Titel: | Ueber Conservirung und Transport von Fleisch; von Dr. Robert Schlesinger. |
Autor: | Robert Schlesinger |
Fundstelle: | Band 235, Jahrgang 1880, S. 224 |
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Ueber Conservirung und Transport von Fleisch; von
Dr. Robert
Schlesinger.
Schlesinger, über Conservirung und Transport von
Fleisch.
Die hohe Wichtigkeit, geschlachtete Thiere in frischem Zustande zu versenden, hat in
neuerer Zeit eine Menge Verfahren ins Leben gerufen, welche diese Aufgabe zu lösen
versuchen. Im Folgenden beschreiben wir die Methode, welche von einer der
namhaftesten Exportfirmen Wiens in Anwendung gebracht wurde, um den Pariser und Londoner Markt
mit frischem Hammel- und Ochsenfleisch zu beschicken.
An die geräumigen Stallungen für Hörn- und Kleinvieh reiht sich das Schlachthaus an.
An der Decke desselben läuft eine gröſsere Anzahl Schienen mit Rollhaken, an denen
die geschlagenen Ochsen aufgehängt werden, um enthäutet und ohne Schwierigkeiten in
den benachbarten Raum gebracht zu werden, in welchem sie einen Theil ihrer Wärme
verlieren, so daſs sie dann desto leichter im anstoſsenden Kühlraume erkalten
können.
Der Kühlraum ist ein mit gut schlieſsenden Doppelthüren und gegen äuſsere
Temperatureinflüsse möglichst geschütztes Local, in welchem die Ochsenhälften, an
den oben erwähnten Rollen hängend, rasch eingeführt werden können. Die Wände sind
mit Haken versehen, die zum Aufhängen der geschlachteten und auf Böcken enthäuteten
Hammeln bestimmt sind. An einem Ende des Kühlraumes ist ein groſses Gebläse
(Roots-Blower) von 1m,5 Durchmesser angebracht,
welcher die Luft von der Decke des Lokales ansaugt, um sie durch einen 35cm weiten Schlauch hinter den am entgegengesetzten
Ende des Raumes befindlichen Eisbehälter zu pressen. Es ist dies ein groſser
Eiskasten, der von auſsen zu füllen ist, und in welchem die zu kühlende Luft direct
mit dem Eise in Berührung kommt, wodurch dieselbe nicht nur seine Temperatur
annimmt, sondern auch an dessen Oberfläche ihren überschüssigen Wassergehalt
absetzt. Bevor das Fleisch noch ganz erstarrt ist, wird es mit chemisch reinem Borax
behandelt. Die verschiedensten Versuche mit allen möglichen Conservirungsmitteln
ergaben einen unvergleichlich schlechteren Erfolg, als dieses einfache Antisepticum,
das wohl schon längst bekannt, aber doch nur durch die neue, von Jourdes angegebene Art der Anwendung wirklich glänzende
Resultate aufzuweisen hat.
Der Borax wird nämlich in Form von feinem Pulver auf das zu conservirende Fleisch
gestäubt, und zwar mit einem ähnlich dem in Frankreich zur Schwefelung der
Weinstöcke angewendeten Blasebälge; es wird dasselbe durch einen Trichter in den
Blasebalg geleert, das Füllloch verkorkt und durch den an der Spitze angebrachten
Verstäubungsapparat ausgeblasen. Die Menge des verwendeten Borax ist so klein, daſs
sie augenblicklich von der auf der Oberfläche des Fleisches befindlichen
Feuchtigkeit gelöst wird; es ist daher dem Auge nicht wahrnehmbar, besonders da es
auch das Aussehen des Fleisches nicht im geringsten ändert.
Nach vollständiger Erkaltung des Fleisches wird es in passende Leinensäcke gebunden
und ist versandtbereit.
Das Kühlhaus liegt knapp an den Eisenbahnschienen, und es ist von höchster
Wichtigkeit, daſs das gekühlte Fleisch direct in den
Eiswagen verladen werden kann. Als vorzüglich haben sich die nach
Wickes' österreichischem Patente von der Hernalser Waggonbau-Actiengesellschaft, vormals Milde und
Comp. in Wien gebauten Kühlwagen bewährt; das Princip der Kühlung ist
ebenfalls luftdichter Verschluſs gegen auſsen, beständige Bewegung der inneren Luft
und Pressung derselben durch einen Eiskasten. Die Luft wird wie bei dem oben
erwähnten Kühlhause durch einen Trichter von der Decke des Eisenbahnwagens
aufgesaugt, tritt durch ein Rohr in einen Luftsack und von diesem durch Spalten in
den mit etwa 2000k Eis gefüllten Eiskasten, um
denselben auf der anderen Seite wieder zu verlassen.
Kurze Zeit nachdem der Wagen im Laufe ist, sinkt dessen Temperatur auf + 1 bis 2°.
Die Wände sind dreifach, bei den neuesten Wagen sogar vierfach, aus Holz mit
Pappendeckel gedichtet. Zwischen den Wänden befindet sich eine Luftschicht von 5 bis
15cm. Diese Vorsicht ist besonders für den
Stillstand des Wagens nothwendig, da während dieser Zeit der Ventilator natürlich
nicht arbeitet. Bei mehrtägigem Stillstande in der heiſsen Jahreszeit nützen
allerdings auch die vierfachen Wände nichts und die Temperatur im Wagen steigt; es
ist dies der Hauptnachtheil des Systemes, besonders im Vergleiche mit dem Patent Tiffany, welches unabhängig vom Gange oder Stillstande
des Wagens trockene, kalte Luft bewahrt; dieser Nutzen ist aber nicht so groſs
(namentlich wenn man die Bahnverwaltungen zu einer beschleunigten Abfertigung dieser
Sendungen veranlassen kann), um die Schattenseiten dieses letzteren Systemes
aufwiegen zu können: so z.B. das doppelte Eigengewicht der Wagen, der bedeutend
gröſsere Eisverbrauch u.a.m. Auf oben beschriebene Art wird eine groſse Anzahl
Schlachtvieh aus Oesterreich ausgeführt und erzielt dasselbe bei regelmäſsiger
Marktbeschickung dieselben Preise wie am Bestimmungsorte selbst frisch
geschlachtetes Fleisch.