Titel: | Anwendung der Expansion bei Fördermaschinen. |
Autor: | Gustav Schmidt. |
Fundstelle: | Band 236, Jahrgang 1880, S. 436 |
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Anwendung der Expansion bei
Fördermaschinen.
Mit Abbildungen.
Ledoux und G. Schmidt, über Expansion bei
Fördermaschinen.
Wir entnehmen einer Abhandlung von LedouxMemoire sur l'emploi de la détente dans les machines
d'extraction in den Annales des Mines,
1879 Bd. 16 S. 321. folgende Notizen.
„Man berechnet gewöhnlich die Dimensionen einer Zwillings-Fördermaschine in der
Weise, daſs sie im Stande sei, die volle Schale anzuheben, ohne Zuhilfenahme des Gegengewichtes der leeren
Schale und bei der ungünstigsten Kolbenstellung.“
Bezeichnet nach Ledoux:
Q die Nutzlast,
Q' die todte angehängte Last
(Schale und Wagen),
P das Seilgewicht für 1m,
H die Schachttiefe,
r den kleinsten,
R den gröſsten Aufwickelungsradius
der Bobine,
p die absolute Spannung des
Admissionsdampfes,
p1 die Gegenspannung vor dem Kolben, ausgedrückt in k für 1qc,
d den Durchmesser der Cylinder in
Centimeter,
L den Kolbenhub in Meter,
K einen Reductionscoefficienten,
der sämmtlichen Widerständen an Maschine und gangbarem Zeug Rechnung trägt,
so ist:
K\,(p-p')\,\frac{\pi\,d^2}{4}\
\frac{L}{2}\,>\,(Q+Q'+P\,H)\,r . . . . (1)
die Bedingung für das Anheben mit Beschleunigung. In vollem
Gang hat sich das Verhältniſs der Nutzleistung QH zur
indicirten Leistung an verschiedenen Orten mit 69, 70, 72, 74, 77 bis höchstens 78
Proc. ergeben, weshalb für den langsamen Anhub K= 0,8
gesetzt wird. Für p-p'=4 folgt also:
d^2\,L\,>\,0,8\,(Q+Q'+P\,H)\,r
.
Aus 13 angeführten Beispielen ist ersichtlich, daſs 6 Mal dieser Bedingung
entsprochen ist, 7 Mal nicht, „wahrscheinlich, weil sie für geringere
Schachttiefen berechnet sind als jene, welche die Schächte erreichten“.
Der Berichterstatter muſs dagegen bemerken, daſs in Escarpelle:
d^2\,L=7841, dagegen
0,8(Q+Q'+P\,H)\,r=12331 ist, also d2L nur = 63 Procent des angeblich
nöthigen Minimalwerthes, woraus zweifellos hervorgeht, daſs daselbst das Anheben
keineswegs ohne Zuhilfenahme des Gegengewichtes von Schale und Wagen in der anderen
Förderabtheilung erfolgen könne. Daselbst ist nämlich Q=1800,\
Q'=1600+880=2480,\ H=346,\ P=7 (Aloë), P\,H=2422.
Läſst man Q' auſser Rechnung, so folgt
d^2L\,>\,7768 und dieser Bedingung ist eben erst knapp
entsprochen.
Dieser Umstand hat den Berichterstatter veranlaſst, zu controliren, ob der Ledoux'sche Coefficient K
= 0,8 sich auch für Zwillingsmaschinen mit Rädertransmission bewährt, wie
deren viele in Przibram zu treffen sind. Die Berechnung für 6 Przibramer Maschinen
hat ergeben, daſs der Coeffieient K = 0,8, bezieh. 1/K = 5/4 gut anwendbar
ist, daſs jedoch nur eine der 6 Maschinen in Folge der ungewöhnlich hohen
Kesselspannung von 8k im Stande wäre, das Anheben
der vollen Schale ohne Mithilfe der leeren Schale zu besorgen, und daſs selbst mit
Mithilfe der letzteren das Anheben schon bald an die Grenze der Möglichkeit kommt,
wenn die Schachttiefe bereits gröſser ist, als für die Maschine bestimmt war.
