Titel: | Ueber mechanische und andere Eigenschaften von Eisen und weichem Stahl; von Daniel Adamson. |
Autor: | –r. |
Fundstelle: | Band 234, Jahrgang 1879, S. 194 |
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Ueber mechanische und andere Eigenschaften von
Eisen und weichem Stahl; von Daniel
Adamson.Nach einem Vortrag, gehalten in der Herbst-Versammlung 1878 des
Iron and Steel
Institute.
Mit Abbildungen im Text sowie auf Tafel 16 und 17.
Adamson, über Eigenschaften von Eisen und weichem
Stahl.
Es sind im Laufe der Zeit unzählige Versuche gemacht worden, um die Festigkeit von
Eisen und Stahl, sowohl in Gestalt von Stäben, als Platten kennen zu lernen. Allein
nicht nur in Folge der mangelhaften Einrichtung der zu diesen Zwecken angewendeten
Maschinen, sondern auch durch Verkennung der Momente, welche für die richtige
Beurtheilung der Eigenschaften der genannten Metalle maſsgebend sind, gelangte man
häufig zu ganz unzuverläſsigen und oft sich widersprechenden Resultaten. Vor Allem
wirken zu kurze Versuchsstäbe trügerisch sowohl in Bezug auf Tragfähigkeit, als
Längenausdehnung vor dem Zerreiſsen. Beide Ziffern erscheinen in diesem Falle zu
hoch. Verfasser hat mit Stäben von 254mm
gearbeitet und gefunden, daſs bei weichen Metallen und Anwendung von genau und
zweckmäſsig construirten Zerreiſsmaschinen das Maximum der Tragfähigkeit ungefähr
bei ⅝ der Längenausdehnung eintritt und von da ab bis zum Bruch allmälig abnimmt.
Ferner ist das Hauptaugenmerk nicht nur auf den Kohlenstoffgehalt, sondern auf
sämmtliche das Eisen begleitende Elemente zu richten, wie dies unzweifelhaft aus den
vielen vom Verfasser angestellten und nachstehend beschriebenen Versuchen
hervorgeht. Endlich ist die Temperatur, welcher das Metall bei den Versuchen
ausgesetzt wird, von auſserordentlicher Bedeutung für den Erfolg. In diesen
Andeutungen ist der Rahmen gegeben für die Beurtheilung, welcher sämmtliche Eisen-
und Stahlfabrikate bei ihrer Verwendung zu den verschiedenen Zwecken unterzogen
werden sollen, und in welchen alle vorzuführenden, während einer 21 jährigen Praxis
gesammelten Erfahrungen zu fassen sind.
Um einen Maſsstab zu erhalten zur Beurtheilung, ob bei Kesselexplosionen oder bei
Zusammenstöſsen von Schiffen und ähnlich wirkenden Kräften Schmiedeisen oder Stahl
gröſseren Widerstand leistet, hat Verfasser im Juni 1876 folgende Versuche
angestellt.
Auf einen eisernen Amboſs (Fig. 1 Taf.
16) von 508mm im Quadrat, welcher mit einer 254mm weiten und 102mm tiefen, nahezu halbkugelförmigen Höhlung versehen war, wurden die zu
untersuchenden eisernen und stählernen Platten von 457mm im Quadrat und 11mm,1 bezieh. 9mm,5 Dicke gelegt. Auf letztere wurde ein
hölzerner Dreifuſs gestellt, an welchem, in einer Höhe von 305mm über der betreffenden Platte, zwischen zwei
Gummiringen 1k,36 angefeuchtete Schieſsbaumwolle
eingeklemmt waren. Auf dieser lagen 56g,7 trockene
Schieſsbaumwolle mit eingesteckter Zündschnur. Nach dem Losschieſsen ergab sich,
daſs schmiedeiserne Platten von 11mm Dicke dem
ganzen Umfang der Höhlung nach ausgerissen waren und das betreffende Stück, in der
Längenfaser durchweg
geborsten., auch noch eine Anzahl Querrisse zeigte (vgl. Fig. 2 Taf.
16); Stahlplatten dagegen, 9mm,5 dick, waren nur
auf eine Tiefe von etwa 76mm in die Amboſshöhlung,
ohne Spur eines Risses eingetrieben.
