Titel: | Ueber Dampfverbrauch der Reversir-Walzwerksmaschinen; von J. Kraft, Chef-Ingenieur in Seraing. |
Autor: | Gustav Schmidt |
Fundstelle: | Band 237, Jahrgang 1880, S. 173 |
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Ueber Dampfverbrauch der
Reversir-Walzwerksmaschinen; von J.
Kraft, Chef-Ingenieur in Seraing.
J. Kraft, über Dampfverbrauch der
Reversir-Walzwerksmaschinen.
Bei dem Anlassen einer Reversirmaschine findet immer ein Dampfverbrauch ohne Arbeit
statt. Wenn die Kurbel der einen Maschine noch nicht ganz in die todte Lage gekommen
ist, so macht es einen wesentlichen Unterschied, ob der Schieber schon abgesperrt
hat oder nicht, wenn man umgesteuert hat und Dampf gibt. Im zweiten Falle füllt sich
der Cylinder noch mit Dampf, der gleich darauf auspufft. Im ersten Falle wird diese
überflüssige Füllung erspart. Da die andere Kurbel in der Mittellage steht, so
benöthigt man also zur Füllung der beiden Cylinder vom Volumen V entweder 1,5 V oder nur
0,5 V, im Mittel V.
Bei 3 Cylindern vom Volumen V' = ⅔ V benöthigt man in gleicher Weise, wenn eine Kurbel
nahe der todten Lage steht, entweder 2 V' oder nur V', im Mittel 1,5 V' = V;
also ist in dieser Hinsicht die 3 cylindrige Maschine der 2 cylindrigen gleich.
Ist ferner nach Kraft's Bezeichnung:
l die anfängliche Länge des
Walzstückes (Ingot),
L die schlieſsliche Länge
desselben,
m die Zahl der Durchgänge,
c der Umfang der Walzen,
T die theoretische Anzahl der
nothwendigen Umdrehungen der Walzen behufs Verlängerung von l auf L,
r die Uebersetzungszahl des
Räderwerkes derart, daſs bei einer Umdrehung der Walzen die Maschine r Umdrehungen macht, somit 4r Cylinderfüllungen stattfinden,
so ist die theoretische Zahl der Cylinderfüllungen N = 4 r T.
Die mittlere Zunahme der Länge für einen Durchgang ist (L – l) : m,
folglich die Länge nach dem xten Durchgang
=l+x\left(\frac{L-l}{m}\right), wozu die erforderliche Anzahl
von Walzenumdrehungen:
n_x=\frac{1}{c}\left[l+x\left(\frac{L-l}{m}\right)\right].
Daher die gesammte Tourenzahl der Walzen:
T=\small\sum\nolimits_{1}^m\,(n_x)=\frac{1}{c}\left[m\,l+\frac{L-l}{m}(1+m)\frac{m}{2}\right]=\frac{1}{2\,c}\left[L\,(m+1)+l\,(m-1)\right]
N=\frac{2\,r}{c}\left[L\,(m+1)+l\,(m-1)\right].
Das Stahlschienenwalzwerk in Seraing erzeugt täglich in 12 stündiger Schicht 400
Stück Schienen zu 9m Länge von 342k Gewicht, zusammen 136t. Es werden Doppelschienen gewalzt, wofür die
endliche Länge von 19m,6 erforderlich ist. Die
erste Maschine für die Vorwalzen besitzt Rädervorgelege mit r = 2, die Walzen haben d = 0m,864 Durchmesser, also c = 2m,714, der Stahlblock besitzt l = 1m,15 Länge und
quadratischen Querschnitt, dessen Seitenlänge von 345 auf 300mm abnimmt, und hat 765k Gewicht. Derselbe wird in 5 Kalibern in zusammen
m = 11 Durchgängen auf L = 2m,70 Länge und 196mm im Quadrat ausgewalzt, wobei also das Volumen
im Verhältniſs 12 : 10,4 oder nahe 1 : 0,9 abnimmt, was sich durch Zusammendrücken
der Hohlräume und unregelmäſsige Enden erklärt.
Nach obiger Formel ergibt sich für N = 64,7 Füllungen 5
hierzu 11 × 1,5 = 16,5 Füllungen beim Anlassen, folgt zusammen das benöthigte
Dampfvolumen = 81,2 V. Jeder Dampfcylinder hat 0m,813 Durchmesser, 1m,20 Hub, 0cbm,6229 Volumen, wovon 0,7
Füllungsraum und 0,1 schädlicher Raum zu erfüllen sind, zusammen 0,8 × 0,6229 = 0cbm,4983. Bei 3at,5 Kesselüberdruck kann der Cylinderdampf mit 4at absoluter Spannung, also y = 2k,1072
specifischem Gewichte angenommen werden; dies gibt Gewicht für eine Cylinderfüllung
= 0,4983 × 2,1072 = 1k,05, folglich Dampfmenge M = 81,2 × 1,05 =
85k,3.
