Titel: | Zur Herstellung und Verwendung der Ammoniaksoda. |
Fundstelle: | Band 236, Jahrgang 1880, S. 48 |
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Zur Herstellung und Verwendung der
Ammoniaksoda.
Mit Abbildungen auf Tafel 7.
Zur Herstellung und Verwendung der Ammoniaksoda.
Während man beim Löschen von gebranntem Kalk mit Wasser das
Kalkhydrat in einem pulverförmigen oder breiigen Zustande erhält, welcher seine
Verwendung in der Sodafabrikation erschwert, will E. Solvay in
Brüssel (* D. R. P. Nr. 8180 vom 5.
Juli 1879) den Kalk mittels einer Lösung von Chlorcalcium oder
Chlorammonium löschen, um so das Kalkhydrat in Stücken und Körnern zu erhalten.
Mittels dieses granulirten Kalkes kann man nun das in Lösung befindliche
Chlorammonium selbst ohne Erwärmung vollständig zersetzen, indem man es nur mit dem
Kalke in innige Berührung bringt. Dadurch ist es möglich, bei der Darstellung von
Soda mittels Ammoniak die Zersetzung des Chlorammoniums durch Kalk von der
Destillation des frei gewordenen Ammoniaks zu trennen, indem man die Salmiaklösung
über den mit Chlorcalcium gelöschten Kalk flieſsen läſst, die erhaltene Lösung aber
in besonderen Apparaten abdestillirt.
Bringt man den gebrannten Kalk direct mit der bei der Sodafabrikation (vgl. * 1879
231 438) abfallenden Salmiaklösung zusammen, so löst
sich unter gleichzeitiger Entwicklung von Ammoniak eine gewisse Menge Kalk auf,
während der Rest desselben je nach der Beschaffenheit des Materials in gröſseren
oder kleineren Körnern zurückbleibt.
Zur Ausführung dieser Umsetzung bedient man sich am zweckmäſsigsten eines
geschlossenen säulenartigen Behälters, welcher fast ganz mit Kalk gefüllt wird. Die
Chlorammoniumlösung wird unten in den Behälter eingeführt und flieſst oben ab,
nachdem sie die erforderliche Menge Kalk gelöst hat. Unter Umständen kann es
vortheilhaft sein, das Gefäſs zur Beförderung der Reaction zu erwärmen. Statt des
einen Zersetzungsgefäſses lassen sich mehrere anwenden und in systematischer Weise
mit einander verbinden, so daſs die Flüssigkeit von einem zum andern strömt.
Zur Erzeugung von Aetznatron genügt es, eine angemessen verdünnte Lösung von Soda,
welche vortheilhaft erwärmt wird, über eine hinreichend dicke Lage von granulirtem
Kalk flieſsen zu lassen, um dieselbe vollständig in Aetznatron umzuwandeln. Der
dabei entstehende kohlensaure Kalk bleibt körnig, so daſs er mit groſser
Leichtigkeit ausgewaschen werden kann. Die Ausführung dieses Verfahrens kann in der
Weise geschehen, daſs die von Kohlensäure zu befreiende Flüssigkeit innerhalb eines
geeigneten Apparates dem Kalk entgegengeführt wird.
Die Reinigung der Salzlösung von Kalk und Magnesia in der früher angegebenen Weise (*
1879 231 438) ist nicht immer vollständig, da häufig ein
kleiner Theil Magnesia in der amoniakalischen Salzlösung zurückbleibt. Dieser Rest
wird beseitigt, indem man der Lösung etwas kohlensaures Natron zusetzt.
Um ferner die Absorption des Ammoniaks durch die Salzlösung zu einer ununterbrochenen
zu machen und derart zu regeln, daſs die zur weiteren Behandlung gelangende
Flüssigkeit stets einen gleichen Ammoniakgehalt aufweise, verwendet Solvay jetzt so groſse Gefäſse, daſs ein Ausgleich der
Flüssigkeiten von verschiedenem Ammoniakgehalt in denselben stattfinden kann. Da bei
einem regelmäſsigen Gang der Fabrikation die täglich entwickelte Menge Ammoniak
stets nahezu gleich ist, so bedarf es nur einer Regelung des Zuflusses der frischen
Kochsalzlösung in das Absorptionsgefäſs, um trotz der zu verschiedenen Zeiten
eintretenden wechselnden Ammoniakmengen eine Flüssigkeit zu erzielen, welche nach
jedesmaligem Verlauf von einigen Stunden nahezu denselben mittleren Ammoniakgehalt
besitzt. Die Einführung groſser Flüssigkeitsbehälter hat noch den Vortheil, daſs,
während früher mehrere Gefäſse zum Absetzen des gebildeten Schlammes erforderlich
waren, das jetzt angewendete gröſsere Gefäſs allein dazu ausreicht.
