Titel: Neuerungen an rotirenden Dampfmaschinen; von Fürst A. S. Dolgorouky in St. Petersburg.
Autor: G. H.
Fundstelle: Band 236, Jahrgang 1880, S. 441
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Neuerungen an rotirenden Dampfmaschinen; von Fürst A. S. Dolgorouky in St. Petersburg. Mit Abbildungen auf Tafel 39. Dolgorouky's rotirende Dampfmaschine. Diese auf Taf. 39 dargestellte Maschine (* D. R. P. Kl. 14 Nr. 6870 vom 4. October 1878 und Zusatz Nr. 9066 vom 28. August 1879) ist eine Doppelmaschine mit vier Kolben von Kreissector förmigem Querschnitt, welche in einem durch eine verticale Scheidewand getheilten doppelcylindrigen Guſskörper in Umdrehung versetzt werden. Die Kolben sind mit ihren weit vorstehenden Naben auf die beiden durch Zahnräder gekuppelten Betriebswellen aufgekeilt und symmetrisch angeordnet, so daſs eine Berührung der Kolben unter sich nicht stattfinden kann. Die Betriebswellen erhalten ihre Lagerung einestheils in den Cylinderdeckeln, anderntheils in den an die verticale Scheidewand angegossenen Warzen des Cylinderkörpers. Deckel und Körper des Cylinders sind nicht direct mit einander verbunden, sondern fassen Hut ihren Flanschen je einen mit Kanälen versehenen Kasten (Schieberkasten) zwischen sich, in welchem die Vertheilungsschieber untergebracht sind. Die Einströmungs- und Ausströmungskanäle n und o laufen parallel zu den Betriebswellen an beiden Seiten des Cylinderkörpers hin und münden beide in die Schieberkästen. Auſserdem stehen die Kanäle noch mit den Einströmungs- und Ausströmungsrohren N bezieh. O in Verbindung. Die Maschine ist der besseren Uebersicht halber auſser in Ansicht, Längs- und Querschnitten (Fig. 1 bis 6 Taf. 39) noch in den wichtigsten Einzelheiten (Fig. 7 bis 13) wiedergegeben. Die Kolben (Fig. 12 und 13) sind mit ihrer an die Nabe angegossenen und gut abgedrehten Flansche in die senkrechte, nach auſsen den Kolbenraum des Cylinderkörpers abschlieſsende Wand des Schieberkastens eingepaſst. Diese Wand enthält die Oeffnungen n3, n5 und n6 (Fig. 4), von denen n3 und n6 für die Einströmung und n5 zur Ausströmung des Dampfes bestimmt sind. Die Kanäle n6 werden beim Vollgang der Maschine durch die Vertheilungsschieber überdeckt und dienen nur bei Expansionsarbeit, wie weiter unten gezeigt wird. Weiters sind noch die der Deckelseite zugekehrten Aushöhlungen n4 in der Wand enthalten, welche stets von den Vertheilungsschieberhöhlungen überdeckt sind und dem Abdampf aus n5 in der Richtung des Pfeiles den Ausweg in die Schieberkastenkammer D (Fig. 7 bis 9) vermitteln, um durch den Kanal o in die Atmosphäre zu gelangen. Die Kreissector förmigen Vertheiluagsschieber (Fig. 10 und 11) sind auf die Naben der Kolben lose aufgesetzt und werden durch die Stellplatten Q (Fig. 4), mittels Stift vom Hebel R an der Zugstange q angreifend, in einer bestimmten Stellung erhalten. Die Einrichtung ist so getroffen, daſs alle vier Schieber bei einer Drehung des Hebels R zugleich verstellt werden. Der Dampf gelangt durch das Rohr N zur Maschine, strömt in den Kanal n1 und tritt nach beiden Seiten durch die Oeffnungen n2 in die Schieberkästen. Von hier gelangt er – falls die Maschine mit Volldampf arbeitet, also der Hebel R nach R1 (Fig. 4) umgelegt ist, folglich die Schieber die Oeffnungen n3 frei gemacht haben – durch die Oeffnungen n3 in die cylindrischen