Titel: | Die Entwickelung der Färberei, Druckerei und Bleicherei; von Dr. A. Kielmeyer. |
Autor: | A. Kielmeyer |
Fundstelle: | Band 234, Jahrgang 1879, S. 62 |
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Die Entwickelung der Färberei, Druckerei und
Bleicherei; von Dr. A. Kielmeyer.
Kielmeyer, ü. Entwickelung der Färberei, Druckerei und
Bleicherei.
(Nachdruck vorbehalten.)
In gröſseren und kleineren Abhandlungen über Färberei und Druckerei begegnet man sehr
häufig den alten Römern und Griechen und mit ganz besonderer Vorliebe wird Plinius citirt. In Wirklichkeit bestätigen alle diese
Hinweisungen vornehmlich, daſs Plinius über die
Färberei seiner Zeitgenossen nur unvollkommene, theilweise ganz verworrene Berichte
zu geben vermochte, sowie daſs dieses Gewerbe zu seinerzeit im Abendlande sehr
schwach vertreten und sehr wenig geschätzt war. Ich erlaube mir deshalb, keinen
Gebrauch von diesen Citaten zu machen. Der gesammten Technologie unserer Zeit steht
solch ein Ueberfluſs an werthvollem Material zu Gebot, daſs sie sich einige
Beschränkung auferlegen und derartigen altertümlichen Ballastes entledigen muſs. Was
wir von der Färberei der Alten mit Sicherheit wissen, besteht eben darin, daſs die
Anwendung des Krapps, des Indigos oder Indigo haltiger Pflanzen sich bis in die
ältesten Zeiten der morgenländischen Völker zurückverfolgen läſst, daſs diese beiden
wichtigen Farbstoffe später ins Abendland eingeführt wurden und daſs sie
gewissermaſsen die Probe ihrer Echtheit aufs Glänzendste ablegten, indem sie die
stürmischen, Alles zerstörenden Jahrhunderte der Völkerwanderung glücklich
überdauerten. Das Ende der Völkerwanderung, der Nullpunkt europäischer Kultur, das
Chaos, aus welchem die neuen Völkergruppen sich herausarbeiteten, um auf dem langen,
mühsamen Weg-stetiger Entwickelung das Zeitalter des Dampfes und der Maschinen zu
erreichen, bestimmt, glaube ich, die natürliche Grenze der Technologie, den Anfang
für eine neue Zeitrechnung der Technik des Abendlandes.
Auch die auf die groſse Völkerkatastrophe unmittelbar folgenden Jahrhunderte
erscheinen in der Kulturgeschichte als eine Uebergangsperiode von solch trauriger
wirthschaftlicher Oede und Erstarrung, daſs ein mehr als nothdürftiges
Wiederaufleben von Handel und Gewerben nicht angenommen werden kann. Wenn aber
irgend ein Gewerbe für sein Gedeihen einen gewissen Wohlstand und eine lebensfrohe,
behagliche Existenz der Gesellschaft voraussetzt, so ist es die Färberei mit ihren
bunten, freundlichen Erzeugnissen, welche ihrerseits wieder jede ihr zu Theil
werdende Aufmunterung mit reichlicher Vermehrung des Gesammtwohlstandes lohnt.
Das erste Zeichen einer beginnenden Textilindustrie regte sich in Italien, dem Lande,
welches durch seine geographische Lage mit den südlich, östlich und westlich von ihm
sich ausbreitenden, in Wissenschaften, Künsten, Handel und Gewerben erblühenden
Kalifenreichen in die
unmittelbarste Berührung, in den lebhaftesten Handelsverkehr treten muſste, zugleich
dem Lande, in welchem die Grundlage aller Gewerbe, ein geordnetes Städtewesen aus
den geretteten Resten der Vorzeit in kürzerem Zeitraum sich entwickeln konnte, als
die Neubegründung eines solchen in den primitiven nordischen Reichen erforderte.
