Titel: | Ueber die praktische Ausführung der Desinfection. |
Fundstelle: | Band 234, Jahrgang 1879, S. 462 |
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Ueber die praktische Ausführung der
Desinfection.
Mit Abbildungen auf Tafel 38.
Ueber die praktische Ausführung der Desinfection.
Bekanntlich geschieht die Desinfection von Kleidungsstücken, Betten, Decken u. dgl.
in den Krankenhäusern, Kasernen und Gefängnissen noch immer fast ausschlieſslich
durch Erhitzen der betreffenden Stoffe auf etwa 100°. Ransome (1873 210 467) zeigte bereits, daſs die
Wärme nur sehr langsam in die Stoffe eindringt, daſs daher diese Desinfection in der
gewöhnlich ausgeführten Art mangelhaft ist. C. v. ThanLiebig's Annalen der Chemie, * 1879 Bd. 198
S. 273.
hat jetzt Versuche darüber angestellt, wie viel Zeit erforderlich ist, damit
die höhere Temperatur der Umgebung bis zum Innern der Briefpäcke eindringe. Zu
diesem Zweck wurden zwei mit Bindfaden fest verbundene Briefpackete, von welchen das
eine 22, das andere 70 Briefe enthielt, in ein Luftbad von 111° gebracht. Nach 4
Stunden betrug die Temperatur im Innern des kleineren Briefbündels 100°, die des
gröſsern sogar erst 75°. Sollen also Briefe gleichmäſsig durchwärmt werden, so
müssen sie lose der Hitze ausgesetzt werden.
Bei der Desinfection von Briefen, welche aus pestkranken Orten kommen, ist es ferner
wichtig, die Temperatur zu kennen, bis zu welcher Briefe ohne Schaden erwärmt werden
dürfen. Es zeigte sich nun, daſs Briefe mehrere Stunden auf 150° erwärmt werden
können, ohne bemerkbare Aenderungen zu erleiden, daſs sie aber bei 160° schon
entschieden versengt wurden.
Es war nun festzustellen, welche Temperatur erforderlich ist, um eine wirksame
Desinfection zu erreichen. Die zahlreichen Versuche, welche bis jetzt in dieser
Richtung ausgeführt wurdenVgl. F. Fischer: Verwerthung der städtischen und
Industrie-Abfallstoffe, 1875 S. 56., zeigten bereits,
daſs hierzu 120°, d.h. die höchste Temperatur der gewöhnlichen Desinfectionsapparate
nicht ausreichen (vgl. 1879 233 174). Than hat nun mit faulender Hausenblase getränktes
Filtrirpapier 3 Stunden lang auf 137° erhitzt, dann in eine frische Lösung von
Hausenblase gebracht. Nach den Untersuchungen von J.
Fodor gingen sämmtliche Flüssigkeiten in Fäulniſs über. Da nun aber Briefe
nicht wohl über 140° erhitzt werden dürfen, so ist somit eine völlige Desinfection
derselben durch Hitze allein praktisch nicht zu erreichen. Dasselbe gilt offenbar
auch von allen pflanzlichen und thierischen Faserstoffen, so daſs demnach fast sämmtliche jetzt
vorhandene Desinfectionsanstalten diesen Namen nicht verdienen.
Es wurden nun ferner Briefe in einem Luftbade einige Stunden auf 130 bis 140°
erhitzt, auf dem Boden des Luftbades aber Schälchen mit je 10g Phenol für 20 Briefe eingesetzt. Nach dem
Erkalten zeigten die Briefe auſser einer sehr schwachen gelblich weiſsen Färbung gar
keine Aenderung, die Schrift war volkommen unversehrt. Bei Vermeidung von Luftzug
verdichtete sich selbst auf den innersten Blättern der in. geleimten Umschlägen
vollkommen eingeschlossenen Briefe so viel Phenol, daſs bei der Eröffnung der Briefe
selbst nach Monaten der charakteristische Geruch sehr stark hervortrat, so daſs also
der Phenoldampf durch den Stoff des Papieres hindurch diffundirt und an der
Oberfläche desselben in nicht unbedeutender Menge verdichtet zurückgehalten
wird.
