Titel: | Rundschau auf dem Gebiete der Bierbrauerei; von V. Griessmayer. |
Autor: | V. Griessmayer |
Fundstelle: | Band 234, Jahrgang 1879, S. 129 |
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Rundschau auf dem Gebiete der Bierbrauerei; von
V. Grieſsmayer.
(Fortsetzung des Berichtes S. 152 Bd.
233.)
Grieſsmayer, Rundschau aus dem Gebiete der Brauerei.
Das Ebullioskop von Malligand.
Schon früher (1875 218 262) habe ich die Anwendung des
Ebullioskopes zur Bestimmung des Alkoholgehaltes im Wein und Bier empfohlen. Aus den
von mir daselbst angeführten Belegen ging hervor, daſs das Instrument bei der
Weinuntersuchung ganz genaue Werthe liefert, hingegen den Alkoholgehalt des Bieres
nur bis auf eine Genauigkeit von 0,1 bis 0,2 Proc. angebe. Zugleich stellte ich
durch mehrere Versuche fest, daſs Bierextract, Dextrin, Gerbsäure keinen Einfluſs auf die Angabe des Instrumentes
äuſsern, da die hierbei erhaltenen Differenzen zwischen + 0,1 und – 0,1 Proc. schwanken. Analysen aus dem Weihenstephaner
Laboratorium (1878 230 337) ergaben das Resultat, daſs
die Differenz zwischen den Angaben der Destillationsmethode und des Ebullioskopes im
ungünstigsten Falle 0,2 Proc. betrage, und zwar war es nicht immer das Ebullioskop,
welches die höheren Werthe lieferte. In neuester Zeit nun hat Waage dieses Thema einer wiederholten Untersuchung
unterzogen und diese zuerst in der Zeitschrift für das
gesammte Brauwesen, Bd. 2 S. 143 und nunmehr auch in der Zeitschrift für analytische Chemie, 1879 S. 417
veröffentlicht. Das Resultat einer Reihe von Versuchen ist folgendes.
Das Ebullioskop gibt bei Bieruntersuchungen den Alkoholgehalt immer zu hoch an. Bei bayerischem Bier, welches im Ebullioskop über 6
Vol.-Proc. zeigt, muſs man 0,216 Proc. vom abgelesenen Alkoholgehalt abziehen. Bei
bayerischem Bier von 5 bis 6 Vol.-Proc. muſs man 0,159 Proc., bei obergährigem Bier
von 4 bis 5 Vol.-Proc. 0,11 Proc. und bei Bier von 2 bis 4 Vol.-Proc. 0,02 Proc.
abziehen. Die von mir in München untersuchten Biere hatten nun – und haben noch –
durchschnittlich 4,5 Vol.-Proc., so daſs sie bezüglich der Correctur in die Reihe
der obergährigen Biere des Verfassers einzureihen sind. Wenn es nun auch richtig
wäre – was aber noch zweifelhaft bleibt – daſs das Ebullioskop immer zu hohe Werthe
liefert, so ist doch eine Differenz von 0,11 Proc. für eine technische Probe
unwesentlich. Anders mag die Frage bei den starken norwegischen Bieren sich
gestalten, deren Alkoholgehalt von dem Verfasser zu 5,5 bis 6,5 Vol.-Proc. im
Durchschnitt gefunden wird. Im Uebrigen muſs hier noch ein nicht unwesentlicher
Punkt berührt werden. Waage berechnete alle seine
Werthe durch Destillation des Bieres und Wägung des Destillates mit dem
Gay-Lussac'schen Alkoholometer.
Nun hat bereits Maumené (Comptes
rendus, 1876 Bd. 83 Nr. 1) für Wein gezeigt, daſs diese Bestimmung nicht
genau ist, weil ja bei der Destillation auch Essigsäure und andere flüchtige Säuren
(und ich füge hinzu Glycerin) übergehen, welche das specifische Gewicht erhöhen und
hiermit den Alkoholgehalt vermindern. Man muſs den Wein erst mit Alkali
neutralisiren, bevor man ihn destillirt, und will man ganz genau sein, so muſs man
das so erhaltene Destillat erst prüfen, ob es nicht von zersetzten Ammonsalzen
(Aminen u. dgl.) alkalisch geworden ist, und im bejahenden Falle mit Schwefelsäure
neutralisiren und nochmals destilliren. Es ist selbstverständlich, daſs dieser
Gedankengang auf Bier angewendet zu demselben Resultate führt – ja noch mehr. Das
Verfahren Maumené's ist selbst noch nicht vorwurfsfrei,
denn durch die doppelte Destillation kann der Uebergang des Glycerins in das
Destillat nicht verhindert werden und fällt also der Alkoholgehalt dennoch zu gering
aus. Im Biere ist aber nur der dreiſsigste Theil vom Glyceringehalte des Weines (0,6
: 0,02); es wird daher auch der aus dem Glycerin kommende Fehler entsprechend
vermindert.