Im September 1877 wurden diese Versuche mit 27 verschiedenen
Platten der besten Kesselbleche von Staffordshire, Shropshire, Yorkshire und
Lowmoor, sowie solcher aus Bessemer- und Siemens-Martin-Stahl fortgesetzt. Die Figuren
3 bis 13 Taf. 16
versinnbildlichen theilweise den Zustand, in welchem die einzelnen Bleche sich nach
der Explosion befanden, während Tabelle I S. 200 und 201 die Analysen der Stahl- und
Eisensorten mit Bezug auf die Figuren auf Taf.
16 und 17 wiedergibt.
Aus den Explosionsversuchen geht unzweideutig hervor, daſs für solche und ähnliche
Inanspruchnahme der ausgeglühte weiche Stahl dem Schmiedeisen unter allen Umständen
vorzuziehen ist.
Die Schieſsbaumwolle im Gewichte von nur 680g wurde auch in einer Höhe von 229mm über den Platten explodirt. In einem Falle
wurde die Stahlplatte, welche nach dem ersten Schuſs in die Amboſshöhlung 44mm,5 ausgebogen worden war, mit der convexen Seite
nach oben gedreht und einem zweiten Schuſs ausgesetzt, wodurch wohl eine Einbiegung
im entgegengesetzten Sinne, aber kein Riſs entstand.
Die Nothwendigkeit des Ausglühens geht u.a. daraus hervor, daſs eine Stahlplatte,
welche nach der Analyse eine vorzügliche Zusammensetzung zeigte, aber während des
Auswalzens zu kalt geworden war, ähnlich den Eisenplatten bei dem Schieſsversuch
ausriſs und in die Amboſshöhlung fiel. Stahlplatten, welche vorher in Oel getempert
und dann ausgeglüht worden waren, widerstanden dagegen vorzüglich. Durch Fig.
3 und 4 ist eine
Stahlplatte dargestellt, welche bei dem Versuche gespalten worden war, und die
darauf hin vorgenommene Analyse ergab einen Schwefel- und Phosphorgehalt in der
dreifachen Höhe von demjenigen, welcher bei gutem Bessemer- oder
Siemens-Martin-Stahl gestattet sein sollte. Die gewonnenen Resultate leiten
sämmtlich darauf hin, daſs in der Mehrzahl der Fälle der Gehalt an Schwefel,
Phosphor und Schlacke die Widerstandsfähigkeit von Eisen und Stahl gegen plötzliche
Stöſse vermindert, und mancher Dampfkessel würde nicht in die Luft geflogen sein,
wenn die zuständigen Ingenieure das betreffende Material vor der Inanspruchnahme auf
seine chemische Zusammensetzung untersucht hätten.
Eine weitere Reihe von Versuchen wurde angestellt, um die Widerstandsfähigkeit von
Eisen und Stahl gegen das Ausdornen fest zu stellen.
Zu diesem Zwecke wurden aus jeder Platte runde Unterlagsscheiben
ausgehauen und in jede derselben ein Loch von der Weite der für die betreffende
Blechstärke passenden Niete gebohrt, während der Scheibenrand eine solche Breite
behielt, wie es die Ueberlappung bei einfacher Nietreihe und Blechen gleicher
Stärke, zur Anfertigung von Dampfkesseln, erfordert. Die besten Eisenplatten
verschiedener Qualitäten lieſsen sich auf besagte Weise um 27 bis 50 Proc. im Loch
aus einander treiben, ohne zu reiſsen; beste Yorkshire-Platten widerstanden bis zu
einer Ausdehnung von 91,5 Proc., während zwei weiche Stahlplatten von dem Material
entsprechend schmälerer Ueberlappung und um 1/32 engerer Lochung eine Ausdehnung von 133 bezieh.
187 Proc. aushielten, ohne zu bersten. Die beiden letztgenannten Platten (deren
Analysen in der Tabelle
nicht aufgenommen sind) waren nur wenig gekohlt und die stärkere enthielt weniger
Phosphor sowie nur etwa ¼ des Schwefels der anderen. Diese Resultate bestätigen
augenscheinlich die oben ausgesprochene Behauptung.
In einem Berichte, welcher i. J. 1862 von Kirkaldy über
die von ihm mit R. Napier und Söhne in Glasgow
angestellten Zerreiſsversuche veröffentlicht worden ist, wurde in Folge der so sehr
verschiedenen Resultate die Vermuthung ausgesprochen, daſs die Form der
Versuchsstäbe die Festigkeit beeinflusse. Diese Ansicht ist indessen durchaus irrig.
Man beging früher bei solchen Versuchen den groſsen Fehler, sich bei Bezeichnung des
bezüglichen Materials lediglich auf die Firma des Fabrikanten zu beziehen, ohne zu
berücksichtigen, daſs auch in derselben Hütte Specialitäten von sehr verschiedener
chemischer Zusammensetzung erzeugt werden.
