Titel: | Ueber die Regnier'sche Steuerung; von Rudolf Doerfel. |
Autor: | Rudolf Doerfel |
Fundstelle: | Band 234, Jahrgang 1879, S. 433 |
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Ueber die Regnier'sche Steuerung; von Rudolf
Doerfel.
Mit Abbildungen auf Tafel 33.
Doerfel, über die Regnier'sche Steuerung.
Die Maschinenfabrik Bolzano, Tedesco und Comp. in Schlan
verwendet seit einigen Jahren mit bestem Erfolg eine Präcisionssteuerung, Patent H. Regnier, welche in jeder Hinsicht Bemerkenswerthes
bietet und den hervorragendsten Constructionen dieser Art an die Seite gestellt
werden darf. Die Steuerung beruht auf demselben Princip wie die Sulzer'sche vom J. 1873 (vgl. *1879 231 7. 96) – der active Mitnehmer erhält eine bestimmte
gleichbleibende Bewegung, der passive Mitnehmer wird vom Regulator verstellt – und
sie gestattet wie diese Veränderung des Füllungsgrades zwischen Null und voll.
Der gebräuchliche Typus dieser Maschinen ist aus Tafel 33 zu erkennen. Die Organe für
Einströmung und Ausströmung sind stets getrennt und zwar erstere in der Regel am
Cylinderrücken, letztere unten angeordnet; hierbei fallen die Mittellinien der
Ventil- oder Schieberspindeln je in eine Gerade parallel zur Cylinderachse, es kann
daher der Antrieb gemeinschaftlich von der Mitte aus erfolgen. Zu diesem Zwecke
erhält durch Kegelradübersetzung zunächst die Regulatorspindel die doppelte und von
dieser aus jede der zwei Steuerwellen, welche quer ober- und unterhalb des Cylinders
liegen, die einfache Umdrehungszahl der Maschine.
Die untere Steuerwelle bewegt im vorliegenden Falle mittels einer unrunden Scheibe
die sehr sinnreich construirten Auslaſsschieber, die obere läuft in eine Kurbel aus,
deren Zapfen als Steuerexcenter wirkt. Durch diese angetrieben, oscillirt ein
Schlitten in horizontaler Richtung und in ihm geführt vertical auf und ab ein
Gleitstück, welches links oben und rechts unten einen Anschlag als activen Mitnehmer
trägt. Diese beschreiben demnach – wie in Fig. 2
punktirt – dieselben Kreise, wie das Excenter selbst, die eigentliche Stoſsfläche
behält dabei aber beständig ihre verticale Stellung.
In gleicher Weise ist der passive Mitnehmer an einem Gleitstück angebracht und kann
mit demselben in einer verticalen Führung, welche sich als Querhaupt an die
Schieberstange anschlieſst, vom Regulator verstellt werden.
Das Auftreffen der Anschläge findet links in der tiefsten, rechts in der höchsten
Lage des Excenters statt, und es werden die Einlaſsorgane geöffnet, indem sie mit
ihrem Anschlag nach auſsen gedrängt werden. Hieraus ergibt sich die Stellung des
Excenters: Soll nämlich z.B. links geöffnet werden, so bewegt sich das Organ aus der
Mittellage nach links, während die Maschinenkurbel schon den todten Punkt
überschreitet; es muſs also das Excenter der Kurbel um 90°, oder der Voreinströmung
halber um 90° – δ nacheilen.Bei der linken Endstellung des Dampfkolbens befand sich demnach die linke
Mitnehmerkante knapp hinter der tiefsten Stellung des von ihr beschriebenen
Kreises. Bei der Mittelstellung des Dampfkolbens gelangt sie in die
gezeichnete Lage und ist bereits von dem Anschlag der Ventilspindel
abgeschnappt. Wird jedoch der Anschlag höher gestellt, so kann auch noch
beim Rückgang des activen Mitnehmers die Auslösung erfolgen, da die Richtung
der Auslöserbewegung von der verticalen Verschiebung der Kanten abhängig
ist, während die Mitnehmerbewegung in horizontaler Richtung stattfindet. Regnier's Steuerung, welche jener von Anzin
ziemlich nahe steht (vgl. *1879 233 16), ist
demzufolge eine allochrone.D. Red. So lange das Excenter links, bezieh.
rechts von seiner Mittellage sich befindet, wird der betreffende Anschlag durch den
einseitigen Dampfdruck auf die verdickte Stange oder durch Federspannung gezwungen,
der Horizontalbewegung des activen Mitnehmers zu folgen; nachdem dieser aber
gleichzeitig gehoben, rechts von der Mittelstellung gesenkt wird, bewegen sich die
Stoſsflächen gleitend an einander vorüber, bis sie auſser Contact kommen, worauf der
freigewordene Gegendruck den raschen Schluſs herbeiführt.
Zur Veränderung der Füllung muſs der Regulator selbstverständlich die beiden
(passiven) Anschläge in entgegengesetztem Sinne verstellen; durch die aus den
Figuren ersichtliche Anordnung des Stellzeuges wird dies in einfachster Weise
erreicht. In der höchsten Stellung des Regulators werden die Anschläge gar nicht
mehr erfaſst, in der tiefsten findet die Maximalfüllung bei durchaus gezwungener
Bewegung, d.h. ohne Auslösung statt.
