unter ähnlichen
Umständen die Entwicklung der blauen Farbe beobachtet haben.
Wie zuerst Wähler (Annalen der
Chemie und Pharmacie, Bd. 86 S. 373) beobachtet hat, so entsteht, wenn man
eine Lösung von Eisenchlorid rasch mit dem 50 bis 100 fachen Volum
Schwefelwasserstoffwasser übergieſst, eine tiefblaue Färbung der Flüssigkeit. Diese
Färbung besteht nur momentan, denn im nächsten Augenblick wird die Flüssigkeit
milchig von abgeschiedenem Schwefel und alles ist vorüber. – Nach H. Schiff (Annalen der Chemie
und Pharmacie, Bd. 115 S. 68) verhält sich eine Lösung von Schwefelleber,
zu Eisenchlorid zugesetzt, gerade so und färbt ebenso vorübergehend die Lösung blau.
Setzt man dagegen umgekehrt Eisenchlorid tropfenweise zu einer Schwefelleberlösung
(letztere im Ueberschuſs), so entsteht ein gelber Niederschlag, der allmälig durch
Grün in reines Dunkelblau übergeht. Dieses Blau halte sich eine halbe Stunde lang
und darüber, ehe es verschwindet.
Endlich wäre an die zuerst von F. C. Vogel (Schweigger's Journal der Chemie
und Physik, Bd. 4 S. 121) gemachte Beobachtung zu erinnern, daſs
Schwefelsäureanhydrid und Schwefel schon bei gewöhnlicher Temperatur auf einander
wirken und Producte bilden von verschiedener Farbe, die sich nach dem
Mischungsverhältniſs beider Körper richtet; ist mehr Schwefel vorhanden, als das
Anhydrid aufnehmen kann, so ist die Farbe des Productes braun, bei mehr Anhydrid
geht sie in Grün über, bei Ueberschuſs bildet es eine schön blaue Flüssigkeit. Nach
Wach entsteht diese letztere, wenn das Anhydrid
etwa das 10fache des Schwefels beträgt. In Wasser zerfällt die blaue Flüssigkeit,
wie die beiden anderen, in Schwefelsäure, schweflige Säure und Schwefel; in der
Hitze entwickelt sie schweflige Säure. Mit Alkalien und Erden bildet sie, unter
Entwicklung desselben Gases, Sulfate. Im Lichte, namentlich im directen Sonnenlichte
blaſst die blaue Verbindung ab und geht nach und nach in die braune über. – Nach Fischer ist eine Spur Feuchtigkeit für die Einwirkung
des Anhydrides auf Schwefel förderlich (Poggendorff's
Annalen, Bd. 16 S. 119). Auch Gemische von viel
Anhydrid mit Schwefelsäurehydrat, sowie sehr starke rauchende Schwefelsäure
entwickeln mit Schwefel die blaue Farbe.
Es wird später Gelegenheit geboten sein, auf die Einzelheiten der hier aufgezählten
Erscheinungen zurückzukommen. Hier zum Schluſs nur einige allgemeine
Bemerkungen:
In allen Fällen hängt das Auftreten der blauen Ultramarinfarbe mit Schwefel bezieh.
dem Schwefelgehalte der betreffenden Verbindungen zusammen, in allen Fällen – nur
den letzten etwa ausgenommen – mit einer Zersetzung dieser Verbindungen, mit einer
Ausscheidung von Schwefel aus denselben, durch dieses oder jenes Reagenz oder durch
Dissociation.
Was zunächst den Hauyin anlangt, so entspricht das Auftreten der blauen Farbe in
diesem Silicat unter dem Einfluſs brennenden Schwefels ganz dem Blaubrenner der
Ultramarinmutter. Jenes zeolithische Mineral besteht aus Thonerde, wenig Eisenoxyd,
Kalk, Kali, verbunden mit Kieselsäure und Schwefelsäure. Es ist mit
Chlorwasserstoffsäure aufschlieſsbar und entwickelt dabei (etwa 3 Proc.)