In Fig. 14 ist
beispielsweise die Zerreiſsprobe von einem Stück weichen Stahlkesselbleches
mittelguter Qualität abgebildet, dessen Analyse in Tabelle II S. 200 und 201
verzeichnet ist. Dasselbe zeigte bei einer Belastung von 3t,13 auf 1qc
eine bleibende Verlängerung, die Maximaltragfähigkeit betrug 4t,71 bei einer Längenausdehnung von 15 Proc. und
es brach mit 4t,08 bei einer Verlängerung um 26
Proc.
In Fig. 15
Taf. 16 ist eine Stahlplatte mit verhältniſsmäſsig hohem Schwefel- und
Phosphorgehalt dargestellt, welche, tun eine NormalzifferNolmalziffer für die Widerstandsfähigkeit zu erhalten, einen rechteckigen Querschnitt
hatte, während die Versuchsplatten Fig. 16 und
17 absichtlich nach verschiedenen Maſsen ausgehobelt worden waren. Wie
Tabelle II zeigt, sind jedoch die Bruchbelastungen für die drei Platten ganz
unwesentlich von einander abweichend.
Nach alledem spielt unzweifelhaft die chemische Zusammensetzung und nebenbei
jedenfalls die mechanische Verarbeitung der Masse hier die Hauptrolle.
Zum Beweise dafür, daſs zu kurze Stäbe in Bezug auf die Längenausdehnung vor dem
Zerreiſsen trügerisch sind, wurden folgende Versuche angestellt.
Eine 254mm lange Probe von
weichem Stahl (Fig. 18)
wurde durch Einkerbungen der Längenrichtung nach in 10 gleiche Theile getheilt.
Nachdem sie der Maximaltragfähigkeit bei einer Gesammtverlängerung von 18,5 Proc.
unterworfen worden war, wurde ersichtlich, wie auch auf der zugehörigen Figur
angedeutet, daſs von links nach rechts fortschreitend der erste Theil eine
Verlängerung von 14 Proc., der zweite eine solche von 17, der dritte 19, der vierte
21, die beiden mittleren 23, der siebente 20, der achte 17, der neunte 17 und der
zehnte, entsprechend dem ersten, 14 Procent an Länge gewonnen hatte.
Ganz ähnlich wurde mit dem Versuchsstab Fig. 19 bei
fast gleicher Erscheinung verfahren, mit dem einzigen Unterschied, daſs hier die
Belastung über die Maximaltragfähigkeit hinaus bis nahe zu dem Punkte, wo der Bruch
stattfinden muſste, fortgesetzt wurde, wobei die Längenausdehnung von 18,5 bis auf
25 Proc. stieg.
Fig.
20 stellt eine Stahlprobe vor von verhältniſsmäſsig hohem Kohlengehalt,
mit 1 Proc. Mangan und, wie verschiedene Analysen gezeigt haben, von sehr
gleichmäſsiger Beschaffenheit; der Gehalt an Silicium, Schwefel und Phosphor ist
dagegen sehr gering. An Tragfähigkeit übertrifft dieser Stahl die besten
Yorkshire-Kesselbleche um das doppelte, bei mindestens ebenso groſser
Längenausdehnung. Ebenso hielten Nietlöcher beim Ausdornen eine Erweiterung von 89
Proc. aus, ehe sie rissen, während bei bestem Yorkshire-Blech von gleicher Dicke
nicht über 91 ½ Proc. Ausdehnung beobachtet wurden.
Fig.
21 Taf. 16 ist eine Probe bestes Yorkshire-Kesselblech. Dieses, wie alle
übrigen Eisenbleche, bricht schon unter der Maximallast bei nur mäſsiger
Mehrverlängerung plötzlich ab. Wie aus der Analyse ersichtlich, enthält dasselbe nur
ganz kleine Mengen Phosphor, keinen Schwefel und ungefähr 2,4 Proc. Schlacke. Die
Probe fand, wie auch bei den folgenden Stäben, in der Richtung der Faser statt. Fig.
22 gilt ebenfalls für bestes Kesselblech; die Probe brach sofort bei der
Maximalbelastung. Fig. 23 ist
ein Kesselblech, welches in Lancashire häufig zur Verwendung kommt, weicher und
reiner als das vorige, nur der Schlackengehalt betrug 3,54 Proc., war also
verhältniſsmäſsig hoch. Dasselbe riſs fast plötzlich bei der Maximalbelastung. (In
der Tabelle sind abweichende Schlackengehalte angegeben. D. Red.)
