Titel: | Neuerungen auf dem Gebiete der Jodindustrie; von Bruno Wetzig. |
Autor: | Bruno Wetzig |
Fundstelle: | Band 234, Jahrgang 1879, S. 216 |
Download: | XML |
Neuerungen auf dem Gebiete der Jodindustrie; von
Bruno Wetzig.
Wetzig, über Neuerungen auf dem Gebiete der
Jodindustrie.
Der schwere Druck, welcher, durch die südamerikanische Production hervorgerufen, auf
der europäischen Jodindustrie lastete, hat die Jodfabrikanten veranlaſst, ernsthafte
Untersuchungen anzustellen über die Lage und Aussichten der europäischen Production.
Die Untersuchungen muſsten sich namentlich auf die zur Verarbeitung gelangenden
Rohmaterialien erstrecken; denn mit der Frage: „ist es möglich, ein besseres, an
Jod reicheres Rohmaterial zu erlangen“, war zugleich entschieden, ob
angesichts der so sehr herabgedrückten Jodpreise dieser europäische Industriezweig
noch lebensfähig sei oder nicht. Daſs man bei der Einäscherung der Meeresalgen nur
einen geringen Theil des in den frischen Algen enthaltenen Jodes gewann, war bereits
seit langer Zeit bekannt; nur war man sich nicht genügend klar über die Ursachen
jenes Verlustes. Zahlreiche Untersuchungen, welche namentlich in Frankreich
ausgeführt wurden, haben dargethan, daſs nicht sowohl die Einäscherung der Pflanzen
an und für sich, sondern die ganze Behandlung der Algen die hauptsächlichste Ursache
dieser Jodverluste war. So lange die europäische Jodindustrie allein den Markt
beherrschte, überlieſsen die Fabrikanten die Gewinnung der Algen und ihre
Verbrennung ausschlieſslich der Küstenbevölkerung; die hohen Jodpreise erlaubten
dies. Die Verbrennung der Algen geschah seitens der Küstenbewohner auf sehr
primitive Weise: Die Pflanzen wurden in den Wintermonaten, während welcher Zeit das
Meer den gröſsten Theil ausschwemmt, ans Land gezogen, ohne hierbei darauf Rücksicht
zu nehmen, welcher Species sie angehörten; sie wurden in Haufen geworfen und erst in
den Monaten Juni und Juli zum Trocknen ausgebreitet und verbrannt. Während dieser
langen Zeit zwischen Anschwemmung und Einäscherung witterte natürlich unter dem
Einflüsse von Nebel und Regen der gröſste Theil der Salze aus; vor allen Dingen
waren es die Jodalkalien, die in Folge ihrer Leichtlöslichkeit die meisten Verluste
herbeiführten. Der auf diese Weise erlittene Jodverlust konnte unter Umständen auf
90 Proc. sich belaufen. Wollte man diese Uebelstände umgehen, so war es vor allen
Dingen nöthig, das alte Verfahren, die Pflanzenaschen von der Küstenbevölkerung zu
kaufen, aufzugeben. Der Fabrikant muſste die Pflanzen selbst kaufen und sie
rationell verarbeiten, denn in seinem Interesse lag es, nur an Jod reiche Algen, die
der Gattung „Digitatus“ und allenfalls „Saccharinus“ angehörenden, zu kaufen; nur er allein vermochte die im Laboratorium gemachten
Erfahrungen auch technisch zu verwerthen. (Vgl. Deite
1878 230 53. Dubrueil 1879
234 78.)
