Titel: | Ueber Neuerungen im Mühlenwesen; von Friedrich Kick. |
Autor: | Friedrich Kick [GND] |
Fundstelle: | Band 237, Jahrgang 1880, S. 195 |
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Ueber Neuerungen im Mühlenwesen; von Friedrich Kick.
(Patentklasse 50. Schluſs des Berichtes S. 105
dieses Bandes.)
Mit Abbildungen auf Tafel 10.Auf Taf. 10 Fig. 6
ist zu lesen oben der Buchstabe a1 darunter a2.
Kick, über Neuerungen im Mühlenwesen.
Die Desintegratoren oder Schleudermühlen haben sich seit Thomas Carr (vgl. 1874 211 * 102. 1879 231 * 102) unter die Verkleinerungsmaschinen der Mühlen
eingeführt, darin wohl aber erst durch spätere Verbesserungen eine namentlich für
gewisse Zwecke berechtigte Stellung erworben. Die weitgehenden Hoffnungen, welche
man anfänglich bezüglich der Leistungsfähigkeit dieser Maschinen hatte, gingen nicht
in Erfüllung und dasjenige, was man sich neuerlich von ihnen versprach, findet in Praxis auch
eine bedeutende Einschränkung, wenn auch die Resultate wesentlich bessere sind, als
wir sie erwartet hätten.
Von den hierher gehörigen neueren Patenten sind als
Desintegratoren im ursprünglichen Sinne, d.h. als eigentliche
Verkleinerungsmaschinen, die beachtenswerthen Constructionen von P. F. Bordier in Paris (* D. R. P. Nr. 4002 vom 13.
October 1877) und L. J. Bennett in Buffalo (* D. R. P.
Nr. 8530 vom 2. Februar 1879) hervorzuheben, erstere wegen der verticalen Anordnung
der Umdrehungsachsen und ihrer Lagerung und letztere wegen der leichten
Auswechselbarkeit und der eigenartigen Construction der Schlagstifte mit
aufgesetzten stellbaren Hülsen. Beide Constructionen scheinen übrigens mehr zur
Verkleinerung harter Substanzen als zur Mehlfabrikation bestimmt.
Als speciell für Mühlen bestimmte Desintegratoren, mit der ausdrücklichen Aufgabe,
das zwischen Mahlwalzen vorgequetschte Mahlgut zu lockern, zu zertheilen, traten
schon i. J. 1874 zum Theil durch Schlag wirkende Maschinen in Verwendung, welchen
man in Pest den Namen „Detacheurs“Ueber die Detacheurs von Ad. Fischer in Pest
vgl. Kick: Mehlfabrikation. 2. Auflage S.
245. beilegte. Intensiver ist die Wirkung bei den Dismembratoren von Nagel und
Kaemp (* D. R. P. Nr. 2325 vom 9. October 1877 und Zusatz * Nr. 4941 vom 4.
August 1878), einer „Maschine, um bei Luftabschluſs durch Schlagstiftscheiben
Mahlgut zu zerlegen“ – einer Anordnung, welche
ihrer Construction nach von Carr's Desintegrator sich dadurch unterscheidet, daſs
die eine Stiftenscheibe feststeht, während die zweite mit bedeutender
Geschwindigkeit (etwa 2000 Touren) rotirt. Die Lösung derselben Aufgabe bezweckt
„die Schleudermühle zum Zerstäuben der auf Walzenstühlen plattgedrückten
Griese“ von Aug. H. Martin in Neustadt a. d. Haardt (* D. R. P. Nr. 8025 vom 13. April 1879); diese Maschine wendet aber keine
Stiftenscheiben an, sondern es rotiren in einem horizontalen cylindrischen Mantel,
welcher an der Innenfläche geriffelt ist, Schlagleisten
mit etwa 700 Touren, deren Form an die Flügel der Centrifugalsichtmaschinen
erinnert. Andere, wie z.B. F. Schiffner in Obercassel
(1879 234 * 284. * D. R. P. Zusatz Nr. 8841 vom 22. Juni
1879), verwenden Schlagflügel und erhält die Maschine
ein an Ventilatoren erinnerndes Aussehen.