Die Proben Fig. 24 und
25 Taf. 16 wurden beide vor dem Versuch doppelt gelocht, und zwar waren
in der ersteren die Löcher eingebohrt und in der zweiten eingepreſst. Wie aus der
Tabelle ersichtlich, hielt die Platte mit den eingebohrten Löchern bedeutend mehr
aus wie die andere und ebenfalls mehr als eine ungebohrte Platte vom gleichen
Querschnitt. Die Platte mit den gestoſsenen Löchern war nach dem Lochen nicht
ausgeglüht worden und zeigte krystallinischen Bruch.
Auf Taf. 17 stellt Fig. 28
einen Rundeisenstab aus Cleveland-Eisen, Fig. 29
einen vierkantigen Stab aus Lancashire-Eisen dar; letzteres war von
auſsergewöhnlicher Reinheit und zeigt in Folge dessen auch ganz auffallende
Erscheinungen; denn die Maximaltragfähigkeit war auſserordentlich gering und die
Mehrverlängerung bis zum Bruch sehr groſs. Solche vorzugsweise reine Eisensorten
haben gleichzeitig die gröſste Widerstandsfähigkeit bei verhältniſsmäſsig hohen
Temperaturgraden.
Fig.
30 Taf. 17 stellt einen Stab von schwedischem Eisen und vorzüglicher
Reinheit dar. Derselbe war ebenfalls vor der Probe äuſserlich regelmäſsig
eingetheilt und zeigte einen ganz auffallenden Unterschied zwischen der
Längenausdehnung der mittleren Partie und derjenigen der Enden, welcher sich auf
31,75 Proc. beziffert.
Fig.
31 und 32 Taf. 17
stellen Stäbe aus weichem Stahl dar, wie solcher sehr oft zur Anfertigung von Nieten
verwendet worden ist; derselbe ist von ähnlicher Beschaffenheit wie das zu
Kesselblechen verarbeitete Metall; nur ist gröſsere Sorgfalt auf seine Herstellung
gelegt worden. Ein Vergleich zwischen der Tragfähigkeit der letzten beiden
Versuchsstäbe und der vorhergehenden spricht sehr zu Gunsten des weichen Stahles,
während dessen Längenausdehnung derjenigen des besten Schmiedeisens kaum
nachsteht.
Die Fig. 33 und
34 Taf. 17 liefern Proben von sehr reinem Schmiedeisen und
verhältniſsmäſsig hoher Tragfähigkeit, welches sich erfahrungsmäſsig vorzugsweise
zur Nietenfabrikation eignet; denn an mehreren 100 Dampfkesseln hat noch kein Fall
festgestellt werden können, wo ein aus diesem Material angefertigter Nietkopf
abgesprungen wäre.
Aus einer sehr groſsen Anzahl von Schweiſsversuchen mit Stahlkesselblechen hat sich
ergeben, daſs behufs einer guten Schweiſsung das Metall nicht über 0,125 Proc.
Kohlenstoff, 0,04 Proc. Schwefel und Phosphor und 0,1 Proc. Silicium haben soll. Die
zu dem genannten Zwecke günstigste Zusammensetzung ist allerdings bis zur Stunde
nicht ermittelt. Im Allgemeinen scheint der Siemens-Martin- den Bessemerstahl in
dieser Beziehung zu übertreffen. Weder Schmiedeisen, noch weicher Stahl zeigt bei
fortschreitender Temperaturerhöhung vom Zustand der Atmosphäre bis zur Rothglut ein
gleichmäſsig wechselndes Verhalten. Bis zu einer Temperatur von 230° widersteht
dieses Metall wohl ziemlich gleichbleibend starken Erschütterungen, aber darüber
hinaus bis zu 370° zeigt es sich durchweg brüchig, und Eisensorten geringer Qualität
sind bei dieser Temperatur stets faulbrüchig.
Das gewöhnliche Handelseisen (Fig. 35 bis
40 Taf. 17) läſst sich sowohl bei gewöhnlicher Temperatur, als bei
Rothglut, ohne rissig zu werden oder abzubrechen, bequem umbiegen; allein in eine
Lösung von geschmolzenem Talg eingetaucht, entsprechend einer Temperatur von etwa
320°, bricht der Stab schon unter dem mäſsigen Schlag eines Hammers ab. Ganz
ähnliche Eigenschaften haben Bessemer- und Siemens-Martin-Stahl, nur daſs letztere
bei gewöhnlicher Temperatur und Rothglut mehr aushalten können. Dagegen verhält sich
geschmiedetes Eisen von auſsergewöhnlicher Reinheit, wie in Fig. 53 bis
58 Taf. 17 dargestellt, bei allen Temperaturgraden bis zur Rothglut
nahezu gleichmäſsig. Vgl. auch Tab. III S. 200 und 201.
