Titel: | Ueber die Untersuchung der atmosphärischen Luft; von Ferd. Fischer. |
Autor: | Ferd. Fischer |
Fundstelle: | Band 234, Jahrgang 1879, S. 46 |
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Ueber die Untersuchung der atmosphärischen Luft;
von Ferd. Fischer.
Mit Abbildungen.
F. Fischer, über die Untersuchung der atmosphärischen
Luft.
Bekanntlich besteht die atmosphärische Luft aus etwa 4 Th. Stickstoff und 1 Th.
Sauerstoff, gemischt mit wechselnden Mengen Wasserdunst und Kohlensäure. Von diesen
regelmäſsigen Bestandtheilen der Atmosphäre ist
wohl am häufigsten der Feuchtigkeitsgehalt festgestellt, oft auch die Kohlensäure
bestimmt, seltener der Sauerstoff.
Bestimmung der Feuchtigkeit. Die zur Feststellung der
Menge des in der atmosphärischen Luft als unsichtbares Gas vorhandenen Wassers bis
jetzt bekannten Verfahren gründen sich im Wesentlichen: 1) auf die Anwendung Wasser
anziehender oder abgebender Stoffe, indem man die Veränderungen der Farbe, des
Volums, der Temperatur oder des Gewichtes der Körper selbst, oder aber die
Volumveränderung der atmosphärischen Luft bestimmt; 2) auf die Bestimmung des
Thaupunktes.
Das Aufstellen mit Kobaltlösung getränkter künstlicher Blumen, um aus deren
Farbenveränderung auf den Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre zu schlieſsen, ist
lediglich Spielerei.
Die Erfahrung, daſs sich eine ganze Reihe von Körpern in feuchter Luft ausdehnen und
in trockner Luft zusammenziehen, ist so alt, als man Thüren, Schubladen u. dgl. aus
Holz herstellt, oder Darmsaiten, Stricke und Papier kennt. Die ältesten
Einrichtungen dieser Art haben LeupoldTheatrum aerostaticum, S. 288.
und Wolf beschrieben. An dem einen Ende einer um
eine Rolle gelegten Hanfschnur oder Darmsaite hing ein kleines Gewicht mit einem
Zeiger, welcher sich vor einer entsprechenden Gradeintheilung auf und ab bewegte. –
Minder gut war das Hygrometer von SturmCollegium curiosum (Nürnberg
1676)., besser das von LambertHygrometrie (Augsburg 1774).
, welche ebenfalls Beide Darmsaiten verwendeten. DelancéTraité des baromètres, thermomètres et
hygromètres (Amsterdam 1688).
hing einen Papierstreifen zwischen zwei Säulen auf, der in der Mitte ein
kleines Gewicht mit Zeiger trug. SmeatonPhilosophical Transactions, 1771 Bd. 61 S.
24.
befestigte eine mit Salzwasser gekochte meterlange Hanfschnur an einen mit
250g Gegengewicht beschwerten, 30cm langen Zeiger, welcher sich vor einem in 100°
getheilten Bogen bewegte. Als Nullpunkt bezeichnet er die Zeigerstellung an einem
trocknen Tage in der Nähe eines mäſsigen Feuers, während der Sättigungspunkt durch
Befeuchten der Schnur mit Wasser gefunden wurde. ChiminelloJ. C. Fischer: Physikalisches Wörterbuch,
(Göttingen 1799) Bd. 2 S. 983.
, welcher im J. 1783 die diesbezügliche Preisfrage der kurpfälzischen Akademie
der Wissenschaften zu Mannheim löste und als Hygrometer einen mit Quecksilber
gefüllten Federkiel verwendete, glaubt den Nullpunkt noch bei mittlerer Trockenheit
der Atmosphäre und 31° Wärme, den Sättigungspunkt aber durch Eintauchen in Wasser zu
finden. J. Baptiste, der einen Zeiger durch einen
Streifen Goldschlägerhäutchen in Bewegung setzt, verwendet zur Bestimmung des
Nullpunktes in derselben Weise 62° warme Luft.
Maignan benutzte schon im vorigen Jahrhundert die
Ausdehnung und Zusammenziehung einer Granne vom Wildhafer; neuerdings hat Wolpert (1877 226 236. 636)
ebenfalls Pflanzenfasern benutzt, während Simmon (*1848
107 338) die Ausdehnung eines Holzstabes beobachtet,
de LücPhilosophical Transactions, 1773 Bd. 63 S.