Schwefelwasserstoff, enthält mithin Sulfurete, auf welche die Anhydride des
verbrennenden Schwefels (Schwefligsäure- und Schwefelsäureanhydrid) bei dem Versuch
von Dressel ebenso wie auf die Ultramarinmutter
einwirken. – Bei dem Bläuen des Boraxflusses geht bei Farbenwandlung analog von der
Einwirkung des zugesetzten Borsäureanhydrides auf die mit dem Borax
zusammengeschmolzene Schwefelleber aus. – Bei dem Versuch von Wöhler, mit dem Eisenchlorid und Schwefelwasserstoff,
tritt die blaue Farbe mit der Abscheidung des freien Schwefels aus dem
Schwefelwasserstoff, bezieh. der Schwefelleber ein. – In den beiden folgenden Fällen, mit
Rhodankalium und mit unterschweflig-saurem Kalium, scheint das Auftreten der blauen
Farbe ebenfalls mit der Ausscheidung von Schwefel aus den betreffenden Verbindungen
zusammenzuhängen, aber einer Ausscheidung nicht durch chemische Vorgänge, sondern
durch Dissociation bedingt. Mit aufhörender Ursache (hohe Temperatur) hört auch die
Erscheinung auf und der status quo ante (die farblose Verbindung) greift wieder
Platz, denn es ist inzwischen kein die Rückbildung hinderndes oder störendes Moment
eingetreten. Gerade dieses letztere ist aber bei den Silicaten und Boraten der Fall,
wo das Natrium mit den bläuenden Anhydriden sich verbindend die Befähigung zur
Rückbildung von Schwefelnatrium einbüſst. Die Erscheinung der blauen Farbe, ihr
Auftreten an und für sich, scheint demnach von Silicaten und Boraten unabhängig, so
wesentlich diese auch für die Erhaltung der Farbe auf die Dauer sind.
In der ersten Abhandlung ist in Bezug auf die Vorgänge beim Glühen der
Ultramarinmischung dargelegt worden, daſs der Proceſs zuerst mit der Aufschlieſsung
des Thones, sowie der Bildung von Schwefelnatrium beginnt und dann durch Einwirkung
von beiden auf einander die Ultramarinmutter erfolgt. In der That erhält man
Ultramarin ebenso gut, wenn man die beiden im ersten Stadium des Glühens
entstehenden Körper jeden für sich darstellt und sie dann fertig gebildet auf
einander wirken läſst. Der Kaolin wurde zu diesem Zweck mit kohlensaurem Natron
aufgeschlossen, ausgewaschen bis zum Verschwinden der alkalischen Reaction und
getrocknet. Durch rasches Zusammenreiben dieses Kaolins mit SchwefelnatriumUnter Schwefelnatrium ist im Folgenden stets das Product der
Zusammenschmelzung von kohlensaurem Natron mit Ueberschuſs von
Schwefelblumen und Zusatz von Kohle als Reductionsmittel bis zum ruhigen
Fluſs zu verstehen. Die ausgegossene, in dicht schlieſsenden Gläsern
aufbewahrte Schmelze ist also die Natronschwefelleber. in einem
vorher erhitzten Mörser zu einer gleichförmigen Mischung erhält man eine leberbraune
Masse, welche bei der Ultramarintemperatur einige Zeit geglüht dunkler wird, zuletzt
ins Grüne umschlägt und sich leicht in Chlorwasserstoffgas blau brennt. Der Versuch
bestätigt mithin die oben ausgesprochene Ansicht. Einen nicht minder klaren und
deutlichen Beweis auf die Richtigkeit dieser Beobachtung und Auffassung enthält auch
die oben beschriebene Blaufärbung des geschmolzenen Borax. Das gelbrothe Glas durch
Eintragen von Schwefelnatrium in schmelzenden Borax entspricht der Ultramarinmutter;
die Wandlung ihrer Farbe in Blau durch Borsäureanhydrid, dem Blaubrennen der
Ultramarinmutter.
Die Blaufärbung mit geschmolzenem Borax lehrt aber noch weitere und zwar folgende
wichtige Thatsachen, nämlich:
1) Die Kieselsäure ist für zum Hervorbringen von Blau durch Borsäure ersetzbar.
2) Das Borat gibt ein nach der Abkühlung ebenso beständiges Blau wie das Silicat.
