Titel: | Zur Festigkeit der Ketten. |
Autor: | J. P. |
Fundstelle: | Band 237, Jahrgang 1880, S. 161 |
Download: | XML |
Zur Festigkeit der Ketten.
Jenny, zur Festigkeit der Ketten.
Einem von Prof. Karl Jenny in der Fachgruppe der
Maschinen-Ingenieure des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereines in
Wien gehaltenen, im Auszuge in der Wochenschrift dieses Vereines, 1879* S. 202
veröffentlichten Vortrage: „Specielle Untersuchungen über die Festigkeit von älteren und den neuen nach
dem Verfahren von David und Damoizeau erzeugten Ketten ohne
Schweiſsstellen“ (vgl. 1878 228 * 296) entnehmen wir folgende
Mittheilungen.
Nach den vom Vortragenden allgemein entwickelten Grundsätzen ergibt sich zunächst für
die Beurtheilung der älteren Kettenarten mit ovalen Gliedern in den gefährlichen,
meist angestrengten Querschnitten die Gleichung:
¼ π d2
Smax = 3 Z,
wobei Z die halbe Zugkraft der Kette, d den Durchmesser des Ketteneisens und Smax die gröſste zulässige Maximalspannung
des Kettenmaterials bedeutet.
Für die Ketten von David und Damoizeau findet man in den gefährlichen Querschnitten:
¼ π d2
Smax = 2,84 Z,
bei derselben Bedeutung der hier vorhandenen Zeichen.
Diese Ausdrücke lassen erkennen, daſs bei den letzteren eine günstigere
Materialvertheilung vorhanden ist. Hierzu wird bemerkt, daſs bei englischen Ketten
mit ovalen Gliedern mitunter die Form und die Dimensiongebung so geschickt getroffen
ist, daſs die zwei gefährlichen Querschnitte in einem Kettenglied-Quadranten,
nämlich jener normal zur Zugrichtung und jener, wo die Berührung der Nachbarglieder
stattfindet, gleich stark in Anspruch genommen sind und diese Beanspruchung zu der
Formel führt:
¼ π d2
Smax = 2,58 Z,
also in der That noch günstiger ist, als bei den untersuchten
Ketten von David und Damoizeau.
Die Ergebnisse einer Reihe von Versuchen, deren specielle Zahlenwerthe für die
einzelnen untersuchten Ketten in einer unserer Quelle beigegebenen Tabelle
zusammengestellt erscheinen, waren folgende.
Im Allgemeinen folgen die elastischen Dehnungen bei gesunden Ketten dem bekannten
Dehnungsgesetze, d.h. die hier vorkommenden Deformationen sind den Belastungen der
Kette proportional. Nur bei stärkeren Belastungen haben die charakteristischen
Längendehnungen eher ein Bestreben zur Abnahme in Folge der gröſser werdenden
Auflagerflächen der benachbarten Glieder. Es zeigt sich stets eine deutlich
ausgesprochene Elasticitätsgrenze, die jedoch in der Regel, sowohl bei den Eisen als
auch Stahlketten sehr hoch liegt. Diese Erscheinung findet wohl ihre Erklärung
darin, daſs die Ketten gewöhnlich bei solider Herstellung schon vor ihrem Gebrauche
einer Probe unterzogen werden, bei welcher die Kette überangestrengt, also die
natürliche Elasticitätsgrenze des Kettenmaterials überschritten und daher diese
Grenze gehoben wurde. Eine einmalige solche Ueberanstrengung ist nach den bisherigen
Erfahrungen dem Materiale in Bezug auf seine Festigkeit nicht schädlich; eine
oftmalige Wiederholung so starker Belastung wäre aber gewiſs gefährlich.
Bemerkenswerth ist hierbei, daſs bei den untersuchten Ketten desselben Ursprunges,
also wahrscheinlich desselben Materials, bei geometrisch ähnlicher Form der
Kettenglieder, aber verschiedener Ketten-Eisendicke, die gröſste specifische
Verlängerung bis an die Elasticitätsgrenze eine ziemlich constant bleibende Gröſse
bildet. Es läſst dieses Verhältniſs im Vereine mit der Festigkeit an der
Elasticitätsgrenze eine Beurtheilung der Widerstandsfähigkeit der Kette gegen einen
plötzlichen Riſs oder Stoſs nicht zu heftiger Art, d.h. bis zu einer bezeichneten
Grenze zu.
Die Tragkraft der Ketten an der Bruchgrenze zeigt sich selbst bei neuen, noch mehr
bei gebrauchten Ketten sehr verschieden. Die verbliebenen Dehnungen nach dem Bruche
variiren so unregelmäſsig, daſs vor der Hand hieraus noch keine sicheren Schlüsse
gezogen werden können.
Was nun die speciellen Ergebnisse der angestellten Elasticitäts- und Festigkeitsuntersuchungen
anbelangt, so zeigen die österreichischen, aus den Werkstätten der
Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft zu Alt-Ofen stammenden neuen Kettenstücke aus
dortigem Walzeisen eine sehr gleichmäſsige Elasticitätsgrenze und eine gröſste
zulässige Dehnung der Kette von:
0,0022 bis 0,0023
auf die Längeneinheit, welche kaum um 0,0001 variirt. Selbst
die Festigkeiten an der Bruchgrenze weichen weniger grell von einander ab als in den
übrigen Fällen, was wohl auf eine gleichmäſsigere Beschaffenheit und bessere
Schweiſsung des verwendeten Materials schlieſsen läſst und auch das Bruchgefüge der
gebrochenen Glieder erkennen lieſs.