Als Roger II von Sicilien mit Hilfe von Arbeitern,
welche er als Kriegsgefangene von einem Kreuzzug mitgebracht hatte, eine
Seidenmanufactur zu Palermo und eine zweite in Kalabrien errichtete, so war ihm
diese verdienstvolle Gründung jedenfalls durch einen Jahre lang vorausgehenden,
gewinnbringenden Handel seines Volkes mit Seidenwaaren nahegelegt worden. Sie kann
zugleich als eines der Beispiele angeführt werden, daſs die Kreuzzüge, von welchen
meist nur die ideale, wenn nicht ihre lächerliche Seite hervorgehoben wird, in
Wirklichkeit als kräftige Motoren der abendländischen Industrie angesehen werden
können. Von Unteritalien verbreitete sich die Seidenindustrie über ganz Italien, und
es ist kein Zufall, daſs die Legende gerade einen Italiener den zunächst für die
Seide wie auch für die Wolle später so wichtig gewordenen Orseillefarbstoff ums J.
1300 durch Zufall finden läſst. Daſs der Florentiner auf seiner Orientreise die
Reaction des Urins auf ein bestimmtes Moos in seiner Umgebung sogleich praktisch
auffaſste, beweist, daſs er mit der in seiner Vaterstadt seit Jahren heimischen
Färberei wohl vertraut war, vielleicht noch einfacher, daſs er das Geheimniſs der
Orseillefarberei bei seinen levantinischen Geschäftsfreunden auszukundschaften
wuſste. Sicher ist, daſs die Italiener durch 100 Jahre seit jener Zeit im
unbestrittenen Alleinbesitz der Orseillefabrikation und des Handels mit Flechten
waren, bis i. J. 1344 die canarischen Inseln wieder entdeckt und auf denselben i. J.
1402 die Roccella Unctoria aufgefunden wurde. Die
Italiener besorgten überhaupt den ganzen Handel und Verkehr des nördlichen
Abendlandes mit Griechenland, Kleinasien und Ostindien, und zwar mit letzterem auf
dem Weg über Aegypten; sie lieferten Frankreich, sowie Deutschland und England durch
Vermittelung der seit d. J. 1364 gegründeten Hansa die nöthigen Chemikalien und
Färbedroguen für ihre sich entwickelnden Färberindustrien, versahen sie mit Krapp
und syrischem, seit 1450 mit selbst gewonnenem Alaun, schickten ihnen die im eigenen
Land und die im Orient und in Griechenland erzeugten und gefärbten Stoffe und
beherrschten die damalige Mode als Kaufleute sowie als Producenten. Sie hatten nur
die Concurrenz Spaniens zu fürchten. Diese hatten doch in ihrem unfreiwilligen
Verkehr mit ihren muselmännischen Unterdrückern durch mehr als 700 Jahre denselben
gewerblichen Unterricht genossen wie die Italiener selbst. Wirklich kam der
entscheidende Schlag auch von dieser Seite.
Als mit dem zweiten Decennium des 15. Jahrhunderts die Entdeckungsfahrten der
Portugiesen und der kurz zuvor erst von den Mauren befreiten Spanier ihren vorsichtigen und
bedächtigen Anfang nahmen, so war das Interesse für dieselben kein so rein
wissenschaftliches, wie heutzutage das für die Nordpolfahrten. Und wenn Genua im J.