3) Das Blau des Borax ist auch im feurigen Fluſs beständig, weil sein Schmelzpunkt
hinreichend niedrig liegt, um das Blau unzerstört zu lassen, während der gewöhnliche
blaue Ultramarin aus dem entgegengesetzten Grunde zu einer grauschwarzen Masse
zusammenschmilzt.
4) Die Thonerde ist keine unerläſsliche Bedingung für Entwicklung und Bestand der
blauen Farbe.
Diese letztere Thatsache legte den Gedanken nahe, daſs auch mit Silicaten ohne
Thonerde die Erzeugung von Ultramarinblau möglich sein möchte. Zwar hatten frühere
Versuche in dieser Bichtung (zur Zeit der in der ersten Abtheilung niedergelegten
Untersuchung) zu verwirrenden Ergebnissen geführt; aber dies mochte darin liegen,
daſs nicht die richtigen, für diesen besonderen Fall geltenden Bedingungen getroffen
waren.
Eine lange Reihe von Tastversuchen im kleinen Maſsstab – im zugeschmolzenen Glasrohr
und auf dem Platinblech, auf dem Bunsenbrenner und auf dem Gebläse – bestätigte
obige Voraussetzung. Es ergab sich, daſs blose Kieselsäure, namentlich mit
Zuhilfenahme von Wasserglas einen blauen Ultramarin liefern kann, wie dies
inzwischen auch Rickmann (1879 231 365) gefunden. Es ergab sich aber auch umgekehrt, daſs blose Thonerde
ohne Kieselsäure die blaue Farbe annimmt. Es ergab sich endlich, daſs auſser
Kieselsäure und Thonerde noch andere Körper ganz abweichender Natur dasselbe thun.
Die Versuche zur Hervorbringung des Blaus mit diesen verschiedenen Körpern gehören
übrigens zu den miſslichsten und heikelsten der praktischen Chemie. So sicher wie
das Gelingen von gewöhnlichem Ultramarinblau und blauem Boraxfluſs, so unsicher und
so schwankenden Erfolges sind jene Versuche. Mitunter entwickelt sich die blaue
Farbe mit spielender Leichtigkeit, dann in der Mehrzahl der Fälle versagt sie in
Dutzenden von Versuchen. Der Erfolg hängt in der That von einer Menge verschiedener
sich mehr oder weniger kreuzender. Bedingungen ab, die sich zum Gelingen
gleichzeitig und jede in einem bestimmten Maſs erfüllen müssen: in erster Linie die
Bereitung des Schwefelnatriums, dann das Mischungsverhältniſs der auf einander
wirkenden Körper, der Grad der Aufschlieſsung und Durchdringlichkeit des zu
bläuenden Körpers, Vorherrschen von Reduction oder Oxydation, endlich die
Glühtemperatur und die Dauer des Versuches. Nimmt man dazu die pyrophorischen
Eigenschaften vieler dieser Gemenge, sowie die nur mit dem Mikroskop zu umgehenden
optischen Täuschungen, so begreift man, welche harte Probe der Geduld und Ausdauer
die Verfolgung dieser Erscheinungen auferlegt.