Alle diese Anordnungen haben eigentlich nicht die Aufgabe der Verkleinerung ganzen
Weizens oder ganzer Griese, sondern nur die der Zerlegung der bereits zwischen
Walzen gequetschten und dadurch in ihrem Zusammenhange wesentlich gelockerten Körner
oder Griese. Diese Aufgabe kann auch statt durch Schläge durch sanftes Reiben gelöst
werden. Ob der Erfolg ganz derselbe ist, sei dahingestellt; es sei aber bemerkt,
daſs Weber und Bünzli in Uster (Schweiz) und G. Daverio in Zürich (* D. R. P. Nr. 8377 vom 5. Juli
1879) eine Maschine zum
Auflösen der Griese patentirt haben, bei welcher die früher zwischen Walzen breit
gedrückten Griese zwischen Scheiben einer sanften Reibung unterworfen und dadurch
zerlegt worden. Indem einerseits in dem Dismembrator von Nagel und Kaemp, andererseits in der Maschine von Weber, Bünzli und Daverio die beiden
entgegengesetzten, für den gleichen Zweck anwendbaren Constructionsprincipe eine
gute Vertretung finden, so mögen sie im Nachstehenden in Kürze besprochen
werden.
Fig. 17
Taf. 10 stellt einen Verticalschnitt des Dismembrators
von Nagel und Kaemp vor. In der Gosse G befindet sich der Schieber v, die durch das Rädchen n stellbare Klappe
t und die Zuführwalze o. Das Mahlgut gelangt hierdurch in regulirbarer Menge in den Raum w und zwischen die mit der Achse A rotirende Scheibe a und
den breiten fixen Ring d, welche beide mit
Schlagstiften besetzt sind und zwischen denen die Verkleinerung stattfindet. Das
Mahlgut bildet gegen oben den Luftabschluſs, während die Oeffnung k mit dem Ablaufrohr des Mahlgutes in Verbindung steht.
Aus der Figur ist ersichtlich, daſs die Hauptwelle A
sehr sorgfältig gelagert ist. Um dem Treibriemen die erforderliche Spannung geben zu
können, ist die Spannrolle s angebracht, welche sammt
den Theilen l, l1 um
einen zur Welle A concentrischen Ring verstellt werden
kann, der mit dem Ständer aus einem Stücke gegossen und entsprechend abgedreht ist.
– Bei der späteren Construction (* D. R. P. Nr. 4941) bildet die rotirende Scheibe
einen Theil der Mittelwand der Maschine, ist beiderseits mit Schlagstiften besetzt,
mit welchen sie gegen zwei fixe, mit Stiften besetzte Scheiben arbeitet. Hier ist
die Scheibe in einem kreisförmigen Ausschnitt der Mittelwand gleichsam eingefügt und
ist die Theilung so erhalten, daſs beiderseits sogar verschiedenes Mahlgut
bearbeitet werden kann.
Weber, Bünzli und Daverio haben die in Fig. 18
Taf. 10 dargestellte Maschine zum Auflösen der durch
Walzenmühlen breitgedrückten Griese (* D. R. P. 8377)
eingeführt, welche als Reibungsscheiben-Detacheur bezeichnet werden könnte. Das
Mahlgut wird von a durch die Schraube b und die Flügel c
zwischen die beiden Scheiben s1 und s2 gebracht; s1 seht fest, s2 rotirt und sind diese Scheiben für Theilung des
Schrotes aus geriffeltem Hartguſs, zum Auflösen der breit gedrückten Griese aus
„elastischem“ Material angefertigt. Um den beiden Scheiben den
erforderlichen Abstand zu geben, befindet sich nächst dem Lager L1 das Handrädchen k1 (vgl. Figur
19), welches bei seiner Drehung durch das Schraubengewinde i1 zugleich eine
Verschiebung erleidet. Erfolgt diese Verschiebung gegen links, so nimmt es die
Büchse n1 mit, welche
auf den mit der Achse festen Ring r1, wirkt und so auch die Achse A gegen links zieht, daher den Abstand der beiden
Scheiben vergröſsert. Bei der umgekehrten Bewegung des Handrades
k1 hört der Druck
zwischen Büchse n1 und
Ring r1 auf und die
Achse A kann dem Zuge der Feder F (Fig. 20)
folgend gegen rechts gehen. Die Spannung dieser Feder F
kann durch Bethätigung des Handrädchens k2 vermehrt oder vermindert werden. In Fig.
20 haben die mit L2, k2, n2 und i2 bezeichneten Theile
die analoge Bedeutung, nur ist der Ring r2 lose auf der Achse A.
Daſs die Feder F auch die Gröſse des Druckes zwischen
den Scheiben bedingt, ist natürlich; denn sowie das Mahlgut die bewegliche Scheibe
von der festen zu entfernen strebt, muſs die Spannung der Feder mit den passiven
Widerständen, welche der Verschiebung der Welle entgegenstehen, überwunden werden.