1492 Columbus mit seinen Projekten von sich weisen zu müssen glaubte, so setzte es
der Auffindung des Seeweges nach Ostindien ungefähr denselben passiven Widerstand
und von ähnlichen Motiven geleitet entgegen, wie vor einiger Zeit die Engländer der
Ausführung des Suezkanales. Diese wuſsten schlieſslich die ihnen gefährliche
Errungenschaft der Neuzeit für sich auszunutzen. Die italienischen Handelsstädte
hatten aber nur den einen Gedanken, daſs ihre sicheren morgenländischen, durch
Jahrhunderte gefestigten Verbindungen und ihre jedem directen Concurrenzangriff
widerstehenden Positionen durch eine neue Handelsstraſse nicht nutzlos werden
dürfen. Als dieselben im J. 1498 von Vasco de Gama
gleichwohl umgangen wurden, da fehlte dein übergroſsen Reichthum der Italiener die
Energie für die Anstrengungen und der Muth für die Aufnahme des unsicheren
Concurrenzkampfes mit gleichen Waffen. Die nunmehr rasch auf einander folgenden
Länderentdeckungen hatten eine unmittelbare, fast gewaltsame Verschiebung
gleichzeitig der politischen wie mercantilen Machtverhältnisse zur Folge. Es
entwickelte sich ein eigentlicher Welthandel mit ungeahnten Dimensionen, der
anfänglich ganz in den Händen der Spanier und Portugiesen lag. Sei es, daſs ihre
eigene Industrie den Anforderungen solch groſsartiger Handelsverbindungen nicht
nachzukommen vermochte, sei es daſs die Geschäftsleute der pyrenäischen Halbinsel
schon damals zu der moderneu Einsicht gelangten, der Handel sei eine leichtere,
feinere Erwerbsquelle als die Fabrikation: beide Völker nahmen die Industrien
anderer Länder in überreichem Maſs in Anspruch, und zwar nicht die ihrer
italienischen Rivalen, sondern die der nördlichen Völker, insbesondere der
Niederländer. Ihre eigene Industrie ging zurück und bald überlieſsen sie auch die
Führung des Welthandels den Niederländern und später den Engländern – ein Beweis,
daſs jene rein kaufmännische Anschauung für den Einzelnen annehmbar sein mag, daſs
aber ein Handelsvolk ohne die solide Grundlage einer eigenen heimischen Industrie
auf die Dauer einen ersten Rang zu behaupten nicht im Stande ist.
Die Färbekunst hatte sich inzwischen von Italien aus nach Frankreich, England,
Deutschland und in die Niederlande verbreitet und besonders in den letzteren eine
immer wachsende Bedeutung gewonnen. Die flandrischen Tücher aus englischer Wolle
waren längst ein beliebter Handelsartikel in Frankreich und Deutschland geworden.
Friesische Schiffe vermittelten neben italienischen den Orienthandel entweder direct
in den levantischen Gewässern, oder indem sie die über Ruſsland angekommenen
Producte des Südens in den Häfen der Ostsee abholten. Die neuen Farbwaaren der neu
entdeckten Länder wurden in Brügge und später in Antwerpen von spanischen und portugiesischen Seefahrern
aus erster Hand gekauft. Schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde der für
Holland später so wichtige Krappbau im Lande selbst mit schönstem Erfolg betrieben,
hierdurch die niederländische Färberei von dem levantischen Krapp unabhängig gemacht
und von der unverhältniſsmäſsig groſsen Fracht befreit, welche durch das
Miſsverhältniſs des Bruttogewichtes der Krappwurzel zum Nettogewicht des in ihr
enthaltenen wirksamen Farbstoffes bedingt ist. Solche Verhältnisse und
Unternehmungen lassen auf eine groſsartig entwickelte Färberindustrie schlieſsen,
wie auch die burgundische Mode beweist, welche der damals herrschenden spanischen
officiellen Mode zum Muster diente.
Wie 100 Jahre später die Hugenotten Verfolgungen den Zeugdruck aus Frankreich in
aller Herren Länder verpflanzten, so wurden während des niederländischen Krieges die
Geheimnisse und Vortheile der vorgeschrittenen niederländischen Färberei von
flüchtigen Gewerbsleuten nach England, Frankreich und Deutschland gebracht. Die
Flüchtlinge fanden dort allerdings eine bis zu einem gewissen Grade entwickelte
Industrie vor, wie die im J. 1418 in Deutschland, 1472 in England gegründeten
Färberinnungen und wie der seit 1507 in Schlesien betriebene Krappbau und die seit
1521 in Frankreich gepflegte Seidenkultur darthün. Doch stand insbesondere
Deutschlands Industrie hinter der niederländischen zurück; denn die feineren Stoffe
wurden sammtlich nach Deutschland eingeführt und im Lande selbst nur Leinwand oder
geringe Wollstoffe in Braun und Schwarz erzeugt.