Die wesentlichste Veranlassung zum Brüchigwerden bei den mittleren Temperaturgraden
bietet nach allen Erfahrungen die Anwesenheit von Schwefel, dann erst der Phosphor
und die übrigen, das Eisen in der Regel verunreinigenden Substanzen. Ferner ist
erwiesen, daſs die Tragfähigkeit des Eisens mit der Anwesenheit fremder Elemente,
wenigstens bis zu einem gewissen Grade, zunimmt, während umgekehrt seine Weichheit
und Schmiedbarkeit in directem Zusammenhang steht mit seiner Reinheit. Das
bekanntlich sehr Phosphor haltige Cleveland-Roheisen entbehrt bei Temperaturen von
265 bis 315° jeder Festigkeit; trotzdem ist dasselbe zu gewissen Zwecken anderen
reineren Eisensorten unbedingt vorzuziehen.
Fig. 1–2., Bd. 234, S. 198
Im Laboratorium der Weardale Iron and Coal Company zu
Spennymoor (Durham) wurden mit verschiedenen Eisen- und Stahlsorten in nachfolgender
Art Aetzproben gemacht, welche uns darüber belehren, wie sich diese Metalle in
Berührung mit Säuren verhalten.
Die Probestücke bestanden aus Plättchen von 51mm im Quadrat und 9mm,5 Dicke und wurden beim ersten Versuch während 17 Tagen der Einwirkung
eines Wasserbades, welches mit 1 Proc. Schwefelsäure versetzt war, unterworfen (vgl.
Fig. 59 Taf. 17). Alle 24 Stunden wurde der Gewichtsverlust eines jeden
Plättchens bestimmt. Die Resultate sind im vorstehenden Diagramm Fig. 1 abgebildet. Tab. IV S. 200 und 201 gibt die
chemische Zusammensetzung der dem Versuch unterworfenen Sorten, welche zum Schluſs
folgende Gewichtsverluste zeigten:
A
Gewöhnliches Eisen
Fig.
53
79,0 Proc. Verlust
B
Tudhoe-Kronen-Eisen
„
54
46,4
C
„ Prima „
„
55
34,7
D
Mittelharter Stahl
„
56
13,0
E
Weicher Stahl
„
57
4,8
Zur Controle dieses ersten Versuches wurde ein zweiter mit
denselben Proben während der Dauer von 16 Tagen angestellt (vgl. Fig. 60
Taf. 17), welcher, wie das Diagramm Fig. 2 nachweist, fast genau mit dem ersten
übereinstimmt; nur wurde zuletzt das in Tabelle IV unter Fig. 58
verzeichnete sehr weiche und reine Eisen, welches an Reinheit alle übrigen
übertrifft, mit in die Versuchsreihe gezogen und erlitt am Ende des 16. Tages einen
um 1⅞ Proc. geringeren Gewichtsverlust als der weiche Stahl.
Zum Beweise dafür, daſs Bessemerstahl sich vorzüglich zu solchen Zwecken verwenden
läſst, zu welchen man bisher nur edlere Metalle auswählte, wurde eine Punschschüssel
ausgefertigt, welche aus einer Platte von 609mm im
Durchmesser und 6mm,3 Dicke kalt ausgetrieben,
dann ausgeglüht und inwendig versilbert worden ist. Der Untersatz derselben besteht
ebenfalls aus gewöhnlichem Bessemerstahl.
Aus der Reihe der mit gröſster Gewissenhaftigkeit ausgeführten Versuche geht hervor,
daſs bei Auswahl des Materials für einen bestimmten Zweck, soweit dies Fabrikate aus
Eisen und Stahl betrifft, eine viel gröſsere Sorgfalt obwalten muſs, als bisher zu
geschehen pflegte. Vor Allem ist unzweideutig erwiesen, daſs Schmiedeisen heftige
Stöſse weniger ertragen kann als weicher Stahl, und daſs letzterer überall den
Vorzug verdient, wo Leichtigkeit der Construction und Stärke Bedingung sind. In
Bezug auf Widerstandsfähigkeit gegen die Einwirkung von Säuren behaupten allerdings
weicher Stahl und sehr reines Eisen die erste Rolle; allein was die Einwirkung des
Seewassers auf diese Metalle betrifft, so fehlen uns bis jetzt ausreichende
Erfahrungen zu einem endgütigen Urtheile. Das Gleiche ist der Fall in Bezug auf die
Auswahl des geeignetsten Materials zu Artilleriezwecken. Sehr wahrscheinlich wird
indessen zur Herstellung von Panzerplatten ein möglichst reines Eisen von längster
Dauer sein.