In der Patentbeschreibung ist auch noch eine zweite Construction des Andruckes
angedeutet. Dieser Apparat wird ähnlich den an manchen Walzenstuhlungen angebrachten
sogen. „Sattel-Detacheurs“ wirken, aber bei richtiger Einstellung die
Kleientheile mehr schonen als die erwähnten Detacheurs.
Durch die combinirte Verwendung der
Walzen und des sogen. Dismembrators wollten
Nagel und Kaemp ein neues
Mahlverfahren
Ueber dasselbe hielt Hr. Nagel bei der 20.
Hauptversammlung des „Vereines deutscher Ingenieure“ zu Hamburg am
27. August 1879 einen Vortrag, welcher in Nr. 42 der Wochenschrift des Vereines deutscher Ingenieure abgedruckt
ist. schaffen. Thatsache ist, daſs diese combinirte Verwendung
sowohl in der Flach-, als Hochmüllerei Anwendung fand, bei ersterer mit gutem, bei
letzterer mit nicht durchaus befriedigendem Erfolge. Nagel sagt: „Bei diesem unserem Verfahren ersetzen wir die Mühlsteine
durch Quetschwalzen und Dismembratoren und das Getreide wird, nachdem es, wie
für die Gewinnung guten Mehles erforderlich, sorgfältig gereinigt wurde, auf
möglichst groſse und harte Walzen gegeben, welche durch einfachen Druck den
inneren Zusammenhang des Getreidekornes aufheben. Unter der durch den
Dismembrator erzeugten, äuſserst intensiven Schlagwirkung werden die bereits
gelockerten Theile zerlegt und dann durch entsprechende Sichtmaschinen von
einander getrennt. Man erhält hierbei als erstes Resultat: fertiges Mehl, Dunst,
Griese und Schalen. Dunst und Griese werden nach Erforderniſs in verschiedene
Sorten getrennt und geputzt, um dann, sowie die harten Schalen, abermals
gewalzt, dismembrirt und gesichtet zu werden, bis alle Korntheile zu Mehl
verwandelt und alle Schalen theile möglichst mehlfrei sind.“ Man ersieht aus
dieser Darstellung, daſs diese combinirte Verwendung von Walzen und Desintegrator
allerdings sowohl in der Hoch-, als auch in der Flachmüllerei Anwendung finden kann. Drückt man den Weizen wenig und läſst den
Dismembrator gerade nur so weit einwirken, daſs die durch den Druck geplatzten
Körner in mehrere Stücke zerlegt werden, so erhält man – nebst etwas Mehl, Dunst und
Griesen – ein Schrot, das nach Proben, welche mir
vorgelegt wurden, eine sehr schonende Einwirkung des Desintegrators oder
Dismembrators verräth, wie ich dieselbe nicht für erreichbar gehalten hätte. Wenn
man dieses Schrot dann abermals sachte walzt und dismembrirt, so erhält man ein
zweites Schrot u.s.w. Es ist also obige Combination für Hochmüllerei anwendbar.In der Victoriamühle und der Walzenmühle in Pest in Verwendung.
Betreffs der Flachmüllerei braucht dies überhaupt nicht erwiesen zu werden, da
diesbezüglich schon Carr Erfolge erzielte, wenn auch
weitaus geringere. Aber aus der Thatsache, daſs die combinirte Verwendung von Walzen
und Dismembrator in der Hochmüllerei anwendbar ist, folgt noch lange nicht, daſs
diese Anwendung auch vortheilhaft sich erweist.
Es erscheint mir unzweifelhaft, daſs obige Combination in das System der Hochmüllerei
beim Schroten und Griesauflösen nicht paſst und nur mit
Anwendung höchster Sorgfalt leidliche Ergebnisse gewonnen werden können. Der
Hochmüller will schroten mit möglichst geringer Mehlerzeugung, und es ist ganz klar,
daſs die Zertheilung des Weizens mit Schneidmaschinen und geriffelten Schrotwalzen
eine Griesentwicklung unter viel geringerer Mehlbildung zulassen muſs, als die
Anwendung von Schlägen auf ein mehr oder minder gequetschtes Mahlgut. Der Schlag
muſs kräftig genug sein, die Zerlegung der wohl aufgesprungenen, aber doch durch
gröſsere ganze Schalentheile noch zusammenhängenden Körner zu bewirken, und es ist
daher nicht anzunehmen, daſs diese Trennung mit gleicher oder gar weniger
Mehlbildung erfolgen könnte, als dies bei Anwendung richtig geriffelter Walzen zu
erreichen ist. Zudem wirkt der Schlag auch auf die Schalen, von welchen er Theilchen
absprengen wird, die das Schrotmehl verschlechtern. Ganz ähnliches lieſse sich vom
Auflösen der Griese sagen. Daſs hingegen zum Abmahlen der
Schalen und Ausmahlen geputzten Dunstes die
Nagel und Kaemp'sche Combination ganz wohl
verwendet werden kann, scheint unzweifelhaft, denn gerade für diese Operationen hat
auch der Detacheur ziemlich gute Dienste geleistet. Der Dismembrator wirkt weit
intensiver als A. Fischer's Detacheur und mag für diese Zwecke besser sein.