Die Flüchtlinge fanden übrigens in den fremden Ländern keine besonders freundliche
Aufnahme. Ihre neuen, besseren Färbe verfahren stimmten nicht mit den Recepten der
damals officiell herausgegebenen, ganz detaillirten Färberordnungen, an deren
Befolgung die Färber so streng gebunden waren, wie die Apotheker an ihre
Pharmakopöen. Die einheimischen Färber fürchteten die fremde überlegene Concurrenz,
sie suchten und fanden Hilfe bei ihren Behörden. Die Regierung der Königin Elisabeth schränkte zuerst den Gebrauch des Indigos ein
und verbot gänzlich die Verwendung des Blauholzes in der Färberei. Bei dem Verbot
des letzteren, welches bis zum J. 1673 aufrecht erhalten wurde, mag weniger das
armselige Drängen der Zünfte als die Sorge um den Credit der Schwarzfärberei
maſsgebend gewesen sein; zugleich war die Gelegenheit erwünscht, den westindischen
Handel der politisch verhaſsten Spanier zu schädigen. Für das Verbot des Indigos
aber fallen diese Rücksichten weg.
Wenn später Frankreich im J. 1609 und Deutschland auf dem
Regensburger Reichstag 1594 Englands Beispiel folgten und sogar die Todesstrafe auf
die Uebertretung des Indigoverbotes setzten, so hatte man es hier dem Zusammenwirken
der um ihr Brot besorgten Färberzünfte und der ebenso reichen als mächtigen
Waidaristokratie zu danken, daſs die technische Laufbahn des neuen, wichtigen Farbstoffes um mehr als
100 Jahre zurückgeworfen wurde.
In Frankreich wurde der Waidbau in der Normandie, in der Provence und in Languedoc in
groſsem Maſsstab betrieben, und es war ein französischer Waidjunker, welcher im J.
1526 für den in Spanien gefangen gehaltenen Franz I
Caution leistete. In Deutschland war der Waidbau in Schlesien, in der Kurmark, sowie
in der Gegend von Magdeburg und namentlich in den thüringischen Ländern zu Hause, wo
im J. 1616 noch 300 Dörfer von demselben lebten und fünf Waidstädte (Erfurt, Gotha,
Arnstadt, Langensalza und Tannstädt) den ausschlieſslichen Pastelhandel betrieben
(vgl. 1840 78 407). Sie Alle fürchteten die Concurrenz
des neu eingeführten Farbstoffes. Daſs gerade in letzter Gegend zwei verschärfte
kurfürstliche Erlasse im J. 1650 und 1666 veröffentlicht wurden, zeigt deutlich, von
welcher Seite die Agitation gegen den Indigo ausgegangen ist, und daſs trotz aller
Strenge des Gesetzes das Regensburger Verbot nicht den erwünschten Erfolg hatte. Der
letzte kurfürstliche Erlaſs ist artig motivirt; denn, sagt er, dieser Indigo ist
eine schädliche, fressende Teufels- und Corrosivfarbe, deren Gebrauch bei
willkürlicher Strafe an Gut, Ehre und Leib zu verbieten ist. Der Kanzleistyl ist
kräftig und nicht ohne zeitgemäſse Religiosität; was den Inhalt selbst betrifft, so
geht aus demselben einfach hervor, daſs der Indigo damals eine Eigenschaft weiter
besessen haben muſs, als die heutigen Lehrbücher angeben. Doch ist die Annahme nicht
ausgeschlossen, daſs mit dem neuen Farbstoff zugleich die Opermentküpe aus Indien zu
uns gebracht wurde, daſs man ihn anfänglich nur in dieser Form zu verwenden wuſste
und daſs er auf diese unverschuldete Weise zu solch üblem Ruf gekommen ist.
Alles zusammen aber gibt ein Bild von der ungemeinen Aufregung und sittlichen
Entrüstung, welche das erste Auftreten des neuen Farbstoffes gegen das Ende des 16.
Jahrhunderts unter den Schwarzfärbern und Waidbauern sowohl, als auch in der ganzen
industriellen und finanziellen Welt hervorgerufen hat, wie sie sich nur einzustellen
pflegt, wenn die Interessen mächtiger Coterien auf dem Spiele stehen. Ihr gegenüber
ist die Aufregung, welche die Erfindung des künstlichen Alizarins seit 1868
verursacht hat, eine winzig kleine, und doch ist es keine Frage, daſs bei den
heutigen vergröſserten Verhältnissen der Gesammtindustrie diese Entdeckung in den
Krapp bauenden Ländern mindestens ebenso schmerzlich empfunden wird, daſs die
Unterdrückung eines groſsen, mit der Krappwurzel verwachsenen Industriezweiges und
die Verschiebung des hauptsächlichen Mittelpunktes für den Handel mit dem
wichtigsten rothen Farbstoff um beiläufig 10 Breitegrade gegen Norden sich durch
ebenso tief einschneidende Wirkungen auf die Handelsbilanzen der betheiligten Länder
kennzeichnen muſs, als dies nach Einführung des Indigos auf dem europäischen Markte
der Fall war.