Von den neuerdings eingeführten, theils nur in Vorschlag gebrachten Processen, denen
man die Algen unterwirft, verdient vor allen Dingen der von Pellieux und Mazé-Launay Beachtung, weil er einerseits eine nicht zu
unterschätzende Neuerung einführt, weil er aber vor allen Dingen sich als praktisch
und gut durchführbar erwiesen hat. Bei diesem Proceſs läſst man die Pflanzen, sowie
sie vom Meere angeschwemmt werden, während 4 bis 5 Tagen möglichst gut abtropfen, um
sie von dem anhaftenden Wasser zu befreien; hierauf unterwirft man sie einer
Gährung, bis schlieſslich der Eintritt der Fäulniſs erfolgt. Der Zweck, den man bei
der Gährung befolgt, ist, die Algen in einen Zustand überzuführen, in welchem die
Einäscherung ohne Jod Verluste stattfinden kann. Nach des Verfassers Ansicht darf
man sich den Vorgang bei der Gährung bezieh. Fäulniſs in folgender Weise erklären:
Die in den Algen vorhandenen Schwefel Verbindungen werden bei Beginn der Fäulniſs in
Schwefelalkalien oder Schwefelwasserstoff umgewandelt; der letztere wirkt zersetzend
auf vorhandene organische Jodverbindungen ein, es bildet sich Jodwasserstoff; dieser
letztere Körper wirkt wieder zersetzend auf vorhandene Schwefelalkalien, es bildet
sich KJ oder NaJ, welches feuerbeständig ist. In dem Proceſs von Pellieux erfolgt die Einäscherung der Algen, nachdem
sie den gewünschten Grad von Fäulniſs erreicht haben, in Schachtöfen von 5 bis 6m Höhe. Die während der Gährung entstehenden
Wässer zeigen ein specifisches Gewicht von 8° B., sie werden sorgfältig gesammelt
und eingedampft; sie sind sehr reich an Jod. Die Resultate, welches dieses Verfahren
gibt, sind sehr befriedigende; man erhält mit einem Aufwand von 100 bis 110 Franken
1t Varech mit einem durchschnittlichen Gehalt
von 1 Proc. Jod; dies ist das 3fache des früheren durchschnittlichen
Jodgehaltes.
Ein anderer Proceſs ebenfalls mit Anwendung einer Gährung ist von Thiercelin vorgeschlagen worden. Er besteht darin, daſs
man die Algen in neben einander liegenden Behältern einer methodischen Gährung
unterwirft und so den Gehalt der Gährungswässer an löslichen Salzen anreichert.
Methodisch wird die Gährung dadurch, daſs man die frischen Algen stets mit den
Wässern einer frühern Gährung überdeckt. Die auf diese Weise concentrirten
Gährungswässer zeigen ein specifisches Gewicht von 15 bis 18° B. Der
hauptsächlichste Zweck aber bei dieser Concentration ist, mit der Erhöhung des
Salzgehaltes auch den Alkoholgehalt zu erhöhen, um auf vortheilhafte Weise den
Alkohol abzudestilliren, welcher sich bei der Gährung bildet. Die Algen werden,
sobald sie den gewünschten Grad von Gährung zeigen, durch Pressen von den Wässern
befreit und darauf der Verbrennung unterworfen. So gut die Idee, welche diesem
Verfahren zu Grunde liegt, auch sein mag, so dürfte sie doch kaum ausführbar sein.
Denn eine regelmäſsige, methodische Füllung der Behälter mit Algen ist nur in den
seltensten Fällen möglich, da das Meer die Pflanzen eben anschwemmt, wenn es will.
Sodann aber ist die Menge des bei der Gährung sich bildenden Alkohols durchaus nicht so
bedeutend., um die Gewinnung vortheilhaft zu machen. Sobald aber die geringe Menge
des Alkohols eine Destillation nicht gestattet, muſs sofort auch die methodische
Gährung und das Pressen der Algen als völlig zwecklos und zu kostspielig verworfen
werden. Denn eine Concentration der Gährungswässer kann sich nur vollziehen auf
Kosten des Salzgehaltes der Algen.
Eine weitere Methode wurde von Herland empfohlen. Nach
derselben soll man die Algen, sobald sie dem Meere entnommen sind, auf einem System
von Stangen oder Leinen trocknen, um so dem Jodverluste vorzubeugen, den
atmosphärische Niederschläge beim längeren Liegenlassen der Pflanzen verursachen.
Das Trocknen dauert je nach der Witterung 2 bis 7 Tage. Die getrockneten Pflanzen
werden vortheilhaft in Meiler ähnlichen Haufen über einander geschichtet, mit nassen
Algen überdeckt und nun verkohlt, ganz analog dem Verfahren der Kohlenbereitung in
Meilern. Das in Vorschlag gebrachte Verfahren des Trocknens dürfte sich nur für
geringe Mengen als praktisch erweisen. Für eine mittlere Fabrik jedoch, welche
täglich gegen 2000k Aschen verarbeitet, ist das
Aufhängen von zuweilen 50 bis 60t Algen eine
miſsliche Arbeit. Was die Verkohlung der Algen anlangt, so dürfte diese sehr zu
empfehlen sein; man erhält dadurch ein an Jod reiches Rohmaterial, das sich
auſserdem auch sehr leicht auslaugen laſst. Die Verkohlung der Algen hat Verfasser
übrigens zweckmäſsiger in einem kleinen Schachtofen ausgeführt, indem die Pflanzen
durch schnellen Niedergang nur kurze Zeit mit der Flamme in Berührung blieben.
