Titel: | Verwendung der dynamo-elektrischen Maschine zum Betriebe elektrischer Eisenbahnen; von Dr. Werner Siemens. |
Fundstelle: | Band 236, Jahrgang 1880, S. 386 |
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Verwendung der dynamo-elektrischen Maschine zum
Betriebe elektrischer Eisenbahnen; von Dr. Werner Siemens.
Mit Abbildungen im Text und auf Tafel 34.
W. Siemens' Eisenbahn.
In der ersten Sitzung des elektrotechnischen Vereines, am 27. Januar 1880, hat Dr.
Werner Siemens einen Vortrag „über die
dynamo-elektrische Maschine und deren Verwendung zum Betriebe von elektrischen
Eisenbahnen“ gehalten, welcher sich auf S. 47 bis 55 des Februarheftes
(1880) der Elektrotechnischen Zeitschrift abgedruckt
findet. Wir entnehmen der letzteren, mit ertheilter Genehmigung dazu, den auf die
elektrischen Eisenbahnen (vgl. 1879 233 171. Heusinger's Organ für Eisenbahnwesen, Supplementheft
1879) bezüglichen Theil, mit dem Hinweise darauf, daſs Dr. Siemens inzwischen bereits die Concession zur Anlage einer elektrischen
Hochbahn in Berlin nachgesucht hat.
Aus den zahlreichen Versuchen, die wir in neuerer Zeit über
Kraftübertragung angestellt haben, ergibt sich, daſs bei mäſsiger
Umdrehungsgeschwindigkeit etwa 45 bis 50 Procent der Arbeitskraft als nutzbare
Arbeit übertragen werden. Bei schnellerer Rotation ist diese Nutzarbeit bis auf 60
Procent der aufgewendeten Arbeit gestiegen; also von 100e, mit welcher die Strom erzeugende Dynamomaschine getrieben würde, würden
60e von der elektromagnetischen Maschine
wieder hergegeben werden können.
Meiner Ansicht nach ist die Frage, wie viel Procent der
Arbeitskraft man elektrisch im höchsten Falle übertragen kann, damit aber noch nicht
abgeschlossen; es ist dies nur eine Frage der Construction und der Geschwindigkeit.
Groſse Maschinen, in groſser Geschwindigkeit bewegt, werden immer einen höheren
Nutzeffect geben als kleinere Maschinen und geringere Geschwindigkeit, und ich
rechne ziemlich fest darauf, daſs man auf 70 Procent und vielleicht noch höhere
Procentsätze der Kraftübertragung gelangen wird. Jedenfalls ist die von einem
französischen Gelehrten aufgestellte Rechnung, daſs 50 Procent das Maximum wäre, was
theoretisch übertragen werden könnte, falsch. Dies beweisen schon die hier
vorliegenden Versuchstabellen.
Wenn man nun sagt: Ja, 50 Proc. Verlust ist doch immer noch sehr
viel, so kann ich dies nur bedingt zugeben. Berücksichtigt man, daſs der
Krafterzeuger, also der arbeitende Motor hier feststeht und so schwer und so groſs
gemacht werden kann, wie es vortheilhaft erscheint, daſs er also mit so guten
Kesseln und so guter Heizung versehen werden kann, wie erforderlich ist, um den
gröſsten Nutzeffect vom Brennmaterial zu erzielen, daſs dies aber bei kleineren
Maschinen und namentlich bei Locomotiven nicht möglich ist, so ergibt sich, daſs ein
elektrischer Betrieb schon mit 50 Proc. Arbeitsverlust nicht weniger ökonomisch ist
als der Locomotivbetrieb. Die Heizungskosten einer Locomotive sind, wie mir von
verschiedenen Sachverständigen versichert worden ist, immer mindestens doppelt so
groſs, als die einer guten, groſsen, stehenden Dampfmaschine mit groſser Expansion
und guten Kesseln.