Wenn Nagel in dem erwähnten Vortrage sagt: „daſs wir
in Pest bei Anwendung reiner Hochmüllerei mit unseren Walzen und Dismembratoren
günstigere Resultate, bessere Mehle zu erzielen vermochten, als man selbst dort
gewohnt ist“, so kann sich dieser Satz nur auf die beim Abmahlen der Schalen
erhältlichen Hintermehle beziehen, ist aber keinesfalls auf die Auszugmehle
auszudehnen, was allein von Wesenheit wäre.
Daſs die Combination von Walzen mit dem Dismembrator in der Flachmüllerei mit gutem Erfolge mehrseitig angewendet wurde, z.B. bei Uhlhorn in Grevenbroich, Kiesekamp in Münster, Schmidt in Müllrose
u.a. (vgl. die Tabelle S. 200), kann nicht Wunder nehmen; denn einerseits
Mühle
LeistungWeizen stünd-lich (mit
Reini-gung)
Kraftbedarf zumBetriebe derganzen
Mühle(mit Reinigung)
Kohlenver-brauch stündlich
Leistung derMühle mit Reini-gung für 1e
ind.und Stunde
Leistung derMühle mit Reini-gung für
1kKohlen
Vorhandene Maschinen
Bemerkungen
Grevenbroich
k1900
e 119,38
k145
k15,8
k13,1
6 Walzenstuhlungen 4 Dismembratoren20
Centrifugal-Sichtmasch. 2 Griesputzmaschinen.
Dampfmaschine mit Condensation,System
Wannieck-Köppner.
Müllrose
1400
103
150
13,6
9,33
1 Walzenstühlung, neuer Construction N & K. 3 kleine
Walzenst. N & K 3 Walzenstuhlg. Wegmann 1 Dismembrator
630 3 Dismembratoren 4 Mahlgänge13
Centrifugal-Sichtmasch. 2 Griesputzmaschinen
Dampfmaschine mit Condensation,
Ventil-steuerung. Mehlausbeute früher 66 % undschlechtere Qualität
als jetzt. Jetzt werdengezogen 70 % gute Mehle, 3,7 % Mehl IIund
III, Procentsatz bezogen auf das unge-reinigte Getreide.
Münster
2100
130
180,33
16,16
11,16
8 Walzenstuhlungen N &K. 3
„ Wegmann 4 Dismembratoren21
Centrifugal-Sichtmasch. 2 Millot'sche Griesputzm. 3
Griesputzmaschinen
Dampfmaschine mit Condensation,
CorliſssteuerungDie Mühle leistete früher, als sie mit 7
Mahlgängen,5 Porzellanwalzen und 1 Vorquetschwalze
arbeitete,eingerechnet Reinigung, mit derselben Dampfmasch.und bei
demselben Kohlenverbrauch stündlich 1250kWeizen
Reading
1100
75
140
13,0
8,0
4 Walzenstuhlungen 3 Dismembratoren11
Centrifugal-Sichtmasch.
Dampfmaschine mit Condensation,
zwei-cylindrige Meyer'sche Steuerung.
Uhlenhorst
803
58
94
13,84
8,54
2 Walzenstuhlungen für Körner und Schalen 1
Dismembrator 6 Centrifugal-Sichtcylinder 4 Mahlgänge für
Griesver- mahlung 1 Griesputzmaschine
Dampfmaschine ohne Condensation
SystemWannieck-Köppner. Vor dem Umbau derMühle wurden 470k Weizen stündlich fertigvermahlen
bei einem Kohlenverbrauch von93k,7
und betrug demgemäſs früher dieLeistung für 1k Kohle etwa 5k Weizen.
finden sich in Norddeutschland noch viele selbst gröſsere
Mühlen von sehr primitiver maschineller Einrichtung, andererseits sind die Nagel und Kaemp'schen Maschinen constructiv so
vorzüglich ausgeführt und eine wahrhaft gute Führung der Mühlsteine so selten, daſs
es nicht sehr schwer fallen kann, auf diesem Gebiete bedeutend besseres als das
local Vorhandene zu liefern. Immerhin ist aber dieses günstige Ergebniſs ein Beweis,
daſs die Combination der Walzen mit dem Dismembrator ein weit besseres Resultat
sowohl betreffs der Qualität der Mehle, als der erforderlichen Kraft liefert, als
Carr's Desintegrator zu liefern vermocht hätte.