Ein i. J. 1605 erschienenes, englisches Buch über Färberei gibt
einen ungefähren Begriff von dem Bestand der damaligen Farbwaarenmagazine. Es
bespricht hauptsächlich den Waid, Indigo, Krapp, Safflor, die Galläpfel, Erlenrinde,
das gelbe einheimische Färbekraut und den Kermes. Von den amerikanischen
Errungenschaften behandelt es nur das Brasilienholz, nicht aber das seit d. J. 1600
in Aufnahme gekommene Gelbholz, auch nicht die schon i. J. 1518 in Mexico
aufgefundene Cochenille, den Ersatz für den alten Kermes. Letzterer war ein seit
ältesten Zeiten in der Woll- und Seidenfärberei benutztes Surrogat für die
Purpurfarbe, noch ehe dieselbe in Verlust gerathen war. Das Kermesinsekt wurde in
allen Ländern, so auch in Deutschland, gesammelt und war in manchen Gegenden eine
ansehnliche Erwerbs- und Steuerquelle, welcher die Einführung der Cochenille ein
Ende machte, doch wohl nicht so schnell, als die Ueberlegenheit des neuen
Farbstoffes über den alten erwarten lieſs. Die damalige Scharlachfärberei mit Kleie,
Alaun und rothem Weinstein lieſs wohl die Vorzüge desselben nicht deutlich genug
erkennen. Da erhielt der holländische Chemiker Cornelius
Drebbel durch Zufall das feurige Cochenillescharlach. Ein Glas mit
Scheidewasser war zerbrochen und die Flüssigkeit floſs über ein mit Zinn verlöthetes
Fenster in eine Cochenilletinctur. Daſs der Zufall sich gerade in Holland, wo die
Färberei die schönsten praktischen Resultate aufzuweisen hatte, ereignete, ist
wiederum kein Zufall; aber es wäre den Chemikern aller Länder von Herzen zu gönnen,
daſs ihre Gläser von Zeit zu Zeit mit solch glücklichem Erfolg springen würden, denn
Drebbel's Erfindung fand in Holland sofort
praktische Anwendung, gelangte 1643 nach England und Frankreich, erregte dort als
Bow-Farbe, hier als Gobelin's Scharlach ungemeines Aufsehen und erfreute sich
überall der besten Aufnahme.
Ein dritter chemischer Zufall ist aus d. J. 1704 zu verzeichnen,
wo Diesbach in Berlin beim Vermischen einer Alaunlösung
mit Cochenilleabsud mit wenig Eisenvitriol- und mit Potaschelösung statt eines
rothen einen blauen Niederschlag erhielt. Es stellte sich heraus, daſs die
verwendete Potasche früher von dem Chemiker Dippel,
welcher ein sogenanntes thierisches Oel aus Blut fabricirte, mit Blut erhitzt worden
war und daſs nur eine derartig behandelte Potasche den blauen Niederschlag
hervorrufen konnte. Zwanzig Jahre später wurde das Berlinerblau nach einer in
England veröffentlichten Vorschrift im Groſsen dargestellt durch Verpuffen von
gleichen Theilen Weinstein und Salpeter, Calciniren des so erhaltenen Alkalis mit
getrocknetem Rindsblut, Auslaugen der Schmelze mit Wasser und Fällen mit einer
Lösung von Eisenvitriol und Alaun. Und i. J. 1749 veröffentlichte Macquer das erste Verfahren, Zeuge mit Eisenvitriol und
mit Blutlauge blau zu färben, d.h. mit dem durch Lauge zerlegten Berlinerblau, in
welcher Form das Blutlaugensalz bis zum J. 1802 allein zur Verwendung kam.