38. 1791 Bd. 81 S. 1. Gren's Journal der
Physik, Bd. 5 S. 279. Bd. 8 S. 171.
die eines Stäbchens aus Elfenbein, oder später aus Fischbein; er bestimmt den
Nullpunkt zuerst in der mittels gebrannten Kalkes getrockneten Luft. Benoit (*1830 35 252) klebt
einen Papierstreifen auf eine Metallfeder, Delacombe
(1831 41 104) einen Holzstreifen, um das verschiedene
Verhalten der Pflanzenfaser und des Metalles gegen Feuchtigkeit zu benutzen,
natürlich ohne irgendwie brauchbare Angaben erzielen zu können.
SaussureVersuch über die Hygrometrie, übersetzt von
Titius (Leipzig 1784). Rozier's Journal de physique, Januar
1788.
verwendete zuerst ein gereinigtes, blondes Menschenhaar, welches einen Zeiger
mit kleinem Gegengewichte in Bewegung setzte. Er bestimmte den Nullpunkt in einer
durch Potasche getrockneten Luft, den Sättigungspunkt unter einer mit Wasser
befeuchteten Glasglocke. Dieses Haarhygrometer wurde dann von Babinet (*1824 14 293. 15 378), Herrmann und Pfister (*1870 196 504),
namentlich aber von Koppe (*1877 226 297), Meyn (*1878 227 364) und Klinkerfues (1878 226 100) verbessert.
AugustPoggendorff's Annalen, 1825 Bd. 5 S. 69 335.
1828 Bd. 14 S. 137. August:
Psychrometertafeln (Berlin 1848).
berechnet zuerst den Feuchtigkeitsgehalt der Luft aus der Abkühlung einer mit
Wasser befeuchteten Thermometerkugel, die um so gröſser ausfällt, je weniger die Luft mit Wasser
gesättigt ist. Dieses Verfahren wird namentlich bei meteorologischen Beobachtungen
angewendet. Peltier (1837 66
234) bestimmt diese Verdunstungskälte mit einem Thermomultiplicator.
Whitehouse (1872 204 188)
schlägt den umgekehrten Weg ein, indem er die Thermometerkugel mit concentrirter
Schwefelsäure befeuchtet und die in Folge der Wasseraufnahme aus der Atmosphäre
erfolgte Temperatursteigerung beobachtet. – Das Verfahren ist nicht
empfehlenswerth.
Die Bestimmung der Luftfeuchtigkeit durch die Wage ist ebenfalls längst bekannt. So
bestimmten die Mitglieder der Florentiner Akademie im J. 1731 den
Feuchtigkeitsgehalt durch Aufstellen eines mit Schnee oder Eis gefüllten,
trichterartigen Glasgefäſses und Wägen des verdichteten abtropfenden Wassers. Der
Abt FontanaSaggio dei real gabinetto di Firenze, S.
19.
nahm statt dessen eine abgekühlte polirte Glasplatte und bestimmte deren
Gewichtszunahme. AndereJ. C. Fischer: Physikalisches Wörterbuch, (1799)
Bd. 2 S. 976. brachten mit Salmiak getränkte Schwämme an einer
Wage ins Gleichgewicht und bestimmten die Gewichtsveränderung durch die Grade des
Ausschlages oder durch Gegengewichte. Joh. Livingstone
(1821 4 484) versuchte in gleicher Weise verdünnte
Schwefelsäure, Andere Potasche (vgl. * 1830 36 131), T. LowitzGöttingisches Magazin der Wissenschaften,
Reihe 4 Bd. 3 S. 491.
im J. 1772 einen bei Astrachan gefundenen Schiefer. – Diese Verfahren sind
offenbar mangelhaft; sicher ist dagegen die Bestimmung, wenn man eine genaue
abzumessende Luftmenge durch ein Rohr mit Chlorcalcium oder Schwefelsäure ansaugt,
dessen Gewichtszunahme direct den Wassergehalt angibt. Das Verfahren ist genau, aber
etwas umständlich.
Nicht minder zuverlässig läſst sich der Feuchtigkeitsgehalt der Luft aus der
Volumabnahme derselben beim Trocknen durch Chlorcalcium oder Schwefelsäure
berechnen. Diese Volumverminderung kann entweder in der von Bunsen angegebenen Weise im Eudiometer über Quecksilber direct gemessen,
oder aber aus der Abnahme des Druckes berechnet werden.R. Bunsen: Gasometrische Methoden, S. 45. M. Th. Edelmann: Neuere Apparate für
naturwissenschaftliche Schule und Forschung, (1879) S.
14.
Zu letzterem Zweck habe ich mir den nachstehend in Fig.