Zu Brückenconstructionen und ähnlichen Zwecken wählt man jedenfalls am besten einen
mittelharten Stahl, da derselbe etwa die doppelte Tragfähigkeit von gutem
Schmiedeisen hat. Der Werth dieses Materials ist bis heute sehr unterschätzt worden,
während dasselbe
Textabbildung Bd. 234, S. 200–201
Procentgehalt; Material; Eisen;
Kohlenstoff; Mangan, Silicium; Schwefel; Phosphor; Kupfer; Sauerstoff; Figuren
Taf. 16 u. 17; Belastungsversuche; Maſse der Probestücke; Ausdehnung beim
Ausdornen nach dem Glühen; Maſse der Probestücke; Länge; Breite; Dicke;
Querschnitt; Beginn der bleihenden Verlängerung auf 1qc; Maximaltragfähigkeit auf 1qc; Durch Maximalbelastung entstandene
Verlängerung; Bruchbelastung auf 1qc;
Gesammtverlängerung; Weicher Bessemer-Stahl; Special-Yorkshire-Eisen; Bestes
Kesselblech; Weicher Siemens-Martin-Stahl; Tiegelstahl; Weicher St. m. wenig
Kohlenstoff; Mittelharter Bessemerstahl; Special Yorkshire-Eisen; Bestes
Shropshire-Kesselblech; Weicher Siemens-Martin-Stahl; Cleveland-Stabeisen;
Special-Stabeisen; Schwedisches Stabeisen; Weicher Nietstahl; Special-Nieteisen;
Handelseisen; Weicher Siemens-Martin-Stahl; Gewöhnliches Eisen;
Tudhoe-Kronen-Eisen; Bestes Tudhoe-Eisen; Mittelharter Stahl; Reines Eisen
doch von unseren groſsen Bessemer- und
Siemens-Martin-Stahlwerken mit gröſster Zuverläſsigkeit in Bezug auf regelmäſsige
Zusammensetzung und in beliebigen Mengen hergestellt werden kann.
Platten aus Eisenblech haben stets, wenn sie vertical auf die Richtung der Faser in
Anspruch genommen werden, eine bedeutend geringere Tragfähigkeit als im anderen
Sinne, veranlaſst durch die in Schmiedeisen stets vorhandenen Schlackentheilchen,
welche sich beim Auswalzen fadenförmig zwischen die Eisenfasern legen, dadurch die
Cohäsion beeinträchtigen und selbst bei Verwendung des besten Roheisens nie ganz
beseitigt werden können. Für Stabeisen fällt dieser Uebelstand weit weniger ins
Gewicht, weil hier die Inanspruchnahme fast ausschlieſslich in der Richtung der
Faser erfolgt. Wenn man eine eiserne Schiene durchschneidet, die Schnittfläche
polirt und anätzt, so läſst sich die beim Auswalzen in ihr zurückgebliebene Schlacke
als feine Fäden deutlich mit dem Auge erkennen, und es ist klar, daſs ein solches
Material, wenn oft schwere Lasten über dasselbe herrollen, aus Mangel an Cohäsion
nicht lange widerstehen kann. Ganz reine Eisensorten lassen sich am zweckmäſsigsten,
zu dünnen Platten ausgewalzt, an Stelle von Kupfer oder anderen weichen Metallen,
beispielsweise zu Feuerbüchsen für Locomotiven verwenden. Zu diesen und ähnlichen
Zwecken eignet sich vorzugsweise weicher Bessemer- oder Siemens-Martin-Stahl, wenn
er hinlänglich rein hergestellt werden kann, wegen der gänzlichen Abwesenheit von
Schlacke. Gewöhnliches Staffordshire- oder Cleveland-Eisen verdient, zu Stäben oder
Ketten verarbeitet, jedenfalls dem reinen Eisen gegenüber, in Anbetracht seiner
gröſseren Tragfähigkeit, zum Aufhängen stabiler Lasten den Vorzug. Zu Kanonen und
Gewehrläufen dürfen unreine Eisensorten selbstredend nicht verwendet werden, weil
durch die bei heftigem Feuern entstehende Temperaturerhöhung des Metalles sehr
leicht Brüche eintreten können. Es ist überhaupt räthlich, Schieſswaffen nie heiſs
werden zu lassen, weil dadurch stets das Leben der Schützen gefährdet wird. Zur
Anfertigung gestanzter Geschirre, von Flintenschlössern u. dgl. wählt man am besten
sehr reines Eisen, welches sich nachträglich leicht härten läſst.
