Titel: | Begründung des ökonomischen Vorzugs der Woolf- oder Compound-Maschine; von A. A. Ledieu. |
Autor: | Gustav Schmidt |
Fundstelle: | Band 234, Jahrgang 1879, S. 245 |
Download: | XML |
Begründung des ökonomischen Vorzugs der Woolf-
oder Compound-Maschine; von A. A.
Ledieu.Comptes rendus, 1879 Bd. 88 S.
1003.
Ledieu, über die Woolf- oder Compound-Maschine.
Während wir S. 1 und 81 d. Bd. eine Besprechung des von O.
Hallauer erfolgten Angriffes auf die zweicylindrigen Maschinen
gebracht haben, liegt hier eine Verteidigung derselben vor. Obwohl sich
Berichterstatter auch auf Seite der Vertheidiger stellt, so muſs doch anerkannt
werden, daſs Hallauer's Arbeit auf dem streng
wissenschaftlichen Boden der Hirn'schen
„praktischen Theorie der Dampfmaschinen“ oder „calorimetrischen Methode“ steht, während die vorliegende
Zusammenstellung zwar auch den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit macht, aber nicht
behaupten kann. Doch glauben wir nachstehend den Text im Auszug bringen zu
sollen.
„Der Vergleich der Resultate Nr. 1, 2 oder Nr. 5, 6 der beigegebenen Tabelle
gestattet noch keine Schätzung des Werthes des Dampfhemdes. Um den Einfluſs
desselben auf den Verbrauch für le und Stunde zu erfahren, müſste man dieselbe
Maschine bei ganz gleichem Gang untersuchen, so daſs absolut kein anderer
Unterschied vorhanden ist als jener des gebrauchten oder nicht gebrauchten
Dampfmantels. Die Maschine Versuch Nr. 3 und 4 ist mit Rücksicht auf die geringe
Expansion sehr ökonomisch, sie muſs sich also in Bezug auf die anderen Umstände,
welche den Dampfverbrauch beeinflussen, in den vorzüglichsten Bedingungen
befinden. Im Gegentheil hat die Woolf'sche Maschine Nr. 5 und 6 einen
verhältniſsmäſsig hohen Verbrauch, wahrscheinlich herrührend von zu kleinen
Querschnitten oder von dem Mangel von besonderen Absperrungsvorrichtungen an
beiden Cylindern. Die Gröſse r oder r' der Tabelle, aus einer von uns (Ledieu) aufgestellten Formel abgeleitet, ist das
wichtigste Element, um den relativen Werth der Maschinen aller Systeme bei
Versuchen ohne Verlust am Kolben zu beurtheilen.
Unter dieser ausdrücklichen Bedingung behauptet man, daſs in Vergleich mit
gewöhnlichen Maschinen die Woolf'schen gemäſs des Abfalles der Pressung beim
Uebertritte fast ganz dasjenige verlieren, was sie durch die Beschränkung des
schädlichen Einflusses der Cylinderwandungen und durch die übrigens ganz
unbedeutende Verminderung des Einflusses der schädlichen Räume gewinnen sollten.
Jedoch haben die Woolf'schen Maschinen, Dank ihrer Wirkungsweise, welche durch
Beigabe der besonderen Absperrung an jedem Cylinder noch vervollkommnet wurde,
einen auſserordentlich sanften Gang, woraus u.a. eine sehr geringe Abnutzung der
Organe, eine Sicherheit gegen Bruch und eine Verminderung der Auslagen für
Schmiermaterial folgt. Sie haben auſserdem den Vortheil eines sehr geringen
Dampfverlustes trotz etwaiger Abnutzung der Kolbenringe, weil der
Spannungsunterschied zu beiden Seiten eines jeden Kolbens weit geringer ist als
bei eincylindrigen Maschinen. Dies erklärt, man kann es nicht oft genug
wiederholen, warum besonders seit Anwendung der hohen Dampfspannung die
Compound-Maschinen eine so groſse Verbreitung in der Handels- und Kriegsmarine
erlangt haben, obwohl man unter der ausschlieſslichen Berücksichtigung des
Brennstoffverbrauches in der ersten Zeit, also bei
den Versuchen, finden kann, daſs man, wie
insbesondere Farcot's Maschinenfabrik, gewöhnliche
Maschinen herzustellen
Tabelle zur Schätzung der zusammengesetzten schädlichen
Einflüsse: 1) der Cylinderwandungen, 2) bei Woolf- und Compound-Maschinen des
Abfalles der Pressung bei dem Uebertritt aus dem kleinen in den groſsen Cylinder,
unter Berücksichtigung des verminderten nachtheiligen Einflusses der schädlichen
Räume in Vergleich mit gewöhnlichen Maschinen.
