Titel: | Neuer Krempelsatz zum Kardiren von Wolle und anderen Faserstoffen. |
Autor: | A. Lüdicke |
Fundstelle: | Band 234, Jahrgang 1879, S. 287 |
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Neuer Krempelsatz zum Kardiren von Wolle und
anderen Faserstoffen.
Mit Abbildungen auf Tafel 23.
Grothe und Werner's Krempelsatz für Wolle.
Dem von Dr. H. Grothe in Berlin und Gebrüder Werner in Aarhuus (* D. R. P. Nr.
1061 vom 24. Juli 1877) aufgestellten System liegt folgendes Princip zu Grunde: Die
Fasern werden durch Krempelwalzen mit stufenweis zunehmender Arbeitsgeschwindigkeit
isolirt – es findet eine allmälige Auflösung statt – und das auf einer
Bearbeitungsstufe nicht Gelöste wird durch die Maschine auf die nächstniedere Stufe,
erforderlichen Falles durch alle tieferen Stufen zurückgeführt, um denselben Weg zu
wiederholen, bis gänzliche Entwirrung eingetreten ist.
Diesem Grundsatze muſs man alle Anerkennung zollen; er ist ohne Frage der
rationellste. Die Erfinder sind zur Aufstellung desselben durch genaues Verfolgen
der Vorgänge innerhalb der Karden geführt worden und soll der Gedankengang an der
Hand eines Beispieles dargelegt werden.
Der Verfasser wählt dazu die in den „Versuchen über den
Kraftbedarf der Maschinen in der Streichgarnspinnerei und Tuchfabrikation von
Hartig“ unter Nr. 18 aufgeführte
Pelzkrempel von Schellenberg in Chemnitz. Dieselbe
besitzt Zuführtisch, ein Paar Einführwalzen a, eine
Trommel b, vier Arbeiter c, 4 Wender d, einen Volant e und eine Kammwalze f.
Die Wolle gelangt theils durch die Einführwalzen, theils durch den damit in Eingriff
stehenden ersten Wender an die Trommel. Die gemessenen Durchmesser und
Umdrehungszahlen und die daraus berechneten Arbeitsgeschwindigkeiten sind
folgende:
Durchmesser
MinutlicheUmdrehungen
Secundliche
Arbeits-geschwindigkeiten
m
m
Einfühwalzen a
2 r = 0,055
n =
0,822
va = 0,0024
Trommel b
2 r = 0,985
n =
120
vb = 6,189
Arbeiter c
2 r = 0,190
n =
5,92
vc = 0,059
Wender d
2 r = 0,110
n =
644
vd = 3,709
Volant e
2 r = 0,275
n =
545
ve = 7,847
Kammwalze f
2 r = 0,500
n =
5
vf = 0,131.
Der unmittelbar vor den Einführwalzen zur Trommel übergehende
Theil der Wolle erhält hiernach plötzlich eine um das
\frac{6,189}{0,0024}=\frac{v_b}{v_a}= rund 2580fache
vergröſserte Geschwindigkeit, während der durch Vermittelung des ersten Wenders
zugeführte Theil seine Geschwindigkeit sprungweis um das
\frac{3,709}{0,0024}=\frac{v_d}{v_a}= rund 1540fache und um
das \frac{6,189}{3,709}=\frac{v_b}{v_d}= rund 1,66fache ändert.
In beiden Fällen treten sehr groſse Sprünge der Geschwindigkeiten auf, welche aller
Wahrscheinlichkeit nach ungünstig auf die Fasern einwirken; die Wolle wird mit
groſser Gewalt aus den Zuführwalzen herausgerissen,
nicht herausgekämmt, wodurch zweifellos viel Fasern
zertrümmert werden.
Zieht man noch die Verhältnisse zwischen Trommel und Arbeiter
einerseits, sowie Arbeiter und Wender andererseits in Betracht, so stellen sich
folgende Geschwindigkeitssprünge heraus:
\frac{v_b}{v_c}=\frac{6,189}{0,059}=\mbox{rund }105.\
\frac{v_d}{v_c}=\frac{3,709}{0,059}=\mbox{rund }63.
