Titel: | Ueber das Beschweren der Seide und Baumwolle. |
Fundstelle: | Band 237, Jahrgang 1880, S. 73 |
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Ueber das Beschweren der Seide und
Baumwolle.
Ueber das Beschweren der Seide und Baumwolle.
Schon wiederholt ist auf das Verwerfliche des Beschwerens von Seide (vgl. 1874 211 312. 1877 225 215. 1878
227 216) hingewiesen. Folgende, dem letzten
Jahresbericht der Handelskammer zu Crefeld entnommene Untersuchung von E. Königs gibt einen bemerkenswerthen Beitrag zu dieser
Frage. Königs hatte von der Handelskammer die Probe
eines schwarzen französischen Seidengewebes zur Untersuchung erhalten, welche einer
Sendung entstammte, die auf einem Bremer Dampfer sich selbst entzündet hatte.
Vorversuche zeigten zunächst, daſs durch auf einander folgende Behandlung von
beschwerter Seide mit kalter Natronlauge, kochender Oxalsäure, Auswaschen und
Trocknen keine übereinstimmenden Angaben über die Gröſse der Erschwerung erhalten
werden konnten. Auch die Menge der Asche stand in keinem bestimmten Verhältniſs zur
Gröſse der Beschwerung. Ungefärbte Rohseide gab 1,1 Proc., geschälte 0,77 Proc.
Asche, beschwerte Seide bis 14 Proc. Es wurde nun zunächst das Verhältniſs des
Aschengehaltes zu den verwendeten Verbindungen festgestellt.
Das namentlich bei der Beschwerung verwendete Kastanienextract, mit Eisenvitriol
gefällt, gab einen schwarzen Farbstoff, dessen beim Veraschen erhaltene Menge
Eisenoxyd zur Eisenverbindung ein Verhältniſs von 1 : 4,7 zeigte. Da in der
Souplefärberei als Oxydulsalz holzsaures Eisen verwendet wird, so wurde auch aus
diesem mit Kastanienextract ein schwarzer Farbstoff gefällt, mit einem Verhältniſs
des Eisenoxydes der Asche zur Eisenverbindung von 1 : 4,76. Die entsprechende
Verbindung aus Catechu und holzsaurem Eisen hatte ein Aschenverhältniſs von 1 :
5,55, die aus Zinnsalz mit Catechu 1:1,85 und mit Kastanienextract 1 : 2,22.
Essigsaures Eisenoxydul gab mit Galläpfelgerbsäure ein Aschenverhältniſs von 1 :
4,67 und mit Catechu 1 : 5,11.
Da in der Schwarzfärberei bei denjenigen Färbungsarten, welche nicht auf Erschwerung
hinzielen, vorwiegend Eisenoxydsalze Verwendung finden, so wurden auch mit diesen
entsprechende Verbindungen hergestellt. Essigsaures Eisenoxyd gab mit
Kastanienextract ein Aschenverhältniſs von 1 : 4,7 und mit Catechu 1 : 7,23. Ferner
gaben von den gebräuchlichen Cyanverbindungen Berlinerblau aus Oxydulsalz und
Ferrocyankalium nach Einwirkung der Luft ein Aschenverhältniſs von 1 : 1,53 und aus
Oxydul und Ferridcyankalium 1 : 1,48. Ferrocyanzinn zeigt ein Verhältniſs des
Zinnoxyds der Asche zur Verbindung von 1 : 1,49, das gleichzeitig vorhandene
Eisenoxyd der Asche zur Verbindung von 1 : 5,6.
Es wurden nun in der französischen Seidenprobe Feuchtigkeit, Fett und gummiartiger
Ueberzug der Kette wie gewöhnlich bestimmt. Das Berlinerblau wurde mit Alkali
ausgezogen, in angesäuerter Lösung wieder hergestellt, gut ausgewaschen, verascht
und daraus die Menge des Berlinerblau berechnet. Da der Schuſs souplirte Seide ist,
so wurden hier die für Oxydulsalze gefundenen Verhältnisse berechnet, bei der Kette
das für catechugerbsaures Eisen. Die Kette enthielt nun:
Feuchtigkeit
10,84 Proc.