Textabbildung Bd. 234, S. 246
Namen der Experimentatoren; Hirn,
Leloutre, Hallauer, Dwelshauvers-Dery, Groſseteste; Hüttenwerk Indret; Art der
Maschine; Bei sämmtlichen Versuchen hat man sich von der Kolbendichtheit
überzeugt; Gewöhnliche Maschine. Das Dampfhemd wird benutzt, nicht benutzt;
Gewöhnliche Maschine ohne Dampfhemd ohne, mit Ueberhitzung um 86°; Woolf'sche
Maschine. Das Dampfhemd wird; nicht benutzt, an beiden Cylindern benutzt;
Woolf'sche Masch. mit Dampfhemd an beiden Cylindern; Compound-Marine-M. mit
Dampfh. an beiden Cylindern; Absolute Spannung des Kesseldampfes; Indicirte
Pferdestärke (rund); Tourenzahl; Wahrer Expansionsgrad mit Rücksicht auf
schädlichen Raum; Definitiver Expansionsgrad†; Für einen Kolbenhub; 1)
Zugeführte Wärmemenge Q1 mit Rücksicht auf Dampfmantel und Kolbenreibung, wenn
das Speisewasser mit 40° angenommen wird; 2) Dampfverbrauch im Cylinder, im
Dampfmantel; 3) Gesammtverbrauch für 1e indicirt und Stunde Dampf., Gute Kohle;
† Verhältniſs des Endvolums zum Anfangsvolum des zugeführten Dampfes.; Gewicht
des Gemenges am Ende der Admission, wenn die Wände wärmedicht wären; Temperatur
des Admissionsdampfes; Specifische Dampfmenge; Fictive Wärmemenge Q, welche
dieses Gemenge benöthigt hätte; Q1 – Q = q'; Indicirte Leistung für einen Hub Li
= L1 + L2 – L3; Wirkliche Expansionsarbeit L2; Fictive Expansionsarbeit ohne
Einfluſs der Cylinderwände L2; Mehrarbeit l = L2 – L2'; Vermehrung des
Verbrauches in Proc. des fictiven Verbrauches bei wärmedichten Wänden; In Proc.
des wirklichen Verbrauches; An die Wände übertragene Wärmemenge, nur allein
durch Condensation des eingeführten Dampfes, in Procent von Q1; Von den Wänden
während der Expansion wieder an den Dampf zurückgegeben; Bei der Ausströmung in
den Condensator verloren gehende Wärme; Vom Dampfhemd geliefert; Dsgl.
zuschlägig der Wärme durch Kolbenreibung und abzüglich Verlust nach auſsen;
Hierbei wurde die in D. p. J. 1878 229 220 angegebene Correctur von L2
vorgenommen; Bei dem Uebertritt wurde mehr Wärme an die Wände angegeben, als bei
der Expansion von den Wänden an den Dampf; Von den letzten 5 Posten, ist die
Summe der ersten und letzten der Wesenheit nach gleich der Summen der zweiten
und dritten Post (Ledieu).
vermag, welche, sich nur auf den Expansionscylinder einer Woolf'schen Maschine
gleicher Stärke beschränkend, ebenso ökonomisch arbeiten (1 bis 0k,8 Kohle für le indicirt und Stunde), dank
der Ueberhitzung, des guten Dampfhemdes, ausgezeichneten Vacuums, vollkommener
Dampfvertheilung.u. dgl.
Dies ist der Gesichtspunkt, aufweichen sich heute verschiedene Ingenieure
stellen, um die Anwendung der Woolf'schen Maschinen zu bekämpfen, indem sie
zugleich die Kosten und das Gewicht des Apparates in Rechnung bringen. Aber wir
werden ihnen auf diesem Wege, weicher für seine Vorkämpfer voll übler Folgen
sein wird, nicht folgen, wenigstens wenn es sich nicht um Landmaschinen handelt,
welche der gröſsten unausgesetzten Sorgfalt unterworfen und geschickten
Maschinenführern anvertraut sind. Die neuen projectirten Apparate werden nach
einiger Zeit des laufenden Dienstes, besonders zur See, mit der unvermeidlichen
Abnahme der augenblicklichen Bedingungen ihrer guten Wirkungsweise bei den
Versuchen, auch ihren ökonomischen Werth einbüſsen, abgesehen von deren
Solidität. Andererseits wird die Mehrauslage für Compound-Maschinen sehr bald
durch Ersparung an Brennstoff und Schmiere ausgeglichen und ist der
Gewichtsunterschied gegenüber der eincylindrigen Maschine nicht so erheblich;
denn wenn auch der kleine Cylinder als Zugabe erscheint, so sind doch die
transmittirenden Theile geringeren Maximalkräften ausgesetzt und können deshalb
leichter sein. Mit Rücksicht auf den wichtigen Einfluſs, welchen vom
ökonomischen Gesichtspunkte aus die Dampfverluste an Schieber und Kolben im
laufenden Dienste besitzen, ist es am Platz, die Schiffsmaschinenbauer vor den
schweren Unzukömmlichkeiten zu warnen, welche die Corliſs-Steuerungen für die
Schifffahrt nach sich ziehen könnten; denn das wenige, was durch kleinen
schädlichen Raum und gute Regulirung erspart werden kann, würde bald durch die
Undichtheit des Drehschiebers aufgewogen werden, besonders bei stürmischem
Wetter.“
So weit der Verfasser. Wir geben nun dessen Tabelle, welche uns keineswegs in allen
Ansätzen vollkommen verständlich ist; insbesondere scheint uns die Ledieu'sche Formel für r
nicht richtig zu sein. Denn nach Definition muſs Qr=Q_1r' sein,
somit wegen r'=\frac{r}{1+r} auch
Q\,(1+r)=Q_1, wie es der Definition von r entspricht. Nun ist z.B. bei Versuch Nr. 1:
Q=26,02,\ r=0,5,\ 1+r=1,5,\ Q\,(1+r)=39,03, dagegen
Q_1=66,64 oder bei Nr. 6 Q=235,65,\ r=0,25,\
1+r=1,25,\ Q\,(1+r)=294,56, dagegen Q_1=266,45.
Berichterstatter vermag daher die Formel für r nicht zu
verstehen. Auch kann die ganze Behandlungsweise um so weniger als zulässig erkannt
werden, als die klare und wissenschaftlich unanfechtbare calorimetrische Methode Hirn's nichts zu wünschen übrig läſst.
Gustav
Schmidt.