Sievers (Allgemeine Hopfenzeitung,
1878 S. 200), welcher seine Bestimmungen mit dem Pyknometer und unter Anwendung der
Fownes'schen Tabelle machte – wobei dieselben
Fehlerquellen in Frage kommen – hat gefunden, daſs der Alkoholgehalt bei deutschen
Bieren, wenn dieselben nicht neutralisirt werden, zwischen 0,026 und 0,043 Proc.,
bei belgischen und englischen Bieren um 0,3 Proc. zu nieder ausfällt. Auch bei
deutschen Bieren fand er einmal 0,056 und ein andermal 0,061 Proc. Alkohol zu wenig.
Nun geht aber aus dessen Darstellung hervor, daſs er das nach Alkalisirung des
Bieres erhaltene Destillat in Untersuchung nahm; dieses muſs aber ebenfalls
alkalisch gewesen sein, durch einen Gehalt an Trimethylamin, Lupulin und Ammon; er
hat also noch zu wenig Alkohol gefunden; die Differenz ist somit noch gröſser.
Es ergibt sich daher der Schluſs, daſs das Ebullioskop für echt bayerische Biere oder
für solche mit 3 bis 4 Gew.-Proc. Alkohol auf (0,11 – 0,04 =) 0,07 Proc. oder noch
näher stimmt; dies dürfte genügen. Ich halte es daher auch nicht für angezeigt, nach
dem Vorschlage Waage 's das Instrument für Bier zu
justiren.
Physische und physiologische Einwirkung von Salzen und
anderen Substanzen auf normale Hefe.
Unter normaler Hefe versteht A. Béchamp (Comptes rendus,
1879 Bd. 88 S. 866) hier frische Brauerhefe, nachdem sie gewaschen, abgetropft und
auf Porzellanplatten getrocknet ist. In diesem Zustande ist sie sehr weiſs und
zwischen den Fingern pulverisirbar. Sie enthält noch 69,57 Proc. Wasser und
flüchtige Bestandtheile neben 30,43 Proc. Trockensubstanz. Läſst man auf 2 Theile
solcher Hefe einen Theil folgender Substanzen einwirken, so erhält man: Sofortige Verflüssigung mit krystallisirtem
Natriumacetat, mit Glaubersalz, krystallisirtem Magnesium- und Zinksulfat, mit
Ammoniumnitrat, krystallisirtem Magnesiumnitrat, trockenem Kaliumacetat,
Kaliumcitrat, krystallisirtem Aluminiumsulfat, Krystallsoda, trockenem Kalium- und
Natriumcarbonat, Rohrzucker. – Langsame Verflüssigung
mit Kochsalz, Natriumhyposulfat und Natriumnitrat, Kaliumsulfat, Chlorkalium,
Kaliumchlorat und Bicarbonat, Chlorbarium, Bariumnitrat, Natriumtartrat,
Chlorammonium, Ammoniumbenzoat, krystallisirter Oxalsäure, Kaliumcyanat und Gummi
arabicum. – Keine Verflüssigung, nur Erweichung mit
krystallisirtem Borax und krystallisirter Borsäure, Kaliumpikrat, Gallussäure,
Cinchoninchlorhydrat, Chininsulfat, Salicin und Milchzucker.
Béchamp hat zumeist die Wirkung des Natriumacetates
studirt. Mischt man 225g gut abgetropfter Hefe mit
100g krystallisirtem Natriumacetat und bringt
die sofort verflüssigte Masse aufs Filter, so gehen binnen 16 Stunden 225cc Flüssigkeit durch. Nun enthielten Hefe und
Acetat zusammen 460g Wasser; also entspricht das
Volum des Filtrates ungefähr der Hälfte der Gesammtmenge des vorhandenen Wassers. Zu gleicher Zeit mit
dem Wasser aber gibt die Hefe auch feste, lösliche und flüssige Substanzen ab. Um
den Verlust an Trockensubstanz zu schätzen, genügt es, das Gewicht der verwendeten,
ausgewaschenen und bei 100° getrockneten Hefe abzuziehen von dem Gewichte der nicht
extrahirten und nicht getrockneten Hefe. Man findet so, daſs die Hefe 44 Proc.
Trockensubstanz abgibt.