Bei der Verarbeitung derjenigen Metalle, welche sich durch groſse Tragfähigkeit
auszeichnen, ist es nothwendig, auſserordentliche Vorsicht obwalten zu lassen, damit
nicht die erstrebten Vortheile ganz oder theilweise verloren gehen. Gewaltsame
Behandlung und Einstoſsen von Löchern im kalten Zustand sind durchaus zu verwerfen.
Den Metallarbeitern sollte überhaupt das Verhalten von Eisen und Stahl bei den
verschiedenen Temperaturgraden möglichst zur Kenntniſs gebracht werden, um das
Aushämmern im halbkalten Zustand ein für allemal zu vermeiden. Zur Erzeugung einer
Normaltemperatur bei dieser Behandlung setzt man das Metall am besten einem Strom
von Wasserdampf aus,
oder taucht es während einiger Zeit in kochendes Wasser. Selbst dann, wenn nach dem
Ausschmieden bei zu hoher Temperatur das betreffende Werkzeug nachträglich
ausgeglüht wird, ist es stets zweifelhaft, ob seine ursprüngliche Stärke wieder
erreicht werden kann. Wenn Schwungradachsen, Eisenbahnwagenachsen und dergleichen
Artikel sich warm gelaufen haben, soll man stets die Bewegung einstellen, weil sonst
die Gefahr vorhanden ist, daſs durch Eintrocknen des Schmiermaterials eine so hohe
Temperatur entsteht, daſs das Metall bedeutend an Festigkeit verliert. Bei warm
gewordenen Schwungradachsen aus Stahl ist die Wasserkühlung durchaus fehlerhaft,
denn es entstehen dadurch nur zu leicht kleine Risse, welche die Gefahr eines
Bruches erhöhen. Die Ursache der Festigkeitsverminderung, welche selbst beim
reinsten Eisen zwischen atmosphärischer Temperatur und Rothglühhitze eintritt, ist
zwar bis heute nicht ergründet; allein die Thatsache läſst sich nicht bestreiten und
deshalb ist es im allseitigen Interesse, Denjenigen, welche mit der Verarbeitung von
Gegenständen aus Eisen oder Stahl betraut sind, in dieser Beziehung die gröſste
Vorsicht anzuempfehlen.
Im Laufe der auf den Vortrag Adamson's folgenden Besprechung machte H. Tresca
auf eine in der Ausstellung 1878 befindliche amerikanische Maschine von Bliſs und Williams aufmerksam, welche dazu dient, um in
einer Operation Bleche in cylindrische oder irgend eine andere Form zu biegen. Dr.
C. W. Siemens sprach das Bedauern aus, daſs Adamson zu seinen Versuchsstäben nicht die Länge von
203mm gewählt habe, wie solche von der
französischen und englischen Marine u.a. eingeführt worden ist. Es wären dadurch
Vergleiche wesentlich erleichtert worden. Ferner ist Siemens der Ansicht, daſs überall da, wo Fabrikate aus Eisen und Stahl in
einem Stück gegossen werden können, von der Schweiſsung abzusehen sei. In Bezug auf
die mit manchem weichen Stahl erzielten günstigen Resultate glaubt er der
Anwesenheit von Mangan sei Vieles zu verdanken, weil dasselbe den übrigen das Eisen
verunreinigenden Elementen so zu sagen als Schutzmantel diene; im Uebrigen sei es
richtig, daſs die Güte einer Eisensorte, auſser der zur Verleihung von Stärke
erforderlichen Anwesenheit einer mäſsigen Menge Kohlenstoff, im umgekehrten
Verhältniſs stehe zu dem Vorhandensein sämmtlicher übrigen Elemente. Was
Brückenconstructionen angeht, so bedauert Siemens, daſs
die mit denselben betrauten Ingenieure nicht auf gröſsere Tragfähigkeit des zur
Verwendung gelangenden Materials halten, weil der Unterschied in den Selbstkosten
eines Stahles von hoher oder niederer Tragfähigkeit zu unbedeutend ist, um in die
Wagschale zu fallen.