Nagel gibt in seinem interessanten
Vortrage zu, daſs auch in Norddeutschland „die Ansprüche an die Feinheit der
Mehle ständig wachsen“; aber er leitet das Vorhandensein der Flachmüllerei
in Norddeutschland nicht aus Ursachen des Consumes o. dgl., sondern besonders aus
der Beschaffenheit des Weizens ab. Er sagt, der weiche Weizen eigne sich zur
Griesbildung nicht und so „hat sich bei uns die Flachmüllerei ausgebildet“.
Hierauf wäre wohl zu entgegnen, daſs die Hochmüllerei aus der Wiener Gegend stammt,
wo auch nicht durchwegs harter Weizen wächst; daſs die Hochmüllerei jetzt in allen
gröſseren Mühlen Böhmens für die Weizenvermahlung in Anwendung steht, wo sehr viel
weicher Weizen vermählen wird, daſs sich die Hochmüllerei also auch für diesen ganz
wohl eignet – den ganz weichen, an Kleber armen, sogen, englischen Weizen etwa
ausgenommen, welcher überhaupt nicht gebaut werden sollte. Hiermit sei durchaus
nicht bestritten, daſs der harte Weizen Griese und besonders Dünste liefert, welche
weit härter und kugeliger sind als bei weichem Weizen, daher auch vollkommener
geputzt werden können, und daſs namentlich das Abmahlen der 4., 5. Schrote und der
Schalen bei hartem Weizen auf Walzen viel leichter gelingt als bei weichem Weizen.
Aber trotz dieser Schwierigkeiten wird auch solcher Weizen in Böhmen nach dem
Verfahren der Hochmüllerei vermählen, weil ... es die Marktverhältnisse so
erheischen. Es wäre sehr möglich, daſs die von Nagel und
Kaemp eingeführten Vermahlungsmittel sich gerade für die Ausarbeitung des
letzten Schrotes von weichem Weizen besonders gut eignen; denn diesbezüglich lassen
die vorhandenen Mittel den Müller bei solcher Frucht theilweise im Stich. Der Bau
dreier gröſserer Mühlen in Norddeutschland nach dem System von Fischer, Haggenmacher und Mechwart spricht wohl auch für unsere Auffassung.
Mahlgänge. Unter den hierher gehörigen neueren
Bestrebungen ist in erster Reihe wohl Franz Schmidt's
unterläufiger Mahlgang zu erwähnen. Derselbe wurde bereits in D. p. J. 1880 235 * 192
besprochen. Referent hält diesen Mahlgang namentlich für geeignet, bei der
Roggenvermahlung und beim Abmahlen der Weizenkleie gute Dienste zu thun; nur muſs
von der bei
oberläufigen Mahlgängen üblichen Lage der Hauschläge oder Remische abgegangen
werden, weil sonst das Mahlgut sich theilweise in den Furchen des Untersteines nach
auswärts bewegen würde, ohne auf die eigentliche Mahlbahn zu gelangen. Da der Weg
des Mahlgutes sich durch eine Curve mno
ausdrücken läſst, welche von der KreisevolventeNäheres vgl. Kick: Mehlfabrikation, 2. Auflage
S. 131 und 154. wenig abweicht, so würde eine Lage der
Hauptfurchen, wie sie Fig. 21
Taf. 10 für einen nach links rotirenden Bodenstein darstellt, dieser Anforderung
entsprechen. Die Hauptfurchen des festen Obersteines könnten parallel jenen des
Bodensteines angeordnet sein. Durch die punktirte Linie ab findet sich die für linksgängige Läufer
gewöhnlicher Mahlgänge übliche Lage der Furchen angedeutet; man ersieht, daſs der
Winkel, welchen diese Furchenlage mit der Bahn des Mahlgutes einschlieſst, so klein
ausfallen kann, daſs letzteres in der Furche wenigstens theilweise entlang
gleitet.