1 in ¼ n. G. abgebildeten ApparatW. Apel in Göttingen liefert denselben für 12
M. anfertigen lassen. Das cylindrische Glasgefäſs A ist mittels Gummistopfen in dem weiteren, mit Wasser
gefüllten Glascylinder B eingesetzt, um jede rasche
Temperaturänderung zu vermeiden. Der eine Schenkel des T-Rohres i trägt das kleine Quecksilbermanometer m, der andere c kann durch
einen kurzen Gummischlauch mit der kleinen Bürette s
verbunden werden. Soll nun eine Bestimmung gemacht werden, so verbindet man den Rohransatz
c mit dem Baume, welcher die zu untersuchende Luft
enthält, und saugt mit einem Aspirator bei geöffnetem Hahn b so lange aus der Oeffnung a an, bis der
Cylinder A sicher mit der zu untersuchenden Luft
gefüllt ist. Nun wird der Hahn b geschlossen, das
kleine Gefäſs s mit concentrirter Schwefelsäure gefüllt
und die Mündung a mit einem Gummistopfen verschlossen,
in dessen Durchbohrung ein zur Spitze ausgezogenes Glasrohr steckt, welches
schlieſslich mittels Gummischlauch mit dem Rohr c
verbunden wird, so daſs damit der Apparat völlig abgeschlossen ist. Man läſst nun
durch Oeffnen des Hahnes b die Schwefelsäure langsam
eintropfen; innerhalb 2 bis 3 Minuten ist die Absorption beendet, ohne daſs eine
Temperaturänderung stattfindet, wie man sich durch das Thermometer t überzeugt. Man liest nun genau die Druckabnahme im
Manometer m ab und berechnet hieraus in bekannter Weise
den Wassergehalt. Das Verfahren ist rasch auszuführen und gibt genaue Resultate.
Fig. 1., Bd. 234, S. 49
DaniellGilbert's Annalen der Physik, Bd.
68.
bestimmte den Thaupunkt, d.h. die Temperatur, bei welcher die Atmosphäre mit
der vorhandenen Feuchtigkeit gesättigt sein würde, mittels einer durch verdunstenden
Aether abgekühlten Glaskugel. DöbereinerGilbert's Annalen der Physik, Bd.
70.
und dann RegnaultAnnales de chimie et de physique, Reihe 3
Bd. 15.
geben dem Apparat die Form, welche unter dem Namen Regnault'sches Hygrometer
bekannt ist. Die Vereinfachung dieses Hygrometers von Nollet (1842 85 305) kann nicht als
Verbesserung bezeichnet werden; besser ist der Vorschlag von Alluard (1877 226 646), die vergoldete Kugel
mit einer nicht gekühlten gleichen Fläche zu umgeben, um den Eintritt des
Thaupunktes leichter zu erkennen. Dines (1872 206 274) schlug vor, eine schwarze Glasplatte bis zum
Thaupunkt abzukühlen.
Bestimmung des Sauerstoffes. Die älteren Versuche, den
Sauerstoffgehalt der atmosphärischen Luft mittels Stickoxyd, Schwefelkalium,
Phosphor u. dgl. zu bestimmen, wurden bereits früher besprochen (vgl. *1878 227 171). Von den neueren Bestimmuugsmethoden sind
folgende bemerkenswerth.
Ph. v. JollyAnnalen der Physik und Chemie, 1879 Bd. 6 S.
538.
benutzt die bekannte Eigenschaft des glühenden Kupfers, der atmosphärischen
Luft den Sauerstoff völlig zu entziehen. Das etwa 100cc fassende Glasgefäſs A (Fig. 2) kann durch den Dreiweghahn
h mit dem Rohransatz a und
dem Rohr b in Verbindung gesetzt werden. Soll eine
Bestimmung ausgeführt werden, so schlieſst man den Behälter A durch den Deckel d, verbindet das Rohr a mit der Quecksilberluftpumpe und füllt mit Hilfe
derselben den Apparat mit der zu untersuchenden Luft. Inzwischen umgibt man das
Gefäſs A mit Eis und stellt durch Heben oder Senken des
mit b durch einen Schlauch verbundenen Rohres g das darin enthaltene Quecksilber bis zur Marke bei
m ein. Der Hahn h wird
dann so gestellt, daſs A nur noch mit dem Rohr b in Verbindung steht, worauf man die Klemmschrauben
c und f mit
entsprechenden Zuleitungsdrähten verbindet, so daſs durch den galvanischen Strom die
Kupferspirale s in lebhafte Glühhitze kommt. Ist der
Sauerstoff entfernt, so umgibt man das Gefäſs A
abermals mit Eis, stellt das Quecksilber in b wieder
bis zur Marke ein und berechnet den Sauerstoff aus der Druckabnahme. Nach den
Versuchen von Jolly gibt der Apparat bis auf
Hundertstelprocente genaue Resultate.
Fig. 2., Bd. 234, S. 50
Fig. 3., Bd. 234, S. 50
Da es mir zweifelhaft erschien, ob die im Rohre zwischen dem Behälter A und dem Quecksilber bei m eingeschlossene Luft stets in derselben Weise an der Sauerstoffabgabe
betheiligt wird, die Verwendung der Quecksilberluftpumpe aber lästig ist, so habe
ich mir den in Fig. 3 abgebildeten Apparat anfertigen
lassen.Universitätsmechaniker W. Apel in Göttingen hat
denselben für 40 M. geliefert.
