Titel: | Ueber Aborte mit Desinfection. |
Autor: | F. |
Fundstelle: | Band 235, Jahrgang 1880, S. 282 |
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Ueber Aborte mit Desinfection.
Mit Abbildungen auf Tafel 29.
Ueber Aborte mit Desinfection.
Da einerseits Aborte mit Wasserspülung ohne Frage dem steigenden Bedürfnisse nach
Reinlichkeit weitaus am besten entsprechen, andererseits die Forderung der
öffentlichen Gesundheitspflege, jede Fäulniſs in der Nähe der menschlichen
Wohnungen zu verhüten, allein erfüllen, so hat das Verbot, Abortstoffe in die Flüsse
abzulassen (vgl. 1878 227 401) eine Reihe von Abortconstructionen hervorgerufen,
welche die Annehmlichkeit der sogen. Waterclosets mit diesem zur Zeit noch gültigen
Verbot in Einklang zu bringen suchen. Zu diesem Zweck werden verschiedene Stoffe in
dem Spülwasser gelöst, welche die suspendirten und einen geringen Theil der gelösten
Stoffe niederschlagen, so daſs nach dem Absetzen derselben in einer Grube eine
klare, scheinbar harmlose Flüssigkeit abläuft, die nun ohne Anstand in die Kanäle
abgelassen wird.
Max Friedrich in Plagwitz bei Dresden (* D. R. P. Nr.
1321, 7435 und 7436 vom 9. December 1877, vom 28. December 1878 bezieh. 1. Januar
1879) verwendet ein Gemisch von Phenol, Kalk, Thonerde- und Eisenoxydhydrat, welches
in den Behälter K (Fig. 21
Taf. 29) gebracht wird. Das durch das Rohr a zutretende
Wasser, dessen Zufluſs durch den Schwimmer s geregelt
wird, saugt in entsprechender Weise atmosphärische Luft an, welche beim Austritt aus
dem Rohr b das Desinfectionsmittel aufrührt und mit dem
Wasser durch das Rohr c nach Bedarf den
Verbrauchsstellen zuführt.
Für einzelne Aborte stellt man den völlig geschlossenen Behälter auch wohl
unmittelbar auf oder unter das Sitzbrett (Fig. 22
Taf. 29). Nach jedem Gebrauch des Abortes hebt man mittels der Stange e das Ventil des Wasserzuführungsrohres ab, so daſs das Wasser eine entsprechende Menge der
klärenden Stoffe mit durch das Rohr c in den Trichter
w schafft, die Excremente daher mit der
desinficirenden Flüssigkeit fortgeschwemmt werden, um in einer Grube den
Niederschlag abzusetzen.
Für gröſsere Gebäude, Fabriken u. dgl. wird der Mischapparat (Fig. 23
Taf. 29) in die Nähe der Grube G (Fig. 24)
aufgestellt, welche die Abflüsse sämmtlicher Aborte u. dgl. aufnimmt. Von Zeit zu
Zeit läſst man nun von dem Deeinfectionsgemisch zuflieſsen, die Flüssigkeit tritt in
den zweiten Absatzbehälter g, aus welchem sie völlig
geklärt abflieſst, während der gebildete Niederschlag aus der Grube herausgeholt und
abgefahren werden muſs.
Neuerdings wendet Max Friedrich für Druckleitungen, wie
der Durchschnitt Fig. 25
Taf. 29 darstellt, in dem Wassereintrittrohr a ein
Retourventil b an, um ein Zurücktreten der
Desinfectionsflüssigkeit nach der Leitung zu verhüten. Durch den Schneckengang s soll dem eintretenden Wasser eine wirbelnde Bewegung
ertheilt werden, um die durch den Deckel e auf den
eingehängten Korb d gebrachten Desinfectionsstoffe
aufzuschwemmen und durch das Rohr c zur Benutzung
abzuführen. Fig. 26
endlich zeigt eine Vorrichtung, bei welcher der Wassereintritt aus dem Rohre a durch den Schwimmer s
geregelt wird, während
die Fällungsmittel in der ringförmigen Vertiefung d
liegen. Das Gemisch flieſst durch das Rohr c ab,
während der Ansatz g als Ueberlauf dient.