Berlinerblau
7,40
Gummi
3,00
Fett
Spur
Catechugerbsaures Zinn
3,33
Asche
10,04
Von der Asche die gefundenen 1,8 Proc. Zinnoxyd, 4,9 Proc.
Eisenoxyd des Berlinerblaus und 0,4 Procent der Seide selbst abgezogen, bleiben 2,94
Proc. Eisenoxyd über, entsprechend 21,17 Proc. catechugerbsaures Eisen und nur 54,26
Proc. trockene Seide. Diese entsprechen unter Anrechnung der 10,84 Proc.
Feuchtigkeit (5,88 Proc.) 60,14 Procent degummirte Seide. Hierauf kommen obige 45,74
Proc. Erschwerung, oder abzüglich der Feuchtigkeit 39,86, somit 66,27 Proc. auf
degummirte Seide berechnet, oder auf Rohseide 52,35 Proc., d.h. 100 Rohseide geben
152,35 Gewebe.
Die Analyse des Schusses gab:
Ferrocyanzinn
0,70 Proc.
Berlinerblau
3,15
Feuchtigkeit
10,89
Fett
2,48
Asche
12,74
Von der Gesammtasche 0,47 Proc. Zinnoxyd, 2,10 Proc. Eisenoxyd
als Berlinerblau, 0,12 desgleichen als Ferrocyanzinn und 0,70 Proc. Asche der
Rohseide abgezogen, bleiben 9,35 Proc. Eisenoxyd, entsprechend 47,68 Proc.
gerbsaures Eisen, somit nur 35,10 Proc. trockene Rohseide. Diese entsprechen unter
Hinzurechnung von 3,82 Feuchtigkeit 38,92 normaler Seide, welche mit 64,9 weniger
3,82, also 61,08 oder 157 Proc. beschwert sind.
Die Kette zeigte die gewöhnliche Farbenart von Organsin mittels Anwendung von
Zinnsalz, Eisenbeize mit Oxydsalz, Berlinerblau, Catechu nebst einer leichten
Ueberfärbung von Blauholz und holzsaurem Eisenoxydul. Bemerkenswerth ist der dem
Faden Steifigkeit verleihende gummiartige Ueberzug. Die Erschwerung von 52,35 Proc.
entspricht der Farbeart. Der Schuſs ist souplirte Seide mit sehr hoher Beschwerung,
wie immer mit holzsaurem Eisenoxydul und Catechu oder Kastanienextract erzielt, dann
mit rothem Blutlaugensalz und wenig Zinnsalz behandelt und schlieſslich mäſsig
gefettet.
Verschiedene Versuche, Kette, Schuſs oder das Gewebe selbst durch Erwärmen auf 100
bis 200° zu entzünden, schlugen fehl; doch wurde bemerkt, daſs der Schuſs leicht
fortbrennt. Bekanntlich liegt nun bei beschwerter Seide der Farbstoff unregelmäſsig
auf und ist namentlich an solchen Stellen des Fadens dicker, welche Rauheiten
zeigen, so daſs sich durch Reibung ein Ueberschuſs an Farbe als Pulver ansammelt.
Eine solche Anhäufung kann nun Entzündungsherd für eine gröſsere Menge Seide werden
auch dann, wenn nur an einer Stelle sich leicht entzündlicher Farbstoff gesammelt
hat.