Kammern A und wirkt auf die Kolben so lange, bis dieselben mit ihren Stirnflächen die Durchlässe n5 frei gemacht haben; sodann verläſst der Dampf die Kammern, strömt durch die Oeffnungen n5 unter den kastenförmigen Theil des Schiebers und gelangt durch die Höhlungen n4 in den Raum D, welcher, wie schon erwähnt, mit dem Ausströmrohr in Verbindung steht. Verfolgt man nun den Kolbenweg, so findet man, daſs alle vier Einlasse n3 nie zugleich geschlossen sind, sondern der Dampf beständig mit vollem Druck auf den einen oder den anderen Kolben wirkt; die Durchlässe n3 werden eben der Reihe nach geschlossen und wieder geöffnet. Soll mit Expansion gearbeitet werden, so steht der Hebel R entweder ganz oder mehr der Mittelstellung; es werden dann die Einlasse n3 durch die plattenförmigen Theile der Vertheilungsschieber verdeckt und n6 geöffnet. Zu diesem Zwecke ist die an der Kolbennabe befindliche Flansche mit einer eben so groſsen und gleich weit von der Achse abstehenden Oeffnung versehen, so daſs auf die Dauer des Uebereinandertreffens der Oeffnung in der Kolbenflansche und des Durchlasses n6 Einströmung stattfindet, auf dem übrigen Kolbenwege aber der Dampf durch seine Expansion wirkt. Es ist wohl kaum noch nöthig zu erwähnen, daſs die Maschine auch als Umsteuerungsmaschine arbeiten kann; es wird dann der Hebel R in die Lage R2 (Fig. 4) gebracht und die Durchlässe n5 und n3 vertauschen ihre Rollen. Damit die Kolben sich auch immer gut an die Schieberkastenwand anlegen und nicht etwa Dampfverluste eintreten, wird durch eine Nuth in der Nabe eines jeden Kolbens und durch eine kleine Oeffnung beständig Dampf in dem hohlen Kolbenraum erhalten, welcher in Folge der concentrischen Schlitze auf der entgegengesetzten Seite der Kolben diese gegen die Schieberkastenwand drückt. Die Maschine ist äuſserst compendiös zusammengestellt und die bewegten Massen sind gut ausbalancirt. Neuerdings wird die Maschine auch derart ausgeführt (vgl. Fig. 14 und 15), daſs sowohl die Umsteuerung, als die Veränderung der Expansion je durch einen eigenen Mechanismus geschehen kann. Es ist dann zum Zweck der Umsteuerung ein Vierweghahn auf die beiden Dampfrohrstutzen der Maschine aufgesetzt, dessen cylindrischer Hahnkörper mit schraubenförmig gewundenen und sich kreuzenden Rippen versehen ist, mittels welchen die Hahnkanäle y1 und y2 abwechselnd mit dem Einström- und Ausströmrohr in Verbindung gesetzt werden können. Behufs Veränderung der Expansion ist anstatt der beiden kastenförmigen Vertheilungsschieber ein Kreuz ähnlicher Drehschieber an der Seite des mittleren Körpers der Maschine angeordnet, welcher durch einen Hebel R so gestellt werden kann, daſs bei Expansionsarbeit der Dampf, wie bei der ursprünglichen Construction, durch den Kanal n1 unter die Deckel C tritt und durch die Oeffnungen n6, so lange dieselben nicht durch die segmentförmigen Stirnwände der Kolben verdeckt sind, in den Kolbenraum gelangt, bei voller Füllung aber durch eine Verdrehung den Kanal n1 verschlieſst und dem Dampf durch die Oeffnungen u in der Cylinderwand ununterbrochenen Eintritt in den Kolbenraum gestattet. Letztere Construction der Maschine ermöglicht, dieselbe sowohl mit Volldampf, als auch mit Expansion bei Vorwärts- und Rückwärtsgang arbeiten zu lassen. G. H.

Tafeln

Tafel Tafel 39
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