Damit war dem Indigo zu den polizeilichen Verboten noch eine Concurrenzfarbe
erwachsen. Doch hatte er sich mittlerweile schon in die Blaufärbereien
eingeschlichen und ersetzte anfänglich den Waid in kleineren, später in gröſseren
Mengen, zuletzt sogar mit Erlaubniſs der Färberordnungen. Schlieſslich wurde sein
Gebrauch i. J. 1737 von Frankreich gänzlich frei gegeben. In Frankreich wie in
England hatten einstweilen die Regierungen die nationalökonomische Bedeutung des
Färbereigewerbes richtig erkannt; sie unterstützten dasselbe nach Kräften und
verbanden sich, insbesondere Colbert, mit
wissenschaftlichen Chemikern, um die Bedürfnisse und Fortschritte der Färberei
kennen zu lernen und thatkräftig fördern zu können. Zu diesen günstigen
Verhältnissen gesellten sich noch Ereignisse von besonderer Bedeutung für die
Erweiterung des Gebietes der angewendeten Farbenchemie. Im J. 1696 legte Hocke der Akademie in London von ihm selbst ausgeführte
buntfarbige Zeuge vor, welche sich in warmem Wasser und in Seifenlösung waschen
lieſsen. Es war damit die erste Anregung für die Druckerei gegeben; den eigentlichen
Antrieb jedoch hatte sie schon früher in Frankreich erhalten.
Den Franzosen war es gelungen, neben den Holländern, Engländern
und Spaniern sich einen ausgedehnteren Colonialbesitz zu erwerben. Sie brachten aus
ihren ostindischen Colonien den Wachsdruck nach Frankreich, wo alsbald der
weiſs-blaue Leinenartikel unter dem Namen „Porzellandruck“ in Aufnahme kam.
Die hauptsächlich aus Wachs bestehende Schutzmasse für die weiſse Zeichnung wurde
anfänglich mit dem Pinsel aufgetragen und die bemalte Leinwand von den Blau- und
Schwarzfärbern in lauwarmer Waidküpe ausgefärbt. Das Verfahren wurde gleichzeitig
auf die aus dem Orient eingeführte Baumwolle übertragen; dieselben Muster wurden auf
dem Wege der Krappfärberei auch mit braunem, rothem und schwarzem Grund hergestellt;
statt der Wachsreserve wurden verschiedene Beizen aufgemalt und bunt ausgefärbt, und
an Stelle des Pinsels wurde der ebenfalls dem' Orient entlehnte Holzmodel zum
Auftragen der Beizen verwendet. Der Grund und Boden für eine ansehnliche
Druckindustrie in Frankreich war gelegt, als die Aufhebung des Edictes von Nantes i.
J. 1685 eine Menge Flüchtlinge ins Ausland trieb, von welchen eine Anzahl mit der
Kunst des Leinwand- und Baumwolldruckes vertraut war. Ein solcher Flüchtling
gründete i. J. 1689 eine Baumwolldruckerei in Neuschätel, ein Anderer 1690 eine
solche in Richmond. Einige Jahre später entstanden die Druckereien in Bromley-Hall,
in Essex und in Surrey, und auch in Augsburg entstand i. J. 1698 eine Fabrik, in
welcher bedruckte Gewebe in Krapp gefärbt wurden.
Somit ist die Baumwolle ganz unbemerkt auf den Schauplatz der
Industrie getreten, und es würde jeder Anhaltspunkt für die Zeitbestimmung dieses
wichtigen Ereignisses fehlen, wenn nicht glücklicher Weise die Woll- und Seidenweber
Englands i. J. 1685 dasselbe durch einen groſsen Skandal gefeiert hätten. Sie
stürmten das Haus der Ostindischen Compagnie, um sich für eine frisch angekommene
Sendung indischer Kattune zu rächen, und setzten es durch, daſs die indischen
Baumwollfabrikate gänzlich vom englischen Markte ausgeschlossen wurden. Die
Engländer jener Zeit waren eben noch nicht zum Freihandelsystem bekehrt. Im J. 1720
wurde in England sogar verboten, gedruckte Kattune, gleichviel ob fremdes oder
einheimisches Fabrikat, zu tragen. Diese ebenso einfache, als prompte, sehr wenig
Vorstudium verlangende Methode, sich eines Artikels, den man nicht zu behandeln
versteht, mit Knüppeln zu erwehren, hat die englische Kattundruckerei, trotzdem der
letzte widersinnige Parlamentsbeschluſs 10 Jahre später widerrufen wurde, in ihrer
Entwickelung gegenüber der französischen Fabrikation ungemein aufgehalten. Die
französische Regierung lieſs sich durch das unvernünftige Drängen und Treiben der
Woll- und Seidenproducenten nicht irreführen, während das englische Parlament noch
bis zum J. 1774 die Beschränkung aufrecht erhielt, daſs nur Baumwollwaaren mit
leinenem Zettel bedruckt und getragen werden durften, und noch dazu solche Stoffe
mit einer Abgabe von anfänglich 6, später 3 Pence für die Quadratelle bis zum J.