Die zweite Maschine für die Entwicklungswalzen und Vollendwalzen hat kein Vorgelege
und es ist für dieselbe: l = 2,70, L = 19,6, m = 13, r = 1, c = 1,916 (d = 0m,61), womit
folgt N = 320; hierzu 13 × 1,5 = 19,5, gibt zusammen
339,5 Füllungen. Jeder Dampfcylinder hat 1m
Durchmesser, 1m,20 Hub, 0cbm,9425 Inhalt, wovon 0cbm,7539 zu erfüllen sind, zu 2k,1072 gibt 1k,589, also M = 339,5 × 1,589 = 539k,2. Hierzu bei
den Vorwalzen 85k,3, macht 624k,5 für den Gesammtdampfverbrauch.
Für 200 Stück Doppelschienen in 10 Arbeitsstunden sind also erforderlich 124 900k Speisewasser, oder in der Stunde 124 90k, wofür 124 90 : 18 = 694qm Kesselheizfläche benöthigt wird. Die Kessel
müssen groſsen Wasserraum und groſsen Dampfraum besitzen, bestehen daher nur aus
einem Hauptkessel von 1m,6 Durchmesser und 16m Länge und einem Vorwärmrohr von 1m,1 Durchmesser und 14m,16 Länge, zusammen mit 100qm
Heizfläche. Es sind also 7 Kessel und einer als Reserve, zusammen 8 Kessel für
diesen Zweck erforderlich.
Bei dieser Berechnung des Hrn. Kraft, welche durch den
factischen Betrieb mit dieser Kesselanlage als zweckentsprechend anerkannt werden
muſs, ist auffallend, daſs auf die Dampfverluste durch Condensation an den Cylinderwänden gar keine
Rücksicht genommen ist. Werden dieselben gering gerechnet auf 30 Proc. geschätzt, so
müſsten die Kessel nicht 18, sondern 23k,4
Speisewasser für 1qm in der Stunde verdampfen,
also ziemlich angestrengt werden.
Es ist anzunehmen, daſs der Zuschlag auf Dampfverluste sich durch die Stillstände der
Maschine ausgleicht. Wird die erste Maschine rund mit 600, die zweite mit 800e effectiv angenommen, so sind durchschnittlich
700e und mit Rücksicht auf die Stillstände
vielleicht nur 600e effectiv ununterbrochen in
Betrieb, für welche obige 12 490k Wasser in der
Stunde genügen, bei 0,7 Füllung ohne Condensation und ohne Dampfmantel. Es entfallen
dann bei 700qm benutzter Heizfläche 1qm,17 auf die Pferdestärke.
Die in der Rechnung gemachte Annahme, daſs die Verlängerung bei jedem Durchgang
dieselbe ist, bestätigt sich allerdings durchaus nicht. Die wirklichen
Verlängerungen betragen in den Vorwalzen:
Im
1.
Kaliber
0,03 + 0,04 + 0,08 =
0,15
„
2
„
0,10 + 0,16
0,26
„
3.
„
0,09 + 0,10
0,19
„
4.
„
0,15 + 0,36
0,51
„
5.
„
0,16 + 0,28
0,44
–––––
zusammen in 11 Durchgängen
1,55,
durchschnittlich für 1 Durchgang 0,14; in den
Entwicklungswalzen in 6 Kalibern mit je einem Durchgang:
0,30 + 0,50 + 0,50 + 0,60 + 0,55 + 1,15, zusammen 3,60,
durchschnittlich für 1 Durchgang 0,60; in den Vollendwalzen in
7 Kalibern mit je einem Durchgang:
1,20 + 1,40 + 1,80 + 1,10 + 3,00 + 4,00 + 0,80, zusammen
13,30,
durchschnittlich sind für 1 Durchgang 1,90 und in den
letzteren 13 Kalibern zusammen durchschnittlich 16,90 : 13 = 1m,3.
Mit den erfahrungsmäſsigen wahren Längen berechnet sich die Zahl N für die erste Maschine mit N = (19,340 : 2,714) × 8 = 57,0 statt 64,6 und für die zweite Maschine mit
N = (118,65 : 1,916) × 4 = 247,7 statt 320, d.h.
die wahren Werthe von N sammt Zuschlag beim Anlassen
sind bei der ersten Maschine:
N'=0,88\frac{2\,r}{c}\left[L\,(m+1)+l\,(m-1)\right]+1,5\,m
und bei der zweiten Maschine:
N'=0,77\frac{2\,r}{c}\left[L\,(m+1)+l\,(m-1)\right]+1,5\,m
Der wahre theoretische Dampfverbrauch berechnet sich hiermit
auf 77,2 + 424,5 = 501k,7 für 1 Stück, also für 20
Stück in 1 Stunde mit 10 034k, hierzu auf Dampfverluste 30 Proc. oder 3010, folgt
zusammen 13044k, nahe übereinstimmend dem früheren
Resultate. Diese Art der Rechnung dürfte nach Ansicht des Berichterstatters
wahrheitstreuer sein. Kraft führt noch an, daſs das
Schwungrad der zweiten Maschine sammt Welle 45t wiegt
und 75 Umdrehungen macht, die Zapfendurchmesser im Mittel 0m,30 betragen, also mit einem
Reibungscoefficienten φ = 0,1 der Arbeitsverlust durch
Reibung sich auf 70e beläuft. (Im Auszuge aus der
Revue universelle, 1879 Bd. 6 S.
151.)
Gustav
Schmidt.