Nimmt man dies aber als richtig an, dann würde die elektrische
Uebertragung von einer groſsen feststehenden Maschine schon bei 50 Proc. Nutzeffect
nicht mehr Heizkosten verursachen wie eine Dampflocomotive auf Schienen bei gleicher
Arbeitsleistung. Indessen darauf kommt es meiner Ansicht nach gar nicht einmal so
sehr an. Auf den groſsen Verkehrsadern, auf die unser ganzes Leben jetzt
zugeschnitten ist, auf den groſsen Eisenbahnen wird die Elektricität der
Dampflocomotive keine Concurrenz machen, ebenso wenig wie das elektrische Licht
meiner Ansicht nach je das Gas vollständig verdrängen wird, trotz aller
amerikanischen Reclamen. Die Elektricität ist ganz bescheiden, sowohl bei der
Beleuchtung, wie bei der Kraftübertragung; sie will nicht verdrängen und absetzen, sondern
sie will nur diejenigen Gebiete an sich nehmen, welche von den anderen vorhandenen
bewährten Einrichtungen schlecht bedient werden.
Die elektrische Kraftübertragung soll nur in solchen Fällen
eintreten, wo mechanische Uebertragung nicht gut verwendbar und wo die
Dampflocomotive nicht am Platze ist, oder das Verlangte nicht leisten kann. So ist
es z.B. für den Eisenbahnbau von groſser Wichtigkeit, mit den Zügen gröſsere Steigungen überwinden zu können wie bisher. Es
könnten dann sehr kostspielige lange Tunnele ganz vermieden oder abgekürzt werden.
Mit der Verstärkung der Locomotiven scheint die äuſserste Grenze erreicht zu sein,
da die Adhäsion der Räder begrenzt ist und auch das Gewicht der Locomotiven eine
gewisse Grenze nicht übersteigen darf, da sonst die Hebung der eigenen Last den
gröſsten Theil ihrer Leistung bildet. Auch die Vergröſserung der Anzahl der
Locomotiven kann aus diesem Grunde nichts helfen. Hier würde nun die Elektricität
wirksame Dienste leisten können, da es mit ihrer Hilfe thunlich ist, die Zugkraft
auf beliebig viele Achsen des Zuges selbst zu vertheilen. Doch nicht allein bei der
Ersteigung, sondern auch für die Bremsung beim Niedergange des Zuges würde die
Elektricität kräftig mitwirken können, da die Dynamomaschine gleich gute Dienste
sowohl zur Arbeitsleistung, als zur Arbeitsvernichtung leistet.
Der zweite Punkt ist die Anwendung dieser Maschinen bei kleinen
Bahnen; auf Arbeitsplätzen in Bergwerken, in Tunnelen, in der Tiefe von Schächten,
wobei die Motoren drauſsen über Tage stehen und die Arbeitszüge in der Tiefe laufen,
wird in Zukunft die elektrische Beförderungskraft von wesentlicher Bedeutung
sein.
Eine dritte Anwendung ist der Betrieb elektrischer Hochbahnen. Wir
wissen ja, daſs man in Amerika jetzt die „elevated
railroad“ oder „Säulenbahn“ in groſsen Städten vielfach
baut; namentlich in New-York ist sie schon in bedeutender Ausdehnung vorhanden. Als
ich i. J. 1867, während der Pariser Ausstellung, einem höheren Eisenbahn-Fachmann
meinen Plan mittheilte, Eisenbahnen auf freistehenden eisernen Säulen durch die
Straſsen Berlins zu bauen und dieselben elektrisch zu betreiben, da erschien
derselbe ihm mit Recht als eine kaum realisirbare Idee. Aber jetzt, nachdem die
Amerikaner sie thatsächlich durchgeführt haben, seitdem dort sogar schwere
Locomotiven und volle Züge oben über die Säulen hinweglaufen und doch noch kein
Unglücksfall dabei vorgekommen ist, kann man schon mit gröſserem Vertrauen darauf
eingehen. Meinerseits halte ich es für eine Groſsstadt für eine absolute
Notwendigkeit, auſser den Straſsenflächen für die Wagen und Fuſsgänger noch eine
zweite Communicationsetage für den schnellen Verkehr zu haben. Sie sehen, wie mit
dem steigenden Verkehr sich unsere belebteren Straſsen schon jetzt täglich mehr
verstopfen, es ist oft kaum mehr durchzukommen und kein Konstabler kann dies ändern.