Das durch Destillation entwickelte Ammoniak wird nun in ein Absorptionsgefäſs
geleitet, in welches gleichzeitig ein durch einen Hahn zu regelnder Strom frischer
Salzlösung eintritt. Die mit Ammoniak geschwängerte und dabei trübe gewordene
Flüssigkeit läuft durch ein von dem oberen Theil des Apparates sich abzweigendes
Ueberlaufrohr in einen zweiten, sehr groſsen Behälter zum Absetzen des Schlammes,
welcher zeitweilig mittels eines Hahnes abgezogen und der Destillation unterworfen
werden kann, um das darin enthaltene Ammoniak wieder zu gewinnen. Die geklärte
ammoniakalische Salzlösung flieſst durch ein Ueberlaufrohr in einen dritten
Behälter, welcher dem zweiten ähnlich ist, oder wenigstens annähernd dieselbe Gröſse
hat. Das Zufluſsrohr, welches innerhalb desselben bis zum Boden herabreicht, ist mit
einer Reihe von Löchern versehen, um durch den in verschiedenen Höhen stattfindenden
Eintritt der Salzlösung eine möglichst innige Mischung der zu verschiedenen Zeiten
einflieſsenden Mengen herbeizuführen und dadurch die vorkommenden Unterschiede in
deren Ammoniakgehalt auszugleichen. Statt des besagten inneren Rohres kann man auch
von einem äuſseren Rohr aus mehrere Zweigröhren in verschiedenen Höhen in den
Behälter münden lassen. Nachdem in solcher Weise eine Lösung von mittlerem
Ammoniakgehalt erzeugt worden ist, wird dieselbe zum Zweck der Aufnahme von
Kohlensäure den hierzu bestimmten Gefäſsen zugeführt.
Um einen bestimmten, gleichmäſsigen Gehalt an Ammoniak zu erzielen, braucht man nur
den Eintritt der frischen Salzlösung in das Absorptionsgefäſs nach dem
Ammoniakgehalt zu regeln, den die Flüssigkeit im dritten Behälter hat. Die
Schwankungen im Ammoniakgehalt sind übrigens in Folge der groſsen Flüssigkeitsmenge
nur gering. Die Behälter werden zweckmäſsig so groſs gemacht, daſs sie eine
Flüssigkeitsmenge aufnehmen können, welche für eine Betriebszeit von 12 Stunden
ausreicht; doch ist es auch möglich, statt dessen ein einziges Gefäſs von
hinreichender Gröſse anzuwenden.
Die Zersetzung des Natriumbicarbonates soll ununterbrochen und in geschlossenen
Gefäſsen erfolgen. Dies geschieht durch Anwendung eines aus Eisenblech oder besser
noch aus Guſseisen hergestellten Cylinders A (Fig.
1 und 2 Taf. 7).
Derselbe wird von der Feuerung B aus derart erhitzt,
daſs ihn die Flammen völlig umspülen, bis die Rauchgase durch den Fuchs C entweichen. Das Aufgeben des feuchten Bicarbonates
geschieht durch eine oder mehrere Füllröhren D, welche
von der Seite in den Cylinder einmünden und fortdauernd gefüllt erhalten werden, so
daſs das darin befindliche Salz den Abschluſs der Luft bewirkt. Die Abführung der
calcinirten Soda findet durch das Rohr E statt, welches
beinahe bis auf den Fuſsboden herabreicht. Je nachdem man die Entleerung dieses
Rohres mehr oder weniger fördert, ist die im Cylinder enthaltene Menge Soda kleiner
oder gröſser; doch empfiehlt es sich, den Cylinder halb gefüllt zu erhalten. Kohlensäure, Wasserdampf
und Ammoniak entweichen durch das Rohr F.
Durch den Apparat geht der ganzen Länge nach die durch Stopfbüchsen gedichtete,
mittels Zahnrädergelege L bewegte Welle G, welche mit zahlreichen Armen H besetzt sind. Die an den Armen befestigten beweglichen Schaber und
Messer haben die Aufgabe, das Salzgemisch aufzurühren und vorwärts zu bringen, sowie
dasselbe von den Wänden abzukratzen, wenn es sich festsetzt (vgl. 1879 234 308). Das eingeführte Bicarbonat trifft hierbei immer
schon auf eine theilweise calcinirte Salzmenge, wodurch das Zerflieſsen und
Breiigwerden der Masse verhindert wird.