Schon bei den Voruntersuchungen der gerbsauren Eisenoxydulniederschläge hatte sich
gezeigt, daſs beim Trocknen derselben wenig über 100° Entzündung eintrat, daſs aber
die mit essigsaurem Eisenoxyd hergestellten und die Zinn Verbindungen sich nicht
entzünden lieſsen. Die aus Kastanienextract und holzsaurem Eisen oder essigsaurem
Eisenoxydul, Eisenvitriol u.s.w. gefällten Gerbstoffverbindungen, auf Papier gelegt
und mit einem in der Gasflamme erwärmten Aluminiumdraht berührt, entzündeten sich
sofort an dem Punkte der Berührung, ein lebhaftes Glimmen trat ein, das Pulver
verbrannte zu Eisenoxyd und das Papier ging in Flammen auf. Die mit Catechu und
holzsaurem Eisen (oder essigsaurem Eisenoxydul, Eisenvitriol u. dgl.) dargestellte
Eisengerbstoffverbindung zeigte dieselbe Erscheinung, ebenso die mit Blauholz oder
Galläpfelgerbsäure und Eisenoxydulsalz gewonnenen Körper. Nicht zu entzünden waren
auf diese Weise die aus Eisenoxydsalz der Essigsäure und Gerbstoff haltigen
Materialien dargestellten Substanzen, und ihre Veraschung war auch dann noch unvollständig, wenn sie vor dem
Gebläse auf einem Platindeckelchen zu heller Rothglut erhitzt wurden.
Zinnverbindungen waren ebenfalls mittels des erwärmten Drahtes nicht zu
entzünden.
Hieraus ergibt sich, daſs es aus Eisensalzen und Gerbstoffen dargestellte Körper
gibt, welche leichter entzündlich sind wie Schieſspulver und Zunder, und daſs diese
als Ausgangspunkt der Entzündung angesehen werden müssen, da sie in der
französischen Souplefärberei massenhaft verwendet werden. Dagegen sind die mit
essigsaurem Eisenoxyd gewonnenen Gerbstoffverbindungen sehr schwer zu verbrennen,
während die mit schwefelsaurem Eisenoxyd und Tannin erhaltene Verbindung sich bei
140° entzünden läſst. Würde es möglich sein, das holzsaure Eisen ganz durch
essigsaures Eisenoxyd zu ersetzen und durch leichte Ueberfärbung den alsdann
fehlenden blauschwarzen Thon herzustellen, so wäre die Gefahr leichter
Entzündlichkeit schwarz gefärbter Seide gänzlich beseitigt.
Zur Erläuterung der Gefährlichkeit einer derartigen Anhäufung der mit holzsaurem
Eisen gewonnenen schwarzen Farbe wurde noch folgender Versuch ausgeführt. Mit einer
geringen Menge dieser feuergefährlichen Eisengerbstoffverbindung wurde auf dem noch
vorhandenen Rest des zur Untersuchung gelangten Läppchens eine erbsengroſse Stelle
bedeckt, dann wurde dieses Farbepulver an einem Punkte mit dem erwärmten Draht
berührt. Es trat Erglühen ein, das sich bald auch auf die Seide ausdehnte, und, was
charakteristisch war, dem Schuſs entlang fortschritt, ohne sich auf die Kette
auszudehnen. Dieser vor den Augen der Handelskammer ausgeführte Versuch zeigte
auſserdem, daſs hinsichtlich des untersuchten Objectes die leichte Entzündlichkeit
nur in dem Schuſs, dem Souple, nicht in der Kette des Gewebes gesucht werden müsse.
Derartige Beschwerungen kommen aber nicht in Crefeld vor.
Daſs Baumwollgewebe namentlich in England hochgradig beschwert werden, ist bekannt
(vgl. 1875 217 497). Diesen Unfug behandeln nun
ausführlich zwei fast gleichzeitig erschienene Bücher: W.
Thomson: Sizing of Cotton Goods and the Causes and Prevention of Mildern
(Manchester 1879. John Heywood and Davis), ferner Dreyfus and Holland: Sizing and Mildew in Cotton Goods
(Manchester 1879. Palmer and Howe). Thomson vertheidigt
die Beschwerung und behauptet geradezu, daſs die Calico-Industrie von Lancashire
niemals eine so bedeutende Ausdehnung erreicht haben würde, wenn hier nicht in der
ausgiebigsten Weise beschwert würde. – Die Verfasser des anderen Buches bezeichnen
das Beschweren dagegen mit Recht als Unsitte und machen namentlich auf die Gefahr
aufmerksam, daſs die Stücke leicht durch Pilzbildungen verderben.