Auf einer interessanten Beobachtung basirt Seck's ventilirter Mahlgang „mit gleichzeitiger
Absonderung der schlechten Mehltheile“. Es erwies sich nämlich,
daſs das an den Filtern zurückgehaltene Mehl, welches gewöhnlich durch das Abklopfen
auf den Läufer fällt und zu dem übrigen Mehle gelangt, für sich abgesondert,
entschieden minderwerthig als das übrige Mehl ist. Dieser Thatsache, welcher in der
Beschreibung des Seck'schen Patentes (* D. R. P. Nr.
6317 vom 14. December 1878) wohl etwas überschwenglich Erwähnung geschieht, trägt
die Seck'sche Construction dadurch Rechnung, daſs das
Filter nicht in der Zarge des Mahlganges, sondern in einem besonderen Kasten in der
Nähe desselben angeordnet ist, welchen Kasten der Saugwind zu durchziehen gezwungen
ist. Es kann für je zwei oder drei Mahlgänge ein Kasten genügen und aus demselben
das schlechte Filtermehl (als Futtermehl verwendbar) abgezogen werden. Erhöhte
Kosten sind dadurch nicht bedingt, ja es wird sogar der Anordnung eine Ersparniſs im
Vergleich zu der üblichen Ventilation nachgesagt; aber in Bezug auf die
Feuersicherheit dürfte diese Anordnung wohl nur dann ganz unbedenklich sein, wenn
geringe Dimensionen des Filterkastens oder sonstige Sicherheitsvorrichtungen die
Wirkung einer möglichen, vom Mahlgange ausgehenden Entzündung, welche sich in den
Filterkasten forsetzen kann, ungefährlich macht. Dieser Apparat functionirt betreffs
des Abklopfens und der Fortschaffung des Filtermehles selbstthätig.
Die übrigen Patente, welche Einzelheiten des Mahlganges
betreffen, erscheinen dem Referenten nicht erwähnenswerth. Hier mag Ernst Winkler's (Breslau) Patent (* D. R. P. Nr. 6807
vom 7. Februar 1879) auf eine Schleifmaschine zum Abrichten
von Mühlsteinen berührt werden. Bei derselben werden auf einer Vorrichtung,
welche einer groſsen Scheibendrehbank mit zwei Spindelstöcken ähnlich sieht, zwei
Steine, entgegengesetzt
rotirend, an einander abgeschliffen. Mangelhaft ist diese Vorrichtung in so fern,
als beide Steine während des Schleifens stets um dieselbe Achse rotiren, jeder Punkt
des einen Steines am anderen nur eine Kreislinie beschreibt, mithin zwar beide
einander zugekehrte Flächen wohl ihrer ganzen Ausdehnung nach sich schlieſslich
berühren werden, aber statt Ebenen auch Rotationsflächen werden können.
Mehlsichtmaschinen. Seit Hüne, bezieh. Nagel und
Kaemp die Centrifugal-Sichtmaschinen eingeführt haben, sind zahlreiche
Varianten dieser Maschinen entstanden und könnten wir auch aus der neuesten Zeit
wohl ein Dutzend solcher Maschinen (* D. R. P. Nr. 7050, 6603, 6402, 6669, 6030,
8890 u.s.w.) anführen, welche bald diese, bald jene constructive Veränderung
aufweisen. Insbesondere ist es das Ineinanderschachteln zweier und selbst mehrerer
Siebcylinder, welches gepflegt wird; Referent glaubt aber, es geschehe dies mit
Unrecht, weil die Instandhaltung dieser Maschinen, bezieh. die Revision derselben,
wesentlich erschwert ist. Gerade in der Arbeitstheilung, in der Zerlegung der
Manipulationen, ist die Quelle groſser Leistungsfähigkeit zu suchen, und nur in der
Müllerei findet man immer und immer wieder das Streben, Operationen in einer
Maschine zu vereinen, z.B. Mahlen und Sichten, oder Sichten der verschiedenen
Theilproducte mit einem Apparate. Es ist dies ein Zeichen der hier noch
groſsentheils herrschenden Systemlosigkeit. Ein Umstand mag allerdings diesen
Vorgang erklären und auch theilweise rechtfertigen; es sind dies die so ungemein
verschiedenen Bedürfnisse groſser Mühlen, der Mehlfabriken und der kleinen
Lohnmühlen, der Kornmühlen, Schiff- und Windmühlen u. dgl. Für solche kleine Mühlen
kann allerdings, aus Ursachen des Raumes, eine Vereinigung z.B. mehrerer
Sichtcylinder in einander zweckmäſsig sein. Diesbezüglich wäre auf die Construction
von Ferd. Feistel in Berlin (vgl. 1877 226 349. * D. R. P. Nr. 6402 vom 5. März 1878 und Zusatz
* Nr. 6669 vom 10. November 1877) allerdings aufmerksam zu machen.