Wir führen deshalb die Verhältnisse dieser Maschine am Procopi-Schacht, wo die
Möglichkeit des Anhubes bereits an die Grenze gelangt ist, ausführlich an:
Kolbendurchmesser
265mm
Hub
S
=
635mm
Kesselspannung
7,5 k/qc
Kolbenstange zweiseitig
55mm
Kolbenfläche
551qc,55
Stangenfläche
23qc,75
Wirksame Kolbenfläche
O
=
527qc,80
Maximal-Tourenzahl
120
Maximal-Kolbengeschwindigkeit
2m,54
Durchmesser des kleinen Rades
2r1
=
1106mm
Durchmesser des groſsen Rades
2R1
=
3793mm
Zähnezahl
z
1
=
42
Zähnezahl
Z
1
=
144
Radbreite
β
=
211mm
Zahndicke
α
=
40mm
Querschnitt des Eisenzahnes
aβ
=
84qc,4
Verhältniſs
\frac{z_1}{Z_1}=\frac{r_1}{R_1}
=
0,2916
Maximal-Tourenzahl des cylindrischen Korbes
35
Korbdurehmesser
D
=
3161mm
Korbumfang
9m,930
Maximal-Seilgeschwindigkeit
V
=
5m,793
Nutzlast
Q
=
900k
Nutzpferdestärke
N=\frac{Q\,V}{75}
=
69
Schachttiefe
H
=
788m,5
Seilgewicht für 1m
P
=
1k,46
PH =
1151
Q0
= 1,25 (Q + PH) =
2564.
Die todte Last der Schale = 450k und des Wagens =
300k, zusammen Q'=750^k, haben wir also
ausgelassen. Mit Einrechnung derselben wäre 1,25\ (Q+Q'+PH)=3501,
um 36 Procent gröſser, als vorstehend gerechnet.
Es folgt weiter das Verhältniſs:
\frac{D}{S}=4,978,\ \frac{r_1}{R_1}\ \frac{D}{S}=1,452,\
\frac{Q_0}{O}=4,858.
p-p'=\frac{Q_0}{O}\ \frac{D}{S}\
\frac{r_1}{R_1}=7,054.
Dagegen ist der Ueberdruck im Kessel = 7,5k/qc, folglich nur
um 0k,45 gröſser, als der Ueberdruck im Cylinder
sein muſs, um den Anhub unter Mitwirkung der leeren
Schale zu bewerkstelligen.
Bei vier anderen in gleicher Weise untersuchten Maschinen beträgt dieser Unterschied
1,3 bis 3k,5 statt 0k,45 und bei einer eincylindrigen Maschine
mit Vorgelege, bei welcher in der günstigsten Kurbelstellung
p-p'=2^k,232 sein müſste, ergibt sich für den Kurbelwinkel
von 300 bei dem Anhub p-p'=4,464 gegenüber 5k,5 Kesselüberdruck.
Es sei noch bemerkt, daſs für die Maschine am Procopi-Schacht der Zahndruck
Z=Q_0\,\frac{D}{2\ R_1}=2137^k beträgt, somit die specifische
Anspruchnahme der eisernen Zähne des Getriebes
\sigma=\frac{9\,Z}{\alpha\,\beta}=228^k für 1qc.
Dies ist wegen der schon zu weit vorgerückten Schachttiefe bereits mehr als der
Normalwerth von σ = 200k/qc, der bei Fördermaschinen für die gröſste
Schachttiefe in Rechnung gezogen werden soll. Die Maschine wird deshalb und wegen
des Anhubes nur noch bis 800m Teufe dienen und für
die Fortsetzung auf 1100m Teufe durch eine neue
Maschine ersetzt werden. Alle Przibramer Maschinen arbeiten mit Coulissen und
Excenter mit Voreilungswinkel.
Ledoux will aber seinen Ansatz
d^2\,L\,>\,0,8\,(Q+Q'+P\,H)\,r nur für
Zwillingsmaschinen ohne Ueberdeckung und ohne Voreilen der Schieber gelten lassen
und setzt für Maschinen mit Ueberdeckung und Voreilen sogar
d^2\,L\,>\,1,2\,(Q+Q'+P\,H)\,r. Dies entspräche der
Annahme \frac{1}{K}=\frac{5}{4}\,\times\,\frac{3}{2}=1,875,
welche entschieden viel zu hoch gegriffen ist.