Wie soll das werden nach 10, 20, 50 Jahren! Die Statistik über die Zunahme des
Verkehres berechtigt uns, mit der vollsten Bestimmtheit zu sagen, daſs die
Straſsenfläche demselben schon in der nächsten Zeit nicht mehr genügen kann. Eine
Abhilfe muſs gefunden werden, wenn das auf wachsenden Verkehr sich gründende
groſsstädtische Leben nicht verkümmern und die weitere Entwickelung der
Reichshauptstadt nicht vollständig gehemmt werden soll. Es muſs also nothwendig für
Berlin ein neues Communicationsnetz für schnellen Personen- und Güterverkehr
geschaffen werden, welches den Straſsenverkehr nicht hindert und durch ihn nicht
gehindert wird. Dazu erhalten wir nun die Stadtbahn. Diese schlieſst aber nur eine
einzige mitten durch Berlin gehende Linie auf. Die in der Nahe derselben Wohnenden
haben zwar den Vortheil, nach zwei Richtungen hin fahren zu können; der Verkehr
strebt aber nach allen Richtungen hin. Die Stadtbahn kann dem Bedürfniſs nach
besseren Verkehrsmitteln daher in der That nur sehr einseitige und ungenügende
Dienste leisten. Um ihm zu genügen, müſste ein Netz von ähnlichen Stadtbahnen über
ganz Berlin gelegt werden, was kaum erschwingliche Kosten und gewaltige Umwälzungen
verursachen und die Stadt selbst im höchsten Grade verunzieren würde.
Ungemein viel leichter würde derselbe Zweck zum groſsen Theil
erreicht werden, wenn
von allen Stationen der Stadtbahn nach Süden und Norden hin elektrische Hochbahnen gebaut würden, die, ohne den Straſsenverkehr zu
hemmen, die Stadtbahn mit allen Theilen Berlins in Verbindung bringen würde. Dann
wäre wirklich ganz Berlin durch sie aufgeschlossen.
Eine weitere sehr nützliche Anwendung der elektrischen Triebkraft
würde noch die sein, auf groſse Entfernungen hin kleine verdeckte Bahnen zu bauen,
die dasselbe für groſse Entfernungen thun sollen, was mit so groſsem Vortheil die
pneumatische Post im kleineren Rayon, also im Innern von Städten ausübt. Es ist
jetzt, wie die Herren vom Eisenbahnfache mir Alle bezeugen werden, eine groſse
Belastung für die Eisenbahnen, daſs sie oft nur des Post- und namentlich des
Briefverkehres wegen so häufig und schnell fahren müssen. Andererseits ist es für
den Briefverkehr, der doch immer die Basis allen Verkehres ist, wieder von der
gröſsten Bedeutung, möglichst schnelle Verbindungen zwischen allen Verkehrsplätzen
des In- und Auslandes zu haben. Die Rohrpost erfüllt dieses Bedürfniſs für kleine
Entfernungen, sie ist aber nur innerhalb sehr enger Grenzen anwendbar. Die
elektrische Beförderung soll hier eintreten, um einen schnellen Briefverkehr, wie
ihn die Rohrpost für kleine Entfernungen gewährt, auch für groſse Entfernungen zu
ermöglichen.
