Titel: | Thurston's Untersuchungen über die Festigkeit und Elasticität der Constructionsmaterialien. |
Autor: | Müller-Melchiors |
Fundstelle: | Band 237, Jahrgang 1880, S. 10 |
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Thurston's Untersuchungen über die Festigkeit und Elasticität der
Constructionsmaterialien.
Thurston, über die Festigkeit der
Constructionsmaterialien.
Die interessanten Arbeiten des Verfassers auf diesem Gebiete, welche im Jahrgang 1875
dieses Journals ausführlich veröffentlicht wurden, haben allseitiges Interesse,
vielfache Anerkennung und selbstverständlich auch mehrfachen Widerspruch
gefunden.
Thurston gelangte zu seinen Resultaten mittels einer von
ihm construirten selbstregistrirenden Festigkeitsmaschine, worin jedoch die
Probestücke nicht auf Zug, sondern auf Torsion beansprucht waren. So einfach und
handlich durch diese Gestaltung der ganze Apparat wird, so bringt er doch
andererseits den Uebelstand, daſs die damit gefundenen Resultate der
Torsionsfestigkeit nicht allgemein verwendbar sind, sondern behufs praktischer
Anwendung auf die „absolute Festigkeit“ reducirt werden müssen.
Thurston glaubte nun damals diese Reduction, sobald nur
die Abmessungen aller Probestücke gleich waren, durch einen constanten Coefficienten
bewirken zu können, welchen er experimentell ein für alle Mal ermittelte (vgl. 1875
216 100 erster Absatz) und demgemäſs in seine
Diagramme neben das direct gemessene Drehungsmoment ohne weiteres das nach diesem
Coefficienten gefundene Resultat als die äquivalente Zugbelastung einsetzte: so z.B.
auf Tafel B Bd. 216 400 Fuſspfund Verdrehungsmoment
(Colonne rechts) = 120 000 Pfd. auf 1 Quadratzoll engl. = 84k auf 1qmm
(Colonne links) u.s.f.
Merkwürdiger Weise wurde diese eigenthümliche Reductionsmethode, welche doch die
eigentliche Basis der praktischen Verwendbarkeit der Thurston'schen Maschine ist, so viel uns bekanntIn dem Berichte von Joh. Spacil über die
Materialprüfungsmaschinen auf der Weltausstellung in Philadelphia 1876 wird
allerdings darauf hingewiesen, wie bedenklich die Uebertragung der bei einer Beanspruchungsweise gewonnenen Resultate
auf eine andere Form der Inanspruchnahme sei, und speciell gezeigt, wie die
Berechnung des Elasticitätsmoduls aus den Thurston'schen Diagrammen zu ganz falschen Zahlen
führt. von keinem seiner Gegner angegriffen, bis jetzt Thurston selbst mit dem – jedenfalls schwer verwundenen
– Geständniſs auftritt, daſs ein constanter
Reductionsfactor zum Umwandeln der Torsionsbeanspruchung in
Zugbeanspruchung, selbst bei gleichbleibenden Abmessungen der Probestäbe, nicht besteht.
In einer ausführlichen Abhandlung (als Sonderabzug aus den Transactions of the American Society of Civil Engineers, 1878) wird nach
Thurston's neuesten Untersuchungen zunächst
festgestellt, daſs der Reductionscoefficient abhängig ist von dem Verdrehungswinkel
und daſs derselbe beispielsweise für Schmiedeisen nicht, wie in letzterer Zeit von
Thurston angenommen worden war, mit 250 (d.h. 100
Fuſspfund Verdrehungsmoment = 25 000 Pfund Zugbelastung auf 1 Quadratzoll engl.)
bemessen werden darf, sondern für einen Verdrehungswinkel von α Grad den Werth 300 – ⅓ α
annimmt, also erst bei 150° Verdrehung die bisherige Constante erreicht.
Ferner ist aber auch die Constante dieser Gleichung nur für
ein bestimmtes Material gültig und im Uebrigen von Fall zu Fall
auszumitteln.
In der erwähnten Abhandlung gibt Thurston die Werthe 250
für Schmied eisen und weichen Stahl bei 150° Verdrehung, 280 für Werkzeugstahl bei
60° Verdrehung, was allerdings auf dieselbe Constante hinweist, seltsam genug aber
nicht weiter betont ist. Für Guſseisen wird einfach 200 – ohne Bezeichnung des
Winkels – angegeben. Halten wir dem entgegen, daſs in der s. Z. in diesem Journal
veröffentlichten Originaltabelle Thurston s für alle Metalle, die verschiedensten Stahl-, Eisen- und
Guſseisensorten, Kupfer, Zinn und Zink und für Verdrehungswinkel bis zu 360° der
Reductionscoefficient ganz allgemein mit 300 angenommen war, und berücksichtigen
ferner, was schon Professor Kick (1875 218 189) betonte, daſs auch die Elasticitätsbedingungen
des Materials mit der Thurston'schen Maschine nur
höchst unvollkommen erforscht werden können, so muſs nicht allein unverhohlen der
betreffenden Tabelle und den daraus gezogenen Folgerungen aller wissenschaftliche Werth, sondern auch
dem ganzen Verfahren, so bestechend es uns in seiner Einfachheit und bequemen
Handhabung erscheinen möge, alle praktische Bedeutung abgesprochen werden.
Müller-Melchiors.