Auf Grund dieser Versuche hat nun C. Croſs den in Fig.
12 und 13 Taf. 38
in zwei Schnitten dargestellten Desinfectionsapparat construirt und ausgeführt. Im
oberen Theil des mit Chamottesteinen ausgekleideten und mit Holzkohlen gefeuerten
kleinen Ofens A ragen in zwei Reihen angeordnet 14
Eisenröhren a mit ihren kürzeren Enden hinein. Die zu ⅙
ihres Volums mit Wasser gefüllten und an beiden Enden zugeschweiſsten Röhren liegen
etwas gegen den Feuerraum geneigt und ragen mit ihrem längeren Theile in ein groſses
Luftbad. Dasselbe hat doppelte Wände aus starkem Eisenblech, deren Zwischenraum zur
Verhütung von Wärmeverlusten mit Schafwolle lose ausgefüllt ist. In diesem Luftbade
sind oben zwei kleinere C und unten zwei gröſsere dicht
genietete Schränke B befestigt, auf deren Boden sich
flache Pfannen zur Aufnahme des Phenoles befinden. Ueber denselben wird in einen
jeden der Schränke ein aus verzinntem Eisendraht geflochtener Korb eingeschoben,
welche, durch quer eingelegte Drahtnetze in mehrere Fächer getheilt, die zu
desinficirenden Gegenstände aufnehmen. Nach dem Schlieſsen der gut passenden Thüren
der Schränke und der Doppelthür des Luftbades wird der Ofen A mit Holzkohlen so gefeuert, daſs die Temperatur zwischen 130 bis 140°
erhalten wird. Sobald die Temperatur über 140° steigt, setzt ein eingeschlossenes
Thermometer ein Läutewerk in Bewegung. Das auf dem Boden der Schränke befindliche
Phenol verdampft und durchdringt die eingelegten Gegenstände vollkommen. Für je 1l Schrankinhalt werden etwa 3g Phenol genommen.
Gedruckte Zeitungspapiere und beschriebene Briefpapiere verschiedensten Ursprunges,
Filtrir- und Lackmuspapier, Baumwolle, verschiedene Sorten Leinwand, Piquet, weiſse
und verschiedenartig gefärbte Stoffe aus Schafwolle und Seide, Spitzen, gegerbtes
und lackirtes Leder u. dgl. zeigten, auf diese Weise von Than behandelt, keine Veränderung; nur war die weiſse Schafwolle schwach
gelblich geworden, das sämisch gegerbte Leder aber zusammengeschrumpft und brüchig. Alle
diese Gegenstände rochen noch nach mehreren Monaten deutlich nach Phenol.
Flieſspapier mit faulender Hausenblaselösung getränkt, auf gleiche Weise behandelt,
rief keine neue Fäulniſs hervor; ja es zeigte sich, daſs unter Mitanwendung von
Phenol selbst 97° ausreichten, alle Fäulniſskeime zu vernichten.
Prof. F. Hofmann machte in einem Vortrage auf der
„Versammlung des deutschen Vereines für öffentliche Gesundheitspflege“ in
Stuttgart u.a. den Vorschlag, zu Desinfectionszwecken flüssige Schwefligsäure zu
verwenden, da das Verbrennen von Schwefel mehrere Stunden in Anspruch nehme. Nach
gef. Mittheilung liefert nun die Chemische Fabrik von Kunheim und Comp. in Berlin Syphons mit je 0k,5 flüssigem Anhydrit zum Preise von 5 M. einschlieſslich der Verpackung
und von 4 M. ohne Verpackung. Die Verwendung der Schwefligsäure zu
Desinfectionszwecken wird dadurch sehr erleichtert.