Die Körper neben Kieselsäure und Thonerde, deren Blaufärbung bis jetzt gelang, sind:
Aluminiumborat, Calciumphosphat, Zinnoxyd. Nur bei der Kieselsäure ist etwas
Wasserglas zugesetzt, die anderen sind ohne weiteren Zusatz durch bloses Glühen mit
Schwefelnatrium erhalten. Kieselsäure und Thonerde sind als ausgewaschene Gallerten
angewendet, die Phosphate frisch gefällt aus phosphorsaurem Natrium und den
betreffenden Erdsalzen, das Zinnoxyd ebenso aus Chlorid. Neben der Sorge, die zu
Grund liegenden Körper in möglichst aufgeschlossener lockerer und poröser,
durchdringlicher Form herzustellen, ist die innige und gleichmäſsige Mischung mit
Schwefelnatrium das zunächst Unerläſsliche. Nach dem längeren oder kürzeren Glühen
erhält man eine mehr oder weniger gesinterte Masse, welche beim Auswaschen mit
Wasser eine Schwefelnatrium haltige gelbe Lösung gibt und das Glühproduct je nach
dem Verlauf in sehr verschiedener Beschaffenheit zurückläſst. Es erscheint im
ungünstigen Fall bald farblos oder weiſs, bald schwarz, bald grau, bald braun, bald
violett, bald bunt in allen diesen Farben. Im Fall des Gelingens erhält man die
Rückstände blau, mitunter kaum gefärbt, dann hellblau, dann sattblau, wie
Ultramarin, und nicht am seltensten tief sammtblau, fast schwarz. Mit dem Mikroskop
kann man sich leicht überzeugen, daſs die miſslungenen Proben sehr häufig besser
sind als ihr Ansehen und unter den anders gefärbten Körnchen mehr oder weniger
zahlreiche sattblaue Körner enthalten. Manche hellblaue Glühproducte lösen sich
unter dem Mikroskop in ein Gemenge von farblosen und von sattblauen Körnern auf. So
erhielt ich z.B. ein Präparat aus bloser Thonerde vom reinsten besonders
ansprechenden Hellblau, aus einem solchen Gemenge bestehend. Wie die Farbe, so
wechselt auch die Durchsichtigkeit; viele Präparate sind im auffallenden Licht weiſs
mit Stich ins Gelbgrau, im durchfallenden Licht sammtschwarz an den Kanten von
blauem Schein. Andere, wie die violetten Präparate, geben sich unter dem Mikroskop
wolkig trübe oder durchsichtig braun mit schwarzblauen Partien in ein und demselben
Korne zu erkennen. Auch die blauen Präparate erscheinen zuweilen undurchsichtig,
aber nur in Folge von starker Zerstreuung des durchgehenden Lichtes wegen
Zerklüftung, unregelmäſsiger Zusammenballung u.s.w. Auch begegnet man öfter einem
falschen Blau, nämlich Präparaten, die dem blosen Auge blau mit einem Stich ins
Graue erscheinen. Schon unter mäſsiger Vergröſserung schwindet aber das Blau und
löst sich in ein Gemenge von farblosen Partikeln mit schwarzen Punkten auf.Ein Ultramarin nach der Definition von Stein
würde unter dem Mikroskop niemals blau erscheinen. Dieses
auffallende stets ins Graue gehende falsche Blau zeigen Gemische von Kieselsäure-
oder Thonerdegallerte mit Schwefelnatrium regelmäſsig, schon vor dem Glühen, nach
dem blosen Trocknen.
Sämmtliche oben genannte blauen Producte (aus Kieselsäure, aus Thonerde, aus AluminiumboratEin schönes Blau erhält man auch, wenn man ein Gemisch von reducirtem Alaun (s. erste Abtheilung 1878 229 74) mit gleichen Theilen entwässerter Borsäure unter Kienruſsdecke eine Stunde lang glüht und das Glühproduct im Strom von
Chlorwasserstoff erhitzt., aus Calciumphosphat und Zinnoxyd) liegen mir in echtem Blau in Form von durchsichtigen sattblauen Körnern vor, ganz wie
der gewöhnliche Ultramarin. Sie sind sämmtlich durch bloses Glühen mit Schwefelnatrium in einer Operation erhalten.
Wie man sieht, ist das Gelingen dieser blauen Producte von dem Zusammentreffen der vielfachen Bedingungen und dem richtigen
Maſs ihrer Erfüllung abhängig. Bei ein und demselben Versuch können diese Umstände, selbst bei dem kleinsten Maſsstab, an
einzelnen Stellen zu Stande kommen, an andern nicht.
Es mag zum Schluſs noch angeführt werden, daſs auch verschiedene Silicate sich in der beschriebenen Art mit Schwefelnatrium
blau färben lassen. Von fein geriebenem Porzellan war schon früher die Rede; gelungene Versuche liegen auch mit gepulvertem
Glas und zerriebenem Harmotom vor.
Weitere Beobachtungen in dieser Richtung, sowie Untersuchungen über den Zusammenhang der vorgetragenen Erscheinungen werden
Gegenstand der folgenden Abtheilung sein.