Durch den aufgeschraubten Deckel der Glaskugel A gehen
die beiden zu einer Batterie führenden Kupferdrähte c
und d welche unten eine Spirale von feinem Kupferdraht
tragen. Das von einem einfachen Gestell getragene Rohr f ist bis zur Marke m, das durch einen
dickwandigen Gummischlauch damit verbundene Rohr g etwa
halb mit Quecksilber gefüllt. Bei entsprechender der Stellung des Dreiweghahnes
b wird nun durch die Glaskugel A die von Kohlensäure und Wasser völlig befreite
atmosphärische Luft gesaugt, auch der Raum zwischen Hahn b und Quecksilbersäule damit gefüllt. Dann wird der Hahn a geschlossen und durch den Hahn b der Raum A mit dem Rohr
f verbunden, das Quecksilber in f bis zur Marke m
eingestellt und der Stand in dem vor einem genauen Maſsstabe e verschiebbaren Rohr g abgelesen. Nun wird
der Strom 3 bis 4 Mal je 4 bis 5 Minuten geschlossen, so daſs die rothglühende
Kupferspirale den Sauerstoff aufnimmt. Um auch der zwischen dem Hahn b und dem Quecksilber eingeschlossenen geringen
Luftmenge den Sauerstoff völlig zu entziehen, läſst man das Quecksilber einfach bis
zum Hahn b aufsteigen. Hat der Apparat die während des
Versuches unveränderte Temperatur des Versuchsraumes wieder angenommen, so stellt
man durch Verschieben des Rohres g das Quecksilber in
f wieder bis zur Marke m und berechnet aus der Druckabnahme in bekannter Weise die durch den
verschwundenen Sauerstoff bedingte Volumabnahme.
Mawson und Swan
Chemical News, 1879 Bd. 39 * S. 132.
bestimmen den Sauerstoff der atmosphärischen Luft mit einem Apparat, welcher nur
wenig von dem schon von Schlösing und Rolland (* 1878 227 256)
angewendeten abweicht; nur ist das Absorptionsgefäſs mit Kupferdrahtnetz gefüllt,
während als Absorptionsflüssigkeit ein Gemisch von 2 Th. gesättigter Salmiaklösung
und 1 Th. Ammoniakflüssigkeit von 0,88 sp. G. angewendet wird. Das Verfahren ist in
keiner Weise zu empfehlen.
Eigenthümlich ist das zweite Verfahren, welches Ph. v.
Jolly zur Bestimmung des freien Sauerstoffes in der Atmosphäre anwendet.
Bekanntlich fand RegnaultMémoires de l'Academie de sciences, 1847 Bd.
21 S. 158.
für 1l atmosphärische Luft 1293mg,187, für 1l
Sauerstoff 1429mg,802 und für 1l Stickstoff 1256mg,167. Bezeichnet x das Volum des in 1l Luft enthaltenen Sauerstoffgases, also 1 – x das des Stickstoffes, so hat man: 1429,802 x + (1 – x) 1256,167 =
1293,187. Es berechnet sich hiernach x zu 0,2132 oder
der Sauerstoffgehalt zu 21,32 Proc.
Jolly hat nun mit einem Glaskolben von 1009cc,412 Inhalt eine groſse Anzahl Wägungen
ausgeführt, aus denen hervorgeht, daſs für die geographische Breite von München von
48° 8' und der Höhe von 515m über der
Meeresoberfläche 1l Sauerstoff 1429mg,094 und 1l
Stickstoff 1257mg,614 wiegen. Daraus berechnen
sich für Paris 1429mg,388 und 1257mg,873, oder für Stickstoff 1mg,706 mehr, als Regnault fand. Jolly vermuthet, daſs dieses
Mindergewicht einem Gehalte an Wasserstoff bei dem von Regnault untersuchten Stickstoff zuzuschreiben sei.
Das Gewicht des in dem Ballon eingeschlossenen Sauerstoffes betrug 1442mg,545, das des Stickstoffes 1269mg,455, das der getrockneten atmosphärischen Luft (ob auch
von Kohlensäure befreit, ist nicht angegeben) bei anhaltendem Kordost 1305,744 und
bei anhaltendem Föhn 1304,899, somit der Sauerstoffgehalt der Luft 20,965 und 20,477
Proc.
Verfasser ist mit vergleichenden Versuchen über die praktische Brauchbarkeit dieser
Untersuchungsmethoden und die Schwankungen in der Zusammensetzung der
atmosphärischen Luft beschäftigt, worüber später berichtet werden soll.