Für Fabriken, welche das Kochsalz weither beziehen müssen, kann es vortheilhaft sein,
das Salz, welches in der am Ende des Processes übrig bleibenden Chlorcalciumlösung
enthalten ist, wiederzugewinnen. Zu diesem Zweck kann die vorher mit Salzsäure
neutralisirte Flüssigkeit in besonderen Röhrenkesseln (vgl. * 1879 231 58) abgedampft werden, so daſs hierbei gleichzeitig
der für die Betriebsmaschine erforderliche Dampf gewonnen wird. Um möglichst zu
verhüten, daſs die zu concentrirende Flüssigkeit beim Eintritt in den Kessel sich
mit schon concentrirter Flüssigkeit mische, wird das Speiserohr mit dem unteren
Verbindungsrohr sämmtlicher Siederöhren verbunden. Bei der geringen Wandstärke der
Siederohre dieses Kessels soll die Chlorcalciumlösung Dampf von so hoher Spannung
erzeugen, daſs er zu allen möglichen Zwecken verwendet werden kann.
Das Kochsalz scheidet sich in einem mit dem Kessel verbundenen Absatzbehälter aus der
concentrirten Chlorcalciumlösung ab. Der Abfluſs der concentrirten Flüssigkeit kann
durch einen Schwimmer derart geregelt werden, daſs der Abfluſs selbstthätig bewirkt
wird, sobald der gewünschte Concentrationsgrad erreicht ist.
Die Flüssigkeit kann auch in Pfannen A (Fig. 3 bis
5 Taf. 7) von Eisenblech eingedampft werden, deren geneigte Seitenwände
in einen verhältniſsmäſsig kleinen Halbcylinder übergehen. Erstere werden von B aus durch besondere Feuerungen oder abziehende Gase
anderweitiger Feuerungsanlagen erhitzt, während die halbkreisförmige Mulde der
Pfanne keine directe Wärme empfängt. Der Vortheil dieser Anordnung liegt darin, daſs
alles ausgeschiedene Salz sich in dieser Mulde sammelt. Eine die ganze Länge der
Pfanne einnehmende und mit einer Schnecke oder schraubenförmig gestellten Schaufeln
D versehene Welle C
wird mit der Hand oder durch Maschinenkraft langsam gedreht und bringt dadurch das
abgeschiedene Salz nach dem heiſsesten Ende der Pfanne, wo die Flüssigkeit am
concentrirtesten ist und schlieſslich durch das Rohr K
abläuft. Hier hat die Pfanne vollständig die Form eines Cylinderabschnittes (Fig.
4 und 5). Eine mit
Armen L und mit den durch Gelenke an letzteren
befestigten Messern P versehene Welle E hat die Aufgabe, das hier bei H
angekommene Salz zusammenzustreichen und es über den Rand F der Pfanne zu werfen (vgl. Thelen 1879 234 307). Dieser Theil der Pfanne wird von dem rechten
äuſsersten Ende I derselben durch eine Wand f getrennt, so daſs die in I befindliche Flüssigkeit sich in fast vollständiger Ruhe befindet. Die
concentrirte Flüssigkeit läuft klar durch Rohr K ab,
während das Salz, welches sich etwa in dieser Abtheilung abscheidet, auf der
schrägen Wand derselben herunterfällt und durch die Oeffnung e in der Scheidewand nach H zurückgelangt, wo
es mit den übrigen Salzkrystallen von der Schaufel P
aufgenommen wird. Die Lauge, welche bei genügender Verdampfung nur noch Chlorcalcium
enthält, flieſst bei K ab; man kann sie in Formen
laufen lassen, in denen sie während der Abkühlung erstarrt.
Die Speisung der Pfanne mit frischer Flüssigkeit findet am entgegengesetzten Ende
derselben statt. Damit aber diese sich nicht mit der bereits concentrirten
Flüssigkeit zu einer Lösung von gleichförmiger mittlerer Dichtigkeit mische, sondern
deren Concentrationsgrad nach dem heiſseren Theil der Pfanne hin zunehme, sind in
gewissen Abständen von einander Scheidewände acb (Fig.
3) aus Blech an den schrägen Wänden der Pfanne festgenietet; dieselben
reichen aber nur etwa bis zu der halbkreisförmigen Mulde herab oder bis zur Welle
C.
Das so erhaltene Salz muſs nun gut ausgewaschen werden. Zu diesem Zweck bringt man es
in einen langen Trog (Fig. 6 und
7 Taf. 7), in welchen zwei mit Schneckengängen oder mit schraubenförmig
gestellten Schaufeln besetzte Wellen sich derart in entgegengesetzter Richtung
drehen, daſs sie das aufgegebene Salz von A nach B bringen und dabei gleichzeitig aufrühren. Das
Waschwasser flieſst umgekehrt von B nach A, wird bei C geklärt und
läuft dann ab, während das gewaschene Salz bei B
herausgenommen wird.