Eine solche elektrische Post ist in den Fig. 1 und
2 Taf. 34 in 1/15 n. Gr. schematisch dargestellt. Es ist
angenommen, daſs die kleine bedeckte Bahn auf dem Eisenbahndamme, von niedrigen
eisernen Säulen S getragen, fortgeführt ist. Sind
Wegübergänge oder Stationen zu überschreiten, so geschieht dies entweder durch
Senkung der Bahn in bedeckte Kanäle oder durch Steigung derselben bis zu der
nöthigen Höhe. Auf den Säulen sind etwa 0m,5 lange
Holzschwellen befestigt. Diese tragen die ebenfalls etwa 0m,5 hohen Blech träger b1, b2, die gleichzeitig die Seitenwände der eisernen
Bahnbedeckung bilden. Zwischen diesen Blechträgern sind in passender Entfernung von
einander leichte Holzschwellen durch Winkeleisen befestigt, auf denen die leichten
Schienen a1, a2 gelagert sind. Von
diesen Schienen ist die eine häufig mit den Blechträgern, die oben mittels einer
stückweise abnehmbaren Blechdecke d verbunden sind, die
andere mit sämmtlichen eisernen Säulen leitend verbunden. Auf den Schienen laufen
kleine vierrädrige Wagen mit etwa 3cm hohen
Rädern, deren Achsen aus zwei von einander isolirten Theilen bestehen. Die eine
Achse wird durch den rotirenden Cylinder einer kleinen v. Hefner'schen
Dynamomaschine gebildet; jeder Umdrehung dieses Cylinders entspricht daher eine
Umdrehung der Wagenräder. Wird nun eine stehende Strom erzeugende Dynamomaschine an
irgend einer Stelle der Bahn zwischen die beiden Schienen eingeschaltet, so bildet
die eine Schiene nebst der Bahnbedeckung die eine isolirte Leitung, während die Erde
mittels der eisernen Tragsäulen die Rückleitung bildet. Die leitende Verbindung der
Schienen mit den Umwindungsdrähten der Triebmaschine wird durch die Räder
hergestellt. Da der Widerstand bei einer Blechstärke der gleichzeitig als Bedeckung,
als Träger und als Leiter des elektrischen Stromes dienenden Blechhülle der Bahn von
3mm Blechstärke nur etwa 0,02
Quecksilber-Einheiten für 1km beträgt, so genügt
es, alle 20km eine stehende Dynamomaschine zur
Stromerzeugung aufzustellen. Da die Wagen, welche die Briefbehälter bilden, sehr leicht sind und ihre
Last ebenfalls nicht groſs ist, so werden ihre Achsen 800 bis 1000 Umdrehungen
machen können, sie also die Strecke mit Eisenbahngeschwindigkeit durchlaufen. Sind
die stehenden Dynamomaschinen wesentlich stärker wie die Triebmaschinen, so wird die
Geschwindigkeit eines Wagens sich nicht merklich vermindern, wenn mehrere Wagen
gleichzeitig auf der Bahn laufen. Es können also Briefwagen in kurzen Zeiträumen
nach einander abgelassen werden. Die Einrichtungen zum allmählichen Herabmindern der
Geschwindigkeit und zum schlieſslichen Anhalten der Wagen an der Empfangsstation
sind leicht herzustellen und werden hier übergangen.
Die Kosten einer solchen Anlage werden wesentlich von den
Eisenpreisen abhängen. Bei der augenblicklichen unnatürlichen Höhe derselben wird
man sie in der geplanten Gröſse kaum unter 18000 M. für 1km herstellen können.
Indem ich diesen Vorschlag der öffentlichen Kritik unterbreite,
will ich nur noch darauf aufmerksam machen, daſs solche elektrische Postanlagen
nicht an die Eisenbahnen gebunden sind, da einmal das Wesen der Dynamomaschine es
ermöglicht, auch groſse Steigungen ohne eine ihnen entsprechende Verminderung der
Geschwindigkeit zu überwinden, und da man das erforderliche Niveau der Bahn durch
die Höhe der tragenden Säulen herbeiführen kann, ohne eines geebneten Terrains zu
bedürfen. Die elektrische Post gestattet daher auch Orten, die keine
Eisenbahnverbindung haben, der Wohlthat des schnellen Briefverkehres theilhaftig zu
machen.