Die Auslaugung des Rohmaterials in den Jodfabriken ist meist eine doppelte. Man laugt
zuerst mit kaltem Wasser und erhält so den gröſsten Theil von NaCl, von KCl und die
Jodalkalien in Lösung. Eine zweite Auslaugung erfolgt mit heiſsem Wasser. Dieser
zweite Auszug hält wenig KaCl er enthält KCl, vor allen Dingen aber ist er sehr
reich an K2SO4.
Diese doppelte Laugerei mit kaltem und heiſsem Wasser, mit der man also bereits eine
Trennung der Salze bewerkstelligt, ist der Grund, daſs sich bis jetzt das Shank'sche
System noch nicht recht in der Varechlaugerei einbürgern wollte, obgleich auch
dieses ohne groſse Schwierigkeiten eine doppelte Laugerei gestattet.
Die Abscheidung des Jodes aus den von 6 bis 15 Proc. Jod haltenden concentrirten
Laugen geschieht sehr vortheilhaft durch Kaliumchlorat; bei der vorhergehenden
Zersetzung der Schwefel Verbindungen in den Jodlaugen verwendet man anstatt der
theuern Schwefelsäure weit günstiger Chlorwasserstoffsäure. Bei der Ausfällung des
Jodes mittels KClO3 verfährt man so, daſs man stets
nur den gröſsten Theil desselben ausfällt, ein Theil des Jodes wird theils
unzersetzt als Jodkalium, theils aufgelöst in Jodkalium in der Lauge gelassen.
Sobald das Jod sich zu Boden gesetzt hat, wird abgelassen und filtrirt. Die
ablaufende Lauge wird mit wenig Schwefligsäure versetzt, um das gelöste Jod in Jodwasserstoff
überzuführen, und sodann den in Fabrikation sich befindlichen, weniger concentrirten
Laugen wieder zugegeben. Das gefällte Jod wird mit wenig Wasser gewaschen, gepreſst,
gut getrocknet und sodann der Sublimation unterworfen. In gut getrocknetem Zustande
enthält es 80 bis 84 Proc. Jod; die hauptsächlichste Verunreinigung ist
Schwefel.
Die Methode, das Jod durch Kaliumchlorat auszufällen, ist bequem und billig; man
braucht hierzu keine groſsen Apparate und hat die Menge des zuzusetzenden Chlores
ganz genau in der Hand, was beim Einleiten von gasförmigem Chlor nicht der Fall ist.
Billig ist die Methode, wenn man erwägt, daſs nach der Theorie 1k KClO3 6k Jod ausfällen kann; thatsächlich stellt sich
dieses Verhältniſs nur wie 1 : 4; doch auch unter diesen Umständen repräsentirt das
Kaliumchlorat keinen groſsen Gegenstand im Vergleich zu den hohen Jodpreisen.
Durch das besprochene Zurückgeben der Laugen, aus denen Jod durch Kaliumchlorat
ausgefällt wurde, zu den in Fabrikation befindlichen weniger concentrirten Laugen
werden mit der Zeit dieselben reich genug an Brom
dargestellt, daſs auch dieses nur in geringer Menge im Varech vorkommende und
weniger werthvolle Element noch mit Vortheil gewonnen werden kann. Die Trennung des
Jodes von Brom läſst sich durch einfache Ausfällung des Jodes bewerkstelligen. So
war es dem Verfasser möglich, eine Bromlauge zu erhalten mit 6 Proc. Brom und nur
0,08 Proc. Jod mittels einer einfachen Ausfällung des Jodes durch Kaliumchlorat.
Ein Nachtheil, welchen das Zurückgeben der Laugen mit sich bringt, ist freilich, daſs
die der Mutterlauge zugeführte Endlauge eine Abscheidung von Schwefel hervorruft,
welcher dem ausgebrachten Chlorkalium ein schlechtes Aussehen verleiht.