Hier sind die Sprünge weniger hoch; es kommt aber
hinzu, daſs die Verarbeitung, d. i. die Isolirung der Fasern nicht eigentlich
allmälig vor sich geht. Die Geschwindigkeitsänderungen sind zwischen Trommel und
erstem sowie Trommel und letztem Arbeiter- und Wenderpaare dieselben. Auf der
Trommel befindet sich ein Gemisch isolirter Fasern und noch nicht gelöster Flocken;
beide Theile werden mit gleicher Geschwindigkeit den Organen zugeführt und daher
rührt es auch, daſs noch nicht gelöste Flocken bis an das Ende der Maschine gelangen
und daſs bereits am Anfang des Processes gelöste Fasern wiederholt verarbeitet
werden, d.h. sehr starken Geschwindigkeitsänderungen unterworfen sind, natürlich mit
Schädigung ihrer Beschaffenheit.
Man vergleiche nun hiermit den Arbeitsgang der durch Fig. 3 Taf.
23 dargestellten Maschine, welche an Stelle der Pelzkrempel älterer Anordnung zu
treten haben würde. Die Wolle gelangt vom Zuführtisch a
nach den Einführwalzen b und wird durch die Trommel c abgenommen; die Walze d
wirkt als Arbeiter und führt die Wolle der Trommel e
zu. Die Walze f ist gegen e so dicht angestellt, daſs sie nur noch nicht gelöste, auf dem Beschläge liegende Flocken abnimmt. Diese
gelangen nach c zurück und machen denselben Weg so oft
wieder, als sie von f aufgegriffen werden, also noch
nicht gelöst sind. Alle bereits vereinzelten und in die Zähnchen von e eingetretenen Fasern nimmt die Trommel g ab. h versieht dieselben
Functionen an g wie f an
e; die Flocken gelangen nach e zurück. k und i wirken als Arbeiter; k
gibt die Fasern an m weiter, i dagegen an e zurück. Die Walze l ist Arbeiter für m und
führt die aufgegriffenen Fasern nach g zurück.
Hierdurch ist es möglich, daſs bereits nach m gelangte
Flöckchen bis nach e zurückbefördert werden. Die Walze
n ist der Volant, o
die Kammwalze,
p der Hacker, s die
Pelztrommel mit Druckwalze q. Die Dimensionen und
Geschwindigkeiten der einzelnen Theile sind die folgenden:
Durchmesser
MinutlicheUmdrehungen
Secundliche Arbeits-geschwindigkeiten
m
m
Trommel
c
2 r = 0,25
n = 16
vc = 0,209
„
e
2 r = 0,25
n = 48
ve = 0,628
„
g
2 r = 0,25
n = 144
vg = 1,885
„
m
2 r = 0,25
n = 432
vm = 5,655
Arbeiter
d
2 r = 0,20
n = 4
vd = 0,042
„
h, k
2 r = 0,20
n = 16
vk = vk = 0,168
„
f, i, l
2 r = 0,20
n = 16
vf = vi = vl = 0,168
Volant n
2 r = 0,33
n = 432
vn = 7,464
Kammwalze o
2 r = 0,25
n = 16
vb= 0,209
Der gröſste hier auftretende Geschwindigkeitssprung
ist:
\frac{v_m}{v_k}=\frac{v_n}{v_l}=\frac{5,655}{0,168}=33,66.
Die anderen Geschwindigkeitssprünge sind:
\frac{v_g}{v_l}=\frac{v_g}{v_k}=\frac{v_g}{v_h}=\frac{v_g}{v_i}=\frac{1,855}{0,168}=11,15.
\frac{v_e}{v_i}=\frac{v_c}{v_h}=\frac{v_c}{v_f}=\frac{0,628}{0,168}=3,73.
\frac{v_c}{v_d}=\frac{0,628}{0,042}=14,9.\
\frac{v_c}{v_d}=\frac{0,209}{0,042}=5.\
\frac{v_g}{v_d}=\frac{1,885}{0,628}=3.
Bei einem Vergleich der älteren Karde mit der vorliegenden fällt zunächst auf, daſs
an Stelle der Trommel von groſsem Durchmesser, welcher eine constante und gröſste
Geschwindigkeit gegeben wird, vier kleine Trommeln mit zunehmender
Arbeitsgeschwindigkeit getreten sind. Die Geschwindigkeitszunahmen sind klein im
Vergleich mit den bei der älteren Anordnung auftretenden. Die neue Karde bietet aber
noch den weiteren groſsen Vortheil, den Cylindern c, e,
g und m stufenweis feinere Beschläge geben zu
können. Es wird dann mit fortschreitender Auflösung des Fasermaterials sowohl die
Feinheit der Beschläge, als auch die Arbeitsgeschwindigkeit erhöht, ein durchaus
zweckmäſsiges Verfahren. Beides ist bei den bisher verwendeten Karden nicht möglich;
die Wolle erhält da sogleich von der Trommel die Maximalgeschwindigkeit und wird
trotz des verschiedenen Grades der Auflösung nur mit einer Beschlagstärke bearbeitet.