Wir kommen zur zweiten Einrichtung, d. i. die von mir vorgeschlagene elektrische Hochbahn; auf Taf. 32 Fig. 3 bis
6 ist eine solche in 1/75 n. Gr. dargestellt. Die Säulen S aus Schmiedeisen sind in etwa 10m Entfernung von einander an der Straſsenkante des
Trottoirs an der Stelle, wo die Straſsenlaternen-Pfosten zu stehen pflegen,
aufgestellt. Sie sind 4m,5 hoch, so daſs bei
Straſsenübergängen auch die höchst beladenen Wagen ungehindert unter den
Blechträgern T, welche die Schienen tragen, durchfahren
können. Diese Blechträger sind 40cm hoch und
lagern auf Schwellen H aus hartem Holze, die auf den
Säulen befestigt sind. Auf den eisernen Längsträgern ruhen die niedrigen Schienen
s. Ich übergehe hier die geplanten
Sicherheitsvorrichtungen gegen seitliche Schwankungen, Temperaturausdehnungen des
Eisens u. dgl., welche aus den Zeichnungen direct ersichtlich sind und vielfach abgeändert werden können. Von Wichtigkeit ist
aber, daſs die Längsträger mit den auf ihnen
lagernden Schienen in keiner metallischen Verbindung mit einander stehen. Das
Geleise ist 1m breit angenommen. Auf ihm bewegen
sich die in Fig. 7 und
8 in gröſserem Maſsstabe gezeichneten Personenwagen, die möglichst leicht
für 15 Personen construirt sind. Bei diesen will ich nur hervorheben, daſs jedes Rad
besonders gelagert ist, und daſs die Achsenlager der Räder jeder Seite in leitender
Verbindung mit einander stehen. Die beiden Triebräder R
sind mit Riemenscheiben r versehen und erhalten durch
diese ihre Triebkraft von der Dynamomaschine, welche unter dem Boden des Wagens angebracht ist. Die
Riemen können vom Innern des Wagens aus nachgespannt werden. Die Polenden des
Umwindungsdrahtes der treibenden Dynamomaschine stehen mit den Strom leitenden
Längsträgern und Schienen durch die Räder der rechten und linken Seite des Wagens in
leitender Verbindung. Der elektrische Leitungswiderstand der Träger und Schienen ist
etwa 1/90 Einheit
für 1km und es wird daher nur eine stehende
Maschine für eine ganz Berlin durchlaufende elektrische Hochbahn erforderlich sein.
Es sind treibende Marinen angenommen, die mit 5e
arbeiten und dem Wagen eine Geschwindigkeit von 30 bis 40km geben. Die Bremsung geschieht durch
Stromunterbrechung; gewöhnliche Bremsung kann aber auch durch Kurzschluſs der
Maschine des Wagens in sehr kurzer Zeit geschehen. Obschon man in Amerika die
früheren Sicherheitseinrichtungen gegen Entgleisungen der Hochbahnwagen als unnöthig
fortgelassen hat, ist hier doch eine Fangeinrichtung G
projectirt, welche auch bei eintretender Entgleisung das Herabfallen des Wagens von
den Trägern T unmöglich macht. Es sind dies starke
eiserne Fangarme, welche die obere Flansche der Träger umfassen.
Der Preis einer solchen Hochbahn hängt ebenfalls wesentlich vom
Eisenpreise ab. Obschon die Anlagekosten aber auch hoch sind (etwa 150000 M. für
1km), so macht doch schon ein Verkehr von 5
Personen im Wagen bei 12 Wagen in der Stunde die Anlage rentabel – eine Folge der
äuſserst geringen Betriebskosten des elektrischen Betriebes. Ich übergehe die
Einrichtungen der Perrons, der Kreuzungen u.s.w. und will nur noch bemerken, daſs
bei der beschriebenen Einrichtung ebenso wie bei der elektrischen Post mehrere Wagen
gleichzeitig auf dem Geleise sich bewegen können, ohne daſs die Geschwindigkeit
dadurch wesentlich vermindert wird.
Wenn auch nicht zu verkennen ist, daſs derartige die Straſsen
durchlaufende Hochbahnen für die Bewohner der Straſsen, durch die sie gehen, manches
Unangenehme mit sich führen, so werden diese Unannehmlichkeiten doch durch die
Wohlthat des schnellen, die Straſse entlastenden Verkehres auch für sie reichlich
aufgewogen. Die Construction der Bahn selbst kann bei unbedingter Sicherheit doch so
leicht und zierlich ausgeführt werden, daſs von einer Verunstaltung der Straſse
durch sie kaum die Rede sein kann. Die elektrisch betriebenen Wagen werden so
schnell und geräuschlos, ohne jede andere unangenehme Erscheinungen, wie die
Anwendung der Dampflocomotive sie mit sich bringt, über dem Verkehrsgewirre der
Straſsen dahin eilen, daſs man sie bald kaum noch beachten wird. Da man der
elektrischen Bahn nicht viele Haltestellen geben wird, so werden diese die
natürlichen Ausgangs- und Knotenpunkte für Pferdebahn- und Omnibuslinien bilden,
diesen aber die unrentablen langen Touren abnehmen. Mit ihrer Hilfe und unter
Vermittelung der Stadtbahn würde dann ganz Berlin ein rationelles, schnelles, die
Straſsen entlastendes Verkehrssystem erhalten, wie keine andere Groſsstadt es
aufzuweisen hätte.