A. a. O. Seite 350 sagt Ledoux:
„Fast in allen Diagrammen von Fördermaschinen, die ich in Händen hatte, erhebt
sich die Expansionscurve immer über die Mariotte'sche Linie. Diese Thatsache
beweist, daſs die Condensation (und Wiederverdampfung) im Innern der Cylinder
bei den groſsen Fördermaschinen beträchtlich ist, und daſs man dieselbe nicht
vernachlässigen kann, ohne in der Schätzung des Dampfverbrauches sehr bedeutende
Irrthümer zu begehen. Dagegen ist der Fehler in Berechnung der Arbeit unter
Annahme der hyperbolischen Linie nur gering.“ – Dies ist eine bereits
allgemein und für alle Dampfmaschinen anerkannte Wahrheit.
A. a. O. S. 359 wird über zwei Fördermaschinen mit Coulissen berichtet, welche im
September 1875 bei Schachttiefen von 105 und 185m
zusammen täglich 1781t auf 100m Höhe gehoben und
5613k Kohle mit 6 facher Verdampfung
verbraucht haben. Dies gibt 33678k Speisewasser,
also für 1t auf 100m Höhe 18k,96, während aus dem Diagramme
berechnet der Dampfverbrauch für 1t auf 100m Höhe nur 26349 : 1781 = 14k,80 wäre. Die Verluste betragen also 4k,16 oder 28 Procent der indicirten
Dampfmenge.
Gegenüber anderen Dampfmaschinen, welche mit starker Expansion arbeiten, und bei
welchen der Dampfverlust durch Condensation an den Cylinderwandungen 50 Procent der
indicirten Menge und oft noch viel mehr beträgt, ist jener Verlust bei
Fördermaschinen wesentlich geringer, da sie nahe mit voller Füllung arbeiten.
Betreffend den durch variable Expansion erzielbaren
Vortheil führen wir die Tabelle von S. 399 an, welcher die Annahme 10
stündiger Förderung und 6facher Verdampfung zu Grunde liegt:
Verbrauch für1t auf 100m
Verbrauchin 24 Stunden
Heizfläche
Dampf
Kohle
Dampf
Kohle
Total
Für stündl.100mt
Maschine mit Schiebern ohne Ueber- deckung
und ohne Voreilen, also 100% Füllung
k54,65
k9,1
k109300
k18200
qm448
qm2,24
Maschine mit 70 bis 80% Füllung
31,96
5,3
63900
10600
262
1,31
Maschinemit
variablerFüllung
mit Schiebersteuerungmit
Sulzer'scher Ventilsteuerung
22,2018,79
3,73,1
44400 37580
7409 6200
182151
0,910,77
Diese Tabelle steht jedoch sehr in Widerspruch mit den früher angeführten Resultaten
gewöhnlicher Maschinen mit Coulissensteuerung und auch mit den Angaben S. 392 über
die Sulzer-Maschine in Damprémy (Belgien) mit zwei Cylindern von 1m Durchmesser und 1m,8 Hub, für 800m Schachttiefe, mit
Aloeseilen von abnehmendem Querschnitt mit 35mm
mittlerer Dicke, Nutzlast Q = 2500k, todtes Gewicht Q'
= 3400k, Seilgewicht PH = 7400k, Aufwickelungsradien r =s 1,80, R = 3,49,
Tourenzahl 47 in 65 Secunden Erhebungszeit.
Die enorme Fördergeschwindigkeit von 12m in der
Secunde wird mittels eines hydraulischen Regulators nahezu constant erhalten.
Nachstehend folgen die Diagramme dieser Maschine bei der 2., 22. und 42. Umdrehung.
Die Admissionsspannung variirt von 5k,08 bei der
ersten Umdrehung bis herab auf 4k,22 bei der 42.,
von wo an bis Ende gedrosselt wird. In der Admissionsperiode findet bei der zweiten
Umdrehung ein Spannungsabfall um 0k,8 statt, der
allmählich sinkt und bei der 20. Umdrehung unmerklich ward. Die Füllung variirt von
0,825 bei der ersten
auf 0,137 bei der 42. Umdrehung, die mittlere Hinterdampfspannung variirt dabei von
p'' = 4,91 bis 1k,83, die mittlere Vorderdampfspannung von p' =
1,60 bis 1k,09, die indicirte Spannung von p' = 3,31 bis 0,74 k/qc.