1831 belegte. Wenn gleichwohl die englische Fabrikation später die französische
wieder einholte, in manchen Stücken, namentlich im maschinellen Theile, sogar
überholte, so hat sie dies in erster Linie ihrem Liverpooler Baumwollmarkt zu
verdanken, von welchem heute noch sowohl die französische, als die deutsche
Baumwollindustrie abhängt, ohne daſs je ein ernstlicher Versuch gemacht worden wäre,
sich von diesem lästigen Zwang zu befreien. Aber die Herrschaft der Mode konnte die
englische Industrie nicht mehr erringen, sie blieb von nun an mit Frankreich und mit
dem Glanz seiner Politik verbunden.
Mit dem Anfang des 18. Jahrhunderts erhielt der Blaudruck durch
Einführung des Pinselblaus oder Schilderblaus eine wesentliche Bereicherung und
Erweiterung seines Gebietes. Die Farbe bestand aus einer mit Gummi verdickten
Auflösung des Indigos in Schwefelarsen und kaustischer Lauge, d.h. aus einer
concentrirten Opermentküpe, welche wohl früher schon eine vorübergehende Anwendung
gefunden hatte. Sie diente für blaue Muster mit vorherrschendem Weiſs und als
Illuminationsfarbe für zuvor gefärbte Waare; später, als schon der Walzendruck
eingeführt war, spielte sie noch einmal eine Rolle als Ueberdruckblau für im
Krappbade gefärbte Stoffe. Aber von viel gröſserer Bedeutung für den Blaudruck und
für die Blaufärberei war die in die Mitte desselben Jahrhunderts fallende Erfindung
der kalten, aus Indigo, Eisenvitriol und Kalk zusammengesetzten Vitriolküpe (vgl.
1847 103 123. 1852 123 164.
1863 169 319).
Die warme Waidküpe (vgl. 1829 33 101) blieb sammt ihren
Krankheiten und
sonstigen Schwierigkeiten für die Wollfärberei, zumeist Garnfärberei, reservirt.
Nachdem die Anwendung des Indigos endlich gestattet war, enthielt diese Gährungsküpe
den Waid nicht mehr als Farbstoff, sondern als Gährungsmittel, um die Gährung des
Krapps, der Kleie, in späteren Zeiten wohl auch des Mehls und des Syrups (vgl. 1844
94 159) zu unterstützen. Diese Gährungsmittel
entwickeln in der durch Kalk und Potasche oder Kalk und Soda alkalisch gehaltenen
Küpe Wasserstoffgas, welches den Indigo reducirt und in Lösung überführt. Neben
dieser combinirten warmen Küpe wurde mit der Zeit die reine Potasche oder die
billigere Sodaküpe für ganz schwere und dunkle Tücher, sowie für Seidenstoffe
eingeführt. Dieselben sind ohne Kalk und ohne Waid angesetzt und enthalten nur Krapp
und Kleie als Gährungsmittel. Sie haben den Vorzug, daſs sie schneller und besser
durchfärben, weniger Satz bilden, leichter zu führen und weniger Unfällen ausgesetzt
sind als die Waidküpen. Dagegen müssen sie öfter frisch angesetzt werden und eignen
sich deshalb nur für kleineren Betrieb; auch erzeugen sie ein weniger reines Blau.