Schlieſslich habe ich noch die Anwendung des elektrischen Stromes der Dynamomaschine
als Hilfsbetriebkraft für Locomotivbahnen zu erörtern.
Eine solche Einrichtung, die sich mannigfach modificiren läſst, ist in den
beigegebenen Textabbildungen in 1/100 n. Gr. schematisch dargestellt.
In der Mitte zwischen den Schienen, oder besser dicht neben dem Geleise, sind
gabelförmige Stützen s aus Hartglas oder gut mit
Firniſs getränktem Holze
aufgestellt, die ein kupfernes starkes Leitungsseil, welches an den Enden federnd
gespannt ist, tragen.
Textabbildung Bd. 236, S. 391
Die Wagen, welche mit treibenden Dynamomaschinen M in ähnlicher Weise, wie bei den elektrischen
Hochbahnen beschrieben ist, versehen sind, tragen ein System von Rollen r, welche in ähnlicher Weise wie bei der
Seilschleppschiffahrt das Leitungsseil S aus seinen
Gabelstützen aufnehmen und es nach dem Passiren des Wagens wieder in dieselben
niederlegen. Die Rollen, deren Zahl sich nach Bedarf vermehren läſst, bilden die
leitende Verbindung zwischen dem Seil und der treibenden elektrischen Maschine, die
unter dem Wagen angebracht werden kann und welche durch Riemenbetrieb oder auf
andere Weise eine Achse des Wagens dreht Die Rückleitung geschieht mittels des
eisernen Gestelles des Wagens und der Räder R durch die
Bahnschienen, wenn man es nicht vorzieht, zwei Leitungsseile anzuwenden und nur
diese zur Stromleitung zu benutzen. Eine starke stehende Dynamomaschine, die
zwischen dem Kupferdrahtseile und den Schienen oder zwischen den beiden Drahtseilen
eingeschaltet ist, gestattet dann, eine beliebige Zahl von Achsen des Zuges mit
Triebkraft zu versehen. Anstatt des Drahtseiles kann man auch eine feste Leitschiene
neben oder auch über der Bahn durch Hartglas oder Holz, isolirt vom Erdboden,
anbringen und den Contact derselben mit den treibenden Dynamomaschinen durch einen
auf der Leitungsschiene laufenden Contactwagen herstellen, der vom Zuge durch ein
leitendes Seil nachgezogen wird. Sollen die Dynamomaschinen zur Bremsung beim
Niedergang des Zuges dienen, so brauchen die Polenden der Umwindungsdrähte nur durch
einen Metallstreifen in directe leitende Verbindung mit einander gebracht werden.
Sie treten dann als Strom erzeugende Dynamomaschinen auf und erhitzen den durch
Wasser gekühlten
Metallstreifen. Die vom niederrollenden Zuge geleistete Arbeit wird dann zur
Dampfentwickelung verbraucht.
Bei Gebirgsbahnen mit häufig wechselnden Steigungen würde der nöthige Aufenthalt zum
Aus- und Einlegen des Drahtseiles u.s.w. unbequem sein. Man kann dann auch den
Dampferzeuger und Motor, sowie die Strom erzeugende Dynamomaschine auf einem
besonderen Wagen mitführen, oder sie mit der Locomotive verbinden. Es kann dann eine
beliebige Anzahl von Wagen mit Triebmaschinen versehen werden, die durch
Leitungsseile mit der Strom erzeugenden Dynamomaschine verbunden sind und durch sie
getrieben werden.