Barnaby, Haupt-Ingenieur der
englischen Marine, machte in Bezug auf die Länge der Probestäbe die ähnliche
Bemerkung wie Dr. Siemens. Ferner hat derselbe die
Genugthuung, mittheilen zu können, daſs heute auf den englischen Werften, im groſsen
Gegensatz zu der Zeit, welche 12 bis 15 Jahre zurück liegt, der weiche Stahl zum
Schiffsbau mit Vorliebe verwendet wird. Es ist allerdings wahr, daſs zu seiner
Verarbeitung groſse Sorgfalt nöthig ist; trotzdem wird dieses Bedenken von Vielen zu
hoch veranschlagt. Unzweifelhaft leidet der Stahl durch das Ausstoſsen der Löcher,
wenn letztere nicht nachträglich ausgeräumt werden. Der Verlust ist indessen weniger
beträchtlich als man glaubt, und die englische Marine hat eine groſse Anzahl Schiffe
gebaut, deren Panzer am Kiel gestoſsene und weder nachträglich bearbeitete, noch
durch Ausglühen der Platten versicherte Löcher enthielten. Das Ausglühen geschieht
überhaupt nur dann, wenn die Schiffe nicht durch Privatunternehmer gebaut werden,
weil der Schaden, welcher durch schlechte Behandlung hierbei entstehen kann, viel gröſser ist als
der durch das Lochen verursachte. Ferner ist beobachtet worden, daſs dicke Platten
durch das Lochen mehr leiden als dünne, und daſs das Nieten der Stärke des Materials
weit mehr schadet als das Lochen. Bei der Anfertigung von Dampfkesseln mag es wohl
angehen, die Nietlöcher zu bohren, aber bei Schiffsplatten, wo ein groſses Stück
Arbeit in verhaltniſsmäſsig geringer Zeit geleistet werden soll, ist es durchaus
nothwendig, die Löcher zu stoſsen. Was den schädlichen Einfluſs des Seewassers
betrifft, so bemerkt Barnaby, daſs es wohl in der
ersten Zeit, während welcher Stahlplatten demselben ausgesetzt waren, den Anschein
hatte, als ob ihre Zerstörung schneller vor sich ginge als diejenige von
Eisenplatten; allein heute nach vierjährigen Erfahrungen spricht die allgemeine
Ansicht der Admiralität zu Gunsten des weichen Stahles. Zur Sicherung des guten
Erfolges wird auf den englischen Werften heute von jeder zum Schiffsbau zu
verwendenden Eisen- oder Stahlplatte ein Streifen abgehauen, welcher sich sowohl bei
Rothglut, als in kaltes Wasser eingetaucht biegen und zusammenschlagen lassen muſs,
ohne rissig zu werden, bevor die betreffende Platte zum Zeichen der Tauglichkeit
gestempelt wird.
Professor Gruner bemerkt, daſs die
Ansichten über die Verwendbarkeit des Stahles in Frankreich auſserordentlich weit
aus einander gehen. Er persönlich sei entschiedener Anhänger sowohl des Bessemer-,
als des Siemens-Martin-Processes und glaube, daſs die Fabrikate beider eine groſse
Zukunft vor sich haben. Einer der bedeutendsten Constructeure Frankreichs habe ihm
noch vor Kurzem mitgetheilt, daſs er sich beider Stahlsorten mit vorzüglichem
Erfolge bediene. Ein dem entgegenstehendes Urtheil habe er aus dem Munde eines
Ingenieurs der französischen Marine, welcher die Verwendung des Stahles zu
Schiffszwecken unter der Behauptung verwirft, daſs derselbe nach kurzem Gebrauche,
selbst dann, wenn er nach der Analyse sich als vorzüglich erwiesen habe, rissig und
brüchig werde. Ein anderer Ingenieur vertrat die ähnliche Ansicht und gab dem Eisen
zu seinen Constructionen den entschiedenen Vorrang. Es tritt deshalb die sehr ernste
Frage heran, ob es möglich ist, die Stahlfabrikation in Zukunft mit hinreichender
Sicherheit zu handhaben, um nach Wunsch den Anforderungen, welche zu den
verschiedenen Zwecken an das Fabrikat gestellt werden, nachzukommen. Die Frage ist
um so ernster, als es im Interesse jedes Fabrikanten liegt, nicht nur billig,
sondern auch viel zu erzeugen.
–r.