Wünschenswerth ist bei Ketten ein etwas körnigeres Material, ohne der Schweiſsbarkeit
Eintrag zu thun, um die Abnutzung und das zu starke Deformiren der Glieder möglichst
hintanzuhalten.
Geringere Ergebnisse weisen die hier erprobten englischen Kettenstücke aus,
wenigstens hinsichtlich der Gleichmäſsigkeit und Festigkeit an der Elasticitäts- und
Bruchgrenze. Sie zeigen aber eine gröſsere zulässige Längendehnung von:
0,00254 bis 0,00278,
woraus sich vielleicht auch auf eine geringere Anstrengung bei
der Probe dieser Kette schlieſsen läſst. Ihr hartes, körniges Material schützt vor
schneller Abnutzung und erhielt auch sogar nach dem Bruche die Kette in zwei Fällen
noch gelenkig, was bei den vorhergehenden neuen Ketten nicht der Fall war.
Die bereits gebrauchten und als schadhaft bezeichneten österreichischen Kettenstücke
zeigen dennoch nirgends eine noch mehr erhöhte Elasticitätsgrenze als die neuen
Ketten aus den Alt-Ofener Werken; wohl aber erwies sich die gröſste elastische
Dehnung als schon geringer, die Festigkeit an der Bruchgrenze bereits geschwächt und
wegen der vielen schon schadhaften Glieder noch viel ungleicher als bei den neuen
Ketten.
Die ausgeführten Versuche gestatten bei Zugrundelegung der obigen Sätze und Formen
der Glieder eine Zusammenfassung für die zulässige Zugkraft solcher Ketten bei
verschiedenem Durchmesser des Ketteneisens. Man findet, wenn dieser Durchmesser in
Millimeter ausgedrückt wird, die zulässige Zugkraft in Kilogramm:
2 Z = 5,236 d2,
oder, wenn aus der gegebenen Zugkraft die Dicke des
Ketteneisens berechnet werden soll:
d = 0,436√2Z,
wobei auf Grund der ausgeführten Versuche die gröſste Spannung
in den meist angestrengten Stellen der gefährlichen Querschnitte beträgt:
Smax
= 10k auf 1qmm.
Hieraus ergibt sich auch auf Grund der erhobenen Gewichte für die Längeneinheit die
für Ketten maſsgebende und charakteristische Gröſse der Traglänge L, d. i. derjenigen Länge der freihängenden Kette, bei
welcher durch das Eigengewicht derselben allein schon in den gefährlichen
Querschnitten des obersten Gliedes die Spannung Smax eintritt.
Es ist für die hier in Rede stehenden erprobten Eisenketten mit ovalen Gliedern:
L = 24 Smax in Meter.
Ein vorzügliches Verhalten zeigen die neuen belgischen Ketten ohne Schweiſsstellen,
aus härterem Bessemermaterial nach dem Verfahren von David und Damoizeau erzeugt. Die
Geschmeidigkeit ihrer sehr egalen, in Gesenken geschmiedeten Glieder und die daraus
folgende Gelenkigkeit der Kette erhielt sich weitaus über ihre sehr hoch liegende
Elasticitätsgrenze und in zwei Fällen sogar bis zur Bruchgrenze. Die gröſste
zulässige Verlängerung auf die Längeneinheit stieg bis auf:
0,00349
mit nur geringen Variationen. Bei der stärkeren der erprobten
Ketten mit 25mm dickem sogen. Ketteneisen (8/8 zöllig), war
die Elasticitätsgrenze bei einer Belastung von 14t
noch kaum überschritten und ihre Tragkraft an der Bruchgrenze erreichte in einem
Falle den beträchtlichen Werth von 44t. Weniger
gleichmäſsig zeigte
sich die Festigkeit bei den kleineren Kettenstücken mit dünnerem Ketten eisen (⅞
zöllig) von 22mm. Es zeigte sich bei dem einen
Stücke eine Bruchfestigkeit von 17t,0 bei dem
anderen eine Bruchfestigkeit von 21t,5.
Die ausgeführten Versuche und Bestimmungen gestatten auch hier wieder bei Festhaltung
der obigen mechanischen Grundsätze und der angegebenen Formen der Glieder eine
Zusammenfassung für die zulässige Zugkraft dieser neuen festen Ketten. Man findet,
wenn man den Durchmesser des Ketteneisens wieder in Millimeter ausdrückt, die
zulässige Zugkraft in Kilogramm:
2 Z = 10,09 d2,
und wenn diese Zugkraft gegeben oder von derselben ausgegangen
wird, die Dicke oder Stärke des Ketteneisens:
d = 0,300 √2Z,
wobei nach den Versuchen die gröſste Spannung in den
meistangestrengten oder gefährlichen Querschnitten mit:
Smax
= 20k auf 1qmm
in Rechnung genommen wurde.
Die Traglänge ergibt sich nach den ausgeführten Untersuchungen und
Gewichtsbestimmungen für diese eingesendeten Kettenarten:
L = 23 Smax,
also nahezu doppelt so groſs als bei den Eisenketten.
J. P.