Vortheilhafter, billiger und haltbarer hat sich die sogen, deutsche Küpe für Wolle
und Seide erwiesen, welche neben Indigo nur Kleie enthält und zum Theil mit Soda
oder Potasche, zum anderen Theil mit Kalk alkalisch gehalten ist. Eine weitere
Gährungsküpe, die Urinküpe, mit Indigo, Krapp, Potasche und faulem Urin angesetzt,
hat jeder Zeit nur beschränkte Anwendung gefunden.
Fast in dieselbe Zeit mit der Entdeckung der für die Blaufärberei
der baumwollenen und leinenen Garne und Gewebe so wichtigen kalten Vitriolküpe,
ungefähr 10 Jahre früher, ins J. 1740 fällt Barth's
Auffindung der Lösung des Indigos in Schwefelsäure, die Grundlage für die Färberei
der Wolle und Seide in Sächsischblau und Sächsischgrün, wichtig auch deshalb, weil
sie der Darstellung des Indigocarmins vorausgehen muſste, welcher im späteren Woll-
und Seidendruck eine bedeutende Verwendung gefunden hat. Die Farben, welche die
sogen. Indigocomposition hevorbringt, sind zwar weniger echt als die in der Küpe
erzeugten, dagegen ist die Färberei mit derselben sehr einfach und sehr sicher (vgl.
1824 13 85. 1851 121 228).
Wiederum fast gleichzeitig mit der Vitriolküpe vollzog sich die Einführung der
Türkischrothfärberei in die französischen Färbereidistricte. Im J. 1747 wurden in
der Nähe von Rouen, in Aubenas (in Languedoc), sowie in Chamont bei Lyon mit Hilfe
von griechischen Arbeitern die ersten Türkischrothgarn-Färbereien eingerichtet. Das
neue Gewerbe fand bald seinen Weg ins Elsaſs und durch ganz Frankreich, nachdem die
französische Regierung i. J. 1765 das Verfahren des Adrianopelroths hatte
veröffentlichen lassen – eine Verfügung, welche zu der Annahme berechtigt, daſs
schon die Einführung des neuen Fabrikationszweiges unter Mitwirkung der Regierung
vor sich gegangen war.
Mit der Ausdehnung der neuen Fabrikation machte sich in Kurzem das Bedürfniſs einer
heimischen Krappkultur fühlbar. Da der in Hagenau im Elsaſs seit 1729 betriebene
Krappbau zusammen mit dem aus Holland eingeführten Krapp den Verbrauch der
Färbereien nicht mehr decken konnte, der Bezug aus der Levante durch die Fracht
unverhältniſsmäſsig vertheuert wurde, so veranlaſste wiederum die Regierung den
Krappbau in der Gegend von Avignon und sicherte zugleich dem Lande auf viele Jahre
hinaus eine neue reiche Erwerbsquelle (vgl. 1837 64
195).
Die bisherige Summe von Erfindungen und Verbesserungen in der
Färberei der Baumwolle, die Echtheit, Dauerhaftigkeit und die vermehrte
Vielfältigkeit des Fabrikats steigerte die Beliebtheit des gesammten
Baumwollartikels mit jedem Jahre mehr, so daſs allenthalben neue Fabriken
entstanden, um der Nachfrage des Publikums zu genügen. Im J. 1741 wurde die erste
Druckerei in Berlin errichtet; 1746 gründete Köchlin,
Schmalzer und Dollfus eine Indiennefabrik in Mülhausen i. E. trotz aller
Schwierigkeiten und Plackereien, welche die damalige Republik Mülhausen ihrem
Unternehmen entgegensetzte. Im J. 1756 entstand die Schüle'sche Fabrik in Augsburg, 1764 die erste Druckerei in Bamber Bridge
bei Preston. Gleichzeitig fand die Türkischrothgarnfärberei ihren Weg nach
Deutschland und in die Schweiz, wie auch i. J. 1783 durch Färber aus der Gegend von
Rouen nach Schottland und England. Die ersten Anfänge der böhmischen Druckindustrie
beginnen mit dem J. 1746, mit dem Oelfarbendruck auf Leinen- und Baumwollgewebe. Im
J. 1763 errichtete dort Graf Kinsky die erste
Kattundruckerei in Bürgstein und ihm folgte Graf Bolza
mit der Druckerei Josefsthal-Kosmanos, welche i. J. 1793 durch Kauf an Josef Leitenberger überging.
(Fortsetzung folgt.)