Eine andere Anordnung eines solchen Waschapparates zeigen Fig. 8 und
9 Taf. 7, welcher aus einer Reihe von kleinen Trögen A bis E besteht, die oben
mit einander in Verbindung stehen und so einen gemeinschaftlichen langen Trog
bilden. Jeder Einzel trog ist mit einer mechanisch bewegten Welle versehen, welche
mit Schabern oder Schaufeln besetzt ist; diese bringen das Salz von E aus nach A, von wo es
entfernt wird, während das Wasser umgekehrt von A nach
F flieſst und, nachdem es hier geklärt ist,
abläuft. Um das dem Salze noch anhängende Chlorcalcium zu zersetzen, kann man
demselben während des Waschens etwas Soda hinzusetzen.
Das gleiche Verfahren läſst sich anwenden zum Auswaschen des erzeugten Bicarbonates,
des erhaltenen Kalkschlammes und ähnlicher Stoffe.
Nach dem Verfahren zur Herstellung der Ammoniaksoda vom Grafen
Ch. de Montblanc und L. Gaulard
in Paris (* D. R. P. Nr. 8498 vom 20. Mai 1879)
wird das Chlornatrium in einen cylindrischen Behälter a
(Fig. 10 Taf. 7) von Eisenblech gebracht, in welchem eine Röhre p die Zuführung von Wasser gestattet, die durch den mit
Schwimmer f verbundenen Hahn r geregelt wird. Der Behälter a steht in
einem gröſseren Bottich b, welcher durch die
Leitungsröhren d und e mit
dem Behälter c verbunden ist. Die durch Wasserzufluſs
in dem Behälter a erzeugte Kochsalzlösung flieſst nach
b und c, bis sie die
Verbindungsröhre e erreicht, worauf der Schwimmer f selbstthätig den Zutritt des Wassers durch Schlieſsen
des Hahnes r unterbricht. Nach dem Oeffnen des Hahnes
i flieſst die Chlornatriumlösung nun durch das Rohr
t in den cylindrischen Behälter h aus Eisenblech, welcher seiner ganzen Höhe nach durch
Scheidewände n getheilt ist, die mit kleinen,
abwechselnd auf der rechten und linken Seite des Apparates angebrachten
Verbindungsstutzen u versehen sind. Die Säule k an der Seite des Apparates gestattet, mittels des
Hahnes v die einzelnen Abtheilungen direct mit einander
zu verbinden.
Das Ammoniakgas tritt unten durch die Brause g ein,
steigt in dem Apparate auf und sättigt die in den einzelnen Abtheilungen befindliche
Chlornatriumlösung, bis schlieſslich der durch das Manometer m angegebene Druck das Ende der Operation anzeigt.
Die Anordnung der Apparate, in welchen die Sättigung mit Kohlensäure und die
Ausscheidung des Natriumbicarbonates vor sich geht, zeigen Fig. 11 und
12 Taf. 7. Der guſseiserne Behälter A hat
eine hohle Mittelwelle s, welche mit ihren drei
Rührstäben t durch das Kegelrad e in Umdrehung versetzt werden. Durch Einschnitte bei u in der Hohlwelle s tritt
die Kohlensäure in den Apparat, deren Zufuhr durch den Hahn g geregelt wird. Durch das Rohr c mit Hahn
d steht der Apparat mit einem Speisebehälter in
Verbindung, welcher die in dem Cylinder h (Fig.
10) erzeugte und durch die Oeffnung o
abgelassene Mischung enthält. Ein bewegliches Sieb n
vor den Hähnen m und v
soll den Uebergang fester Stoffe von einem Apparat zum andern verhindern.
Sind nun die Hähne h und v
geschlossen, g und m aber
offen, so gelangen die mit Ammoniak gesättigte Chlornatriumlösung und die
Kohlensäure gleichzeitig in den Apparat, so daſs sich sofort Natriumbicarbonat
bildet. Die Flüssigkeit steigt bis zum Hahn m, durch
welchen sie sich in den zweiten Apparat ergieſst, während das nicht verwerthete,
Ammoniak haltige Gas durch die Oeffnung f entweicht.
Gas und Flüssigkeit durchlaufen so der Reihe nach sämmtliche Apparate. Hat sich nun
in den ersten Apparat eine genügende Menge Natriumbicarbonat ausgeschieden, so wird
derselbe durch Schlieſsung der Zuführungshähne ausgeschaltet und geleert, während
Flüssigkeit und Gas in den nächsten Apparat geführt werden.
R. Hoffmann (Chemische
Industrie, 1879 S. 417) führt aus, daſs die nach dem Leblanc'schen Verfahren hergestellte Soda jetzt ebenso
rein und billig geliefert werde als die Ammoniaksoda nach Solvay's Methode, daſs somit kein Grund vorliege, die letztere in der
Ultramarinfabrikation anzuwenden (vgl. 1879 232 177).