O. Rössemann in Berlin (* D. R. P. Nr. 6586 vom 10.
December 1878) hat einen Apparat zur Einführung von Desinfectionsstoffen in das
Wasser von Leitungen bei Wasserclosets angegeben, welcher sich von den beschriebenen
geschlossenen Apparaten wesentlich nur dadurch unterscheidet, daſs die Stoffe
mittels Rührer dem Wasser zugemischt werden.
J. J. Zeitler in Berlin verwendet nach einer
Flugschrift Kalk und Carbolsäure. Fig. 27
Taf. 29 zeigt den Durchschnitt eines offenen Apparates, welcher höher als die damit
bedienten Aborte aufzustellen ist. Das Wasser tritt durch das mit Schwimmer s und Rückstauventil c
versehene Rohr a und durch eine Düse bei d in den Apparat. Dadurch, daſs dieser Düse die Mündung
des Abfluſsrohres f gegenübersteht, soll das Wasser
lebhaft umgerührt und so die Lösung des Phenolkalkes im Korbe e beschleunigt werden. Bei dem mit Ueberfluſsrohr d versehenen Apparate Fig. 28
tritt das Wasser von dem Rohre a aus durch zwei Düsen
i in das Rohr g und
saugt wie beim Wasserstrahlgebläse theils durch die Oeffnung h direct, theils mittels des Rohres k
atmosphärische Luft ein, welche durch den Siebboden m
fein vertheilt die Flüssigkeit umrührt. Fig. 29
zeigt schlieſslich eine derartige Vorrichtung, welche in unmittelbarer Verbindung
mit dem Aborttrichter B unter dem Sitzbrette steht.
Bei sämmtlichen derartigen Vorrichtungen ist somit eine Grube erforderlich, welche
meist zwei Absatzbehälter umfaſst. Der gebildete Niederschlag muſs abgefahren
werden, während die geklärte Flüssigkeit in die Straſsengossen oder Kanäle
abgelassen wird. Das Verfahren wird dadurch theuer und lästig. Es ist ferner zu
berücksichtigen, daſs sich aus dem Gemisch das Phenol rasch löst, der Kalk langsam,
so daſs der Apparat sehr bald einfach Kalkwasser liefert; dem mechanisch
beigemengten Thonerde- und Eisenhydrat kann eine nennenswerthe Wirkung nicht
beigemessen werden. Nun ist aber bekannt, daſs Kalk wohl die Phosphorsäure fällt,
die organischen Stickstoffverbindungen aber nur zum kleinen Theil, Ammoniak gar
nicht (vgl. 1874 211 211. 226); es gehen somit die werthvollsten Düngstoffe
verloren. Ferner ist zu erwägen, daſs selbst wenn durch hinreichenden Kalkzusatz
eine Desinfection erreicht sein sollte, dieser Kalk sofort gefällt wird, wenn die
Flüssigkeit mit Kalkinhalt zusammenkommt, die fortgeschwemmten organischen Stoffe
somit nun doch in Fäulniſs übergehen, so daſs eine irgend wie nennenswerthe
Verminderung der Fluſsverunreinigung dadurch um so weniger zu erzielen ist, als
diese Anlagen der hohen Kosten wegen nur in beschränktem Umfange eingeführt werden
können. Sollen die
Flüsse rein bleiben, so muſs das gesammte Kanalwasser
gereinigt werden (vgl. 1878 227 403), sei es durch chemische Fällung oder durch die
weit bessere Berieselung (vgl. 1878 228 271). Dennoch sind diese Apparate in so fern
werthvoll, als sie für den Augenblick in den meisten Städten, welche noch keine
Berieselung haben, allein die Anlage von Aborten mit Wasserspülung ermöglichen und
so den Uebergang zum Schwemmsystem bilden, da sich wohl Niemand, welcher erst die
Annehmlichkeit eines sogen. Wassercloset kennt, entschlieſsen wird, dasselbe gegen
eine Abfuhrtonne oder gar eine Grube zu vertauschen.
F.