War Hefe mit Natriumacetat behandelt und dann gut ausgewaschen und abgetropft, so
verflüssigt sie sich nicht mehr so vollkommen bei einer neuen Behandlung mit diesem
Salze, obwohl sie an Wasser beim Waschen noch eine groſse Menge löslicher Substanz
abgibt; nach einmaliger Behandlung mit Natriumacetat vermag Hefe noch in
Selbstgährung überzugehen; nach 2 bis 3 maliger Behandlung vermag sie noch
Rohrzucker energisch zu vergähren; war hingegen normale Hefe zuerst gezwungen,
Rohrzucker völlig zu vergähren, so verflüssigt sie sich dann mit dem Acetate nicht
mehr in derselben Weise, obwohl sie an Wasser ihre löslichen Bestandtheile
abgibt.
Bierconservirung durch Pasteurisiren.
Die Idee, gegohrene Flüssigkeiten dadurch zu conserviren, daſs man sie im
verschlossenen Zustande kurze Zeit einer höheren Temperatur aussetzt, ist eine
uralte und nach den Mittheilungen Korschelt's (vgl.
1878 230 76) über das Reisbier (Sake) den Japanesen schon
längst bekannt. In Europa ist dieselbe zuerst von Appert (1842) empfohlen und dann von Vergnette-Lamotte praktisch durchgeführt worden (vgl. * 1878 229 437). Später hat Pasteur
die Frage aufgegriffen und durch das Gewicht seines Namens die allgemeine
Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand gelenkt. Der höchst erbitterte
Prioritätsstreit, welcher darüber zwischen Vergnette-Lamote und Pasteur entbrannte, ist
im Moniteur Scientifique (1872) nachzulesen. Jeder warf
dem Andern vor, Appert geplündert zu haben. Ich glaube,
sie haben Beide recht. Wie dem aber auch sein möge, so viel ist sicher, daſs Pasteur zunächst nur daran dachte, Wein durch Erhitzen
zu conserviren. Die Ausdehnung dieser Methode auf Bierconservirung geschah von Velten in Marseille. Wenn nun auch nicht zu läugnen
ist, daſs dieses Verfahren, auf Bier angewendet, ebenfalls günstig wirkt, insofern
als das Bier auf diese Weise den weitesten überseeischen Versandt auszuhalten
vermag, so zeigt sich dabei doch regelmäſsig, daſs pasteurisirte Biere einen mehr
oder weniger eigenthümlichen Röstgeschmack, wie nach Karamel, Brotrinden u. dgl.,
erhalten. Ich muſs hier bemerken, daſs gerade Pasteur
selbst sich gegen das Pasteurisiren der Biere ausgesprochen hat, mit Rücksicht auf
die nachtheilige Geschmacksveränderung.
Nach J. Lipps steht dieser schlechte Geschmack in
directem Zusammenhange mit der Menge des Albumins, welches am Ende der Hauptgährung aus der Hefe in die
Würze zurückwandert. Es handelt sich also darum, die Hefe so kurz als möglich in
Berührung mit der Würze zu lassen und den Proceſs der rückgängigen Stoffmetamorphose
auf ein Minimum zu beschränken. Lipps schlägt zu diesem
Zwecke nach dem Moniteur de la Brasserie vom 6. Juli
1879 im American Brewers' Journal folgendes Verfahren
vor: Man stellt die Würze bei 5° an. Sobald sie in den niederen Krausen steht,
schäumt man oben ab und zieht die Würze unter möglichster Zurückhaltung des Gelägers
auf einen anderen Bottig ab. Die Würze, welche ursprünglich 14 Proc. Balling hatte,
zeigte beim Fassen noch 12,5 Proc. Nach 5 Tagen zeigte sie im neuen Bottig noch 7
Proc. und einen Zuckergehalt von 1,6 Proc. Nun wurde sie wieder in ein Spanfaſs
abgezogen und dieses gespundet. Von hier zieht man sie dann – nach Ausscheidung der
gröſsten Hefemenge – auf ein neues Faſs zur Nachgährung ab. Am Ende der Hauptgährung
scheiden die Hefezellen Albumin ab.
Lipps behauptet nun, ein einfaches Reagens entdeckt zu
haben, womit er nachweisen kann, wie viel Albumin Hefe zu ihrer Ernährung bedarf.