Von den vielen zur Bestimmung des Jodes angegebenen Methoden haben für Varechanalysen
nur sehr wenige praktischen Werth. Verfasser hat die meisten einer Prüfung
unterzogen. Die von Wallace und Lamont empfohlene Methode, Jod durch salpetersaures Silber zu fällen und
durch Waschen mit Ammoniak das mit niedergeschlagene Brom- und Chlorsilber zu lösen,
gibt befriedigende Resultate, sobald Brom nur in sehr geringen Mengen vorhanden ist;
man muſs aber hierzu die Varechlaugen erst eindampfen und den Rückstand schmelzen,
um organische Verbindungen zu zerstören.
Die häufig angewendete Methode, Jod durch SO2 und
CuSO4 auszufällen, gibt annähernde Resultate,
sobald kein Brom und keine organischen Säuren vorhanden sind, was jedoch meist der
Fall ist.
Der von Mohr angegebene Weg, mit schwefelsaurem
Eisenoxyd und Schwefelsäure das Jod auszutreiben und in einer Lösung von Jodkalium
aufzufangen, ist umständlich. Um genaue Resultate zu erhalten, ist es hierbei
ebenfalls nöthig, die Varechlaugen, in denen Jod bestimmt werden soll, zur Trockne
einzudampfen und den Rückstand zu schmelzen; ferner braucht man zur vollständigen
Austreibung des Jodes einen Absorptionsapparat. Eine Vereinfachung dieser
Bestimmungsweise, Verdunstenlassen des Schwefelwasserstoffes und Weglassen des
Absorptionsapparates, wie sie vor kurzer Zeit Dr. O.
Schott (*S. 46 d. Bd.) angibt, ist nicht rathsam; die von Schott als Belege angeführten Analysen lassen erkennen,
daſs der gefundene Werth vom wahren Jodgehalt selbst bis zu 22 Proc. abweichen kann.
Das Jod durch Destillation auszutreiben, ist überhaupt nie empfehlenswerth, sobald
es sich darum handelt, nach Austreibung des Jodes noch das Brom zu bestimmen, weil
man bei der Destillation stets ein Uebergehen von Bromwasserstoffsäure zu befürchten
hat.
Die einfachste, bequemste und sicherste Methode ist die von Fresenius angewendete: Ausfällung des Jodes durch in Schwefelsäure gelöste
Untersalpetersäure, Aufnehmen des Jodes in Schwefelkohlenstoff und Titriren mit
einer Lösung von unterschwefligsaurem Natron. Da dem Verfasser die Auflösung von
Untersalpetersäure in Schwefelsäure nicht immer zu Gebote stand, suchte er die
Untersalpetersäure durch Eisenchloridlösung und wenig Schwefelsäure zu ersetzen und
zwar mit bestem Erfolg. Von einer concentrirten Jodlauge, welche nach der
Betriebsberechnung gegen 7 Proc. Jod und 4 Proc. Brom halten konnte, wurde je 1cc ohne jede vorbereitende Operation mit
Eisenchlorid und Schwefelsäure behandelt und Jod durch Schwefelkohlenstoff
aufgenommen. Es wurde in 1cc gefunden: 0g,0660 und 0g,0651 Jod. In derselben Lauge wurde das Jod durch Palladiumchlorür ausgefällt
und 0g,0665 gefunden. Dieselbe Lauge, nach der von
O. Schott angegebenen Methode behandelt, ergab 0g,057 und 0g,0603 Jod.
Zur bessern Prüfung wurden von einer Jodkaliumlösung, welche in 1cc 0g,00329 Jod
enthielt, 10cc mit Eisenchlorid und Schwefelsäure
versetzt und das Jod durch Schwefelkohlenstoff aufgenommen; es wurde gefunden in
10cc = 0g,0332 und in 1cc = 0g,00325 Jod. Die Aufnahme des Jodes durch den
Schwefelkohlenstoff geht sehr gut von statten; ein dreimaliges Digeriren ist
genügend, um die letzten Spuren Jod aufzunehmen. Die ganze Operation der
Jodbestimmung kann man in 1½ Stunden bequem vollenden.
Oviedo (Astúrias), August 1879.