Erwähnt sei noch, daſs die Patentbeschreibung eine Verstellung der beiden Walzen f und i angibt, so daſs
diese einander und die Trommel e berühren; die Organe
der Maschine arbeiten jetzt in folgender Reihe: cdefieg. Es soll dies für lange Wollen von Werth
sein. Ferner wird noch folgende Veränderung angegeben: i bleibt in der gezeichneten Stellung, f wird
mit i und e in Berührung
gebracht, ebenso k mit g
und h; dann schlägt die Wolle den Weg cdefigmo ein.
Stellt man noch die Frage, wie verhält sich die gesammte zu beschlagende Fläche des
neuen Systemes zu der einen Karde älterer Anordnung (z.B. der von Schellenberg), so kommt man, gleiche Arbeitsbreite vorausgesetzt, zu
beinahe gleichen Werthen. Die Zahl der Walzen ist zwar um 1 gewachsen, dafür tritt
keine Walze von so groſsem Durchmesser und hoher Geschwindigkeit auf, so daſs sich
eine geringere Abnutzung der Beschläge und ein geringerer Kraftbedarf der Karde
erwarten läſst.
Die Erfinder führen noch an, daſs die Zahl der Vorbereitungsmaschinen bei Einführung
des neuen Systemes eine kleinere wird, da die Oeffnung der Wolle in jeder einzelnen
Maschine vollkommener geschieht als in einer Maschine des älteren Satzes. Sie wollen
an Stelle der Vorbereitung, bestehend aus Reiſswolf, Reiſs-, Pelz- und
Vorspinnkrempel, setzen eine nach demselben Princip
gebaute Vorkarde, welche den Wolf ersetzt, eine Pelzkrempel, eine Vorspinnkrempel.
Die letztere unterscheidet sich von der beschriebenen Krempel nur dadurch, daſs an
Stelle der Pelztrommel ein Vlieſstheiler, Würgelwerk u.s.w. tritt.
Die Vorkrempel ist nach Fig. 4 Taf.
23 zusammengesetzt. Das Zuführtuch a wird mit roher,
nicht vorgerissener Wolle gespeist, welche durch die Einführwalzen b der Zahntrommel c
übergeben wird; diese greift langsam in die Wolle ein und kämmt sie aus b heraus. Der zugehörige Arbeiter d gibt die Wolle an e ab.
Die Walze f nimmt die aus dem Beschläge e heraushängenden Flocken ab und führt sie nach c zurück, so daſs diese ein zweites Mal denselben Weg
cde zurücklegen. Kletten und Stroh, welche
von der weit abstehenden Walze nicht erfaſst worden sind, werden durch die
Klettenwalze g und dem Abschläger h entfernt. Die Walze i
dient als Arbeiter an e und überträgt die Wolle nach
k. Der Volant l, die
Kammwalze m und der Hacker n lösen die geöffnete Wolle aus der Maschine. Die Gröſsen- und
Geschwindigkeitsverhältnisse sind folgendermaſsen angegeben:
Durchmesser
MinutlicheUmdrehungen
Secundliche Arbeits-geschwindigkeiten
m
m
Trommel
c
2 r = 0,25
n = 16
vc = 0,209
„
e
2 r = 0,25
n = 48
ve = 0,628
„
k
2 r = 0,25
n = 144
vk = 1,885
Walze
d
2 r = 0,20
n = 4
vd = 0,042
„
i, f
2 r = 0,20
n = 16
vi = vf =
0,168
Volant l
2 r = 0,33
n = 144
vl = 2,488
Kammwalze m
2 r = 0,25
n = 16
vm = 0,209.
Der gröſste Geschwindigkeitssprung, dargestellt durch
\frac{v_k}{v_i}, ist \frac{1,885}{0,168},
rund 12,5.
Die Maschine soll in unveränderter Anordnung auch für das Zerreiſsen der Lumpen zu
Shoddy und Mungo angewendet werden.
Wie schon eingangs erwähnt, beruht dieses neue Krempelsystem auf rationeller
Grundlage. Es ist deshalb sehr zu wünschen, daſs recht bald damit gewonnene
Erfahrungsresultate bekannt gegeben werden.
A.
Lüdicke.