Titel: | Hartung's positive Ventilsteuerung. |
Autor: | Müller-Melchiors |
Fundstelle: | Band 235, Jahrgang 1880, S. 174 |
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Hartung's positive Ventilsteuerung.
Mit Abbildungen auf Tafel 16.
Hartung's positive Ventilsteuerung.
Während die ältere Steuerung desselben Erfinders (* 1876 222 205) zu den
Präcisionssteuerungen mit isochroner Auslösung gehört (vgl. 1879 233 4), ist die
hier zu beschreibende Ventilsteuerung zu den positiven Mechanismen, ohne
Auslösungsvorrichtung, zurückgekehrt. Sie folgt damit der ausgesprochen neuesten
Richtung des Dampfmaschinenbaues, welche, unter Hervorhebung der mannigfachen durch
die Federn, Luftbuffer und Klinken verursachten Anstände, der einfacheren und
sicheren directen Verbindung zwischen innerer und äuſserer Steuerung wieder den
Vorzug gibt. Dabei wird selbstverständlich automatische Regulirung durch den
Regulator erfordert und in Folge dessen ebenso selbstverständlich kein Schieber,
sondern das Ventil als Dampfvertheilungsorgan angewendet. Diese Richtung vertraten
in hervorragender Weise die Ch. Brown'sche und A. Collmann'sche Steuerung auf der Pariser Ausstellung
1878; ihnen schlieſst sich die neue Hartung'sche
Steuerung (Fig. 1 bis
3 Taf. 16) würdig an.
Auch hier sind die Einströmventile oben, die Ausströmventile unten an den beiden
Cylinderenden angebracht und werden – wie bei Collmann
und den meisten Präcisionssteuerungen – von einer längs des Cylinders gleichmäſsig
mit der Schwungradwelle rotirenden Steuerwelle bewegt. Dieselbe trägt für die
Ausströmventile Kammscheiben, welche in der aus Figur 1
ersichtlichen Weise die Bewegung nach abwärts leiten, für die Einströmventile
Excenter, deren Stange (in Fig. 1
senkrecht schraffirt, in Fig. 2 im
kreuzförmigen Querschnitt gezeichnet) mit ihrem Ende die Ventilzugstange erfaſst.
Der Anhub des Ventiles erfolgt, beim Niedergange der Zugstange, in der gewöhnlichen
Weise mittels eines vor dem Ventil gelagerten doppelarmigen Hebels.
Zur geeigneten Bewegung der Ventilzugstange ist die Excenterstange in einem mittleren
Punkte an einer Lenkerstange e aufgehängt, deren oberer
Drehpunkt vorläufig fixirt gedacht werde. Dann wird, wenn sich das Excenter in der
Richtung des Pfeiles Fig. 1 aus
der gezeichneten Todtpunktlage bewegt, das Ende der Excenterstange nach abwärts
gehen, die Zugstange niederziehen und das Einströmventil öffnen. Dabei beschreibt
der Lenkerarm zunächst einen Bogen nach abwärts, so daſs bis zum halben Hub die
Oeffnungsbewegung beschleunigt, dann aber, wenn das Excenter wieder nach abwärts und
der Endpunkt der Stange nach aufwärts geht, die Bewegung des letzteren dadurch
abermals vergröſsert wird, daſs der Lenker in der zweiten Hälfte seines Bogens
wieder nach aufwärts schwingt. In Folge dessen findet raschere Oeffnung und rascherer Schluſs
des Ventiles statt, als es durch die Excenterbewegung allein ermöglicht wäre.
Die in Fig. 1 gezeichnete Stellung des Lenkerarmes entspricht einer
Cylinderfüllung von 90 Proc., für geringere Füllungsgrade ist der Aufhängepunkt des
Lenkerarmes nach links zu verdrehen, was durch die aus Fig. 1 und
2 ersichtliche Construction in einfacher Weise mittels des Regulators
geschieht. Die schematische Darstellung der Figur 3
zeigt klar, wie der Angriffspunkt der Lenkerstange bei der voller Füllung
entsprechenden Lage den Bogen cx beschreibt, bei der
Lage der Nullfüllung dagegen den Bogen cy, bei welchem
die Excenterstange selbstverständlich sofort gehoben und dadurch unmittelbarer
Schluſs des Ventiles erzielt wird. Im todten Punkte bewahrt die Lenkerstange e, da sie mit der Aufhängekurbel d gleiche Länge hat, immer denselben Punkt c und bedingt so für alle Füllungsgrade gleiches
Voreilen. Der Regulator ist fast vollkommen entlastet und so eine vortreffliche
Wirkungsweise der Steuerung, welche von der Harzer
Actiengesellschaft in Nordhausen a. Harz ausgeführt wird, gesichert.
Müller-Melchiors.