Daſs Moritz Martin, dessen ausgezeichnet functionirender
Graupengang (vgl. 1877 225 * 547. * D. R. P. Nr. 2050 vom
8. December 1877) bekannt ist, die intermittirende Beschüttung auch bei Sichtmaschinen (* D. R. P. Nr. 9190 vom 17. Mai 1879)
anwenden will, scheint ebenfalls eine Verirrung zu sein. Das Bearbeiten von
getrennten Partien von Mahlgut hat doch nur Sinn, wenn durch ununterbrochene Arbeit
diese nicht tadellos zu erzielen ist, hier also, wenn man fürchten muſs, daſs eine
unvollkommene Sichtung eintritt. Nachdem es aber erwiesen ist, daſs durch richtige
Anordnung von Sortir-, Mehl-, Dunst- und Griescylindern ein gutes Sichten möglich
ist, erscheint die intermittirende Beschüttung nicht erforderlich und der durch sie
bedingten Complication des Mechanismus wegen verwerflich.
Sichtmaschinen mit Bürsten
(Bürstensiebe) hat man längst verlassen, weil das Mehl hierdurch miſsfärbig wird.
Albert Zipser in Krakau, bekannt durch seine gute
Weizenschneidmaschine (1878 228 * 407), hat dennoch
hierauf zurückgegriffen und eine verticale
Mehlsichtmaschine (* D. R. P. Nr. 4327 vom 15. Mai 1878) construirt, welche
aus einzelnen Abtheilungen besteht, durch deren rotirende Siebböden das Mehl mittels
Bürsten durchgebürstet wird, um durch Streifbleche in der Richtung gegen die Achse
entfernt zu werden; diese Maschine entbehrt der Berechtigung.
Griesputzmaschinen. Obwohl auch in
diesem Zweige der Müllereimaschinen mehrere neue Patente vorliegen – zumeist
Varianten der Centrifugal-Griesputzmaschinen nach Buchholz und Doswald, z.B. Oscar Oexle's Putzmaschine (* D. R. P. Nr. 8803 vom 1.
Mai 1879), Theodor Bühlmann's Gries- und
Dunstputzmaschine (* D. R. P. Nr. 9221 vom 4. Juni 1879) –, so ist doch nur eine
interessante und auch beachtenswerthe neue Idee zu verzeichnen: Kingsland Smith's Griesputzmaschine mit Verwendung der
Reibungselektricität.
Es klingt für den ersten Augenblick etwas befremdend, daſs eine mit
Reibungselektricität geladene Masse gerade die Kleietheilchen anziehen soll, denn es
findet bekanntlich ebenso wohl die Anziehung von Papier-, Holzstückchen u. dgl.
statt. Aber es beruht die Wirksamkeit der Maschine, Construction von Smith und Osborne, auch
nicht auf der Wirkung der Elektricität allein, sondern auf dem Zusammenwirken der
rüttelnden Bewegung und eines nach Cabanes' Princip von
unten wirkenden Luftstromes, welcher die Kleietheilchen gegen die Oberfläche der
Griesmasse treibt, mit der Anziehung, welche ein elektrisch gemachter Körper gegen
diese obersten Theilchen äuſsert. Eine Hartgummiwalze, durch Reibung elektrisch
gemacht, zieht die an die Oberfläche gelangten Kleietheilchen gemischt mit Griesen
an und entfernt dieselben. Von der Möglichkeit guter Wirkung kann man sich leicht
dadurch überzeugen, daſs man ungeputzten, feinen Gries
auf ein Brettchen gieſst, durch rüttelnde Bewegung die leichtere Kleie vorwaltend
gegen oben bringt und hierauf durch Annäherung einer elektrisch gemachten
Hartgummiplatte einen Theil der an der Oberfläche liegenden Theilchen abhebt. Durch
Wiederholung dieser einfachen Manipulation wird man bald zu zwei Sorten von Griesen
gelangen, dem reineren, am Brettchen liegen gebliebenen Griese und dem durch
wiederholtes Abstreifen von der Hartgummiplatte gesammelten, unreinen Griese.