Die Regnier'sche Steuerung verträgt wesentlich höhere
TourenzahlenVersuchsweise wurde die Tourenzahl (normal 60) einer solchen Maschine auf
mehr als das doppelte gesteigert, ohne daſs irgend eine Störung eingetreten
wäre. als die meisten gebräuchlichen Präcisionssteuerungen,
einerseits schon des Principes halber, weil das Erfassen des Anschlages nicht von
einfallenden Klinken, federnden Bolzen o. dgl. abhängig ist, besonders aber wegen
der gedrungenen Anordnung, welche Gelenke, lange Hebel und Gestänge vermeidet. Durch
die erwähnte Parallelstellung der Anschlagflächen werden dieselben auſserordentlich
geschont; übrigens sind Auswechslungen der Stahlbacken sowie die Nachstellung des
Zapfenlagers im Gleitstück sehr leicht durchführbar.
Die Wahl des Kreises zur Bahn des activen Mitnehmers gestattet eine ebenso einfache als genaue
Behandlung der Steuerung beim Construiren. Dasselbe Streben nach Einfachheit zeigt
sich auch in der Construction des Regulators. Die richtige Führung der Schwungkugeln
wird direct durch eine entsprechend geformte Leitcurve erzielt; dabei bleibt der
Regulator sehr empfindlich und arbeitet um so mehr vorzüglich, als die Steuerung
nicht störend zurückwirkt.
Von ganz besonderem Interesse ist die Anordnung der Ventile. Dieselben sind kleine
guſseiserne Doppelsitzventile und werden auf der Stange nur durch eine eingelegte
Spiralfeder gehalten, welche dieselben leicht gegen den Sitz drückt; von diesem Sitz
wird das Ventil erst gehoben, wenn der Anschlag bereits einen Weg e gleich dem Spielraum zwischen dem Ventilrand und dem
Bund (bezieh. Bufferende) auf der Stange zurückgelegt hat. Umgekehrt wird aber auch
beim Schluſs des Ventiles dieses für sich zuerst auf den Sitz treffen, während die
Stange mit Buffer u.s.w. noch den Weg e frei
zurücklegen muſs. Offenbar empfangen die Ventilsitze hierbei nur jenen Stoſs,
welcher der lebendigen Kraft des Ventiles allein entspricht; nachdem aber dessen
Masse nur klein ist, kann der Schluſs unbedenklich mit der vollen Geschwindigkeit
des Dampf- oder Federbuffers erfolgen. Der tadellose Zustand der Ventilsitzflächen
bestätigt dies. Das Aufhalten des Gestänges geschieht durch den Luftbuffer, dessen
Kolben nun in den dicht schlieſsenden Theil des Gehäuses tritt. Der Weg e genügt, um die Geschwindigkeit des Gestänges derart
abzubremsen, daſs das schlieſsliche Aufsetzen des Bufferkolbens sanft und ohne
Schlag erfolgt. Unsere Quelle (Technische Blätter, 1879
S. 169 ff.) bringt Ventilerhebungs-Diagramme und gleichzeitig genommene
Indicatordiagramme, durch welche das Angeführte vollkommen bestätigt erscheint.
Bei Benutzung von Schiebern für den Dampfeinlaſs wird derselbe Vortheil in ähnlicher
Weise erreicht, indem man dem Schieber eine genügende äuſsere Ueberdeckung gibt, so
daſs nach erfolgtem Abschluſs der Kanäle der Luftbuffer in Thätigkeit treten
kann.
Eine neue Anordnung der Steuerung wurde von derselben Firma bei einer 100e-Dampfmaschine in Anwendung gebracht und in einem
höchst sauber gearbeiteten Modell dieser Maschine bei der diesjährigen Ausstellung
des „Deutschen polytechnischen Vereines“ in Prag veranschaulicht.
Die Neuerung besteht hauptsächlich in der Benutzung zweier Excenter zum Antrieb der SteuerungSetuerung an Stelle der sonst verwendeten Räderübersetzungen. Die Art und Weise der
Durchführung ist mit Rücksicht auf das Vorhergehende verständlich, wenn bemerkt
wird, daſs das eine Excenter direct die Horizontalbewegung des besprochenen
Schlittens bewirkt (es steht analog dem Früheren 90° – δ hinter der Kurbel), während das zweite (um 90° versetzt) mittels eines
geeigneten Winkelhebels dem activen Mitnehmer die erforderliche Bewegung in verticalem Sinne
ertheilt. Nachdem der Anschlag mit einem Gleitstück im Schlitten vertical geführt
ist, macht er zugleich dessen Horizontalschwingungen mit, und es entsteht durch
Combination beider Bewegungen eine ebensolche Kreisbewegung wie früher bei directem
Kurbelantrieb.
Die Maschine besitzt getrennte Flachschieber, welche zu beiden Seiten des Cylinders
angeordnet sind, und Federbuffer; sie arbeitet in jeder Hinsicht vollkommen
zufriedenstellend.