Wenn dieser Satz nicht ganz falsch übersetzt ist, so ist er seinem ganzen Inhalte
nach falsch. Der Sinn kann nur der sein: es gibt ein Reagens, womit nachgewiesen
werden kann, ob eine gährende Würze bereits Albumin aus der Hefe aufnimmt und wie
viel ungefähr, oder umgekehrt: es gibt ein Reagens, womit man die Verminderung des
Peptongehaltes der Würze bis zu dem Punkte verfolgen kann, wo sich dieselbe wieder
durch ausgeschiedenes Hefeneiweiſs an Stickstoff haltiger Substanz anreichert. –
Während nun vom ersten Gesichtspunkte aus Erhitzung der gährenden Würze Aufschluſs
gäbe, müſste vom zweiten Gesichtspunkte aus ein Reagens gewählt werden, welches
zugleich mit Eiweiſs und mit Peptronen Niederschläge gäbe. Dergleichen besitzen wir
nun eine ganze Menge und beruht das ganze Geheimniſs wahrscheinlich darin, daſs die
Würze fortlaufend mit Tannin oder Kino gefällt und das Volum der Niederschläge
gemessen oder auch nur taxirt wird.
Wir wissen, daſs im Biere Proteinstoffe enthalten sind, deren Lösung von der
Temperatur abhängt, d.h. welche bei niederer Temperatur sich ausscheiden, bei
höherer wieder in Lösung gehen. Man hat sie früher Glutin genannt – ein Name, der
seit Ritthausen's Untersuchungen über die Eiweiſskörper
obsolet geworden ist. Auch Hopfenharz verhält sich so. Es ist also durchaus richtig,
wenn Lipps sucht, durch vorausgehende tiefe
Temperaturen die Möglichkeit solcher späteren Trübungen im Voraus abzuschneiden;
doch ist dies nicht neu. Sehr empfehlenswerth ist jedenfalls die gründliche
Reinigung von Hefe; ob aber das geheimniſsvolle Reagens zuverlässig ist und ob nicht
bei der Nachgährung wieder derselbe Proceſs vorgeht, darüber müssen wir spätere
Aufschlüsse abwarten.
Da die Apparate, in welchen die Erhitzung der Flaschen vorgenommen wird, meist
unpraktisch sind, theils wegen ungleicher Erwärmung, theils wegen Flaschenbruches
und Belästigung der Nachbarschaft durch das Gepfeife des einströmenden Dampfes, so
hat Lipps folgende Construction durchgeführt: Ein
Holzbehälter von 5m Länge, 1m Höhe und 60cm
Breite dient als Wasserbad. Am Boden desselben liegt ein U-förmiges Bleirohr von
10cm Durchmesser, das auf beiden Seiten
durchlöchert ist. Die Enden desselben sind mit Holzstöpseln verschlossen, die man
leicht öffnen kann für den Fall, daſs die Löcher verstopft wären. An der Mitte ist
das Bleirohr an ein ⊥-förmiges Eisenrohr befestigt. Durch den horizontal liegenden
Theil des Rohres geht ein von auſsen kommendes Dampfrohr, welches in der Mitte des
senkrechten Theiles endigt. Dieses Rohr erhebt sich bis zum oberen Niveau und ist
bis auf 40cm verlängert und offen. Der
einströmende Dampf stöſst sich an der Wassersäule und drückt dieselbe in das
Bleirohr. Der Dampf wird hierbei sofort niedergeschlagen und es wird ein so heftiger
Strom erzeugt, daſs das Wasser durch den verticalen Theil des ⊥-Rohres nach dem
Boden gezogen in die Löcher des Bleirohres eintritt und so die ganze Masse
fortwährend in Bewegung, die Temperatur aber gleichförmig ist. Ueber dem Bleirohr
liegt ein falscher Boden aus Holzleisten und weit genug, um die Bewegung nicht zu
stören. Auf diesen stellt man die Flaschen. Die Erfahrung hat gelehrt, daſs man
weniger Bruch hat, wenn man die Flaschen nicht legt, sondern aufrecht stellt.
Ein anderer Apparat zu demselben Zwecke von Ch. Roſs in
Teufelsbrücke bei Altona ist bereits (* 1878 229 437)
beschrieben worden.
Domeier und Boden in Einbeck (D. R.
P. Nr. 6503 vom 28. November 1878) spannen die Flaschen mit dem zu conservirenden
Biere in Rahmen aus Schmiedeisen, die während des Erwärmens auf etwa 70° die Korke
festhalten. – Dieselbe Vorrichtung ist übrigens schon seit vielen Jahren in
chemischen Laboratorien und Fabriken bekannt, um die verschiedensten Glasflaschen
unter Druck zu erwärmen, so daſs nicht recht ersichtlich ist, was eigentlich an
diesem Vorschlage neu genannt werden kann.