Betrachten wir nun Smith und Osborne's Maschine nach einer dem Miller,
1880 Bd. 6 S. 174 entnommenen Abbildung Fig. 22
Taf. 10. Der zu putzende Gries gelangt in den Kasten C,
welcher von der Welle a durch die Excenter- oder
Kurbelstange b eine rüttelnde Bewegung empfängt. Von
derselben Welle ist ein kleiner Windflügel t
bethätigt, welcher durch das Sieb n einen
Luftstrom von unten gegen den Gries treibt und hierdurch die Absonderung der
Kleietheilchen an der Oberfläche befördert. Der Kasten C ist durch einen Quersteg c in zwei Räume
getheilt, welche jedoch durch einen engen Spalt zwischen Boden und Steg mit einander
in Verbindung stehen. Durch diesen Spalt tritt der bessere Gries aus der ersten
Abtheilung in die zweite über, um endlich auch diese durch einen am Boden
angebrachten Spalt zu verlassen. Ueber jeder Abtheilung des Rüttelkastens befindet
sich eine Hartgummiwalze w1 bezieh. w2,
welche in der Richtung des Pfeiles rotirt und deren Oberfläche durch ein Reibzeug
r1 bezieh. r2 mit Elektricität
geladen wird. Die oben liegenden Gries- und Kleietheilchen werden dadurch angezogen,
haften an den Walzen, werden nach aufwärts gehoben und endlich vom Reibzeug
abgestreift, wodurch sie gegen die Mulde n1, n2 oder das endlose Transportband t1, t2 fallen. Die
Theilchen, welche an der ersten Walze w1 haften bleiben, werden mehr Kleie enthalten, als
jene von der zweiten Walze w2; sie entsprechen daher einem Ueberschlag minderer Sorte.
Wenn auch die Maschine derzeit noch in constructiver Beziehung manches zu wünschen
übrig läſst und schon aus diesem Grunde von einer Beschreibung der
Bewegungsmechanismen abgesehen werden kann, so ist doch das Princip sehr
beachtenswerth. Für grobe, harte Griese wird wohl stets die Sonderung durch bewegte
Luft allein nicht nur genügend, sondern vorzüglicher sein. Es gibt aber gewisse
namentlich weiche, feine Griese (Dünste), welche sich schwer putzen lassen, und
obwohl hierin die Centrifugal-Griesputzmaschinen mit Saugwind, namentlich Haggenmacher's sogen. Kesselmaschine (1879 231 * 303), Vorzügliches leisten, so ist es wohl möglich,
daſs der von K. Smith angeregte neue Weg hierin besser
zum Ziele fuhrt. Cabanes' Maschine gehört unstreitig zu den vorzüglichen
Griesputzmaschinen; aber es fehlt bei ihr ein Mittel zur schärferen Trennung der
oben am Sauberer sich absondernden Theile von den unteren, schwereren, und dieses
Mittel ist durch K. Smith gefunden. Allerdings wird die
Handhabung dieser Maschine etwas mehr Aufmerksamkeit erheischen, selbst wenn sie
constructiv vollkommen ausgebildet ist; denn die Wirkung der Reibungselektricität
ist auſserordentlich abhängig vom Feuchtigkeitsgehalt der Luft und es muſs daher die
Intensität der Wirkung des Reibzeuges derselben leicht angepaſst werden können. Ein
weiteres Bedenken drückt sich in der Frage aus: Wird die Leistungsfähigkeit dieser
Maschine mit den bekannten Griesputzmaschinen in erfolgreiche Concurrenz treten
können? Trotz dieser Schwierigkeiten und Zweifel erscheint K. Smith's Idee weiterer Versuche würdig.
Zum Schlüsse mögen noch die Mehlmischmaschinen von Adolf Hardt und Friedr. Schulten in Köln (* D. R. P. Nr. 5690 vom 3.
September 1878) und von
Rud. Gawron und L.
Rappaport in Gleiwitz (* D. R. P. Nr. 7294 vom 17. April 1879) erwähnt
sein. Bei ersterer fallen die zu mischenden Mehlsorten durch zwei neben einander
befindliche Gossen den Speisewalzen zu, die das Mehl an rotirende Bürsten abgeben,
welche die Mengung bewirken; bei der letzteren wird ein cylindrischer Kasten mit dem
zu mengenden Mehle gefüllt und eine Schneid- und Mischscheibe bewegt sich, durch
eine Schraube vorwärts gedrückt, gegen die Mehlmasse und schneidet von derselben
gleichsam Blätter ab, die in das Innere der Mischscheibe gelangen, aus welcher das
Mehl gemengt in den Ablauf tritt.