Textabbildung Bd. 236, S. 440
2. Umdrehung.; 22. Umdrehung.; 42.
Umdrehung.
Mit dieser Maschine wurden vergleichende Versuche gemacht mit
Anwendung der variablen Expansion und mit Unterdrückung derselben unter Anwendung
unveränderlicher Absperrung bei 0,73 des Kolbenlaufes. Diese ergaben (nach S.
392):
MitvariablerExpansion
MitfixerExpansion
Mittlere Admissionsspannung
4,44
2,90
p''
2,235
2,503
p'
1,154
1,324
p' = p''
– p'
1,081
1,179
Indicirte Arbeit
2810513
3065340
Nutzarbeit 2700 × 800
2160000
2160000
Verhältniſs der Nutzarbeit am Seil zur indicirten
Arbeit
76,8%
70,4%
Mittlere Dampfmenge für einen Kolbenhub, berechnet
aus 42 Diagrammen
k 0,663
k 1,381
Dampfverlust rechnungsgemäſs bestimmt
0,163
0,138
Gesammtverbrauch für den Hub
0,826
1,519
„ „ einen Aufzug
155,29
285,87
Verbrauch für 1t 100m hoch
7,19
13,23
Kohlenverbrauch für 100mt
(5 fache Verdampfungangenom.)
1,44
2,65
Hierzu muſs bemerkt werden, daſs weder der wahre Speisewasserverbrauch, noch der
wahre Kohlenverbrauch bekannt ist und beide Werthe wesentlich gröſser sein dürften,
als in dieser Aufstellung angegeben ist, weil die Dampf Verluste viel zu gering
geschätzt sind.
Die Unmöglichkeit des Resultates ist leicht nachzuweisen, denn nach der Angabe wäre
der Dampf verbrauch für 2810513mk indicirte Arbeit
= 155k,29, folglich für 1e indicirt und Stunde oder für 270000mk Arbeit nur 14,9, rund 15k bei der variablen und 25k bei der fixen Expansion, bezieh. also 3 oder
5k Kohle für 1e indicirt und Stunde, somit 3 : 0,768 = 3k,96 bezieh. 5 : 0,704 = 7k,10 Kohle
stündlich für 1e effectiv am Seil.
Die Resultate von Saarbrücken geben aber nach Riedler
bei 7 facher Verdampfung und guten Maschinen den Kohlenverbrauch = 20k für 1e
effectiv und Stunde und bei dem 1000m tiefen
Adalberti-Schacht in Przibram mit einer vorzüglichen Maschine mit variabler
Expansion beträgt der Kohlenverbrauch bei 5,7 facher Verdampfung und 1000k Ladung 5k,6
Kohle für le effectiv und Stunde, oder 2k,074
Kohle für 1t 100m hoch, welches Resultat aus genauen Messungen hervorgegangen ist. Nimmt man die Verluste
3 mal so hoch au, als sie oben geschätzt wurden, was der Wirklichkeit entsprechen
dürfte, so stellt sich der gesammte Dampfverbrauch für den Hub mit 1,152 statt
0,826, also um 40 Proc. gröſser heraus, womit der Kohlenverbrauch für 100mt mit 2k,016
statt 1k,44 folgt, immer noch etwas günstiger, als
das ganz ungewöhnliche ausgezeichnete Resultat vom Adalberti-Schacht.
Andererseits sind die in der Ledoux'schen Tabelle
angeführten Zahlen, welche für die Sulzer-Maschine den Kohlenverbrauch mit 3k,1 für 100mt
aufweisen, deshalb zu hoch, weil der Verfasser den Dampfverlust während des
14stündigen Stillstandes gar zu hoch in Rechnung bringt. Da derselbe aber von dem
oft sehr mangelhaften Schutz des Kessels und der Dampfleitung abhängig ist, so
können die Zahlen der Tabelle nicht unbedingt beanstandet werden und sind jedenfalls
für den Vergleich geeignet.
Der Verfasser verspricht eine Fortsetzung seiner Abhandlung, welche die Beschreibung
verschiedener Systeme variabler Expansion enthalten soll.
Gustav
Schmidt.